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Rot

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25.06.2009
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Rot

Gerade diese Ampel hasste Werner W. wie die Pest, weil sie etwas gegen ihn hatte. Er musste jeden Tag wegen Rot daran halten. Eine gut gesinnte Ampel wäre hin und wieder grün. Diese nicht. Sein Körper war kein Frühaufsteher und so war er immer in Eile. Werner W., 54, männlich, Skorpion, gut verdienend, sah sich in quälender Wiederholung gefangen. Sein Leben war praktisch gelaufen. Die Tage unterschieden sich nicht mehr voneinander. Es gab keinen Spaß mehr. Den hatte seine Frau im Laufe der Zeit systematisch ersetzt durch Kritik. Weshalb könne er ihr morgens keinen zärtlichen Kuss geben anstatt sie lakonisch zu ignorieren. Etwas mehr Kommunikation würde der Ehe gut tun und so was alles. Er fragte sich, was am frühen Morgen eigentlich so schönes dran war. Nichts. Werner W. würde nie aufhören ihr das zu zeigen. Wenn es je sein müsste, auch auf die harte Tour. Bisher hielt Werner W. sich zurück, doch heute morgen...

Es war einfach alles zu viel gewesen. Zunächst das mitleidige Gesicht seiner Frau nach dem Aufstehen. Dann ihre Nörgelei beim Frühstück. Schließlich übertrieb sie. Diese blöde Zicke ließ die Toasts verbrennen. Musste Absicht gewesen sein. Was wollte sie damit bezwecken? Wollte sie verprügelt werden? Das war, nebenbei bemerkt, längst überfällig. Sie hatte es darauf angelegt. Das war der einzig logische Schluss. Verdammt! Sie wollte die Prügel. Ganz offenbar brauchte sie das. Er fühlte sich gut dabei. Ja, seit langem wieder ein gutes Gefühl. Was für eine Schlampe.

Sie würde es wieder wollen. Eine völlig neue Perspektive tat sich auf. Er könnte seine Frau vielleicht fesseln und dann züchtigen. Mit einer Weidenrute auspeitschen. Ein neuer Lebenshauch versorgte Wehrgold unerwartet mit wohligen Schauern sexueller Erregung. Seine Körpermitte begann sich neugierig auszubeulen. Natürlich nicht einfach dumpf verprügeln, wie heute morgen. Er würde ihr vielmehr zeigen, wie sehr er sie nach all den Jahren noch liebte. Er würde ihr das geben, wonach sie begehrte. Verflucht, warum hatte er das nicht früher erkannt? Doch warum verschwieg sie ihm ihre Bedürfnisse? Oh Weib! Ab heute würde alles anders werden. Ab heute war Schluss mit der nichtsnutzigen Toleranz, die sie gar nicht verdiente und nicht mal wollte. Alles ein Missverständnis. Endgültig Schluss damit. Das frisch geborene Lebensgefühl fing an zu brodeln.

