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Ruhige Fahrt

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02.04.2002
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Ruhige Fahrt

„Ist es noch weit?“ – „Mama, ich muss mal.“ – „Ahhh... Malte hat mich gehaun!“ - „Wo ist mein Gameboy?“ – „Sind wir gleich da?“

Das Getobe auf der Rückbank wurde immer lauter, die beiden Insassen im vorderen Bereich hatten es längst aufgegeben für Ruhe zu sorgen. Nur fünfzig Kilometer entfernt vom Start versprach diese Reise lang zu werden.

„Achtung, Staustufe Rot auf der A1 Flensburg Richtung Hamburg“, prophezeihte die Stimme aus dem Radio. „Oh nein, nicht das noch - Stau!“, seufzte die junge Frau auf dem Fahrersitz. „Wir fahren einfach über die Dörfer“, beruhigte ihr Beifahrer und lotste sie bei der nächsten Gelegenheit von der Autobahn und durch das nächste Dorf. „Papa, gibt es hier ein McDonalds?“, fragte eine piepsige Stimme von der Rückbank. „Hier nicht, aber im nächsten Ort. Aber wir haben auch Brote in der Kühlbox“, erklärte Daniel, der immer noch ruhig auf den Radau im hinteren Bereich des Fahrzeugs reagierte. „Wir machen aber nicht jetzt schon die erste Pause“, versuchte die Mutter einzulenken. „Ich will ne Juniortüte“, meldete sich jetzt auch die kleine Schwester. „Und dann haben wir mal ne weile Ruhe?“, wollte die nun nicht mehr ganz so abgeneigte Fahrerin wissen. „Wir sind dann gaaanz still“, versprachen zwei engelhafte Stimmen zweier grinsender Kinder, die sich nun versöhnend in den Armen lagen.

Die Eltern nickten sich zu und der Wagen verließ die eigentliche Strecke. „Wie weit ist es zu McDonalds?“, meldete sich die Rückbank noch einmal, bevor einige Wagen vor der Familie ein Motorradfahrer auf die Gegenfahrbahn raste.

Mit einem lauten Knall wurde die Maschine zurückgeschleudert und der junge Fahrer schlug einige Meter hinter der Aufprallstelle hart auf der Straße auf. „Oh mein Gott!“, erschrak Daniel und veranlasste seine Frau, die ihrem Kind gerade eine Antwort geben wollte, so zum sofortigen Bremsen. Im selben Augenblick, in dem der Wagen stand, verließ Daniel seinen PKW und war schon auf dem Weg zur Unfallstelle, als seine Frau noch versuchte das Warnblinklicht einzuschalten, während sie daran dachte, möglichst schnell handeln zu müssen. Die Zeit schien sich zu Splitten. Sie blieb stehen, während sie unweigerlich immer schneller davonraste. Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Sie durfte keine Zeit verlieren, musste möglichst schnell handeln, doch Sekunden wirkten wie Stunden. In dieser Situation vergaß sie, wo der Schalter war. Nachdem sie das Licht, die Heckscheibenheizung und das Nebellicht eingeschaltet hatte, gab sie auf und sprang schnell aus dem Wagen, während sie ihre Kinder aufforderte im Wagen zu warten.

Nachdem die Fahrertür ins Schloss gefallen war, wurde es im Auto mucksmäuschenstill. Die Kinder wagten sich kaum zu atmen.

