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Rom sehen und

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10.10.2006
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Rom sehen und

Ich sollte nicht hier sein.
Das Ziel riecht nach Rosen, blättert in einer Gazette, nippt an einem Cappuccino, wischt sich den Schaumbart von der schmalen Oberlippe.
Es könnte meine Tochter sein.
Sie kramt in ihrer Handtasche.
Das ist mein Zeichen.
Ich wuchte mich aus dem Plastikstuhl. Mein Bauch stößt gegen das Tischchen und bringt das unberührte Glas Wasser zum Schlingern. Aber es fällt nicht.
Gehe zu ihr wie alte Männer gehen. Sie hält eine lange Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger. Ich klappe das goldene Feuerzeug auf. Und sie lächelt mich an.
Natürlich denkt sie nicht, dass ich ihr Vater sein könnte. Und sie denkt auch nicht, dass ich ihr Mörder sein könnte.
Ich schirme die Flamme mit einer Hand ab, obwohl die Luft steht. Für einen Moment verstummen die Vespas, die Mobiltelefone und die Menschen um uns herum. Es ist immer ruhig, wenn etwas Wesentliches geschieht.
Das Ziel zieht an der Zigarette.
Vielleicht merkt das Ziel, dass die Zigarette ein wenig anders schmeckt. Vielleicht denkt das Ziel, es läge an dem fremden Feuerzeug. Vielleicht ahnt das Ziel etwas.
Aber wahrscheinlich nicht.
Ich deute eine Verbeugung an, setze mich an meinen Tisch, zahle Minuten später und steige in ein Taxi.
Ich sollte nicht hier sein.

Van der Ley hat mir versprochen, Rom sei das letzte Mal.
Schauen Sie sich die Stadt an, hat er gesagt. Machen Sie sich doch ein paar schöne Tage, hat er gesagt. Haben es sich verdient, hat er gesagt. Rom im Herbst ein Gedicht, hat er gesagt.
Bon Chance. Hat er gesagt.

Ich lege meinen Pass auf die Rezeption und verlange ein Zimmer. Der Concierge schaut auf einen kleinen Bildschirm vor sich, streichelt sein fransiges Kinnbärtchen, gleicht mein Gesicht mit dem Passbild ab, stellt mir ein paar Fragen und reicht mir einen Schlüssel.
Ich werfe einen Blick auf den Schlüssel in meiner Hand und mache ihm dann auf Englisch klar, dass die Dreihundertsieben schon immer meine Unglückszahl gewesen sei. Bekomme die Vierhundertelf.
Schnell.
Viel zu schnell.
Er hat keine Sekunde gezögert. Hat nicht in seinem Computer nachgesehen, ob Reservierungen vorliegen. Er wirkt auch gar nicht mehr wie ein Italiener. Jetzt, wo er mich mit dünnem Lächeln mitleidig anstarrt –jetzt würde ich auf Albaner tippen.
Wenn sie wissen, dass ich das früher schon so gemacht habe mit der Unglückszahl? Und wenn sie wissen, dass ich annehme, dass sie das wissen?
Denk an Sand, alter Mann. Denk an Sand.
Ich sage dem Concierge, er solle mir doch die Dreihundertsieben geben und entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten.

Fahrstuhl oder Treppe?
Im Fahrstuhl hat es Frost erwischt, vor zwei oder drei Jahren. Einfach heruntergesaust. Kein schöner Anblick.
Ich habe die Fotos gesehen.
Ich habe alle Fotos gesehen.
Also die Treppe, aber auch da natürlich Akten. Brobowski im Herbst achtundachtzig. Tot im Treppenhaus mit einer Flasche Jack Daniels im Arm. Aber nicht an Leberzirrhose gestorben, sondern an einer Herzpunktur. Damals waren diese unterarmlangen Stahlnadeln gerade in Mode gekommen. Wenigstens ein offener Sarg und es ist schnell vorbei.
Die gute, alte Zeit.
Ich ziehe eine Münze aus meiner Brieftasche. Lege sie auf meinen Daumen und schnippe sie in die Luft. Das erste Mal seit Jahren.
Kopf gewinnt, also der Fahrstuhl.

