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Serie Samstag: Epilog - Ein Samstag Abend

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01.07.2001
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Samstag: Epilog - Ein Samstag Abend

Dies ist ein Epilog zu 'Ein Samstag Abend' (ist schon eine Weile her, dass ich ihn hier veröffentlicht hab).

Es war schon komisch. Da stand ich hier mit einem blonden Jungen, dessen Namen ich nicht einmal kannte, in meinem Zimmer. Meine Eltern nebenan in ihrem Ehebett ahnten nichts von alledem.
Ich hatte den blonden Jungen auf der Straße aufgelesen, sein Vater hatte ihn rausgeschmissen, nachdem er erkannt hatte, dass er schwul war.
Schrecklich, vom eigenen Vater verstoßen - mit 17 auf die Straße gesetzt. Naja, vielleicht stand mir so ein Schicksal auch noch bevor, wenn meine Eltern es jemals erfahren sollten, obwohl – nein, eigentlich konnte ich mir das bei meinen Eltern nicht vorstellen. Sicher, begeistert würden sie nicht sein; vor allem meine Mutter nicht. Vor einiger Zeit hatte ich sie mal mit meinem Vater über Enkel reden gehört. Damals war ich kurz davor gewesen es ihnen zu sagen, dass ich auch schwul bin, aber als ich hörte wie sehr sie sich Enkelkinder wünschte hab ich es erst mal gelassen, ich wollte ihren Traum nicht zerstören.
Ich drehte mich zu dem Blonden um.
"Ich kann dir nichts besonderes anbieten. Du musst wohl oder über mit der Couch vorliebnehmen."
Er schaute auf die Couch – ein etwa 20 Jahre altes Modell in einem himmelblauen Farbton gehalten.
Etwas verstört schaute er mich an – irgendwie wie ein Reh, dass von einem Autoscheinwerfer geblendet wird, dachte ich.
"Ich hol dir mal schnell eine Decke und ein Kissen."
Irgendwie verspürte ich den Drang die Situation etwas aufzulockern. Ich bin kein verdammter Psychologe oder so, aber selbst ich konnte erkennen wie unangenehm dem Blonden die ganze Sache war.
"Lauf nicht weg; ich bin gleich wieder da", schelmisch grinste ich ihn an.
Ja, ich gebe es zu, sehr einfallsreich war das nicht, aber ich war noch nie in solch einer Situation und hoffe auch nie wieder in eine solche zu kommen. Der Blonde jedenfalls schien sich etwas zu entspannen.
Ich ging also das Kissen und die Decke holen.
Als ich zurückkehrte war der Blonde gerade damit beschäftigt sich zu entkleiden. Sein Pullover lag bereits neben ihm auf dem Boden und ich konnte das Spiel seiner zarten jungen Muskeln auf dem Rücken beobachten, als er sich die Jeans aufknöpfte.
Leise legte ich die Bettwäsche auf die Couch und begann mich meinerseits bis auf die Boxer zu entkleiden. Dabei versuchte ich mit aller Macht nicht zu dem Blonden hinzusehen, der sich auch bis auf die Boxer – er trug gelbe Shorts mit lustigen 'Sesamstraße' Motiven – entkleidet hatte. Er hatte unglaublich helle Haut – ja, sie war fast schon weiß – sie lies ihn ziemlich verletzlich wirken.
Der Blonde legte sich auf die Couch und verschwand unter der Steppdecke. Ich atmete kurz auf, legte mich meinerseits ins Bett und knipste das Licht aus.
Es wurde dunkel.
Schlaf konnte ich aber nicht finden, mit meinen Augen tastete ich die Zimmerdecke ab, die von dem wenig Licht erhellt wurde, das der Mond spendete und das seinen Weg durch die Vorhänge fand. Leise hörte ich die gleichmäßigen Atemzüge des Blonden und wurde mir der unglaublichen Situation bewusst in der ich steckte – wie in Gottes Namen sollte ich meinen Eltern morgen früh erklären was dieser wildfremde Junge bei mir im Zimmer zu suchen hatte? Naja, mir würde schon was einfallen, wie mir immer etwas einfiel.
Ich weis nicht wie lange ich da so gelegen habe und über Gott und die Welt nachgesonnen habe, aber es war sicherlich länger als eine Stunde – aber auf sein Zeitgefühl im halbschlafenden Zustand soll man ja nicht vertrauen.
"Bist du noch wach?"
Huch, ich hatte erwartet der Blonde würde schon schlafen – scheinbar war ich nicht der einzige der keinen Schlaf finden konnte. Ich gab ein Brummen von mir.
"Was ist los?"
"Kannst du auch nicht schlafen?"
"Nein. Was ist los?"
"Kann ich zu dir ins Bett kommen?"
Diese elendige Fragerei ging mir langsam auf die Nerven und ich hatte auch keine Lust auf eine groß angelegte Diskussion. Eigentlich wollte ich nur abtauchen in die Ruhe des Schlafes – eine Ruhe in der man nicht nach zu denken braucht; eine Ruhe ohne Probleme; eine Ruhe in der das Drumherum egal ist; eine absolute Ruhe.
Resigniert stöhnte ich auf.
"Wenn es unbedingt sein muss."
Ich musste bescheuert sein. Den wildfremden Blonden bei mir auf der Couch würde ich vielleicht noch erklären können, aber der Wildfremde bei mir im Bett würde sicherlich einige unangenehme Fragen nach sich ziehen – aber jetzt war mir erst mal alles egal.
Tapsenden Schrittes kam der Blonde zu meinem Bett und legte sich links neben mich hin – ich habe schon seit Jahren ein großes 1 Meter 40 breites Bett, da ich mich nie mit weniger zufrieden gegeben habe, ich mag es halt nicht eingeengt zu sein.
Es war schon ein seltsames Gefühl einen Jungen neben mir zu haben – aber in diesem Moment mehr unangenehm als schön. Aber das war mir jetzt auch egal, ich war müde und wollte nicht mehr über diese Situation nachdenken. Ich rollte mich auf die rechte Seite und schloss die Augen. Doch bevor ich in die absolute Ruhe eines traumlosen Schlafes abdriften konnte spürte ich noch wie ich umarmt wurde, dann schlief ich ein.

