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Satyrspiel oder Albtraum des Hippokrates

Seniors
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29.01.2010
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Satyrspiel oder Albtraum des Hippokrates

Vor Dr. Sebastian Brentano lag ein Schriftstück, welches er beim Antiquitätenhändler Senyug in Istanbul erworben hatte. Es besass keinen besonders historischen Wert, zumal der Verfasser, Ioanidis aus Thessalien, unbekannt war. Senyug, bei dem er seit vielen Jahren verschiedentlich Raritäten aus der Antike erwarb, sagte:

«Eine authentische Zuordnung des Inhalts an Hippokrates kann ich nicht gewährleisten, auch wenn dessen Name im Text erscheint.»

Brentano wusste, Aufzeichnungen der hippokratischen Lehre erfolgten stets durch Andere und meist auch viel später. Immerhin, die Schrift war in ionischem Dialekt etwa um 360 v. Chr. verfasst worden, da war sich Brentano sicher.

Er begann mit der Übersetzung und hoffte, er könnte vielleicht einen kleinen Mosaikstein ins grosse Bild der altgriechischen Geschichte einfügen, vielleicht auch nur durch eine Nebensächlichkeit aus dem Text.

Nach langem Ringen und Abwägen der Interpretationen war er überzeugt, seine Transkription sei die bestmögliche Annäherung, die er erreichen konnte. Dennoch empfand er sie als fragmentarisch und schwer zu verstehen. Es war kein Gelehrter, der das Schriftstück abfasste, und er selbst nicht vertraut mit antiker Heilkunde. Er müsste den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen, die Denkart von Platon einbeziehen. Ein grosser Aufwand, der sich in seinen Augen lohnen würde.

Eines Nachts, kurz vor drei Uhr, schloss er endlich seine Arbeit ab. Die letzten achtzehn Stunden hatte er beinah pausenlos daran gearbeitet, in den Werken von Platon und Anonymus Londonensis nachgeschlagen, Vergleiche gezogen und Worte wieder verworfen. Nun meinte er, die Aussagen gedeutet zu haben. Die Strapazen der Arbeit, vor allem die Erkenntnis über den Inhalt des Schriftstücks, hatten ihn erschöpft. Vorerst wollte er ausgiebig schlafen, um dann mit klarem Verstand das Ganze nochmals zu überdenken.


*​

«Ich, Ioanidis aus Thessalien, wurde von meinem Herrn in sehr früher Morgenstunde zu ihm gerufen. Erst dachte ich, er brauche eine Medizin, da er altersbedingt gesundheitlich angegriffen war, doch wollte er mir einen Traum mitteilen. Er war sehr erregt, wie ich ihn noch nie erlebte. Auch nahm er mir das Versprechen ab, mit niemandem jemals darüber zu reden, was er mir nun erzählen werde. Dann begann er.

Mir, Hippokrates aus Kos, wurde diese Nacht ein visionärer Traum zuteil, der die äskulapische Kunst, wie ich sie lehre, in einer unvorstellbaren Art infrage stellt und den Anspruch an die Fehlerlosigkeit ignoriert. Es musste tausend, doppelt so viel oder noch mehr Jahre später sein, die Welt, welche ich erblickte, war mir fremd. Und doch verstand ich, was diese Ärzte sagten, als es sich mir offenbarte. Sie waren in einem grossen Haus versammelt, führten Behandlungen durch, die weit jenseits der von mir gelehrten Anwendungen und fern meiner Erfahrungen waren. Entgegen meiner Lehre aktivierten sie nicht die Selbstheilungskräfte des Menschen, sondern meinten, mit ihren Methoden über der Natur zu stehen. Es ist nicht einzig dies, das mich schockierte. Sie ersetzten am Körper von Menschen Teile, töteten ungeborenes Leben und züchteten einem Zauber gleich neu keimend organisches Leben, angeblich Heil bringend. Der Natur wurde ins Handwerk gepfuscht, als ob sie die Götter selbst verkörperten. Dabei waren sie masslos, was sie am Körper zu erkennen vermeinten, glaubten alles zu verstehen und deuten zu können, auch wenn es fern von Sichtbarem lag. Meine Erkenntnis, dass der Charakter und der Körper des Menschen in symbiotischer Beziehung stehen, war bedeutungslos und wurde ignoriert, ebenso vereinnahmten sie das Wissen der Philosophen als das ihre und vermischten es willkürlich mit eigenen Theorien. Um den Ungebildeten ihre vorgeblichen Wahrheiten glaubhaft zu machen, schufen sie verschiedene Fachbereiche, einander die Patienten austauschend und jeder reichlich daran verdienend.

Bei einem Rundgang in diesem Haus sah ich merkwürdige Dinge, etwa mechanische Konstruktionen, die das innerste des Menschen erklären, und angeblich auch ihr Blut und die Säfte deuten sollten.

Die Fülle an Eindrücken, die mich überkamen, waren weitaus mehr und masslos erschreckend. Das Prinzip, keinen Menschen anzufassen, wenn man nicht mit Gewissheit eine Heilung erzielen kann, wurde nicht eingehalten. Der Gewinn an immer neuer Erkenntnis stand über allem. Dabei war unverkennbar, dass humane Ideale sich zunehmend auflösten, einer Demenz gleich in Vergessenheit gerieten. Die Zielsetzung von Macht dominierte, zu der die neuen Ärzte drängten. Sie betrachteten die Patienten nur noch als Objekte, deren Behandlung ihrem hierarchischen Aufstieg diente und ihnen zugleich einen goldenen Wohlstand sicherte.

Unter Gegenständen, die zur Entsorgung an einer Wand stapelten, entdeckte ich eine Schrift in lateinischen Buchstaben, die sie den ‚Hippokratischen Eid’ nannten. Er enthielt annähernd zusammengefasst, was ich als Ethik für den Beruf des Arztes lehrte. Wie ich vernahm, wurde während langer Zeit dieser Text beim Abschluss des Studiums als Ritual nachgesprochen, statt wie bei mir zu Beginn die Werte als Grundlage des Handelns festzulegen. Inzwischen hat man dies aber ganz verworfen, meine Kunst in die Nähe obsoleter Pfuscherei gerückt, die durch ganz neue Erkenntnisse an medizinischem Wissen überholt sei. Von den Göttern ist nur noch Äskulap als Symbol und Name präsent, einzig der Zierde wegen.

Ich mag gar nicht weiter darüber berichten, welch schreckliche Dinge ich zu nennen wüsste, es ist allzu viel das dannzumal im Argen liegt. Der Respekt vor der Natur und die Kunst des Heilens werden verformt sein, man versucht den Menschen selbst zu reproduzieren, bis vollends der Zorn der Götter sie trifft. Sie wollen dies nicht wahrhaben, obwohl die regulierende Natur bereits neue Krankheiten und Epidemien ausbreitete, und gaben vor, bald auch hierfür eine Medizin zu haben. Die Menschheit riskiert dezimiert und in Urzeiten zurückgeworfen zu werden, und es scheint ungewiss, ob dann eine Neubesinnung noch gelingen kann.