Das Licht zählt langsam runter. Wie ein privater Countdown. Die Tür schiebt sich zur Seite. Ein fetter Mann starrt mich an. Aus kalten Augen.
War es das?
Er trägt einen dunklen Anzug und macht einen Schritt auf mich zu. Seine Augen wandeln sich zu Stundengläsern.
Der Mann schiebt sich an mir vorbei und murmelt wütend etwas, das ich nicht verstehen kann.
Ich rieche sauren Schweiß, sage „Scusi“, betrete den Fahrstuhl und drücke auf die „Drei“.
Es ist gut, dass ich nicht die Vier genommen habe. Im Japanischen ist das Wort für „Tod“ gleich lautend mit dem für „Vier“.
Ich presse mich an die Wand. Der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Wenn ein Fahrstuhl abstürzt, dann kann man dem Tod entgehen, wenn man kurz vor dem Aufprall hochspringt.
Ich muss lächeln. Über diesen zwanzig Jahren alten Scherz.
Sand und ich hatten viele solcher Scherze.
Wenn ich das hier überlebe, werde ich ihn besuchen.

Die Tür öffnet sich.
Hotelflur. Kennt man einen, kennt man alle. Eine verblühte Schönheit in schwarzer Mädchenuniform steht vor einem Tischchen und tauscht Lilien aus. Vielleicht ist es auch für sie das letzte Mal. Vielleicht hat man auch ihr gesagt, Rom im Herbst ein Gedicht.
Sind die Lilien wirklich welk?
Ich gehe auf sie zu. Aufrecht, so weit ich es noch kann. Der rote Teppich schluckt meine Schritte. Trotzdem muss sie mich doch bemerken. Aber sie hantiert weiter an der Vase herum. Wie lange dauert es denn, Blumen auszutauschen?
Mein Magen macht eine Faust. So muss sich ein Magengeschwür anfühlen. Oder Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Ich bin neben und hinter ihr. Ihr Rücken ist schlank. Ein Leberfleck thront in ihrem Nacken - genau unter der weißen, perfekten Schlaufe ihres Kleids. Nur jemand, der neu im Hausmädchen-Geschäft ist, gibt sich so viel Mühe, eine Schlaufe zu binden.
Sie zittert nicht. Für sie ist es Routine.
Ich will stehen bleiben, will sie an der Schulter packen, will sie herumreißen. Will sie anschreien, mir dabei doch wenigstens ins Gesicht zu sehen. Will sie anflehen, zumindest eine Nadel zu benutzen. Dann bin ich an ihr vorbei.
Es wäre auch eine Premiere gewesen.
Über Hotelflure hab ich in den letzten achtzehn Jahren keine Akte gesehen.

Ich drehe den Schlüssel im Schloss, ziehe die Tür auf, schlüpfe durch den Spalt, sacke zusammen, schließe dabei die Tür mit meinem Rücken und kauere mich hin. Meine Hände umklammern meine Knie.
In Sicherheit. Denk an Sand. Niemand weiß, dass du hier bist, alter Mann.
Das Zimmer. Standardisiert. Kommode mit Fernseher. Ein Tisch, zwei Stühle, ein Doppelbett. Ein großes Panoramafenster und einer dieser arabischen Teppiche mit den seltsamen Symbolen, die alles bedeuten könnten oder nichts.
Das Fenster. Scharfschützen. Ich drücke mich vom Boden hoch, torkle mit weichen Knien zum Licht und kurble die Jalousie herunter. Dunkelheit. Aber was, wenn sie Wärmekameras haben?
Ich bin zu müde und zu alt. Das hier ist mein Untergang. Ich spüre es.
Werde hier nichts anfassen. Gar nichts. Um mich herum Dunkelheit und Todesfallen.
Lichtschalter gekoppelt mit einem Giftgasauslöser. Paris, vierundneunzig, Del Homme.
Im Fernseher eine kleine Bombe. La Paz, zweitausendzwo, Palmer.
Die Matratze mit einem Kontaktgift behandelt. Duisburg, Roethlisberger, erst vier Monaten her.
Denk an Sand. Niemand weiß, dass du hier bist.
Nervengas durch die Ventilation. Ein Dauerbrenner. Pennigton, neunzig, und sein Zwillingsbruder, dreiundneunzig, in Adelaide und Toronto. Vielleicht auch in Vancouver. Wer soll sich das alles merken? Die Akten über Hotelzimmer bevölkern drei Leitz-Ordner in meinem Büro. Mein Büro.
Es ist verrückt. Man kann nicht jemanden zwanzig Jahre in ein Büro stecken und ihm nur Akten geben, Akten mit Leichen und ihm dann sagen, Rom ein Gedicht. Niemand kann das von mir verlangen.
Ich lege mich auf den Teppich.
Meine Hand tastet nach dem Feuerzeug in meiner Tasche. Früher habe ich auch geraucht. Wie geht es ihr gerade? Magenschmerzen? Spuckt sie schon Blut? Nicht daran denken.
Der alte Trick. Du bist eine Insel. Du bist der einzige mit Gefühlen. Die anderen denken nicht, die anderen fühlen nicht. Die anderen handeln nur. Ohne Innenleben.