Ich wachte wieder auf.
Es war dunkel bei mir im Zimmer, allerdings fiel ein wenig Licht durch den Türspalt. Licht? Um diese Uhrzeit? Ich drehte mich auf den Rücken, der Platz links von mir war leer, aber noch warm.
Ich knipste das Licht an. Der Blonde war verschwunden und mit ihm all seine Sachen.
Irgendwie spürte ich ein alarmierendes Gefühl in der Magengegend. Das der Blonde sich so einfach aus dem Staub machte gefiel mir nicht. Er wusste doch gar nicht wohin.
Schnell zog ich mir meine Sachen wieder an – meine Müdigkeit war mit einem Schlag verschwunden.
Dann ging ich raus, auf die Straße – nein, eigentlich rannte ich.
Ich weis nicht wie lange ich lief, und vor allem nicht wohin ich lief, ich wusste ja nicht wo der Blonde hin sein könnte. Aber irgendwie zog es mich in Kreisen immer mehr zu Thormahnstraße hin und dann stand ich irgendwann wieder vor 'Ratties' und siehe da, der Blonde war auch da. Er stand da, den Kopf gegen die Rolllade gelehnt.
"Hey du. Kannst du mir erklären was das sollte? Warum bist du ohne was zu sagen gegangen?"
Der Blonde zuckte zusammen, ob von der Stimme allgemein, oder weil es gerade meine Stimme war weis ich bis heute nicht. Langsam drehte er sich um. Im fahlen Licht der Straßenlaternen konnte ich glänzende Streifen erkennen, die von seinen Augen nach unten verliefen – er hatte wieder geweint.
"Ich...", er stockte.
Langsam ging ich auf ihn zu – bildete ich es mir ein, oder schien er zu schwanken?
"Ich...", begann er noch mal.
Ich bemerkte ein mal mehr wie fertig er doch war und so beschloss ich die Sache anders anzugehen.
"Es ist OK. Was ist denn los?"
Ich ging einen weiteren Schritt auf ihn zu – wollte ihm die Tränen aus dem Gesicht wischen, doch dann brach er zusammen. Wie eine Puppe fiel er plötzlich in sich zusammen. Ich versuchte noch ihn zu halten, doch ich war nicht schnell genug – mit einem klatschenden Geräusch schlug er auf den Asphalt auf.
Ich kniete mich neben ihm und hob seinen Kopf an – scheinbar war ihm nichts passiert, mit gebrochenen rotunterlaufenen Augen sah er mich an.
"Was machst du nur für Sachen? Ist dir was passiert?"
Er schüttelte leicht den Kopf, Tränen liefen sein Wangen herunter. Ich fragte mich zum wiederholten Male wo er nur die ganzen Tränen hernahm.
Ich wischte ihm die Tränen aus dem Gesicht und fragte ihn erneut:
"Warum bist du weggelaufen?"
Er schlug die Augen nieder und sah mich auch nicht an, als er zu sprechen begann.
"Ich schaff das schon allein. Ich brauche keine Hilfe."
Die Art wie er das sagte klang so unendlich emotionslos. Kein Wort entsprach der Wahrheit und das wussten wir beide.
"Das stimmt doch gar nicht."
Der Blonde versuchte trotzig zu antworten, aber sein 'stimmt ja wohl' wurde von seinem Schluchzen erstickt.
Mit tränenerstickter Stimme meinte er dann nur noch:
"Aber ich mach dir doch nur Ärger."
Ich antwortete darauf gar nicht mehr, sondern half ihm statt dessen hoch und führte ihn wieder Richtung: zu Hause.

 

Hm. Ich kenne "Samstag nacht" nicht, aber das ist auch nicht so wichtig. Als Einstieg in eine längere Geschichte finde ich den Text recht schön. Es bleibt unklar, wer der Blonde ist, wo er herkommt und wo ihn der Protagonist aufgelesen hat, aber das tut dem Text keinen Abbruch. Ich frag mich gerade, warum bisher noch keiner darauf geantwortet hat?! :confused:
Sprachlich sehr schön, stilistisch ein paar Fehler: "weiß" als Verbform mit "ß". Sind u.U. noch ein oder zwei dieser Art drin, insgesamt aber okay.
Gruß,

chaosqueen :queen:

 

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