Ich bin zu alt und kann es nicht abwenden. Meinen beiden Söhne Thessalos und Drakon sowie meinem Schwiegersohn Polybos kann ich nicht eine solch untragbare Bürde auflasten, sie mögen im Sinne der Götter und Göttinnen die Kunst des Heilens am Menschen weiter ausüben, wie ich sie lehre. Der Zorn der Götter wird jene treffen, die sich davon abwenden.

Der Schmerz des Albtraums zehrte schwer an Hippokrates, liess ihn sich beinah hintersinnen, wie er die anzunehmende Entwicklung doch noch abwenden könnte, was ihm die ganze Kraft nahm. Er starb mit bitterlichen Gedanken, drei Wochen nach dieser Nacht. Ob ein neuer Albtraum ihn heimsuchte, wissen allein die Götter, denn es war eine Nacht, aus der er nicht mehr erwachte.»

*​

Lange überlegte Dr. Brentano, ob es möglich sei, dass Hippokrates eine solche Vision, wenn auch nur in einem Fiebertraum erfahren, erzählt hätte. Er entschloss sich mit Hubertus von Stade, einem Klassischen Philologen und Medizinhistoriker zur Antike, ein vertrauliches Telefongespräch zu führen. Sie hatten einst bei einem Projekt eng zusammenarbeitet.

Doktor von Stade lachte erst herzhaft über die Frage, ob ein Schriftstück mit diesem Gehalt, Plausibilität vor dem medizinischen Wissen in der Antike hätte. Doch dann wurde er ernst und kritisch analysierend.

«Ich bin der Meinung, es ist der Entwurf zu einem Satyrspiel. Eine Polemik über Hippokrates. Manche Autoren schrieben damals sarkastische Werke zur Kritik an einer Person, einer These oder einer Entwicklung. In seinem Gehalt ist es Visionär, insbesondere dadurch, da das Bild nur andeutungsweise und nicht detailliert beschrieben wurde. Es liesse sich wirklich in die heutige Zeit interpretieren, wobei es ironischerweise auch einen Umkehreffekt aufweist, als Kritik der gegenwärtigen Schulmedizin. Brisant ist, dass dies auch gilt, wenn es doch eine Aussage von Hippokrates wäre.»

«Sie meinen, die Schrift könnte als Verunglimpfung der medizinischen Wissenschaft unserer Zeit empfunden werden?», fragte Brentano verblüfft.

«Ja, bedingt schon. Manche medizinische Kreise würden es als Affront wahrnehmen. Ihre Kritiker hingegen als Demaskierung von historisch-visionärem Wert. Wie auch in andern Wissenschaften kam es vor, dass Mediziner zur Maximierung eigener Vorteile nicht vor Diffamierungen oder entstellten Studien zurückschreckten. Nehmen wir die Transplantation, die geriatrische Medizin oder die Forschungen, welche das Klonen eines Menschen erlaubten. Da sind viele Angriffspunkte, die im Dunkeln liegen. Als praktisches Beispiel mag auch die Psychiatrie gelten, deren Behandlungsmethoden der Geisteskrankheiten immer wieder in die Kritik kamen. Dennoch gelang es Exponenten, das Gesundheitswesen weltweit über ihr Gebiet hinaus manipulativ umzugestalten. Die Psychologie wurde weitgehend zur Hilfsdisziplin degradiert und Kassenleistungen reduziert. Der Behandlungsbereich philosophisch ausgebildeten Psychologen zudem stark eingeschränkt, indem die Wissenschaft seelische Störungen vermehrt als neurologisch erklärbare Prozesse definierten. Zugleich weist sich aber, dass medikamentöse Behandlungen oft nur in schweren Fällen und einzig stabilisierend aber nicht heilend wirken. Fortschritte in der modernen Medizin vermochte aufkommende Skepsis bisher nicht negieren, doch selbst eine Verzögerung der Entwicklung wäre von unvorhersehbaren Folgen.

Die Theorien des Hippokrates haben vor dem Hintergrund der heutigen Wissenschaft natürlich keinen Bestand. Historisch trugen sie aber lange Zeit zur Medizinentwicklung bei. Es wäre deshalb, auch wenn sie medizinwissenschaftlich keinen Wert haben, ein medizinhistorisches Politikum. Pamphletisch geschickt benutzt könnte es als Dokument verwendet werden, dass man bereits in der Antike die ethischen Grenzen der Medizin erkannte. Die Machbarkeit in der Humanmedizin ist heute stark umstritten, und ein historisch-kritisches Schriftstück könnte zur Verhärtung der Fronten beitragen.»

«Sie meinen also die Authentizität ist nicht ganz auszuschliessen?», fragte Brentano nun sichtlich erregt.

«Das kann man beim besten Willen nicht. Wäre dem gealterten Hippokrates ein solcher Albtraum widerfahren, hätte er diesen Schock vielleicht wirklich nicht überlebt. Aber auch ein Laie mit zureichender Kenntnis und Begabung könnte für die Abfassung eines solchen Satyrspiels befähigt gewesen sein. Es richtete sich gegen die hippokratische Heilkunde, wohl kaum ahnend, dass derartige Fantasien jemals Realität erlangen könnten. Dabei ist raffiniert, welche Überlegungen ins Spiel traten. Verblüffend ist, dass wenn man es zurechtbiegt, sich es beliebig in andere Epochen einfügt. Auch die aktuelle Medizin vermeint man, in einem Spiegelbild zu erkennen. Entfremdungen von der Natur sind gegeben, und es ist letztlich eine Frage der Ethik, ob manche Forschungen nicht wirklich entartend sein könnten.»

Die Einschätzung von Stade bestürzte Brentano, so weitführend hatte er es nicht interpretiert. Gleichgültig, ob es wirklich eine Aufzeichnung von Hippokrates Worten oder ein Satyrspiel gegen ihn darstellte, es war eine Abhandlung von geballter Brisanz. Es würde jenen Kräften in die Hände spielen, die der modernen Medizinwissenschaft nur allzu gern Schaden zufügten.

Brentano kam in Widerstreit, was zu tun sei. War es ein Albtraum von Hippokrates, so hätte es nach seinem Willen nie aufgezeichnet werden dürfen. War es ein ihn verspottendes Satyrspiel seiner Feinde, wäre es ihm nicht genehm, da es hilfebedürftige Menschen verunsicherte.

Er überlegte, es einzig der Wissenschaft zugänglich zu machen. Oder sollte er dem vermuteten Willen von Hippokrates stattgeben und es vernichten? Die Bürde der Verantwortung, falls es in falsche Hände gelangte, lastete schwer auf ihm.

Ein elektrischer Defekt, der in seinem Arbeitszimmer einen lokalen Brand verursachte, nahm ihm wie ein göttlicher Funke die schwere Entscheidung ab. Unter den verkohlten Dokumenten und Papieren waren auch das antike Schriftstück und seine Aufzeichnungen darüber.

 

Hyppókrates
-


schon die Schreibweise irritiert mich ein wenig,

lieber Anakreon,

wird doch der H. zugesprochene Eid in der mir bekannten Form mit i statt y auch im Text genannt.