Ich gehe durch den hell beleuchteten Korridor an Türen vorbei. Es riecht nach Äther. Ich öffne eine der Türen. Sand sitzt auf einem Bett und singt ein Kinderlied über Spiegel. Ich mache einen Schritt auf ihn zu und er beginnt, zu schreien. Drückt sich an die Wand, zieht sich die Bettdecke über den Kopf.
Ich rede auf ihn ein, spreche von früher, flehe ihn an, mich doch zu erkennen. Doch er schreit und brabbelt von Spiegeln.
Ich werde wütend, schreie nun auch. Er muss mich doch erkennen. Nach all den Jahren. Ich reiße ihm die Bettdecke vom Kopf. Und starre in mein Gesicht.

Ich stehe vor dem Spiegel und rasiere mich. Der Trockenrasierer summt satt. Jetzt noch das Aftershave. Man muss gut sein zu alter Haut. Ich nehme das goldene Fläschchen, schütte mir ein paar Tropfen auf die Handflächen. Sie kribbeln. Ich klatsche mir die Hände ins Gesicht. Etwas beißt in meine Wangen. Im Spiegel sehe ich, wie Hautfetzen aus meinem Gesicht und von meinen Händen fallen und den Blick auf ein Skelett freigeben. Mein Mund öffnet sich.

Und ich wache von meinem eigenen Schrei auf.
Mein Herz wummert. Ich will mich aufrichten. Mein Rücken macht da nicht mehr mit. Ich atme ein und aus. Ein und auuuus. Ein und auuuuuus.
Säure im Aftershave. Hast ja doch eine kreative Ader, alter Mann.
Ich höre in der Dunkelheit meinen eigenen Atem. Und meinen Herzschlag. Ich sollte nicht hier sein.
Sie ist bestimmt schon tot. Am eigenen Blut erstickt. Auflösung der inneren Organe. Keine äußeren Mängel. Gutes Foto. Ob sie jemanden hat, der um sie trauert?
Einen alten Vater, dem es das Herz bricht?
Alter Mann. Du bist eine Insel.
Es ist gar nicht so schwer, kreativ zu sein. Die Sache mit den Zigaretten ist ein alter Hut. Das Feuerzeug nur eine Variation davon. Man hat es mir auch erklärt. So ein junger Spund, gleich von der Uni in den Orden. Durch die blaue Flamme des Feuerzeugs versteckt: ein farb- und geruchloses Gas, das sich auf die Spitze der Zigarette legt und dann durch das Rauchen eingeatmet wird und …
Ich rieche etwas. Etwas anderes als meinen Schweiß. Nur ganz leicht. So etwas wie Ammoniak. Verwesungsgase vielleicht. Träume ich? Es riecht aber nicht so stark wie eine Leiche. Mehr wie ein alter Kühlschrank, in dem jemand ein gutes Steak vergessen hat.
Jemand pocht an die Tür meines Zimmers. Ich höre eine Mädchenstimme. Sie lacht.
Mein Herz schmerzt. Hat man mich auch?
In meinem Hinterkopf spüre ich ein Ziehen. Etwas drückt gegen mein Hirn. Von Innen.
Habe ich mich schon früher so gefühlt? Früher?
Da habe ich eine Zigarette geraucht und bin nach Hause geflogen. Den anderen passierten diese Dinge, aber nicht mir.
Die Unsterblichkeit der Jugend. Das Resultat ihrer … ihrer Jugend, ihrer Unerfahrenheit, ihrer Unschuld.
Ich sollte nicht hier sein. Was mache ich hier? Ich sterbe.
Weg hier, nur weg. Weg aus diesem Totenzimmer, weg aus dieser Totenstadt.
Ich flüchte.

