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Rot

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22.01.2005
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Rot

Das T-Shirt klebte an meinem Körper. Es war so unvorstellbar heiß in dieser Halle. Dann sah ich den Ring und die Menschenmenge, die sich um ihn herum versammelt hatte.
Das mussten ein paar tausend Menschen gewesen sein.
Und dann dieser unvorstellbare Lärm. Alle schrieen durcheinander und ich merkte, wie es mich juckte, als mir plötzlich wärmer wurde.
Der Ring drängte sich wieder in mein Blickfeld, als ein Mann neben mir anfing zu brüllen und grunzen. Er hob die Arme und stieß mich zur Seite, sodass ich gegen andere Menschen gepresst wurde.
Dann erkannte ich das Geschehen im Ring.
Der Kampf hatte schon begonnen, doch jetzt erst wurde alles klar. Zwei Frauen, die einen dieser Schaukämpfe vollziehen, von nicht minderem Gewicht, aber von verschiedenem Kaliber.
Eigentlich interessieren mich weder Box- noch Schaukämpfe, doch die Freikarte ablaufen lassen, wäre auch verschwenderisch gewesen. Vor allem diese Schaukämpfe langweilen mich, da es nur unnötig propagierte Gewalt ist.
Das Drehbuch sah heute vor, dass die Kleinere der Kämpferinnen verlieren sollte. So wurde sie zum Spielball der Größeren und mit ihr wurde gespielt. Wie die Katze mit einer Maus.
Nach Zehn Minuten schließlich fiel die Kleinere auf den Ringboden und hatte Blut am Mund. Doch der Kampf brach nicht ab. Sie blutete immer mehr und ihr ohnehin schon breitere Körper quoll auf.
Dann plötzlich lag sie auf dem Boden.
Regungslos.
Ihr Körper sah aus, als sei er in sich zusammengefallen.
Geschlagen.
Geschunden.
Halb tot.
Ich wurde plötzlich aus meinem Erstaunen entrissen, als ich die Monotonie bemerkte, die um mich herum herrschte. Es war wie in Zeitlupe. Die Menschen hoben ihre Arme und stießen sie nach oben in gleichem Rhythmus. Auch ihre Münder bewegten sich gleichzeitig. Die ganze Halle bebte und mir wurde schlagartig kalt, als ich vernahm, was sie riefen.
Wie kleine Kinder, die sich um eine Schlägerei auf dem Schulhof versammeln und ihrem Kandidaten zujubeln. Doch sie hatten keinen Kandidaten. Alle riefen dasselbe immer und immer wieder:
“TÖTEN, TÖTEN, TÖTEN!“
Die Größere kletterte auf einen Pfeiler des Ringes und genoss des Zurufe und den Ansporn. Dann sprang sie auf die am Boden zerklüftete, schon längst Besiegte. Es war kein Schaukampf mehr. Das grenzte an Hinrichtung.
Der Körper knackte und verformte sich und fiel immer mehr in sich zusammen.
Sie blutete nun aus allen Öffnungen ihres Kopfes.
Die gesamte Halle war im Blutrausch und sie bekamen nicht genug.
Vielleicht war es Glück, dass die Besiegte es nicht mehr mitbekam, wie sie weiterhin gedemütigt wurde, als die Siegerin auf ihr herumsprang.
Der leblose Körper platze immer mehr auf und die Haut riss. Ich wollte schreien. Gegenan. Die Veranstaltung stürzen, doch mien Mund öffnete sich nicht. Meine Beine standen still. Ich war hilflos und dem Geschehen einfach ausgeliefert. Diese Art Menschenmatsch rutschte im Ring hin- und her und der Boden wurde mit Blut gewischt, bis alles rot war.
Alles rot.
Alles rot.
Alles.
Rot.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo DuUndDasMeer ;) ,

herzlich Willkommen hier bei uns auf kg.de.

Einen interessanten Text hast du hier als Einstieg geschrieben - das Thema der Massenmanipulation, mit deutlichen Querverweisen auf Brutalität im Dritten Reich (was bei dem Thema ja eigentlich immer stattfindet). Sauber geschrieben, nur der Schluss, das Rot./Tot. Ende erhält etwas unfreiwillig komisches, da es sich um einen sehr einfachen Reim handelt, vielleicht fällt dir da noch eine schönere Formulierung ein. Es wirkt fast ein bisschen plump.
Ansonsten stilistisch keine Auffälligkeiten :) .