Wie dem auch sei, erzählstu von der Niederschrift eines „visionären“ Traumes Hs. Nach Freud arbeitet der Traum Erlebtes auf und ist wesentlich Wunscherfüllung, wie er sich auch bis zur Unkenntlichkeit darstellen mag.

Dass es kein niedergeschriebener Traum ist, erfahren wir spätestens mit dem Schicksal des Hippokratischen Eides, der den Arzt verpflichtet, menschliches Leben bedingungslos zu erhalten. Da der Eid des Hippokrates aber jede Art z. B. der Abtreibung verbietet, wird der Eid des Maimonides als Formulierung der ärztlichen Berufsethik heute immer mehr bevorzugt, in dem man sich verpflichtet, „in dem Patienten niemals etwas anderes als ein leidendes Mitgeschöpf zu sehen“.

Gleichgültig, ob es nun der Traum des H oder allein ein Werk des I ist, wäre nicht nur die Entwicklung o. g. Eidesformeln, sondern die Voraussicht der Drei Säulen des modernen Gesundheits(un)wesens Medizin, Pflege und - Verwaltung (incl. Technik), wobei mit der Übermacht der dritten, an sich unwichtigsten Säule, Finanzen und Geschäft sich vordrängen, wobei ein Medizinmann durchaus auch geschäftstüchtig sein kann. Das vor 2 1/2 Jahrtausenden schon zu erkennen - Wahnsinn!

Das Schriftstück des Ioanidis aus Thessalien und des Anakreon aus Turicum sollte noch einmal auf Schnitzer durchgesehen werden. Gelegentlich schimmert Unkonzentriertheit durch die Formulierungen.

Vorweg:

… noch fragmentarisch und schwierig verständlich.
Besser vielleicht: „schwierig zu verstehen“ oder „schwer verständlich“.
…, da er glaubteKOMMA nun die Aussagen gedeutet zu haben, …
Siehe K 117, Ziffer 2, Duden Bd. 1

Ich komm drauf zurück!

Gruß

Friedel

 

Lieber Ankreon,

mit der Aussage rennst Du bei mir ein offenes Scheunentor ein, aber die Form ist mir zu dick aufgetragen. Die Idee mit dem alten Text und dem Traum ist gut, doch die Beschreibung des Traumes ist zu deutlich und vor allem zu bewertend. Hippokrates müßte angesichts dieser Eindrücke viel ratloser sein, er dürfte viele Dinge, die er im Traum sieht, nicht gleich verstehen und kritisieren können. Die Wirkung von Antibiotika z.B. kann sich doch nicht im Traum erschließen. Dagegen könnte er im Traum sehen, wie einem lebenden Menschen ein Herz entnommen und einem anderen eingesetzt wird. Insgesamt ist es mir auch zuviel Aufzählung, geradezu ein Rundumschlag gegen die heutige Medizin und ihre Auffassung vom Leben. Etwas Zurückhaltung würde m.E. die Aussage stärken.
Der Schluß ist mir zu lang, die Entscheidungsqualen wollen ohnehin gezeigt und nicht benannt werden.

Was den historischen Prozess angeht: die Ursprünge der heutigen Mißstände und besonders auch der der vergangenen Jahrhunderte liegen bei den Griechen; sie hielten sich Gelehrte als privilegierte Kaste, hielten die Frauen aus der Medizin heraus etc., soll sagen: sie schufen genau die gesellschaftlichen Strukturen um ihre Medizin herum, die Mißstände, Stillstand und Entfremdung vom Leben ermöglicht haben. Bei den Philosophen wird es dann noch schlimmer: nur Philosophen sollten regieren dürfen, und Philosophen allein bestimmen, wer zu den Philosophen gehört. Kein Wunder, daß Generationen von Ärzten diesen Quatsch verehrt haben.

Gruß Set

 
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Au, das war mein linker Fuss.

Hallo Friedel

Wie hätte ich dieses Fettnäpfchen auslassen können. Die Differenz, welche Dir eine Irritation bereitet, war nicht Absicht, etwa um Aufmerksamkeit zu erwecken. Meine Quellen, soweit sie mir noch nachvollziehbar sind, waren Erwähnungen im Journal of the Autonomic Nervous System, als auch in einem Text von Axel W. Bauer, wobei dieser in seinen deutsch vorliegenden Texten den Namen Hippokrates anwendet, wie mir eine aktuell vorgenommene Abklärung offenbarte.

Ein Blick auf die altgriechische Schreibweise seines Namens Ἱπποκράτης und vergleichend auf die Transkription in lateinischer Schrift hätten es offengelegt. Sein Name in griechischer Schrift begann mit dem Buchstabe Iota und nicht mit dem Ypsilon, allerdings auch nicht mit dem Heta, die Variante von Eta als Konsonant. Meine Meinung, die richtige Transkription zu haben, das ómikron war gegenüber der deutschen Fassung vorhanden, war folglich eine dreiste Unterlassungssünde von mir. Ich bin zerknirscht, wenn ich Dein Sprachempfinden damit in die Sätze brachte. Ich grüble nun, soll deutschsprachig Hippokrates im Text stehen? Asklepios müsste dann korrekterweise deutschsprachig zum Äskulap mutieren. Oder die Transkription aus dem Altgriechischen angewandt werden, dann ist sein Name Ippokrates? So oder so aber, es so belassen, als Ausdruck des Mangels in der Ernsthaftigkeit? Dass Ippokrates sich so an mir rächt, für die Preisgabe des Blicks in sein Innerstes, hätte ich im Traum nie gedacht. Dabei stand mir nicht Hybris (Hochmut, Frevelmut besonders gegenüber Göttern) bei der Geburt der Geschichte Pate. Oder doch?

Ja Freud, er hätte wohl gemischte Gefühle gegenüber diesem Traum gehabt, doch nicht nur, weil er in Angstträumen nicht beendete Träume sah und sie sich demzufolge seiner Wunscherfüllungstheorie gut einfügten. Als Abweichler der herrschenden psychiatrischen Medizin war er nicht wenig im Clinch.

Die dritte Säule - auch wenn ich diese rein willkürlich einbrachte - war Ippokrates nicht ohne Bedeutung, er behandelte auch Sklaven ohne Entgelt. Doch wichtig ist, dass es nicht um eine vollständige Spiegelung seiner Sichtweise der Medizin in der Zukunft ging, sondern gewollt nur um Bruchstücke.

Ich bin sehr gespannt, auf Deine vertiefte Kritik am Text von Ioanidis aus Thessalien und des Anakreon aus Turicum.

Die Korrigenda werde ich dann insgesamt vornehmen. – Eben hatte ich heute die Grabsteine nochmals punktuell revidiert, da öffnete sich mir die nächste Baustelle.

Wenn ich nun anstelle eines Albtraumes eine schlaflos kurze Nacht habe, rätsle ich sicher daran, welche Namensgebung Hippokrates genehm wäre.