Gewirr aus Menschen um mich herum. Unter mir ein harter Plastiksitz. Eine verzerrte Frauenstimme ruft Flüge auf. Ich habe es geschafft. Ich bin im Licht.
Neben mir zwei alte Damen. Alt? So alt wie ich.
Reden auf Deutsch über das Kolosseum. Rom müsse man gesehen haben. Da hätten schon alle recht. Obwohl die Vespas schon ein Ärgernis seien. Die führen auch alle wie die Bekloppten. So etwas gäbe es zu Hause nicht. Venedig sei aber auch nicht schlecht. Es rieche nur so komisch.
Ich werde Sand besuchen. Gleich morgen. Und dann Van der Ley. Was er sich überhaupt denke? Ob er mich loswerden wolle? Ob er vielleicht den anderen gesagt habe: Da ist dieser alte Mann, der ist in Rom, kümmert euch doch mal um den.
Mein Mund ist trocken, aber mein Herz schlägt ruhig. Ich sollte nicht hier sein, aber ich bin es nun mal.
Die alte Dame mit blauem Haar neben mir raucht eine Zigarette. Ich drehe mich zu ihr und frage, ob ich eine schnorren könne. Wolle auf meine alten Tage, meinen vielen Lastern ein neues hinzufügen. Sie sagt „junger Mann“ zu mir. Und wir ringen uns beide ein gekünsteltes Lächeln ab.
Sie bietet mir Feuer an. Aber ich nehme mein eigenes.
Dann schaut sie ganz irritiert, weil ich aus vollem Halse lache.

 

Hallo Quinn,

hat mir stellenweise ausgezeichnet gefallen, stellenweise nur gut. in jedem Fall gerne gelesen. Dein Schreibstil liest sich flüssig, die Gedankenwelt deines Prots sehr lebendig und nachfühlbar geschildert. Hat mich auf jeden Fall gefesselt.
Mit dem Ende jedoch bin ich nicht so wirklich zufrieden. Das will mir nicht zu der sonst so nachvollziehbaren Handlung passen.
Absicht? Wo er sich doch so auf ein Wiedersehen mit Sand freut? Selbstmord will nicht so recht passen, nein.
Unachtsamkeit?
Will noch viel weniger passen, für einen alten Hasen wie ihn. Vor allem, wenn ihm zuvor noch ein anderes feuer angeboten wird. Vergessen käme vielleicht in einer hektischeren Situation glaubhaft, so jedoch nicht.
Vielleicht gibt es noch eine dritte Variante, auf die ich nicht gekommen bin?

Was mir besonders gefallen hat, sind die Auflistungen der getöteten Killer. Klingt nicht nach Effekthascherei, sondern passt einfach nahtlos rein.

Wortauslassung:

Dann bin ich an ihr vorbei.

grüßlichst
weltenläufer

 

weltenläufer schrieb:
die Gedankenwelt deines Prots sehr lebendig und nachfühlbar geschildert.
Hey Weltenläufer,
vielen Dank, gerade der Punkt war mir wichtig.
Das Ende könnte ein Problem darstellen, das nehme ich mir zu Herzen. Es war als ein Ende gedacht, das zum Grübeln einlädt und anregt. Vielleicht habe ich es dann überzogen.

Das ausgelassene Wort hab ich eingefügt.

Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

gute Geschichte, in genau dem lakonischen Stil verfasst, der mir gefällt und der mich gut durch die handlung führt. Ich war dicht dran am Prot, an seinem "Verfolgungswahn", der stetigen Angst, in irgendeine jener Fallen zu tappen, die er selbst alle kennt und meist auch schon angewendet hat.

Tolles "Drumherum", immer nur knapp und mit präzisen Worten angedockt, das hat mir gefallen, das atmet echte Atmosphäre. Der gute alte Sand.

Ich finde das Thema trotz seiner klassischen Ausrichtung erfrischend umgesetzt, vielleicht liegt es aber daran, dass ich nicht so viel von dieser Materie kenne. Sprachlich ist mir nichts gegen den Strich gegangen.

Edit: Ich bin ein Depp, hatte des Ende erst gar nicht richtig geschnallt und eine völlig andere Interpretation geliefert. Das kommt davon, wenn man eine solche KG in zwei Etappen liest.

Dennoch: Das Ende (Jetzt hab auch ich es kapiert!). Finde ich originell. Das hat (immer noch) was. Und es bleibt offen, ob er das wollte oder ob es am Ende ein Versehen war.

Sehr gern gelesen"

Grüße von Rick

 

Hallo Quinn,

auch mir hat deine Geschichte und dein Stil gefallen, wie du die Gedanken schilderst und vor allem wie du schön Spannung aufbaust.

Der Mittelteil war für meinen Geschmack etwas zu nervig. Du zählst einige Male auf, vor was er sich fürchtet. Das war für mich aber zu viel. Nach drei Dingen hab ichs dann auch kapiert, dass er Angst hat, besser gesagt, schon paranoid ist. Würde das Zimmermädchen einfach weglassen. Das was vorher steht, reicht vollkommen.

Das Ende hab ich einfach mal so interpretiert, das er aus Unachtsamkeit sein eigenes Feuerzeug nimmt, hat mir auch gefallen.