Die Ampel war immer noch rot. Unter normalen Umständen hätte Wehrgold das nutzlose Ding einfach ignoriert. Auf dem Land sowieso, aber in der Großstadt? Ein solches Manöver wäre leichte Beute für einen gelangweilten Beamten gewesen. Nur noch ein oder zwei Punkte in Flensburg warteten darauf, das Limit zu sprengen. Und da gab es auch noch Querverkehr, der nicht zu unterschätzen war. Also beherrschte er sich lieber. Nervös tippte Wehrgold die Finger im Teufelstakt aufs Lenkrad und sein Blick verirrte sich im Rückspiegel. Seltsam. Die Schlange schien länger als sonst. Er stand ganz vorne und das mochte Wehrgold gar nicht. Kein anderes Auto ruhte mehr vor seinem. Die Situation vermittelte ihm ein Gefühl von Schuld. Als ob ihm die Verantwortung für das schikanierende Rot zugekommen wäre. Sein Stehen zwang die anderen ebenfalls zum Stehen. Ein primitiver kausaler Zusammenhang. Wachsendes Unbehagen verdrängte alle angenehmen Empfindungen. Hinter ihm reihten sich bereits erstaunlich viele Autos. Verstohlen blickte er in den linken Rückspiegel und versuchte die Feinde zu zählen. Nach 23 Fahrzeugen aller Art gab Wehrgold auf. Was war da los? Das unnütze Licht musste nun schon seit Minuten rot sein. Die Gedanken hatten sein Zeitempfinden vorübergehend betäubt, doch die Gegenwart kehrte zurück. Und die wurde unerträglich. Er, der Verursacher eines Staus? Nur Vollidioten gelang das. Obwohl Wehrgold eindeutig keinen Einfluss auf die Situation hatte, drang das unbehagliche Schuldgefühl immer weiter zu ihm vor. Eine Reihe von Schweißperlen auf seiner Stirn fraßen sich wie Königswasser nach unten. Auch das noch. Sein Herz setzte einen Moment aus als jemand ein gedehntes Hupen abgab. Unschuldig, aber doch verurteilt. Weiteres Hupen. Das Blut schoss Wehrgold ins Gesicht. Es wurde heißer und heißer.

Verfluchte Ampel. Mach Grün! Das gab es doch nicht. So ein simples Gerät konnte unmöglich eine Fehlfunktion erleiden. Vielleicht mal eine defekte Glühbirne, aber doch nicht einfach zu lange auf Rot bleiben. Es gab ja auch kein Hinweisschild oder eine Baustelle, auch keinen Unfall. Weit und breit nichts zu sehen. Aber es musste einen Grund haben. Irgendeine Erklärung. Etwas, das für alle einsichtig wäre und den Ärschen hinter ihm seine Unschuld offenbarte. Indes schlossen sich weitere Gegner den hupenden Fahrern an. Sie hatten es auf ihn abgesehen. Wollten ihn fertig machen. Wehrgold kam die Idee, dass der lokale Verkehrsfunk eine Erklärung anbieten würde. Radio 'Gong', die hatten immer was zu berichten. "Such a shame... , such a shame..." Die 80er bestraften Wehrgolds Selbstverständnis.

Eine Schwellenschaltung! Das war die Lösung, bestimmt! Nie wäre er auf die Idee gekommen, dass eine Ampelschwelle im Teer vergraben sein könnte. Warum auch, über so was denkt ja keiner nach. Da er vorne stand und langsam den Zorn der vereinten Völker auf sich zog, fiel ihm das ein. War sein Auto womöglich zu leicht? Nein, nicht sein 5er BMW. War er vielleicht nicht weit genug vorgefahren? Von aufkeimender Hoffnung getrieben legte er hastig den ersten Gang ein. Schleunigst ein kurzes Stückchen vor und zurück fahren. Vor und zurück, um die Schwelle zu kitzeln. Wehrgold kam sich dämlich vor. Während der ganzen Aktion wandte er den Blick nicht vom konstanten Rot der Ampel, die völlig unbeeindruckt stand hielt. Der Fahrer des 13. Wagens stieg aus und brüllte irgendetwas nach vorne. Was für ein Alptraum. Die Ampel war wie eingefroren. Gott, er musste handeln! Egal wie. Kehrt wenden? Nein, das ging nicht. Er hatte kaum Spiel nach hinten und konnte wegen der Straßenbegrenzungen nicht ausscheren. Es war eine Einbahnstraße, daher gab es auch keine Gegenfahrbahn, die ihm Wendeplatz geboten hätte. Letztlich blieb nur eines. Vermutlich war sogar irgendwo unauffällig ein Hinweis angebracht, auf dem Lösung stand: "Wegen eines Defekts, bei Rot überqueren." Alle außer ihm mussten es bemerkt haben und er war der Trottel des Jahres. Schlecht. Aber lieber späte Erkenntnis als keine. Ohnehin hätte nur er selbst den Schneid, diese Ampel wirklich bei Rot zu überfahren und die knappen Lücken des kreuzenden Berufsverkehrs zu durchdringen. Adrenalin ließ seinen Puls steigen. Wehrgold dachte unvermittelt wieder an seine Frau und wie er sie ans Bett fesseln, ordentlich ohrfeigen und ordentlich ficken würde. Die Phantasie steigerte sich zu einem Rauschzustand und eine starke Erektion erfasste seinen Unterleib.