Gruss

Anakreon

*

Hallo Set

Eben sehe ich Deinen Kommentar. Danke für Deine Kritik, die ich mit grossem Interesse las. Da mir momentan die Augen flattern, nicht aus lauter Schreck vor den Kommentaren, sondern weil der Morgen begonnen hat, werde ich baldmöglichst im Laufe des Tages darauf zurückkommen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Set

Nun bin ich wachen Geistes wieder da. Es freut mich sehr, dass der Gehalt der Geschichte Dir an sich zusagt. Ich vermeine doch seit längerem, bei Dir eine Affinität zu Medizin/Psychiatrie wahrgenommen zu haben. Dass sie, die Geschichte, von den Lesern mit verschiedenstem kulturellen Hintergrund reibungslos aufgenommen wird, wagte nicht zu erwarten und hoffte es auch nicht, es sollte ein Stein des Anstosses sein. Obwohl meine Ausbrüche aus der rein poetischen Welt nie ohne Nebengeräusche vor sich gingen, war dieses verkappte Thema ein mir seit Jahren schwelendes Anliegen, dessen Abfassung mich diebisch freute.

Die Idee mit dem alten Text und dem Traum ist gut, doch die Beschreibung des Traumes ist zu deutlich und vor allem zu bewertend. Hippokrates müßte angesichts dieser Eindrücke viel ratloser sein, er dürfte viele Dinge, die er im Traum sieht, nicht gleich verstehen und kritisieren können.

Ich stimme Dir zu, dass Träume an sich nie ganz offensichtlich sind, ihr Inhalt sich kaschiert und in der Offensichtlichkeit verstellt sind. Doch gibt es auch Albträume, die unter belastenden Faktoren eben den Nerv der Sache treffen, schon verstellt aber nicht unklar. Nicht selten haben Menschen am Abend ein ungelöstes Problem, das sie mit in den Schlaf nehmen, und am Morgen fällt ihnen die Lösung wie Schuppen von den Augen. Im vorliegenden Fall habe ich ja zudem das fiese Spiel getrieben, dass es offen ist, ist es ein Albtraum oder ein Satyrspiel. Ein Satyrspiel ist in den Inhalten gewollt überzeichnet und verzerrend, ist insofern eine Kritik des Realen.

Die Wirkung von Antibiotika z. B. kann sich doch nicht im Traum erschließen. Dagegen könnte er im Traum sehen, wie einem lebenden Menschen ein Herz entnommen und einem anderen eingesetzt wird. Insgesamt ist es mir auch zuviel Aufzählung, geradezu ein Rundumschlag gegen die heutige Medizin und ihre Auffassung vom Leben. Etwas Zurückhaltung würde m.E. die Aussage stärken.

Die Hippokratiker betrieben keine diagnostische Medizin, sondern eine prognostisch orientierte Heilkunde. Das medizinische Wissen war damals stark beschränkt. Insofern ist es sicherlich so, dass die Wirkung von Antibiotika sich nicht im Traum erschliesst, aber die Vorstellungskraft und auch die Erfahrung der Wirkung von Kräutern ist wahrscheinlich schon in der frühen Menschheitsgeschichte anzusiedeln. Allerdings, gestehe ich, habe ich mich nicht damit befasst. Behandlungen am offenen Körper des Menschen gab es hingegen schon damals, wahrscheinlich aber nur sehr eng begrenzt und es oblag einer anderen Gattung von Ärzten, nicht den Hippokratikern.

Der Rundumschlag gegen die Medizin ist natürlich überzeichnet, gewollt und spitzfindig. Doch ist es so, dass wie in allen Wissenschaften auch in der Medizin, vor allem aus Gründen persönlicher Profilierung Einzelner, es zu Entartungen kommt. In den letzten zwei Jahrzehnten sind mir allein in der Schweiz mehrere Vorkommen bekannt, die an die Öffentlichkeit gelangten und diesem Sachverhalt doch nahekamen.

Deine Meinung, dass der Ursprung der Misere der vergangenen Jahrhunderte bei den alten Griechen ihre Wurzeln hat, kann ich so nicht nachvollziehen. Es gab und gibt sicherlich in allen Kulturen und zu allen Zeiten Auswüchse, die ethisch verantworteten Grundlagen nicht oder nur beschränkt entsprechen. Doch auch Ethik ist ja etwas, das sich nicht einfach auf einen Nenner bringen lässt, es gab deren schon viele. Jede Zeit hat ihre eigene Geschichte, und in der Welt kannte man schon viele Formen des Zusammenlebens u. a. das Patriarchat und das Matriarchat. Dass die Philosophen die eigentlichen Übeltäter sind, scheint mir nicht plausibel. Es waren zu allen Zeiten individuelle Menschen mit verschiedensten Charakteren, was Gut und Böse mit einschliesst. Doch ihnen pauschal Machtgier und Herrschsucht zu unterstellen, scheint mir doch etwas arg überspitzt. Zentraler Punkt der platon. Philosophie ist doch eben die Idee des Guten, was schon ein Hauptanliegen des Sokrates war. Man könnte natürlich etwa den kategorischen Imperativ von Kant, „Handele immer so, dass du dir gleichzeitig wünschen kannst, die Regel deines Handelns würde allgemeines Gesetz“, als Machtanspruch deuten. Doch dies zielte an der Sache vorbei.

Ich denke mir schon, dass Du Deine Meinung nicht leichtfertig bildetest, und respektiere sie auch. Doch ich persönlich denke, kein Mensch ist so schlecht, dass man nur Schlechtes über ihn sagen kann. Deshalb versuche ich die Schwächen des Menschen, auch in erzählerischer Form zu verarbeiten.

Der Schluss ist Dir zu lang in den Entscheidungsqualen. Ich fand dies zwar richtig, werde darüber aber noch sinnieren.

Danke für Deine offene Kritik an der Sache. Ich werde sie sicher in meine Überlegungen einbeziehen, und das eine oder andere aus dieser Sicht bedenken.

Gruss

Anakreon

 

Salü Anakreon,

zum Inhalt deiner Geschichte kann ich nicht viel sagen, da hast du in Friedrichard und Set die besseren und gewiefteren Partner. Ich finde den Blick auf unsere heutige Medizin schon interessant, so im Traum verpackt, aus einer andern Zeit.
Was mir auffällt zielt eher auf die Form. Ich habe dies schon an anderer Stelle erwähnt. Auch beim Monsieur Cactus bin ich da wieder hängen geblieben. Ich meine deine etwas veraltete Schreibweise, die lange Sätze kreiert, in denen die Spannungen deiner Texte ertrinken. Z.B.:

Vor Dr. Sebastian Brentano lag das Schriftstück, welches er beim Antiquitätenhändler Senyug in Istanbul relativ günstig erworben hatte. Es stellte keinen ausserordentlich historischen Wert dar, war der Verfasser ein gewisser Ioanidis aus Thessalien doch unbekannt, und die Übersetzung von Textproben erwiesen sich als eher konfus. Auch wies ihn Senyug, bei dem er seit vielen Jahren verschiedentlich Raritäten aus der Antike erwarb, darauf hin, dass eine authentische Zuordnung des Inhalts an Hyppókrates nicht zu gewährleisten sei, auch wenn dessen Name im Text erscheine. Brentano wusste, dass Aufzeichnungen von dessen Lehre stets durch andere erfolgten und erst viel später. Dennoch war es unbestritten, dass die Schrift in ionischem Dialekt etwa um 360 v. Chr. abgefasst sein musste.