Was mich nur ein wenig gestört war, dass der Mann sich in Rom so unwohl fühlt. Warum sollte er nicht hier sein? Warum die Läuterung? Vorher scheint es ihm ja auch nichts ausgemacht haben ein Killer zu sein. Da noch eine kleine Erklärung, warum er das nicht mehr tun möchte.

Aber ansonsten: Gut Geschichte - gerne gelesen.

lg neukerchemer

EDIT: Ach ja, magst du mir vllt den Titel erklären. Warum kommt nach dem und nichts mehr? Fehlt da noch was? Oder wolltest du es offen lassen? Dann würde ich schreiben: Rom sehen und ...

 

Rick schrieb:
Edit: Ich bin ein Depp, hatte des Ende erst gar nicht richtig geschnallt und eine völlig andere Interpretation geliefert. Das kommt davon, wenn man eine solche KG in zwei Etappen liest.

Dennoch: Das Ende (Jetzt hab auch ich es kapiert!). Finde ich originell. Das hat (immer noch) was. Und es bleibt offen, ob er das wollte oder ob es am Ende ein Versehen war.

Hey, Rick.
Ich fand das gar nicht so blöd. Also mit ein bisschen Phantasie kann man es auch so lesen, wie du es zuerst gelesen hat, dass er eben nicht an der Zigarette zieht, sondern das "ich nehme mein eigenes" nicht für "ich nehme mein eigenes Feuerzeug und zünde mir die Zigarette damit an", sondern für "ich nehme mein eigenes Feuerzeug in die Hand" steht.
Ich wollte das bewußt ein wenig offen lassen.
Dein Kompliment hat mich sehr gefreut, vor allem nachdem deine letzte Kurzgeschichte so einen Eindruck bei mir hinterlassen hat.

Hey, neukerchemer,

ja mit dem "zu viel" ist das immer so eine Sache. Natürlich dient die Passage mit dem Hausmädchen demselben Zweck wie die mit dem Fahrstuhl und die an der Rezeption. Da es aber eigentlich eine recht melancholische Geschichte ist, die ohnehin schon recht knapp erzählt ist, wollte ich diesem ganzen Aspekt größeren Raum geben und die Paranoia weiter betonen -ich finde es persönlich auch eine recht hübsche, kleine Szene und mag die mit dem Hausmädchen von den geschilderten eigentlich am liebsten.

Ich dachte, warum er anfängt, sich "unwohl" zu fühlen, ginge aus dem Text hervor. Er ist eben "20 Jahre" aus dem Geschäft und wurde sich -durch den Umgang mit den Akten- seiner eigenen Sterblichkeit bewußt und ist eben auch ein anderer Mann als vor langer Zeit. Vielleicht muß ich hier noch deutlicher werden, dass er so lange aus dem aktiven Geschäft ist.

Zum Titel: Der Satz heißt eigentlich "Rom sehen und sterben". Wenn ich stattdessen "Rom sehen und ..." geschrieben hätte, hätte es von Anfang an nahegelegt, dass der Protagonist am Ende stirbt. Von daher ist das Weglassen dieser Punkte -die zu setzen eigentlich üblich gewesen wäre- schon bewußt geschehen. Außerdem mag ich einfach keine Pünktchen, Pünktchen im Titel. ;) Das hat immer sowas Pro7-Thriller-mäßiges. Und dieser Schublade hält der Text nicht Stand, weshalb ich ihn auch hier im Ghetto gepostet habe. ;)

Ich habe mich sehr über eure Kritik gefreut
Quinn

 

hallo quinn

eine richtig coole geschichte. die idee mit dem feuerzeug finde ich richtig gut, ja schon fast orginell.:D
über dein stil brauchen wir jetzt nicht zu reden. liest sich wie immer sehr gut und passt wieder mal zu der geschichte.
meine lieblingsstelle ist das hier:

Ich sollte nicht hier sein.
Das Ziel riecht nach Rosen, blättert in einer Gazette, nippt an einem Cappuccino, wischt sich den Schaumbart von der schmalen Oberlippe.
Es könnte meine Tochter sein.
Sie kramt in ihrer Handtasche.
Das ist mein Zeichen.
Ich wuchte mich aus dem Plastikstuhl. Mein Bauch stößt gegen das Tischchen und bringt das unberührte Glas Wasser zum Schlingern. Aber es fällt nicht.
Gehe zu ihr wie alte Männer gehen. Sie hält eine lange Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger. Ich klappe das goldene Feuerzeug auf. Und sie lächelt mich an.
Natürlich denkt sie nicht, dass ich ihr Vater sein könnte. Und sie denkt auch nicht, dass ich ihr Mörder sein könnte.
Ich schirme die Flamme mit einer Hand ab, obwohl die Luft steht. Für einen Moment verstummen die Vespas, die Mobiltelefone und die Menschen um uns herum. Es ist immer ruhig, wenn etwas Wesentliches geschieht.
Das Ziel zieht an der Zigarette.
Vielleicht merkt das Ziel, dass die Zigarette ein wenig anders schmeckt. Vielleicht denkt das Ziel, es läge an dem fremden Feuerzeug. Vielleicht ahnt das Ziel etwas.
Aber wahrscheinlich nicht.
Ich deute eine Verbeugung an, setze mich an meinen Tisch, zahle Minuten später und steige in ein Taxi.
Ich sollte nicht hier sein.
also der anfang. die frage oder besser gesagt, diese aussage blieb für mich unaufgeklärt. warum sagt er das?

was mir weniger gefiel, war, wie schon von neuker... angemerkt, der teil mit dem dienstmädchen. haben die lilien eine besondere bedeutung für die geschichte oder verlängern sie die geschichte nur unnötig. ich würd den teil rauslassen oder kürzen.

das ende ist okay, aber nicht in ordnung für so eine geschichte. da müsste am ende noch mal so ein knaller sein.
aber die vergesslichkeit finde ich auch nicht schlecht. er sagt ja auch die ganze zeit zu sich, alter mann. von daher wäre das passabel.

cu J:baddevil:

 

JoBlack87 schrieb:
haben die lilien eine besondere bedeutung für die geschichte oder verlängern sie die geschichte nur unnötig. ich würd den teil rauslassen oder kürzen.
Soll ich mal richtig rumstreben?
http://de.wikipedia.org/wiki/Lilien
Im Christentum galt die Lilie so bis ins Mittelalter als heidnisch konnotiert, erst dann wurde über den Umweg der biblischen Susanna (von hebräisch „Shushan“ = "die Lilie"), die als Vorläuferin Mariens gilt, die „Madonnen-Lilie“ zum Symbol der Reinheit in der christlichen Formensprache. [...] Immer galt sie aber auch als Symbol des Todes, als Blume von reinem Weiß verkörperte sie zusammen mit der Rose die Farben der Schönheit, Weiß und Rot.

Aber okay, okay. Ich sehe schon, bei dem Zimmermädchen ist wieder meine pubertäre Fixierung auf Frauen in Uniform durchgeschlagen. :Pfeif:

das ende ist okay, aber nicht in ordnung für so eine geschichte. da müsste am ende noch mal so ein knaller sein.
Hmm, schwierig, weil mir nichts besseres einfällt und ich die Geschichte mit diesem Ende konzipiert habe. Vielleicht wenn mich eine (uniformierte) Muse küsst.

die idee mit dem feuerzeug finde ich richtig gut, ja schon fast orginell.
Joar, was Q kann, kann ich schon lange. :)

Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.
Quinn

 

Hallo Quinn,

ich muss schon sagen: du hast eine wunderbare Schreibe. Das hat Kraft und zieht den Leser in Bann. Einfach geil, dich zu lesen. Viele schöne Details, viel, das zwischen den Zeilen steht - tauglich für mehrmaliges Lesen.

Trotzdem läßt mich deine Geschichte etwas unbefriedigt zurück. Vielleicht solltest du das Ende besser ankündigen und klarer herausarbeiten, warum es sein Ende ist.

Mit dem Ende jedoch bin ich nicht so wirklich zufrieden. Das will mir nicht zu der sonst so nachvollziehbaren Handlung passen.
Absicht? Wo er sich doch so auf ein Wiedersehen mit Sand freut? Selbstmord will nicht so recht passen, nein.
Unachtsamkeit?
Will noch viel weniger passen, für einen alten Hasen wie ihn. Vor allem, wenn ihm zuvor noch ein anderes feuer angeboten wird. Vergessen käme vielleicht in einer hektischeren Situation glaubhaft, so jedoch nicht.
Vielleicht gibt es noch eine dritte Variante, auf die ich nicht gekommen bin?

Da gehts mir ähnlich, wie weltenläufer.

Trotzdem: Allein das Lesen war Genuß.

Grüße
Quidam

 

Das gibt mir jetzt doch zu denken, Quiddy. Dass du dich durch 30 Kapitel meines Manuskripts wühlen kannst (van der Ley!) und dann noch nicht mal meine Schreibe in einer Kurzgeschichte erkennst. ;)

Ja, das Ende. Ich schau nochmal, ob mir was einfällt.