An der Unfallstelle wurde es umso hektischer. Der Fuß des Verunglückten hing wie ein ausfallender Milchzahn nur noch an einem „seidenen Faden aus Fleisch“ am Rest des Beines, aus dem ein Muskel frei heraushing. Deutlich war der Knochen zu sehen. Der Mann lag völlig verdreht da, seinen Helm hatte er bereits verloren, Daniel nahm ihm das Tuch ab, das er vor seinem Mund hatte. Sekunden nach dem Eintreffen ihres Mannes an der Unfallstelle, erreichte auch Lena den verunglückten Motorradfahrer. Der junge Mann auf dem Asphalt schien noch nicht realisiert zu haben, was passiert war. Er guckte sich mit weit aufgerissenen Augen um und sah Lena in die Augen. - Er war nicht viel älter als sie selbst. Dann versuchte der Verunglückte aufzustehen. Der Knochen des Fußes schrammte über den Asphalt – ein schreckliches Geräusch, als wenn jemand ein großes Stück Plastik über die Straße ziehen würde. Der Fuß drohte abzureißen, Lena wollte helfen, war aber kurze Zeit nicht in der Lage sich zu bewegen. Außerdem hatte sie Angst den Fuß abzureißen – was hätte sie tun können? Daniel war da. Er drückte den Schwerverletzten auf den Boden: „Nicht bewegen, wir sind jetzt bei dir“, versuchte er den jungen Mann zu beruhigen. Dieser hörte auf ihn und blieb liegen. Seine Augen schienen Halt zu suchen, wortlos nach Hilfe zu schreien. Lena wusste, dass sie ihr Handy nicht dabei hatte, während ihr nur noch ein Gedanke durch den Kopf schoss: „Schnell - 112“ Das Krankenhaus war nicht mehr weit weg und Lena wäre um ein Haar zurück ins Auto gesprungen, um dorthin zu fahren, doch dann sah sie andere Zeugen, die dabei waren den Krankenwagen zu rufen.

„Schnell, einen Gürtel!“, brüllte Daniel mit energischem Ton. Lena versuchte in Windeseile ihren Gürtel aus der Hose zu ziehen. Kaum hatte sie ihn ihren Mann überreicht, lief sie zurück zum Auto. Sie riss den Kofferraum brutal auf und suchte nach einem Erste-Hilfe-Kasten. Der rote Beutel fiel ihr zum Glück gleich ins Auge und auf nichts achtend rannte sie damit zurück zum Unfallort. Kaum hatte sie auch diesen ihrem Mann überreicht und einige Schritte zurück gemacht, blieb sie wie angewurzelt stehen und zitterte. Bilder von schweren Verletzungen kannte sie aus den Fernsehen, Internet und von Fotos bei Erste-Hilfe-Kursen, aber dies hier war anders.

Weder das Fernsehen, noch das Internet oder Archivfotos schauen dich direkt an, keines dieser Medien lässt einen die Todesangst der Opfer spüren, keines fordert dich auf, Verantwortung zu übernehmen.

Verantwortung, die Lena nicht im Stande war zu übernehmen. – Der Notarzt war alarmiert, das Bein war abgebunden, der Erste-Hilfe-Koffer am Unfallort. Lena atmete schneller, ihr wurde übel, das Zittern geriet außer Kontrolle. Daniel bemerkte es und schrie: „Ich weiß, dass du so etwas nicht abkannst. Geh ins Auto zu den Kindern und warte dort. Kümmer dich um die Kinder!“ Lena verließ die Unglücksstelle wie ferngesteuert und ging zurück zum Wagen. Sie hatte ihn noch nicht ganz erreicht, als sie den Motorradfahrer von der Unfallstelle aus schreien hörte. Sie drehte sich um und stand nun wieder unbeweglich da. Eine Frau kam auf sie zu: „Kommen Sie mal mit.“ „Nein, meine Kinder...“, brachte es Lena noch über die Lippen. - „Wo sind ihre Kinder?“ Lena zeigte mit zitternem Zeigefinger auf den Polo, der dort mitten auf der Fahrbahn stand – wenige Meter vom Unglücksort entfernt. „Wo bleibt denn der Krankenwagen?“, drang es aus Lena. – „Ich weiß auch nicht, das Krankenhaus ist hier gleich um die Ecke... Der kommt bestimmt jeden Augenblick.“ Lena versuchte wieder Richtung Polo zu gehen, hielt dann aber inne: „Wir wollten hier eigentlich gar nicht lang fahren“, weinte Lena, „wo bleibt denn der Krankenwagen?“ Die Frau nahm Lena in den Arm: „Der ist sicher gleich hier. Ich werde mitkommen zu ihren Kindern. Geht’s?“ Lena wischte sich die Tränen aus ihrem Gesicht und nickte. Mit weichen Knien gingen die beiden Frauen zum Auto.

„Hallo, ich bin Karen und wer seid ihr?“, fragte die Frau als sie in das Auto einstieg. Verängstigte Blicke wurden ihr zugeworfen, aber keine Antwort. „Ahhhhhhhhhhh“, die durchdringende Männerstimme von der Unfallstelle verstärkten diese Blicke.