Er begann mit der Übersetzung, welche viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte, und hoffte, dass es vielleicht einen kleinen Mosaikstein im grossen Bild der altgriechischen Geschichte einzufügen vermochte. Sollte es bescheiden ausfallen, vielleicht auch nur einen lyrischen Text.


Dieser Abschnitt kann gekürzt werden:

Vor Dr. Sebastian Brentano lag ein Schriftstück, welches er beim Antiquitätenhändler Senyug in Istanbul erworben hatte. Es besass keinen besonders historischen Wert, zumal der Verfasser, Ioanidis aus Thessalien, unbekannt war. Senyug, bei dem er seit vielen Jahren verschiedene Raritäten aus der Antike erwarb, sagte:
„Eine authentische Zuordnung des Inhalts an Hyppókrates kann ich nicht gewährleisten, auch wenn dessen Name im Text erscheint.“
Brentano wusste, Aufzeichnungen der hyppókratischen Lehre erfolgten stets durch Andere und meist auch viel später. Immerhin, die Schrift war in ionischem Dialekt etwa um 360 v. Chr. verfasst worden, da war sich Brentano sicher.

Er begann mit der Übersetzung und hoffte, er (nicht es) könne vielleicht einen kleinen Mosaikstein ins grosse Bild der altgriechischen Geschichte einfügen, vielleicht auch nur einen lyrischen Text.

So in diesem Sinne. Es ist immer verwegen, in einem fremden Text herumzusurfen, vielleicht bereite ich dir wieder eine schlaflose Nacht? Kannst aber sicher sein, ich hätte schon Freude, wenn ich dich ein bisschen dahin bringen könnte, deinen Texten einen zeitgemässeren Schliff und Tonfall zu geben. (Übrigens gilt dies natürlich nicht für den Traum, denn der ist ja eine Übersetzung von 360 v. Chr. :) )

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne

Kurz zuckte die Empfindung Der Pfahl im Fleische (Sartre) in meiner Gedankenwelt auf, wie Du treffsicher an meiner wunden Stelle, dem Hang zu ausschweifenden Sätzen, rührst. :D

Aber Du kennst ja diese Bergbäche, in denen beständiger Wasserfluss einen Stein ins Rollen bringt, bis er sich durch die Erosion geschliffen ideal in einer felsigen Bachbettmulde einfügt. Das Herz ist mir einen kurzen Moment bis in die Knie gerutscht, als ich las, dass Du auch bei Monsieur Cactus an ebensolchen Längen hängen bliebst. Wahnhaft wähnte ich die Erosion vollzogen, den Schritt in die Moderne geschafft zu haben, da kein Kritiker den Mahnfinger zeigte. Dabei nahm ich einzig das ledigliche heben der einen Augenbraue derer nicht wahr. Erodierend wird auch Monsieur Cactus nochmals zur Baustelle, um ihn von veralteten Lasten zu befreien.

Den Verwegenen kann man sich nicht immer entziehen, wie ich merken musste, wenn sie präzis und sauber den Kern der Sache treffen. Ich war mir sicher, in der vorliegenden Geschichte, nach längeren Überarbeitungen, die Inhalte in abgewogener Abrundung präsentiert zu haben. Doch das narzisstische Moment hat wohl doch gewaltet, mir den distanzierten Blick verwehrt.

Danke für Deine ehrliche Kritik und Anregungen, ich nehme sie gerne in meine Bürde der neuerlichen Überarbeitung auf. Wie Du siehst, kein gänzlich aussichtsloser Fall, das Prinzip Hoffnung lebt.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Anakreon,

Du formulierst über das Schreiben dieses Textes:
ein mir seit Jahren schwelendes Anliegen, dessen Abfassung mich diebisch freute.

In ganz ähnlicher Verfassung habe ich vor kurzem einen Text geschrieben und Du hast ihn kommentiert:

Die Idee der Geschichte ist gut, doch um den Inhalt zu einem Höhenflug zu führen, müsste sie meines Erachtens auf allerhöchstens zwei drei Ereignisse komprimiert sein,

Dein Rat war gut.

Lieben Gruß
Set

 
Zuletzt bearbeitet:

Ja,

lieber Anakreon,

schon der Titel zeigt wenigstens drei mögliche Geschichten an:

den Traum, den H kurz vor seinem Tode 377 v. Chr. seinem Schüler (?) I erzählt haben soll [2],

die Aufzeichnungen des I aus dem Jahre 360 über diesen Traum [3] – was mich ein wenig ans Verhältnis Kafka/Brod erinnern will – und

die Möglichkeit, dass es ein fiktiver Text des I sei, der sich des prominenten Namens des Vaters der Heilkunst für den visionären Protagonisten erwählt [4], also eine einfache Rechnung der Gestalt [2] + [3] = [4] –
wobei diese Rechnung selbstverständlich jedem Grundschüler Schmerz bereiten muss und erst recht dem Namensvetter des Prot und Zeitgenossen des I, der Mathematiker war und Entdecker des Hippokratischen Möndchens (was kein Witz ist, auch keine Satire in der potentiellen Satire) -

ist [4] doch ihrerseits in eine doppelte Rahmenerzählung vor [1] und hinter der titelgebenden Geschichte des I [5] eingebettet.

Zunächst [2] bin ich über die Schreibweise des H gestolpert - wie bereits berichtet und von A von Turicum erläutert. Freilich bin ich dadurch mit der Nase auf eine gänzlich andere Deutung gestoßen worden, nämlich den Versuch der beiden Autoren (A + I, H selbst mag die Worte gesprochen haben, doch wie die Hellenen sich anhörten, wissen wir sowenig, als wir Goethens oder Schillers Stimme jemals gehört haben), eine freudsche Fehlleistung zu verhindern!
Warum? Die Vorsilbe hipp… (vor Vokalen)/hippo… bedeutet „Pferd“, Hippokrates (oder, je nach Standpunkt, I) geriete also geradewegs zum Bruder des swift’schen Gullivers, wäre er doch Bestandteil der „Herrschaft der Pferde“, der Hippokratie oder doch zumindest der Hippiatrie, womit wir die Geburt der abendländischen Heilkunst durch einen Pferdedoktor erleben müssten, was gar nicht so abwegig ist. Aus eigener Anschauung und Canoideaphiler weiß ich doch, das Haustiere all das bekommen (können), was dem Herrchen auch widerfährt. Wäre es also unmöglich, dass Hebamme der Humanmedizin ein Tierarzt war und die Erfahrungen am Menschen umsetzte? Ganz zu schweigen vom Volksmund, dersagt, man solle das Denken den Pferden überlassen, die hätten den größeren Kopf? –
Der geneigte Leser weiß oder ahnt doch zumindest, wo’s hingeht.