Beim lesen hat mich ein bisschen verwundert, warum dein Prot nicht mitgerissen wird - vielleicht könntest du da noch etwas erweitern. Denn als Leser sieht man zwar mit seinen Augen, wessen Augen das aber sind bleibt ungewiss. Hier könntes du eine schöne Interpretationsmöglichkeit erstellen.

Generell sauber geschrieben. Weiter so!

schönen Gruß,
Anea.

 

Danke Anea

Liebe Anea,
Danke für die Anregungen. Ich werde sicherlich einige davon gebrauchen. Ich selbst war zuerst nicht zufrieden mit der Geschichte, weil sie noch total brüchig ist.
Es ist jedoch kein, wie von dir erwähnter Querverweis auf das dritte Reich. Es geht viel mehr um die Verbanalisierung des Ichs und allgemein des Individuums. Manipulation durch Medien etc. Vor allem wird hier die Gier der Menschen angeprangert. Gier nach Unterhaltung um jeden Preis. U.d dazu noch so einfache, wie es damals bei den Römern in der Arena stattfand.
Das Rot-Tot Ende: Naja ich gebe zu es ist vielleicht ein wirklich sehr einfach und unglücklich gewählter Reim, und es fehlen vielleicht einige Punkte dazwischen. Es soll wie ein Ritarndando wirken und zugleich einen Schlussstrich setzen. Da eine Übereinkunft zu finden ist sehr schwierig. Vielleicht hast du ja einige Anregungen? Würde mich freuen :)
Und das der Protagopnist nicht mitgerissen wird zeigt, dass nicht auf jeden Menschen ein solcher Effekt de Mitgerissenwerdens ausgeübt wird. Die Frage nach dem "Wer" bleibt doch generell in der Geschichte offen. Erscheint das nicht sinnvoll? Den Kritikpunkt habe ich nicht ganz verstanden.
Nochmal "Danke" für die liebe Kritik!!!

 

hallo nochmal,

bei mir entsteht bei dem Bild einer Menschenmasse im Blutrausch unweigerlich eine Assoziation an das dritte Reich, und dazu braucht es keinerlei Anregungen a la "so wie es vor 60 jahren war" o.Ä. Aber vielleicht geht das anderen ja nicht so.

Die Frage nach dem Wer - wäre es nicht interessant, deine Geschichte um dieses Wer zu erweitern? Ich finde, du vergibst hier Potential.

lg Anea

 

Würdest du dem Protagonisten einen Charakter verleihen wollen? Im Gegensatz zu der Masse ist er noch ohnmächtiger als diese selbst. D.h. also Anonymität aufgeben und Charakterzüge verleihen. Darüber muss ich nachdenken ;)
Ist auch ok mit der Idee des Dritten Reichs. Ist ja Gott-sei-Dank jedem slebst überlassen, was er denken und interpretieren soll:)

 

Hallo DuUndDasMeer,

und herzlich willkommen bei uns.

Die lange Liste meiner Anmerkungen mag dich erschrecken, aber lasse dich dadurch nicht täuschen. Ich habe deine Geschichte gespannt gelesen. Für mich hast du nur manchmal noch Schwierigkeiten im Timing. Das fiele zwar bei Kommödien eher ins Gewicht, kann aber auch bei ernsten Geschichten viel verderben.

Genaueres siehe in den Details:

Und dann dieser unvorstellbare Lärm.
Sonst hast du recht kurz hintereinander zweimal dann
ich merkte, wie es mich juckte, als mir plötzlich wärmer wurde.
es war schon unvorstellbar heiß, dann wurde es wärmer. Da stimmt etwas in der Gefühlreihenfolge nicht so ganz.
Der Ring drängte sich wieder in mein Blickfeld, als ein Mann neben mir anfing zu brüllen und grunzen. Er hob die Arme und stieß mich zur Seite, sodass ich gegen andere Menschen gepresst wurde.
Dann erkannte ich das Geschehen im Ring.
Du versuchst das Gedränge darzustellen. Teil des Gedränges ist es aber, dass man ständig von und an allen Seiten gegen irgendwelchen anderen Menschen gedrückt wird, um einen festen Stand ballancieren muss und in diesem Fall sich auch permanent selber hin und her bewegen muss, sich recken, strecken, den Kopf verlagern, um etwas von dem Geschehen im Ring mitzubekommen. Für mein Gefühl ist das Gedränge bei dir höchstens eine Demo mit 400 Leuten auf dem Hamburger Rathausplatz, also etwas lau.
Der Kampf hatte schon begonnen, doch jetzt erst wurde alles klar. Zwei Frauen, die einen dieser Schaukämpfe vollziehen, von nicht minderem Gewicht, aber von verschiedenem Kaliber.
Tempuswechsel
Eigentlich interessieren mich weder Box- noch Schaukämpfe, doch die Freikarte ablaufen lassen, wäre auch verschwenderisch gewesen. Vor allem diese Schaukämpfe langweilen mich, da es nur unnötig propagierte Gewalt ist.
Wahrscheinlich interessieren deinen Prot Schaukämpfe immer noch nicht, aber auch hier solltest du mE in der Vergangenheit bleiben, da die Geschichte in der Vergangenheit spielt. Außerdem lässt du dem Leser so die Option offen, ob sich das vielleicht im Verlauf der Geschichte ändert.
So wurde sie zum Spielball der Größeren und mit ihr wurde gespielt. Wie die Katze mit einer Maus.
Abgesehen davon, dass ich die Interpunktion vom Timing her ungüstig finde, steht der letzte Satz so bezuglos da (zumindestens im grammatischen Sinne) Vorschlag:
So wurde sie zum Spielball der Größeren. Und mit ihr wurde gespielt. Wie von der Katze mit einer Maus.
Nach Zehn Minuten schließlich fiel die Kleinere auf den Ringboden und hatte Blut am Mund.
- Nach zehn Minuten
- Auch hier wirkt sich deine Zeichensetzung ungüstig auf das Timing aus. Versuche mal, dir die Passage laut vorzulesen. Mein Vorschlag:
Nach zehn Minuten ging die Kleinere zu Boden. Blut tropfte aus ihrem Mund.
Doch der Kampf brach nicht ab.
Das ist natürlich schon sachlich falsch, denn es ist der Ringrichter, der den Kampf abbricht. Für die Stimmung könntest du hier eventuell auch das Publikum noch wieder aktiver weren lassen. Einige könnten den Abbruch fordern, die anderen könnten das als feige brandmarken. Aufgepeitschte Stimmung, gegenteilige Parolen, ...
Sie blutete immer mehr und ihr ohnehin schon breitere Körper quoll auf.
- ein e zu viel bei breiter
- ich verstehe allerdings nicht, wieso gleich der ganze Körper aufquillt. Eher doch die Stellen der Verwundung. Das ist mir etwas zu ungenau.
Dann plötzlich lag sie auf dem Boden.
Da lag sie noch.

Ich habe an dieser Stelle ohnehin das Gefühl, dass du eher Wrestling beschreibst als Boxen. Insofern wäre ein Hinweis auf das Anzählen, auf das Aufstehen der Kleineren wichtig. Auch bei Boxschaukämpfen wird sobald jemand so stark blutet der Kampf immer abgebrochen. Im Zweifelsfalle hätte auch die Ecke der Kleineren die Möglichkeit, das Handtuch zu werfen.

Ich wurde plötzlich aus meinem Erstaunen entrissen, als ich die Monotonie bemerkte, die um mich herum herrschte.
Müsste es nicht andersrum sein? ERst schaut er mehr oder minder gebannt den Kampf an. Dann widert ihn die Brutalität an, er schaut sich um und stellt die stakatischen Rufe und Bewegungen der anderen wahr. Dann muss doch das erschreckte Erstaunen einsetzen, oder?

Den Schluss, das lähmende Entsetzen, die daraus resultierende Rechtfertigung, nicht eingegriffen zu haben, das hast du gut getroffen.
Du kannst meiner Detailgenauigkeit natürlich vorwerfen, dass es doch nur um ein Bild für etwas anderes ginge, aber gerade dann müssen mE die einzelnen Pigmente stimmen, damit der Vergleich nicht hinkt.

Lieben Gruß, sim

 

Danke Sim für diese detailgenaue Analyse ;) Ich werde natürlich einige deiner Vorschläge davon beherzigen. Demnächst :)
Groß etwas schreiben liegt nicht in dem Sinn eines DAnkes, also:
Danke für die Kritik

 

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