Lena stieg aus und schlug die Kofferraumtür zu, die sie nach dem Herausnehmen des Verbandkastens nicht wieder geschlossen hatte. Wieder im Auto schaltete sie das Radio ein, um das Schreien zu übertönen. Die Kinder blieben stumm. „Das ist Malte und das Jessica“, stellte die junge Mutter ihre Kinder vor. Lenas Blick fiel auf den Boden vor Maltes Füßen. „Ich habe deinen Gameboy gefunden“, sagte sie und hob ihn auf. Malte nahm ihn vorsichtig und schweigend entgegen. „Wie alt seid ihr denn?“, wollte Karen von den beiden wissen. Malte guckte kurz auf seine kleine Schwester und glaubte wohl, er müsse stark sein, um sie zu beruhigen. „Ich bin fünf“, fing er vorsichtig an. Als Jessica nicht antwortete, fügte er „sie ist erst drei“, hinzu.

Endlich, nach unendlichem Warten von 3 Minuten, tauchten die Rettungskräfte auf. Zuerst ein Polizeibulli, Sekunden später 2 Krankenwagen und ein Notarztwagen.

„Mein Freund Benni ist im Kindergarten mal von der Schaukel gefallen und es hat geblutet, aber es war dann doch nicht so schlimm wie es aussah“, versuchte Malte alle um sich herum zu beruhigen. „Genau, Malte“, fing seine Mutter vorsichtig an, obwohl sie vom Gegenteil überzeugt war. – Der Fuß war ab. „Der kommt jetzt ins Krankenhaus und in ein paar Wochen ist wieder alles okay.“ Lenas Stimme zitterte und auch die beiden Kinder merkten sofort, wie unrealistisch diese Aussage war. „Guck mal, Jessica, so viele Krankenwagen“, versuchte der verantwortungsbewusste Fünfjährige abzulenken, „genauso einen fährt Papa auch.“

„... Ich spür dich ganz nah hier bei mir, kann deine Stimme im Wind hör’n...“, drohte das Radio in der dann folgenden Pause. Das Gesicht des 22jährigen Motorradfahrers erschien wieder vor Lenas geistigem Auge. Todesangst, lautlose Schreie...

Karen schaltete das Radio aus und legte ihre Hand beruhigend auf Lenas Schulter. Die Autotür ging auf und Daniel stand vor ihr. Sie fiel ihm sofort in die Arme. Lena sah den Krankenwagen wegfahren. „Also, ich kann jetzt nicht weiter fahren“, flüsterte Lena. „Ich auch nicht“, gab Daniel zu und es folgte eine Pause voller Ungewissheit. „Zu McDonalds ist es nicht mehr weit“, bemerkte der Lebensretter, „wir können da erstmal zu Fuß hingehen.“ Lena nickte: „Fährst du den Wagen zur Seite?“ Daniel nahm die Autoschlüssel entgegen und lenkte den Polo vorsichtig auf den Parkstreifen. Als der Wagen eingeparkt war, stieg die Familie aus und machte sich zu Fuß auf den Weg zu McDonalds.

Ganz bewusst spürte Lena ihre gesunden Beine – jeder Schritt ein kleines Wunder, keiner war mehr selbstverständlich. An jeder Hand klammerte sich ein Kind fest, beunruhigend ruhig gingen sie die Straße entlang, vorbei an der Polizeiabsperrung bis zu McDonalds. „Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen“, schoss es Lena durch den Kopf, als sie sich daran erinnerte, wie sehr sie sich noch vor einigen Minuten etwas Ruhe gewünscht hatte.

 

Ich hatte die Geschichte vor einiger Zeit schonmal unter einem anderem Titel gepostet und gelöscht, aber diesmal bleibt sie, ich werde sie aber selbstverständlich noch weiter überarbeiten ;)

 

Hi Anika

eine wirklich tragische Geschichte, wie sie wohl sehr oft nun auch bald wieder, auf unseren Straßen geschied. Bei uns auf dem Land, gibt es viele Straßen auf denen es zum schnellen Motorradfahren lockt. Wenn wir, auf der Suche nach einem Wanderparkplatz diese abfahren, sind die Grasnaben oft in sehr kurzen Abständen gespickt mit Holzkreuzen.
Welche Schicksale mögen sich dahinter verstecken.
Hinter deinem beschriebenen, hast du mit Phantasie, mir diese eindrucksvoll hinterlassen.