Die nahende Lücke erschien ihm deutlich groß genug, um hart anzufahren und zu passieren. Doch der Freiraum war kleiner und der LKW zu schnell. Der LKW schlug daher ungebremst mit einer Geschwindigkeit von 69 km/h direkt auf die Fahrerseite von Wehrgolds BMW auf. Wehrgold konnte dem Stoß nichts als sich selbst entgegen setzen. Wie ein rohes Ei, an die Wand geschmettert, zerplatzte sein träger Organismus durch die Einwirkung der mechanischen Energie beim Aufprall. Plopp. Als ob er nie existiert hätte.

Zur gleichen Zeit saß Wehrgolds Frau mit ihren frischen Platzwunden in der Notaufnahme. Während der Arzt behutsam die Risse in der verquollenen Haut nähte, wurde jeder einzelne Stich von einem einzigen mächtigen Gedanken in ihr begleitet. Verrecke, Wehrgold. Verrecke! Es waren 23 Stiche. Mit dem letzten wurde es endlich still.

 

Hallo Fayalit,

die Idee deiner KG finde ich gut und sie liest sich auch angenehm.

Diese magischen Zusammenhänge zwischen gut oder schlecht gesinnten Ampeln (heißt es nicht wohl gesinnt?) auf der einen, sexuellen Obsessionen und am falschen Ort dafür auftauchenden Schuldgefühlen auf der anderen Seite, ist zwar vielleicht etwas sehr konstruiert aber lesbar.

Folgender Satz stimmt für mich irgendwie nicht:

Sein Körper war kein Frühaufsteher und so war er immer in Eile.

Dann weiß ich nicht, warum du entschieden hast, den Prot am Anfang immer Werner W. zu nennen und zum Schluß heißt er immer Wehrgold.

Trotz allem fand ich die KG ganz unterhaltsam,

viele Grüße,

tomtom

 

Hallo tomtom,

vielen Dank für Deinen Beitrag (die Verspätung meiner Reaktion begründe ich Dir privat).

Zunächst einmal bin ich froh, überhaupt Kritik zu bekommen. Wenn es Dir obendrein gefallen hat, freut es mich wirklich.

Der Satz mit dem Körper und dem Frühaufsteher ist in der Tat mühsam verstehbar. Er (der Satz) bedeutet, dass Werner immer spät aufstand und daher zeitlich immer knapp dran war. Heute würde ich das anders formulieren. Etwa: "Wehrgold war jeden Morgen spät dran, denn das morgendliche Aufstehen bereitete seinem Körper Qualen, dass immer nur auf den letzten Drücker gelang."

Dass ich anfänglich von "Werner W." und danach von "Wehrgold" rede, würde ich als echten Patzer bezeichnen. Danke für den Hinweis.

Fayalit.

 
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Guten Tag, Fayalit, willkommen hier!

die Geschichte hat was. Wie der Held völlig einsam in der Schlange steht und aus seinem dumpfen Frust zwei hübsche kleine Wahnvorstellungen werden (Frau will verprügelt werden, unbekannte Kräfte brocken ihm diese Ampelsache ein), denen er schließlich erliegt, was ihn im Fall der zweiten das Leben kostet. Dann noch die Ecke für den Verschwörungstheoretiker: Dreiundzwanzig Autos hinter ihm, dreiundzwanzig Stiche, bei denen die Frau ihm den Tod wünscht: Fast könnte man meinen, die Frau habe Werner durch ihren Willen dazu gebracht, auszurasten und in den Tod zu fahren. In dem Fall wären da wirklich geheimnisvolle Kräfte am Werk gewesen, sowas mag ich.