Ein Zweites wäre eine Korrektur, besser Ergänzung zur Freudschen Theorie des Traumes als Wunscherfüllung (vgl. im vorh. Beitrag) zu geben, die sinnigerweise nicht aus Vindobona, sondern aus Turicum stammt und nach der ein Traum einen Erkenntniswunsch durch symbolische Darstellung erfülle und ein vielschichtiges System von Strebungen enträtsele – ob das freilich für eine über zwotausendjährige Entwicklung gelten kann, darf bezweifelt werden!, H war sicherlich Idealist, Pferde- und Menschenfreund (siehe den H. Eid), vielleicht auch Utopist, mit Sicherheit aber kein SF-Freak, dem das traumatisierende Neutopia gefallen hätte.
Zur Traumdeutung zeichneten F und J eine Vielzahl eigene und (anonymisierte) fremde Träume auf, ähnlich dem I im antiken Hellas, der freilich keine Deutung des Traumes des H hergibt [3], galt den Hellenen doch der Traum als göttliche Offenbarung und Prophetie, die in unserem Falle aber wesentlich konkreter ausgefallen ist, als es das Orakel zu Delphi jemals hätte beschreiben können. Erst einem Artemidoros von Daldis sollte gelingen, brauchbare Regeln zur Traumdeutung aufzustellen.

Schon der Antiquitätenhändler, der die Schrift im ehem. Byzanz veräußert [1] kann

eine authentische Zuordnung des Inhalts
nicht gewährleisten. Warum soll es im alten Hellas keine Urkundenfälschung gegeben haben? Warum kein Schwindel? Warum keine Satire?

Nach alledem wäre alles andere überraschend, als dass der Text ein Satyrspiel [4] sei!

Satyr nannten die Hellenen einen Wald- und Berggeist, halb Mensch, halb Tier (ahnten die Hellenen doch noch nicht, dass sie Mensch und Affe zugleich waren), trunksüchtig und lüstern wie sein Cousin Silenos, der Erzieher des Dion, pardon, Dionysos. Silenos gab den komischen Alten und seine Sippschaft – die Silenen – waren Mischwesen aus Pferd (!) und Mensch. Hippokrates würde nun in die Nähe der Silenen gerückt, welche mit den Nymphen zum Gefolge des Dionysos zählten. Und in der Tat ist das Satyrspiel ein heiteres Spiel, jedoch eher ein derber und komischer Schwank denn eine Komödie.
Was die Vermutung abschwächt: Das Satyrspiel bildete in der Regel den Epilog einer Trilogie – freilich von Tragödien, die es durch inneren Zusammenhang zur Tetralogie erhöhte. Sein Chor bestand aus – Satyrn …

Die abschließende Rahmenhandlung [5] interpretiert nun durch Dr. St das ganze Traumspiel, als kennte A von Turicum seinen Grünen Heinrich, dem wiederum ein Goldfuchs – das kluge Pferd (!), welches mit Heinrich Lee spricht - den Traum selbst deutet, durch den es Heinrich trägt. Die Reaktion des Dr. B ist überzogen! Sollen denn noch die Gene jenes Urahns dominieren, der energisch die bis dahin freundschaftlichen Beziehungen zu Goethe abbrach? G hatte noch zwo Jahre vor der Heirat was auch immer (vermutlich eine "Affaire") mit einer „Maxe“, welche sich als das angetraute Weib des Pietro Antonio Brentano, ehrwürdiger und angesehener Kaufmann zu Frankfurt am Main, Vater von Bettina und Clemens, Maximiliane herausstellte.

Kurz und gut: Welchen Nutzen hätte die Verbrennung eines Propheten je gehabt, vpr allem, nachdem die selbstkritische Vorhersage eingetreten ist?

Aber inkonsequent ist nach allen Schweigegelöbnissen vor allem Dr. B – also doch keine Gene des Frankfurter Urahns!, schließt

Gedankenversunken griff er
[Dr. B]
zu einem Schreibblock, um sich noch Notizen zu machen.

Kleinkram:

… war er überzeugt, dass seine Transkription die bestmögliche Annäherung ist, die er erreichen konnte.
Vllt. besser Konjunktiv: " …, dass seine Transkription die bestmögliche Annäherung sei, … "
Anonymus Londonensis
Londin(ium)ensis oder Lundenvic, was zwar slavisch klingt aufgrund der Endung, tatsächlich aber die erste mittelalterliche urkundliche Nennung Londons ist.
Die Fülle an EindrückenKOMMA die mich überkamenKOMMA waren weitaus …

… wurde während vieler Jahrzehnten dieser …
Jahrzehnte ./. n

das aufflackern der Flammen
Aufflackern

Gruß

Friedel

 

Hallo Friedel

Wau, das ist eine erschlagende Fülle an Analyse, die Du da getroffen hast. Ich werde mich baldmöglichst daran setzen und sie in ihrem ganzen Gehalt entschlüsseln, um dann darauf zurückzukommen.

Ich sehe schon, die kleine Schrift zu H. wird mir noch eine arbeitsintensive Leistung abfordern, mit Überlegungen, Verwerfungen und Neuformulierungen. Doch bin ich selbst neugierig, wie sie in der endlichen Fassung dann steht.

Vielen Dank für Deine Kritik und Anregung.

Gruss

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel

Beinah ein Versuch, den unpräzisen Inhalt und die wirkliche Herkunft der antiken Schrift mit mathematischer Logik zu lösen, war mein erster Gedanke beim Lesen Deiner ersten Sätze. Beim hippokratischen Möndchen vermeinte ich da auch einen Schattenwurf in den Ovalen zu erkennen, aber es war nur der Odem von Pythagoras. Ein wissenschaftlicher Ansatz, das fand ich recht interessant. Aber, da war ein Unkenruf in meinem Hinterkopf, der mich warnte, nicht leichtfertig zu übernehmen, was die Wissenschaft so hergibt. Der Rufer erwies sich als Paul Feyerabend (wirklich mit Ypsilon geschrieben), er wedelte mit seinem kleinen Werk „Wider den Methodenzwang“ in seiner Hand. Wohl führte er die Beweisführung darin anhand der Physiker, doch für ihn als Philosophen [verzeih bitte Setnemides, wieder ein Philosoph] und Wissenschaftstheoretiker war das nur Beispielgebend. – Aber da erkannte ich auch, Dein Ansatz war nicht streng wissenschaftlich, wenn auch die Logik ihr Pate stand.

Das Todesjahr wurde von I., - anscheinend einem Adlaten und nicht Schüler von H. -, leider nicht genannt, endlich hätte die Menschheit Klarheit. Die Historiker winden sich aufgrund der Quellen zwischen 377 und 359 v. Chr. Es wäre mir aber vermessen, aus dem vermutlichen Alter der Schrift eine Annäherung an das Todesjahr abzuschätzen.

Das von Dir erwähnte Verhältnis Kafka/Brod bezieht sich hier wohl auf die letztwillige Verfügung Kafkas, alle seine literarischen Aufzeichnungen zu vernichten. Das Dilemma, vor dem letztlich auch Brentano (in der Geschichte) war. Nur der reale Brod hatte sich anders entschieden als der fiktive Brentano.

Richtig mulmig wurde mir Deine Deutung zur freudschen Fehlleistung des Hyppo, als hättest Du Kenntnis einer Beinah-Anekdote aus meiner Jugend. Damals bei der ersten Prüfung war auch eine Traumdeutung im Sinne Freuds gefragt. „Als Reiterin mit Gerte auf dem Sattel eines Pferdes sah sich die Träumende.“ Ich stolperte darüber, als hätte das Pferd mich scheuend abgeworfen.