Was ich vielleicht noch ein wenig abändern würde

Nachdem sie das Licht, die Heckscheibenheizung und das Nebellicht eingeschaltet hatte, gab sie auf und sprang schnell aus dem Wagen, während sie ihre Kinder aufforderte im Wagen zu warten.

vielleicht: während sie ihre Kinder aufforderte darin zu bleiben?

Nachdem die Fahrertür ins Schloss gefallen war, wurde es im Auto mucksmäuschenstill. Die Kinder wagten sich kaum zu atmen.

sich weglassen?

„Hallo, ich bin Karen und ihr ?“, fragte die Frau als sie in das Auto einstieg. Verängstigte Blicke wurden ihr zugeworfen, aber keine Antwort. „Ahhhhhhhhhhh“, die kräftige Männerstimme von der Unfallstelle kräftigen diese Blicke.

mit: kräftigen diese Blicke kann ich leider keinen Sinn finden, oder hab ich etwas nicht erkannt?

Und ob der Tragik hab ich deine Geschichte gerne gelesen.

Einen schönen Abend wünsch ich dir

Morpheus

 

Hi Morpheus, danke für deine Kritik, ich habs gleich mal editiert. :)

„Hallo, ich bin Karen und ihr ?“, fragte die Frau als sie in das Auto einstieg. Verängstigte Blicke wurden ihr zugeworfen, aber keine Antwort. „Ahhhhhhhhhhh“, die kräftige Männerstimme von der Unfallstelle kräftigen diese Blicke.

Damit meinte ich die Verängstigen Blicke, die halt noch ängstlicher wurden. ;) Naja, da sind noch viele Dinge in der Geschichte, die mir nicht so gefallen, aber das wird schon noch. ;)

 

Hallo Anika!

Oje! Der Frühling kommt und lockt die verdammten Rocker hordenweise auf die Straßen. Die machen mich vielleicht aggressiv :mad: Also, wenn meine Wünsche da in erfüllung gingen... Es gibt ja den Glauben, dass böse Wünsche etwas bewirken.
Sympathisch finde ich, dass die Mutter in deiner Erzählung vor ihren eigenen bösen Wünschen erschrickt:

Weder das Fernsehen, noch das Internet oder Archivfotos schauen dich direkt an, keines dieser Medien lässt einen die Todesangst der Opfer spüren, keines fordert dich auf Verantwortung zu übernehmen.
Gut und lebendig erzählt.

Grüße gerthans

 

Hi Anika,

Verkehrsunfälle konfrontieren einen mit dem Tod oder zumindest mit Verletzungen. Bei Verkehrsunfällen wird wohl am allerschnellsten aus einem Alltag plötzlich ein ernster Tag. Und das auch, wenn man nicht am Unfall beteiligt ist. Insofern ist ein Unfall ein Top-Thema für eine Kurzgeschichte.

Ein Unfall kann einen daran erinnern, dass man selber irgendwann stirbt. Dieses Motiv schlagen bei deiner Geschichte der Titel, der Anfang und der Schluss an. Am Anfang wünscht sich Lena Ruhe, am Ende erkennt sie, dass die Ruhe auch Totenstille sein könnte: Sei vorsichtig mit deinen Wünschen, sie könnten in Erfüllung gehen.

Ein Unfall erfordert aber auch rationales Vorgehen bei den Helfern. Auch das ist in deiner Story drin: Während Lenas Mann als Rettungssanitäter sich ziemlich rational verhält, scheint Lena einen leichten Schock zu haben. Deswegen kann sie "die Verantwortung nicht übernehmen", wie du es ausdrückst.

Beide Motive sind okay, aber ich finde, du solltest dich für eins von beiden entscheiden.

Warum? Stell dir mal vor, du erzählst einem Freund ein Erlebnis. Genau das machst du ja, wenn du eine Geschichte schreibst: Du erzählst dem Leser was. Bei deinem Freund kommt die Geschichte am stärksten an, wenn du EIN Gefühl in den Mittelpunkt stellst. Ein Freund von mir ist mal als erster zu einem Motorradunfall gekommen und hat mir ein paar Stunden später davon erzählt. Er war natürlich geschockt. Und er hat sich Vorwürfe gemacht, dass er vielleicht nicht alles richtig gemacht hat. Diese Vorwürfe waren sein Gefühl. Dieses eine Gefühl stand bei ihm im Mittelpunkt, und das konnte er mir vermitteln. Wenn er mir dazu noch gesagt hätte, dass er an seinen eigenen Tod denken musste, dann hätte seine Erzählung nicht so stark auf mich gewirkt.