Leider kommt mir gerade bei diesem interessanten und wichtigen Aspekt die Logik quer, denn: Hast Du mal versucht, im Rückspiegel die Autos in einer stehenden Schlange hinter Dir zu zählen? Einbahnstraße, dreiundzwanzig Autos hintereinander, das sind mindestens neunzig Meter, ich würde mal sagen: Das geht selbst in einer Kurve nicht. Die kann man nicht im Spiegel zählen, weil man gar nicht alle sieht, allein schon wegen der niedrigen Sitzposition.

Das ist Korinthenkackerei, aber darüber hab ich am meisten nachgedacht, denn geheimnisvolle Zusammenhänge wollen ihre Logik haben.
Weniger Autos zu erwähnen würde, vorausgesetzt, Du hast diesen Zusammenhang überhaupt geplant, auch weniger Stiche bedeuten, also eine weniger dramatische Verletzung der Frau. Ok, das wär nicht so wichtig, denn es kommt ja auf die Gefühle der Frau an, auf die inneren Auswirkungen, da könnte eine Ohrfeige schon reichen. Nächste Frage: Wie wichtig ist Dir die 23? Die kann Zufall sein oder Absicht, ist ja die berühmte Illuminatenzahl; meinst Du sie nur als irgendeine Zahl, könntest Du sie ändern, wobei natürlich sechs oder zehn Autos nicht den Druck aufbauen könnten wie dreiundzwanzig (es sind ja auch noch mehr, er gibt halt beim Zählen auf). Ließe man alle Zahlen weg, käme der Zusammenhang zwischen den Gedanken der Frau und dem Tod des Mannes nicht so klar auf. Es gäbe Alternativen, z.B.: Der erste Wagen hinter Wehrgold schert aus, zieht an ihm vorbei (dafür kann in der Einbahnstraße gut Platz sein, vielleicht sogar eine zweite Spur, Linksabbieger mit grüner Ampel, Rechtsabbieger mit grünem Pfeil), schafft es durch den Querverkehr, andere folgen, während immer mehr gehupt wird und der Druck noch steigt, Wehrgold zählt die Autos, die an ihm vorbeiziehen, während er sich immer noch nicht traut, obwohl es offensichtlich von ihm erwartet wird, eine Prüfung, blanker Hohn, was weiß ich - schließlich, nach dem dreiundzwanzigsten (oder dreizehnten, siebten, elften), erträgt er es nicht mehr und etc.

Aber das sind meine Gedanken; vielleicht denke ich an Deiner Intention vorbei.

Hier hab ich noch ein paar Textsachen:

Eine gutgesinnte Ampel wäre hin und wieder grün.
Sein Körper war kein Frühaufsteher und so war er immer in Eile. Werner W., 54, männlich, Skorpion, gut verdienend, sah sich in quälender Wiederholung gefangen.
Frühaufsteher zu sein ist nicht nur eine körperliche Angelegenheit. Und daß er männlich ist, als Werner, naja, das brauchts nicht, klingt eh an der Stelle etwas arg nach billiger Zeitung. Warum nicht sowas:

Werner Wehrgold war kein Frühaufsteher und darum morgens immer in Eile. Er war vierundfünfzig, verdiente gut, sah sich jedoch in quälender Wiederholung gefangen.

Sein Leben war praktisch gelaufen. Die Tage unterschieden sich nicht mehr voneinander. Es gab keinen Spaß mehr.
Ein mehr könnte raus

Den hatte seine Frau im Laufe der Zeit systematisch ersetzt durch Kritik. Weshalb könne er ihr morgens keinen zärtlichen Kuss geben anstatt sie lakonisch zu ignorieren. Etwas mehr Kommunikation würde der Ehe gut tun und so was alles.
Das würde ich deutlicher formulieren, z.B. so:

Den hatte seine Frau im Laufe der Zeit systematisch ersetzt durch Kritik: Weshalb er ihr morgens keinen zärtlichen Kuss geben könne, anstatt sie lakonisch zu ignorieren? Etwas mehr Kommunikation würde der Ehe gut tun!