Der Traum des H. war nicht im Sinne Freuds, da es zukunftsgerichtete Vision war. Freud äusserte in seinem Vortrag Traum und Telepathie konkret, dass er nichts über diese Phänomene wisse, sondern sich hierbei einzig auf Schilderungen Dritter abstützte. Er weigerte sich sogar ein Urteil abzugeben, ob solches möglich sei oder nicht. Mitscherlich hingegen erwähnte in einem Briefwechsel mit Werner K. Kempner zu dessen These des Prospektiven, [Wenn wir im Traum in seinem Daseinsmodus verweilen, der uns, da die Kategorie der Zeit aufgehoben ist, Gegenwärtiges und Vergangenes undifferenziert in eins verwoben darstellt, so muss denn auch die Dimension des Zukünftigen damit »in eins« zusammenfallen.] „dass sich damit ein neues Verständnis für den Begriff und das Erleben der Willensfreiheit ergeben könnte: Das Bewusstsein meiner inneren Freiheit würde sich dann einstellen, wenn ich unbewusst aus dieser zeitlos-gegenwärtigen Rück- und Vorschau-Möglichkeit das mir Bevorstehende bereits vorher innerlich als mir gemäss angenommen habe“. Es ist also weder Okkult noch Utopie, sondern einzig die fiktive Hypothese einer Vorausahnung.

Welche Bewandtnis das Schriftstück letztlich hat, ist es eine Traumaufzeichnung (keine Deutung in analytischem Sinne), ein Satyrspiel (ob nur ein Entwurf oder jemals realisiert?) oder auch nur eine Fälschung aus jener Zeit, ist nicht bekannt. Soweit die Fakten, die Brentano zur Verfügung stehen. Doch für ihn ist einzig die Wirkung wesentlich, würde die antike Schrift bekannt.

An Clemens Brentano dachte ich nicht direkt, als ich dem Gelehrten einen Namen gab. Heute kann man kaum einen Namen wählen, ohne die Gestalt in historische Nähen zu rücken. Dass damit ein Bogen zu Goethe gegeben ist, gibt dem aber einen Reiz, der nur dadurch abgeschwächt wird, dass mir in der Gegenwart jemand bekannt ist, der auch den Name Goethe trägt.

Doch nun geht es an die Arbeit, die Bedenken, welche Du Friedel, Setnemides und Gisanne einbrachten zu verarbeiten, und in Einklang mit meinen Überlegungen zu bringen, wie sich die Wirkung des pseudohistorischen Schriftstücks entfaltet. Als einfacher Poet obliegt es mir nicht, die Geschichtskittung neu zu erdenken, noch weniger Phänomene grundsätzlich infrage zu stellen. Einzig eine Version darzulegen, ist meine Absicht. Wo die Differenz zwischen Lug und Trug oder zwischen Wahrheit und Wirklichkeit liegen, müssen die geschätzten Leser selbst erkennen.

Gruss

Anakreon

 

Große Güte, mein ich Asterix (den verwegnen Gallier) zu vernehmen als Pythagoras erwähnt wird,

lieber Anakreon,

wenn man den

Odem von Pythagoras
verspürt, wird man verführt für den Hauch eines Augenblicks dazu, die Geschichte weiter auszumalen, stiftete P doch einen politisch-religiösen Bund und vertrat die Wiedergeburt – auch von Tieren, woraus sich ein Fleischverbot ergab – dabei schmeckt Pferdefleisch doch hervorragend, insbesondre als rheinischer Sauerbraten! Das Problem bei ihm war freilich die Geheimnistuerei seiner Schule, dass erst nach seinem Tode genauere Nachricht seiner Lehre über Hellas kam. Schreit das nicht nach literarischer Verwertung?

Na, schau’nmerma’!

An Feyerabend – schöner Name übrigens, selbst gegen Lebensende - fand ich immer schon besonders schön, Popper als law-and-order-Rationalisten anzusehn. Aber da bin ich wohl auch zu sehr durch den Positivismusstreit, Frankfurter Schule (besonders die Neue, merkt man wohl manchmal) & APO-Größen beeinflusst und allzu sehr Habermäuschen.

Ja, das ist wohl wahr, dass mein Ansatz gar nicht allzu methodisch vorgeht, eher wie bei einer Zwiebel, die enthäutet wird, allerdings vom Kern her, was dann an die Figuren erinnert, die ineinandergesteckt werden, also eher spielerisch-anarchistisch, wobei Anarchie ein gehörig Maß an Disziplin erfordert, wie mich Bakunin und Kropotkin bei einem gemeinsamen Wodka-Wetttrinken (schad um die wenigen t) lehrten ...

Ach, ich bin wieder albern ...

Tschüss

Friedel

 

Hallo Gisanne, Friedel und Setnemides

Mit breitem Pinselstrich und zugleich fein zeichnend, bin ich über das Bild der Geschichte gefahren. Wieweit mir das Vorhaben gelungen ist, Eure Bedenken in Kongruenz zu meiner Vorstellung der Geschichte bestmöglich umzusetzen, bin ich mir nicht sicher. Doch ich denke, es hat gewonnen.

In fiktiver Zwiesprache mit Dr. Brentano kam ich zum Schluss, die deutschsprachige Version der altgriechischen Namen anzuwenden, da er die antike Schrift ins Deutsche übersetzte. Der Antrag an den Moderator, den Titel anzupassen, ist unterwegs. Definitiv also: Satyrspiel oder Albtraum des Hippokrates?

Nochmals Dank für Eure Kommentare, die mir eine noch präzisere Sicht auf das antike Schriftstück und die Vorkommen darum erlaubten. :)

Gruss

Anakreon

 

Ja, Anakreon, das liest sich wesentlich besser! Glückwunsch :)

Eine Userin warf mir mal vor, ich hätte immer was zu meckern ... Dem will ich nun gerecht werden:

Nach langem Abwägen der Interpretationen war er überzeugt, dass seine Transkription die bestmögliche Annäherung ist, die er erreichen konnte.Dennoch wirkte es fragmentarisch und schwierig verständlich. Es war kein Gelehrter, der es niederschrieb. Er müsste den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen. Ein nicht geringerer Aufwand, als schon die Transkription war.
Vielleicht besser:
Nach langem Abwägen der Interpretationen war er überzeugt, seine Transkription sei die bestmögliche Annäherung, die er erreichen konnte.
Dennoch wirkte sie fragmentarisch und schwierig verständlich. Er war kein Gelehrter und wollte den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen. Ein grosser Aufwand, der sich in seine Augen lohnen würde.
Die letzten achtzehn Stunden hatte er beinah pausenlos daran gearbeitet. In den Werken von Platon und Anonymus Londonensis nachgeschlagen, Vergleiche gezogen und Worte wieder verworfen. Nun meinte er, die Aussagen gedeutet zu haben. Die Strapazen der Arbeit, aber auch die Erkenntnis über den Inhalt des Schriftstücks, äusserte sich nun als Erschöpfung. Vorerst wollte er nun ausgiebig schlafen, um dann mit klarem Verstand das Ganze nochmals zu überdenken.
Achtzehn Stunden hatte er beinah pausenlos daran gearbeitet, in den Werken von Platon und Anonymus Londonensis nachgeschlagen, Vergleiche gezogen und Worte wieder verworfen. (> in einem Satz)
Nun meinte er, die Aussagen gedeutet zu haben. Die Strapazen der Arbeit, vor allem die Erkenntnis über den Inhalt des Schriftstücks, hatten ihn erschöpft. Vorerst wollte er ausgiebig schlafen, um dann mit klarem Verstand das Ganze nochmals zu überdenken.