Gruß und vielen Dank für deine Kritik
Quinn

 

Jetzt nicht, oder? :D

Wenn du wüßtest, wen und in welcher Situation ich diese Kg vorgetragen habe, da würdest du verstehen, dass ich da wenig auf Vergleichsmöglichkeiten geachtet hab. Übrigens empfinde ich die Stile nicht ähnlich.

Grüße
Quidam

 

Hi Quinn

Der Stil bringt mich oft raus, weil ich den Satz weiterlesen will, und dann ist schon der Punkt da. Aber das ist eine Sache der Lesegewohnheit. Immerhin ist er konsequent.

Auch mag ich es nicht, wenn Geschichten dadurch Spannung aufbauen, indem
sie noch nicht so ganz verraten wollen, was überhaupt passiert. Ich mag Geschichten, die die Karten auf den Tisch knallen: Killer, Paranoia, Erfahrung, Gescheitert an Nachlässigkeit. Und jetzt ließ, Bastard!
Wenn solche Geschichten dann durch Sprache, Stil und Extravaganz glänzen, sind sie für mich perfekt.

Man ist hier schön dicht am Prot, das stimmt schon. Ich konnte ihn mit gut vorstellen, wie er mit paranoiden Augen, versteckt hinter einer Sonnenbrille, Anzug, Sonnenbrille, kein Lächeln, durch die Hotelflure streift.

Gefühlsmäßig bleibt die KG auf einer Stimmung. Die Stimmung wird nicht gehoben, oder kommt (bei mir) zumindest nicht gut durch. Und ich denke schon, dass diese Geschichte eine Spannungskurve benötigt.

Aber insgesamt habe ich es doch gerne gelesen. Gut gemacht.

lieben Gruß

 

Aris Rosentrehter schrieb:
Auch mag ich es nicht, wenn Geschichten dadurch Spannung aufbauen, indem
sie noch nicht so ganz verraten wollen, was überhaupt passiert. Ich mag Geschichten, die die Karten auf den Tisch knallen: Killer, Paranoia, Erfahrung, Gescheitert an Nachlässigkeit. Und jetzt ließ, Bastard!
Wenn solche Geschichten dann durch Sprache, Stil und Extravaganz glänzen, sind sie für mich perfekt.
Hey Aris,
dieses "direkte" und "lies, Bastard" kann die Geschichte wohl nicht leisten. Killer/Erfahrung wird aber eigentlich schon in den ersten beiden Absätzen klar. Parnoia im dritten, oder so. Also die Karten liegen relativ schnell offen.
Aber der Leser muß natürlich mitdenken, um dahinter zu kommen, klar. Zu direkt mag ich es nicht. Karten auf den Tisch knallen und so - nee, ich glaube, das ist nicht meins. Durch Sprache und Stil glänzen - ja, sehr gerne. Aber dann eher durch Schlichtheit als durch Extravaganz. Aber das sind ohnehin alles subjektive Geschichten. Was dem einen zu wenig ist, ist dem anderen schon zu viel, usw.

Gefühlsmäßig bleibt die KG auf einer Stimmung. Die Stimmung wird nicht gehoben, oder kommt (bei mir) zumindest nicht gut durch. Und ich denke schon, dass diese Geschichte eine Spannungskurve benötigt.
Hmm, es ist halt eine Grundstimmung aus Parnoia und Melancholie. Jedenfalls war das beabsichtigt. Größere Stimmungswechsel lagen da nicht in meiner Absicht, obwohl ich schon glaube -und das auch als eine Art Spannungskurve ansehe- dass sich diese Paranoia im Lauf der Geschichte ein wenig steigert. Für Stimmungswechsel brauche ich bei so einem relativ getragenen Erzähltempo auch mehr Raum, fürchte ich. Aber ich werde mal sehen, ob ich in anderen Geschichten mehr als eine Grundstimmung einflechten kann.

Vielen Dank für deinen Kommentar und auch für deine Anmerkungen zum Stil
Quinn

 

Hi Quinn,
Kennt man eine, kennt man alle, ...

Würde dir empfehlen, den Protagonisten andere Namen zu geben, sonst bekäme ich das Gefühl du ziehst deine Charaktere aus einem Baukasten. Will sagen du hast fertige Schablonen um die ein bisschen Handlung fabuliert wird. Das Ende dieser Geschichte verstärkt den Eindruck noch. Husch Husch, Fusch: der Leser soll den Faden weiterspinnen...