Er fragte sich, was am frühen Morgen eigentlich so Schönes dran war. Nichts. Werner W. würde nie aufhören, ihr das zu zeigen. Wenn es je sein müsste, auch auf die harte Tour.
Das Unterstrichene kann raus, es schwächelt. Er hat sie ja bereits verhauen.

Bisher hielt Werner W. sich zurück, doch heute Morgen...
Plusquamperfekt: hatte sich zurückgehalten. Abstand vor ...

Er fühlte sich gut dabei. Ja, seit langem wieder ein gutes Gefühl. Was für eine Schlampe.
dito: ... hatte sich gut dabei gefühlt.

Natürlich nicht einfach dumpf verprügeln kein Komma wie heute Morgen.

Doch warum verschwieg sie ihm ihre Bedürfnisse?
Das doch würd ich auch streichen

Ein solches Manöver wäre leichte Beute für einen gelangweilten Beamten gewesen. Nur noch ein oder zwei Punkte in Flensburg warteten darauf, das Limit zu sprengen.

Das finde ich kraus. Nicht das Manöver wäre leichte Beute für den Beamten, sondern er (durch ein solches Manöver). Die Punkte warten nicht in Flensburg, es gibt sie ja noch nicht. Alternativen:
Noch einen oder zwei Punkte in Flensburg, und er hätte sein Limit gesprengt. Oder, ganz einfach:
Er konnte sich keinen weiteren Punkt in Flensburg leisten.

Kein anderes Auto ruhte mehr vor seinem.
Der Satz ist überflüssig. Wenn Du ihn einfach ersatzlos streichst, mußt Du Dir kein anderes Wort für ruhen überlegen (Autos ruhen in einer Warteschlange nicht, im Gegenteil).

Als ob ihm die Verantwortung für das schikanierende Rot zugekommen wäre.
Find ich auch kraus, in der Zeit und überhaupt. Würd ich vereinfachen:
Als trage (trüge in der Königsklasse :D) er die Verantwortung ...

die Gegenwart kehrte zurück. Und die wurde unerträglich.
die kann raus. Könnte auch alles in einen Satz: ... kehrte zurück und wurde unerträglich.

Eine Reihe von Schweißperlen auf seiner Stirn fraßen sich wie Königswasser nach unten.
Schweißperlen fraßen. Aber eine Reihe fraß. Außerdem fraß die Reihe sich nicht auf der Stirn, sondern von der Stirn nach unten. Übrigens hübsch, wie Königswasser. Igittigitt.

Sein Herz setzte einen Moment aus, als jemand ein gedehntes Hupen abgab.

Aber es musste einen Grund haben.
haben würd ich ersetzen durch geben, das paßt dann auch zu der Erklärung danach.

"Such a shame... , such a shame..." Die 80er bestraften Wehrgolds Selbstverständnis.
In diesem Lied kommt kein Text zwischen it's a shame und such a shame, nur Musik, also brauchts da auch keine Pünktchen. Wenn Du die aber hingemacht hast, weil im Lied zwischen den Worten Zeit vergeht (die dramatische Melodie da halt), mach das Komma weg: It's a shame ... such a shame.
Den Satz mit den Achtzigern würd ich sowas von kicken.

Nie wäre er auf die Idee gekommen, dass eine Ampelschwelle im Teer vergraben sein könnte. Warum auch, über so was denkt ja keiner nach. Da er vorne stand und langsam den Zorn der vereinten Völker auf sich zog, fiel ihm das ein.
Nie wäre er? Aber das ist doch gelogen! Nur eben jetzt erst fällt ihm das ein. Wie wäre es hiermit:
Eine Ampelschwelle könnte im Teer vergraben sein. Über sowas denkt ja keiner nach. Erst jetzt, da er ..., fiel ihm das ein.

Schleunigst ein kurzes Stückchen vor- und zurückfahren.

die völlig unbeeindruckt standhielt. Der Fahrer des dreizehnten Wagens
zum Thema dreizehnter Wagen will ich nochmals auf meine Anfangskorinthen hinweisen.