Noch ein bisschen was anderes.

- Ich hätte die Geschichte aus der Sicht von Lena erzählt (personal nennt man das wohl), da es um sie geht und darum, wie sie das Geschehen verarbeitet. Du erzählst die Story von außen (auktorial). Die Überlegung: "Weder das Fernsehen, noch das Internet oder Archivfotos schauen dich direkt an..." kommt ja nicht von Lena. Ich fände es interessanter, was sie erlebt, als was jemand anderes über sie sagt.
- Ich würde den Namen Lena von Anfang an verwenden, nicht "die junge Frau auf dem Fahrersitz" schreiben und irgendwann doch noch den Namen rausrücken.
- Vor ? und ! keinen Abstand machen. Oder willst du das so, wie du die Uhr am rechten Handgelenk trägst? :)
- Im dritten Absatz zu oft "seufzte sie", "beruhigte ihr Beifahrer", "fragte eine piepsige Stimme", "erklärte Daniel" usw. Das meiste davon kannst du wahrscheinlich weglassen, weil dem Leser sowieso klar ist, wer das sagt. Stattdessen jede Aussage in eine eigene Zeile.
- Den eigentlichen Unfall genauer beschreiben: bevor einige Wagen vor der Familie ein Motorradfahrer auf die Gegenfahrbahn raste. Mit einem lauten Knall wurde die Maschine zurückgeschleudert und der junge Fahrer schlug einige Meter hinter der Aufprallstelle hart auf der Straße auf Fährt der Biker in dieselbe Richtung wie Lenas Polo? Gegen was prallt das Motorrad? Hört man die quietschenden Reifen der bremsenden Autofahrer?
- „Oh mein Gott !“, erschrak Daniel und veranlasste seine Frau, die ihrem Kind gerade eine Antwort geben wollte, so zum sofortigen Bremsen. Man erschrickt nicht "oh mein Gott", man ruft "Oh mein Gott." Und ich glaube auch nicht dass Daniel ruft: "Jetzt bitte bremsen!" Eher schon: "Pass auf!" Der Ausdruck "veranlasste seine Frau zum Bremsen" ist viel zu bürokratisch formuliert.
- „Schnell, einen Gürtel !“, brüllte Daniel mit energischem Ton. Kann man auch gelangweilt brüllen? Hier moppelst du doppelt.
- „Wo bleibt denn der Krankenwagen ?“, drang es aus Lena.
"Drang es aus Lena" find ich auch weniger gelungen.

Naja, aber ich verlier mich in Kleinigkeiten. Die Hauptsache ist, wie gesagt, dass du überlegst, welches Hauptthema du der Geschichte geben willst. Alles andere würde ich rausschmeißen oder für eine andere Story verwenden.

Grüße,
Stefan

 

Liebe Anika!

Leixoletti hat ja schon viel von dem vorweggenommen, was ich ursprünglich auch sagen wollte, das heißt, ich stimme ihm eigentlich in allen Punkten fast hundertprozentig zu, weshalb meine Bemerkungen mehr nur Ergänzungen dazu sind. ;)

Am Anfang führst Du Deine Leser ein bisschen aufs Glatteis, denn mit dem Titel und dem Beginn, wie die Kinder keine Ruhe geben, dachte zumindest ich noch an eine eher heitere Geschichte…– Allerdings muß ich auch dazusagen, daß mich gerade das anschließend auch diesen Schock, den die Protagonistin hat, glaub ich stärker spüren ließ, als wenn es von Anfang an klar wäre, um was es geht. Ich weiß nicht, ob Du das vielleicht so beabsichtigt hattest?
Was das anfängliche Nicht-verraten-Wollen der Insassen des Autos und die Erzählperspektive betrifft, stimme ich ganz mit Leixoletti überein.