Ok, :Pfeif: ich bin auch dafür, dem Leser nicht alles vorzukauen,:D aber ich finde dass deine ansonsten sprachliche Detailfreude wenig Interpretationsspielraum zulässt. Wie soll der Leser sich am Ende (d)ein Bild machen können, wenn du es im restlichen Text kaum zulässt?:hmm:

Sorry

LG
Goldene Dame

 

Hallo Quinn,
tolle Geschichte, gut geschrieben, spannend und nachfühlbar für eine CSI-Geschädigte wie mich (die jeden Krimi so sieht wie dein Prot das Leben).

Das einzige, was mir zu dick war:

Schauen Sie sich die Stadt an, hat er gesagt. Machen Sie sich doch ein paar schöne Tage, hat er gesagt. Haben es sich verdient, [hat er gesagt]. Rom im Herbst ein Gedicht, [hat er gesagt].
Bon Chance. Hat er gesagt.
Da sind mir, trotz Stilmittel, zuviele "hat er gesagt". Vllt ausdünnen?

Gern gelesen.

Gruß, Elisha

 

Hallo Goldene Dame

Kennt man eine, kennt man alle, ...
Autsch, das tut weh. Aber ich sehe das Problem -wobei diese hier, glaube ich, schon anders ist als die beiden unter Horror.

Will sagen du hast fertige Schablonen um die ein bisschen Handlung fabuliert wird.
Ja, die Protagonisten ähneln sich oft. Hier allerdings, in meinen Augen, nicht. Wobei diese lakonischen und melancholischen Elemente schon drin sind ... ehm, okay, sie ähneln sich auch hier stark. Ich geb's ja zu. Aber, aber, aber ... hier ist kein Sex drin!

Husch Husch, Fusch: der Leser soll den Faden weiterspinnen...
Es hat mich überrascht, dass das Ende hier auf so wenig Gegenliebe stieß (wie viele meiner Enden offensichtlich, das scheint ein arges Problem von mir zu sein). Ich glaube, er ist am Ende wirklich unaufmerksam und raucht die vergiftete Zigarre. Als er es dann merkt, lacht er auf. Allerdings wollte ich das nicht so explizit aufführen, sondern es schon ein wenig im Nebel lassen.
Hat wohl nicht geklappt -zumindest nicht bei allen.

Vielen Dank für deine Kritik

Hallo Elisha

spannend und nachfühlbar für eine CSI-Geschädigte wie mich (die jeden Krimi so sieht wie dein Prot das Leben).
Ich hab an James Bond gedacht. Diese Q-Gimmicks und auch ein bisschen an Final Destination - keine Ahnung wieso.

Da sind mir, trotz Stilmittel, zuviele "hat er gesagt". Vllt ausdünnen?
Ja, sollte ein kleiner Scherz sein. "Geh zur Armee, haben sie gesagt. Schau dir die Welt an, haben sie gesagt." Wenn das Stilmittel nur drei oder vier Glieder hätte, würde das wohl besser funktionieren. So nervt es vielleicht ein bisschen. Ist mir beim Schreiben auch schon aufgefallen.


Auch dir vielen Dank für deine Kritik
Quinn

 

Ja, die Protagonisten ähneln sich oft. Hier allerdings, in meinen Augen, nicht. Wobei diese lakonischen und melancholischen Elemente schon drin sind ... ehm, okay, sie ähneln sich auch hier stark. Ich geb's ja zu. Aber, aber, aber ... hier ist kein Sex drin!

meine Kritik hörte sich vielleicht harscher an, als sie ist. Eigentlich imponiert es mir, dass deine Protagonisten stimmig sind. Ist auch ne coole Nummer sich Schablonen zu basteln. Klischeefiguren sind doch auch nichts anderes, nur dass du deine eigenen schaffst. Ich überlege, wie du es machst. Offenbar zauberst du auch aus Klischeerollen deine Protagonisten, indem du das Klischee zielgerichtet und geschickt brichst. Jedenfalls hat dieser Protagonist mich an einen James Bond i.R. erinnert.

LG
Goldene Dame

 

Hey nightshadow,

das ist jetzt genau die konträre Meinung.
Die ganze Zeit war es ja eher: Stil gut, Ende blöd. Bei dir ist es jetzt: Stil blöd, Ende gut. :)
Macht mich fertig, also ich nehme an: Der Stil war dir zu kurzatmig? Zu ungewohnt? Also das Gleiche das Aris angemerkt hat. - Ja, ich bin anscheinend gerade in so einer Phase. Werde in Zukunft versuchen, darauf zu achten. Damit die Texte nicht zu monoton werden.
Aber das nehm ich mir ständig vor und krieg's dann doch nicht gebacken. :)

Vielen Dank für deine Kritik
Quinn

 

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