Kehrt wenden?
Wenden genügt.

Vermutlich war sogar irgendwo unauffällig ein Hinweis angebracht, auf dem Lösung stand: "Wegen eines Defekts kein Komma bei Rot überqueren."
das Unterstrichene kann raus. Ein Hinweis ist keine Lösung. Wenn Du es nicht streichst: die Lösung.

Wehrgold konnte dem Stoß nichts als sich selbst entgegensetzen.

wurde jeder einzelne Stich von einem einzigen mächtigen Gedanken in ihr begleitet. Verrecke, Wehrgold. Verrecke!
nach begleitet käm ein Doppelpunkt gut.

Das Problem mit dem Namen Deines Helden wurde ja schon angesprochen. Das ist aber ein klitzekleines Problem.

Freundlichen Gruß!
Makita.

 

Hallo Makita.

Du hast mich überrascht. Deinen Beitrag habe ich mehrfach durchgelesen. Er ist unbezahlbar, denn daraus konnte ich eine Menge lernen:

a) Weil andere (mit Dir und tomtom schon Plural) ihre Zeit und geistige Resourcen in meinen Text investieren, sollte ich ihn vor dem Veröffentlichen ernster nehmen. Jemand, der die Geschichte bis zum Ende liest, möchte nicht mit Inkonsistenzen oder falschen Details (zB "It's a shame... such a shame" oder mangelndes Plusquamperfekt) bestraft werden. Das geht mir genau so.

b)

geheimnisvolle Zusammenhänge wollen ihre Logik haben
Hier muss ich in Zukunft mehr Denkschmalz verwenden. Danke für das Bewusstmachen.

c) Fehlerhafte Orthographie und Interpunktion als Störquelle sind vermutlich nicht zu vernachlässigen. Jemand, der sattelfest ist, sollte einen Text vor dessen Veröffentlichung korrigieren. Mich interessiert ehrlich, wie störend die Fehler bei der Lektüre waren. Makita?

Weitere Anmerkungen:

1)

Das ist Korinthenkackerei
Ist es nicht. Du bietest eine tiefe Reflektion über den Text, das ist eine Belohnung für mich.

2)

Hast Du mal versucht, im Rückspiegel die Autos in einer stehenden Schlange hinter Dir zu zählen?
Nein. Hätte ich mal tun sollen. Würde es vielleicht ausreichen zu schreiben: Wehrgold schaffte es nicht, alle 23 Fahrzeuge hinter ihm vollständig zu durchzuzählen. Die Schlange reichte zu weit nach hinten.

3)

Wie wichtig ist Dir die 23?
Ich wollte sie als ultimatives Verschwörungssymbol. Geheimnisvolle Kräfte verschwören sich gegen Wehrgold. Die anderen Zahlen sind schwächer oder banaler im Symbolgehalt. 7 wäre biblisch.

4)

Werner Wehrgold war kein Frühaufsteher und darum morgens immer in Eile. Er war vierundfünfzig, verdiente gut, sah sich jedoch in quälender Wiederholung gefangen.
Sehr schön. Gekauft. Das trifft im Übrigen auf praktisch alle Deine Vorschläge zu.

5) Das mit den Schweißperlen ist mir richtig peinlich.

6)

Übrigens hübsch, wie Königswasser. Igittigitt.
Nur Chromschwefelsäure ist noch schlimmer...:D Und für alle Chemiker: Kommt mir nicht mit Flußsäure.


Vielen Dank, Makita, und viele Grüße

Fayalit

 
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Hey ho!

Also erstmal: Laß Dir wegen der Orthographie nicht zuviel graue Haare wachsen. Erstens liegst Du mit den paar Fehlern als Anfänger gut im Schnitt, zweitens ist das Forum ja auch hierfür gedacht, drittens hast Du es mit viel kniffligeren Sachen zu tun, z.B. Deinem Dreiundzwanzigding. Dazu hätt ich noch ein paar Gedanken.