Daß Du den Unfall selbst nicht so genau beschreibst, bei allem anderen aber sehr genau und distanziert ins Detail gehst, bringt mich zu der Vermutung, daß hier vielleicht eine persönliche Verarbeitung dahintersteckt… Auch ist, wenn das Bein nur mehr so wenig dranhängt, sicher viel Blut geflossen – das fehlt irgendwie ganz, als hättest Du (beim Schreiben) nicht so genau hinschauen können… Hingegen dieses Geräusch des Knochens auf der Straße kommt äußerst realistisch rüber, auch die Tatsache, daß er versucht, aufzustehen.
Ich hatte einmal einen Arbeitskollegen, der bei einem Motorradunfall ein Bein verloren hat. Damals war er ungefähr achtundzwanzig. An den fühlte ich mich bei Deiner Geschichte erinnert. Aber weißt Du: Er war ausgesprochen gut drauf und konnte mit seiner Prothese so gut gehen, daß man fast nichts bemerkte. ;)

Beim Ende würde ich irgendwo da aufhören, wo die Familie gemeinsam zu McDonalds geht, da es auch besser zum Anfang der Geschichte paßt und das Schlußthema wirklich eine eigene Geschichte wert wäre. :)

Aber jetzt alles der Reihe nach und bunt gemixt:

Diese zuviel vorhandenen Leertasten bei den direkten Reden hat ja Leixoletti schon erwähnt.
Als zweiten formalen Punkt möcht ich die Gedankenstriche feststellen, da verwendest Du einmal die kurzen - einmal die langen – ich persönlich finde die langen schöner.

»Nur 50 Kilometer entfernt vom Start«
– solche Zahlen sind ausgeschrieben schöner in einem Text: „fünfzig“ ist ja nicht lang. ;)

»prophezeite die Stimme aus dem Radio«
– prophezeihte

»„Hier nicht, aber im nächsten Ort. Aber wir haben auch Brote in der Kühlbox“, erklärte Daniel, der immer noch ruhig auf den Radau im hinteren Bereich des Fahrzeugs reagierte. „Wir machen aber nicht«
– dreimal „Aber“

»versprachen zwei engelhafte Stimmen zweier grinsender Kinder«
– Vorschlag: versprachen die engelhaften Stimmen der beiden Kinder

»… Im selben Augenblick, in dem der Wagen stand, verließ Daniel seinen PKW und war schon auf dem Weg zur Unfallstelle, als seine Frau noch versuchte das Warnblinklicht einzuschalten, während sie daran dachte möglicht schnell handeln zu müssen. Die Zeit schien sich zu Splitten. Sie blieb stehen, während sie unweigerlich immer schneller davonraste. Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Sie durfte keine Zeit verlieren, mussten möglichst schnell handeln, doch Sekunden wirkten wie Stunden. In dieser Situation vergas sie, …«
– im ganzen Absatz würde ich kürzere Sätze verwenden, zum Beispiel: „…war schon auf dem Weg zur Unfallstelle. Seine Frau versuchte noch (die beiden hab ich verdreht), das …
– bei der (hier nicht zitierten) Stelle mit dem „veranlasste seine Frau“ stimme ich meinem Vorredner ebenfalls zu
– daran dachte, möglichst schnell
– die Zeit schien sich zu splitten (warum eigentlich, wie ist das gemeint? Du weißt, daß „splitten“ „aufteilen“ heißt?)
– Sie durfte keine Zeit verlieren, musste (ohne n)
– In dieser Situation vergaß sie

»An der Unfallstelle wurde es umso unruhiger.«
– statt unruhiger würde ich z.B. „hektischer“ verwenden

»aus dem ein Muskel frei raushing.«
– raushing ist so ein abgekürztes, unschönes Wort – warum nicht „heraushing“?

»seinen Helm hatte er bereits verloren«
– hm, einen Helm verliert man nicht so einfach, ich würde das drastischer ausdrücken, zum Beispiel „sein Helm lag in zwei Teilen auf der Straße“ oder sowas

»Sekunden nach dem Eintreffen ihres Mannes an der Unfallstelle, erreichte auch Lena«
– der Beistrich ist hier zu viel

»Kaum hatte sie ihn ihren Mann überreicht«
– ihrem Mann

»Der rote Beutel fiel zum Glück gleich ins Auge«
– fiel ihr zum Glück

»keines fordert dich auf Verantwortung zu übernehmen.«
– abgesehen von Stefans Anmerkung zu dieser Stelle gehört da ein Beistrich: fordert dich auf, Verantwortung

Zeilenwechsel bei den direkten Reden hab ich mir ebenfalls angezeichnet. ;)

»„Hallo, ich bin Karen und ihr ?“, fragte die Frau«
– ein „und wer seid ihr?“ wäre schöner, find ich

»die kräftige Männerstimme von der Unfallstelle kräftigen diese Blicke.«
– meinst Du sowas wie „die durchdringende Männerstimme … verstärkte diese Blicke“?