Du sagst, Du willst sie als ultimative Verschwörerzahl. Völlig klar auf den ersten Blick, aber!
Die meisten wissen, welchen Beigeschmack die 23 hat, aus irgendwelchen der vielen Quellen; Das 23. Kapitel in Crowleys Buch der Lügen hieß Skidoo, Burroughs schrieb 23 Skidoo, dann kam Wilson mit seinen Illuminaten, griff sich wieder diese Zahl und machte sie richtig populär, und seither fahren immer mal wieder welche so darauf ab, daß sie das alles für ewige Wahrheit halten, weiterführen und festbetonieren (die Kraft der selektiven Wahrnehmung). So hat auch Lovecraft das Necronomicon samt Autor, Historie und Inhalt erfunden, und es gibt haufenweise Menschen, die daran als etwas Unabhängiges glauben, dubiose Ausgaben davon in Läden mit Salzkristallampen kaufen und es mit dem Erfinder gar nicht in Verbindung bringen. Wenn man davon ausgeht, daß der Wille Realitäten schafft und Dinge, die dem Vergessen entkommen, ruckzuck mit Tatsachen verwechselt werden, ist das logisch und spannend.

Wen willst Du denn eigentlich ansprechen: Die, die glauben, es sei Geheimnis/Erkenntnis an dieser Zahl? Oder die, die die Verselbständigung verschiedener Fiktionen um diese Zahl herum kennen und darum z.B. denken: Aha, 23! Symbolisiert Verschwörung und geheimnisvollen Zusammenhang! Spielt der Autor damit, oder ist er einer von denen, die denken, da sei was an der schieren Zahl, womöglich seit jeher undsoweiter? Oder hat er gar noch nie darüber nachgedacht?
Ich z.B. hab mich das gefragt.

Du liest Philip Dick. :thumbsup: Der braucht sowas nicht. Alle Geheimnisse kommen aus den Geschichten. Deine Geschichte braucht auch keine Extrazahl mit zweifelhaftem Wiedererkennungswert, denn Du schaffst ja den geheimnisvollen Zusammenhang zwischen den Geschehnissen aus der Tatsache, daß dieselbe Zahl zweimal vorkommt. Und selbst, wenn Du gar keine Zahlen hättest: Es geht ja nur um den Zusammenhang zwischen den Haßgedanken der Frau und dem Tod des Mannes. Es ist ja nicht so, daß der Leser z.B. denken soll: Oh, die Frau muß bei den Illuminaten sein, ein mächtiger Geheimbund hilft ihr, den Mann fernstrahlmäßig in den Wahnsinn zu treiben, zu töten o.ä. Das würde die Handlung grobst abschwächen, zumindest für mich; ich mochte die Idee, daß der Haß der Frau in diesem Moment ausreicht (zumindest, um ihn zu töten bzw. die Umstände auszulösen; den Frust, die Wut, die Schnapsideen, also den Nährboden, hatte er von alleine). Das muß nicht erklärt oder durch ein Symbol verfestigt werden, es passiert ja in der Geschichte, man sieht es passieren und kann es nachvollziehen, das reicht völlig.

Stell Dir vor, Wehrgold würde von einem PKW totgerammt, auf dessen Seite steht: Das Nähkästchen - für Sie ändern wir alles! Oder von einem LKW der Spedition Verrekker. Oder von einem Kombi, der durch den Aufprall umkippt, die Tür fliegt auf, zwei Kartons voller Pflaster und Verbandsmaterial (oder glitzernder Nadeln! Milliooonen davon!) fallen heraus und streuen ihren Inhalt auf die Straße. Tausend Möglichkeiten, ganz ohne Zahlen denselben Zusammenhang zu schaffen; diese sind zwar unausgegoren, aber zur Verdeutlichung hoffentlich trotzdem klar genug.