»Lena stieg aus und schloss die Kofferraumtür, die sie nach dem Herausnehmen des Verbandkastens nicht wieder geschlossen hatte.«
– zweimal „schloss“, Vorschlag: Lena stieg aus und schlug (klappte) den Kofferraumdeckel zu

»„Wie alt seit ihr denn ?“, wollte Karen von den Beiden wissen.«
– seid … den beiden

»Malte … schien nun der Meinung zu sein stark sein zu müssen«
– was hältst Du von „glaubte wohl, er müsse stark sein“? (wegen zweimal „zu“ und „sein“)

»Als Jessica nicht antwortete, fügte er „sie ist drei“, hinzu.«
– „Sie ist erst drei”

»Der Fuß war ab, „der kommt jetzt«
– ab.Der kommt

»erschien wieder vor Lenas geistigen Auge«
– geistigem Auge


So, jetzt haben wir Sommerzeit. :)

Liebe Grüße,
Susi :)

 
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huch, danke für eure Kritiken, ich hatte wohl vergessen meine eigene Geschichte zu abonieren :shy: Naja, ich fang denn mal an zu überarbeiten :)

@Leixoletti: Hmm? Wieso trifft es nicht auf Lena zu, dass sie die Verantwortung nicht übernehmen kann und dass sie zum ersten Mal einem Verletzten direkt in die Augen guckt? :confused:

Und wenn ich die Geschichte nun noch mehr auf einen der beiden beziehe, kann ich doch theoretisch noch weniger zum Unfallhergang schreiben, da ja nur Daniel den Unfall überhaupt sieht und Unfälle passieren immer sehr schnell, da wäre es doch noch unrealistischer, wenn alles ganz genau beschrieben ist. Die anderen Dinge kann man schon wahrnehmen, die passieren nicht in Sekundenbruchteilen.

Vor ? und ! keinen Abstand machen. Oder willst du das so, wie du die Uhr am rechten Handgelenk trägst?
hehe, was dir so alles auffällt :D Naja, ich hatte das mit den Freizeichen so gesehen, ja. Aber eigentlich hatte ich Bib mal nachgegeben :shy: Ich änder das gleich mal ;)

Achja, ich dachte mehr daran, dass Daniel "oh mein Gott" flüstert... ich schreibs halt nochmal um.

@Häferl:
Das mit dem Zeit splitten hab ich doch direkt dahinter erklärt... Aufteilen, ja, ist mir klar. Vielleicht hat sie einfach zu wenig Zeit zum Handeln. Sie kommt sich so vor, als wenn sie sich im Zeitlupentempo bewegt. Alles muss schnell gehen und der Krankenwagen lässt scheinbar Ewigkeiten auf sich warten, obwohl er wenige Minuten später da ist. Vielleicht kann man da ja auch noch mehr übertreiben, schließlich spielt das Ganze ja in der Nähe des Krankenhauses. Könnte ein Krankenwagen dann auch schon nach einer Minute da sein und wäre es möglich die Handlung in dem Zeitraum abspielen zu lassen?

hmm... wenn ich splitten klein schreibe, nörgelt Word...

 
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Hallo Anika,

zum Thema Verantwortung: Ich wollte nicht kritisieren, dass Lena keine Verantwortung übernimmt, sondern nur feststellen, dass es in deiner Story so ist. Egal, vergiss es.

Worauf es mir ankam:

Du hast zwei Themen in deiner Geschichte, und ich meine, eines wäre genug. Was die zwei Themen sind?
1.) Dass Lena sich am Ende denkt: Ich sollte mir nicht immer mehr Ruhe wünschen, weil Ruhe auch Tod bedeuten könnte.
2.) Dass Lena sich nach dem Unfall nicht so rational verhält wie ihr Mann.