Ich will Dir hier nicht generell von der Verwendung einer Zahl abraten; Zahlen sind prima eindeutig und auf einer derart kurzen Strecke auch für das schmale Gedächtnis hervorragend geeignet. Da Du aber dieses Logikproblem mit der langen Schlange hast, würde ich überlegen, ob es wirklich einfacher ist, die 23 einzubauen, als sich eine andere Zahl oder ganz was anderes zu überlegen. Von der 23 rate ich Dir allerdings ab, wenn Du nicht einer von denen bist, die an die 23 glauben; in diesem Fall willst Du sicher nicht eine Leserschaft haben, die Dir wegen der 23 glaubt und auch glaubt, daß die Illuminaten das WTC gesprengt haben, wenn Du verstehst, was ich meine.

Deine Idee, zu sagen, daß er nicht die 23 Autos hinter sich überschauen kann, halte ich für nicht gut, denn das würde ja ein weiteres Auge erfordern, ein Gottesauge, ein Auktorialauge oder - im kompliziertesten Fall - einen weiteren Protagonisten. Wo willst Du das denn hernehmen, ohne daß es albern wirkt? Das müßtest Du noch viel mühsamer einbauen.

Hier ist ganz klar Kreativität und Hirnschmalz gefragt, aber was macht mehr Spaß als Kreativität und Hirnschmalz? Es fängt schon damit an, daß Du über Deine eigenen Motive nachdenkst, über die der Geschichte, über die Deiner Wunschzielgruppe. Über sowas denkt man ja meist erst nach, wenn man von Fremden gelesen wird und Feedback bekommt. Manchmal denkt man auch darüber nach und denkt: Boah, was ich da jetzt alles denke, das krieg ich in diese Geschichte gar nicht mehr rein! Und das lese ich dann in Deiner nächsten.

Was auch immer Du machst: Hab Freude damit und laß Dich nicht stressen. Jede Auseinandersetzung mit Deinem Text ist freiwillig, für die Leser und erst recht für Dich, denn Du bist der Autor. Hau rein!

Einen erbaulichen Donnerstag wünscht
Makita.

 

Puh. Du kennst Dich wirklich aus. Die Zahl 23 kann wohl doch einige Gedanken auslösen, die nicht intendiert waren. So tief hatte ich tatsächlich nicht nachgedacht. Aber es lohnt sich. Deine Überlegungen ergeben Sinn. Insbesondere stimmt, dass P.K.Dick keine Symbole nutzt / nutzen muss. Fällt mir erst jetzt auf.

In der Überarbeitung würde ich die 23 rauslassen und garkeine Zahl verwenden.

Danke, Makita.

 

Hallo Fayalit,

ja, das ist eine nette Geschichte. Sie ist einfach und leserfreundlich geschrieben. Der Stil des Textes passt zum Prot. Es ist ein gutes PSychogram von W.
Meinetwegen kannst du die 23 ruhig stehen lassen. Natürlich erinnert das jeden an Illuminati. Und das ist auch gut so. Vielleicht sollte der Prot der 23 noch viel öfter in der Geschichte begegnen, irgendetwas zählen oder so. Es hat etwas von Vodoo, wenn er die Strafe für 23 Stiche erhält. Ich hätte es vielleicht so gemacht, schon etwas früher in der Geschichte die Frau auf dem Weg zum Krankenhaus oder so zu erwähnen (am besten so, dass man noch nichts erahnen kann, außer, dass noch etwas mit der Frau passieren wird)

Jedenfalls eine gute Geschichte, die ich etwas surrealer gestallten würde. Du kannst ja mal darüber nachdenken. Es könnte zum Beispiel ein Indianer an der Ampel einen obskuren Vodootanz aufführen oder ein Priester in Ohnmacht fallen. So etwas würde die KG noch interessanter gestallten. Muss aber nicht.


lieben Gruß

 

Hallo Aris,

es ist schon interessant, wie die 23 polarisiert. Die erste zweistellige Primzahl, deren Quersumme wieder eine Primzahl ist. Jedenfalls danke für Deinen Fürspruch. Ändern werd ich wohl nichts mehr. Dafür ist die Geschichte bereits zu weit weg...

Fayalit

 

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