Zum Thema Perspektive:
Du schreibst: ...wenn ich die Geschichte nun noch mehr auf einen der beiden beziehe, kann ich doch .. noch weniger zum Unfallhergang schreiben, da ja nur Daniel den Unfall überhaupt sieht und Unfälle passieren immer sehr schnell
Ich hatte gedacht, beide sehen den Unfall! Da Lena fährt, hatte ich gedacht, sie schaut nach vorn und sieht das gleiche wie Daniel.

Meiner Ansicht nach kann man in der Wirklichkeit auch sehr schnelle Vorgänge mit dem Auge erfassen. Und ein Autor kann das ganz ausführlich beschreiben, ohne dass es unrealistisch wird, meine ich. Wo steht denn geschrieben, dass ein Vorgang, der in der Wirklichkeit nur zwei Sekunden dauert, auch beim Lesen nur zwei Sekunden dauern darf?

Grüße,
Stefan

 

öhhm, hatte Lena nicht gerade mit ihrem Kind geredet, als der Unfall passiert ist? Tut mir leid, wenn meine Antworten so klingen als würde ich mich irgendwie angegriffen fühlen. Ist nicht so, ich schreib bloß vielleicht mit einem Nörgelton oder so. Mach ich mir evtl. irgendwann mal Gedanken drüber, aber jetzt grad nicht :p Ich habe mich jedefalls nicht angegriffen gefühlt, falls dich das beruhigt.

hmmm... ich habe die Geschichte doch schon mehr aus Lenas Sicht geschrieben, oder? Da ist eigentlich nichtmal erwähnt, was Daniel denkt...

An den Tod hatte ich beim Schreiben eigentlich nicht gedacht. Nur daran, dass wir es für zu selbstverständlich halten, dass wir nicht behindert sind und nur in extremen Situationen wirklich dankbar dafür sind. Und wenn Daniel nicht wäre, wäre Lena gezwungen zu handeln, dann würde sich die gesamte Geschichte ändern müssen...

 

Ad 1: Ich dreh mich als Fahrer nicht immer um, wenn jemand auf der Rückbank was fragt.

Ad 2: Ja, das stimmt, die Geschichte ist auktorial, aber man hat den Eindruck, dass die Autorin mehr Interesse an Lena hatte als an Daniel.

Ad 3: Deswegen hast du geschrieben: Ganz bewusst spürte Lena ihre gesunden Beine. Aber Titel (Ruhige Fahrt), Anfang (lärmende Kinder) und Ende (die Ruhe-Wünsche, die in Erfüllung gehen könnten) haben mich in Richtung Ruhe und Tod denken lassen.

 

hehe, nein ich hänge nicht dermaßen an meinem "Baby", dass ich nix ändern oder kürzen will. :D

Eigentlich gefällt mir da vieles selbst noch nicht, aber ich arbeite dran. Erstmal mach ich mir "nur" Gedanken, also erwarte bitte nicht, dass ich heute abend eine neue Fassung parat habe ;)

Als ich angefangen hab deine Kritik zu lesen, dachte ich du würdest sie absolut scheiße finden, weil wir in München "sucks" mit "saugt" übersetzt haben. *gg* nur mal so nebenbei.

Bis denne
Anika (die jetzt erstmal wieder die Sonne genießen geht)

 

He Anika,
hiermit widme ich Dir also nun meinen ersten Beitrag.
Die Geschichte kannte ich ja schon, allerdings in etwas älterer Version.
Krass erzählt, hab das aus gegebenen Anlaß vielleicht heftiger empfunden als andere, aber muß mich auch der Kritik anschließen, dass sich die Geschichte an einigen Stellen etwas kürzen ließe, die Perspektive hingegen find ich gelungen. So weit von mir literarisch Ungebildeter.
LG Svenja

 

Hey Svenja, willkommen an Bord. :) Ich hoffe, dass es nicht dein einziger Beitrag bleibt ;)

sveni1009 schrieb:
So weit von mir literarisch Ungebildeter.

:lol:

Naja, du kannst ja von mir belesenen Person noch lernen. :dozey:

:rotfl:

um nochmal zurück zum Topic zu kommen: Ich häng da grad etwas fest, aber ich bleibe optimistisch das noch überarbeiten zu können und ne tolle Story draus machen zu können.

 

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