Huch, ich muss weg und unterbreche hier mal, bis ich zurück bin.
Lieben Gruss erstmal,
Gisanne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gisanne

Oh! :D Herzlichen Dank für das Lob, das ist mir Aufmunterung und Antrieb.

Ich staune, wie Du mit der Präzision einer Lektorin im Text die Schwächen ausmachst, nicht nur Redundanzen, sondern stilvoll treffende Änderungsvorschläge. Wenn Dein meckern für die bemeckerten sich derart auswirkt, ist es doch schon eine sehr tröstlich-sympathische Komponente.

Gerne übernehme ich Deine Vorschläge, die dem Text noch Glanz verleihen. Nur in einem Punkt kam ich ins Grübeln, da Du mit einer Kürzung eine interessante Wendung hervorriefst.

Er war kein Gelehrter und wollte den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen.

Eigentlich war ja der Verfasser der antiken Schrift der annehmbar Nicht-Gelehrte. Doch scheint es mir richtig, dass sich die Frage erübrigt, ob er es war oder nicht. Interessant ist jedoch, dass Dr. B., dessen Fachgebiet nicht spezifiziert ist, sich dazu bekennt, dass es die Arbeit an diesem Schriftstück nicht abdeckt und deshalb weitere Schriften vergleichend studieren will. Eine reizvolle Drehung, die hier zwischendurch aufblinkt. Mein Grübeln führte dazu, es noch mit einer kleinen Ergänzung zu versehen, da sein akademischer Titel ihn nicht ganz ungelehrt aussehen lässt und er es nicht ist, nämlich: Er war kein Gelehrter in diesem Fachbereich und wollte den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen.

Es tut mir leid, wenn Dich mein Text in Zeitnot brachte und hoffe, Du konntest Deinen Termin unverkürzt wahrnehmen.

PS: Wenn Du noch mehr aufspürst, bin ich gerne dafür offen.

Lieben Gruss

Anakreon

 

Salü Anakreon,

Eigentlich war ja der Verfasser der antiken Schrift der annehmbar Nicht-Gelehrte.
Uiih, da hab ich falsch gelesen, natürlich, da steht ja der unbekannte Ioanidis. So kanns gehen, ich verpasse neben Zeiten und Zügen, auch noch Zitate. :lol:

So und hier nun weiter im Text:

Lange überlegte Dr. Brentano, ob es möglich ist, dass Hippokrates solch Visionäres wirklich sagte, und sei es in einem Fiebertraum.
ob es möglich sei?
Also da weiss ich nicht recht: Visionäres kann man doch (auch im Traum) nur sehen und nicht sagen? Geht das vielleicht so:
Lange überlegte Dr. Brentano, ob es möglich sei, dass Hippokrates solche Visionen, wenn auch nur in einem Fiebertraum gesehen, ausgesprochen hätte?
Ich bin nicht sicher!

die Einschätzung durch von Stade bestürzt, so weit führend hatte er es nicht interpretiert
weitführend

Brentano war über die Einschätzung durch von Stade bestürzt, so weit führend hatte er es nicht interpretiert. Gleichgültig, ob es wirklich eine Aufzeichnung von Hippokrates Worten war oder ein Satyrspiel gegen ihn, es war eine Abhandlung von geballter Brisanz. Es würde jenen Kräften in die Hände spielen, die der modernen Medizinwissenschaft nur allzu gern Schaden zufügten.

Brentano war im Widerstreit, was zu tun sei. War es ein Albtraum von Hippokrates, so hätte es nach seinem Willen nie aufgezeichnet werden dürfen. War es ein ihn verspottendes Satyrspiel seiner Feinde, wäre es ihm nicht genehm, da es hilfebedürftige Menschen verunsicherte.

sechs mal war - das ist nicht so elegant, oder?

So, das wars schon.

Lieben Gruss aus dem sommerlich heissen Föhntal,
Gisanne

PS:

PS: Wenn Du noch mehr aufspürst, bin ich gerne dafür offen.
Ja, jetzt knete ich den Giacometti durch :D

 

Hallo Gisanne

„Verpasste Zeiten, Züge und Zitate“, liest sich beinah wie der Titel einer Kurzgeschichte. Ich glaube mich zu erinnern, dass Du einem Leser einer Deiner Geschichten einmal sinngemäss antwortetest, es begegneten Dir zu wenig kauzige Leute, die vermehrt Stoff dazu hergeben. Wenn dies nur Mal kein Fingerzeig ist. :D

Du hast vollkommen recht, die Vision hat mich völlig verwirrt, nur so kann es sein, dass ich sie orakelhaft durch Hippokrates sprechen liess. Im Text habe ich es weitgehend an Deinen wertvollen Vorschlag angepasst.

Der Fingerzeig auf das „war“ rechne ich meinem vorerwähntem „Wirr“ zu, erschreckend, was ich da in zwei Absätzen vollbrachte. Halbiert wirkt es nun, ebenso wie ich, entwirrter.

Danke für Deine Mühe, die der Parodie nun Farbe verleiht.

Du bist am Kneten von Giacometti! Der Smiley drückt wohl bereits schalkhaft die Vorfreude aus, den Rotstift tanzen zu lassen, bei der Situationskomik des Ungelenken, das sich ihm da bietet. Aber klar, es gibt doch kaum Herzhafteres, als ehrlich über Situationskomik lachen zu können. :lol:

Lieben Gruss zu schlafwandelnder Zeit

Anakreon

 

Ich will nur kurz, aber – wie ich hoffe – immer noch ausführlich genug auf Gefahren hinweisen, die Korrekturen – oder allgemeiner - Änderungen an Geschichten bewirken und hab mir dafür einen Abschnitt ausgesucht, den sowohl Gisanne als auch ich (bereits mit dem ersten Beitrag) angesprochen bzw. gestreift haben,

lieber Anakreon,


denn hieß es in der Fassung vom 24.09.

Nach langem Ringen um die richtigen Interpretationen der Worte war er überzeugt, dass seine Transkription die bestmögliche Annäherung ist, die er erreichen konnte. Doch las sich das Ganze noch schwer verständlich. Es war kein Gelehrter, der es niederschrieb, er müsste es noch in eine an Platon annähernde Denkweise übertragen, um es sinngemäss deuten zu können. Eine nicht geringere Aufgabe, als schon die Transkription war.
Lautet der Abschnitt nunmehr:

Nach langem Abwägen der Interpretationen war er überzeugt, dass seine Transkription die bestmögliche Annäherung ist, die er erreichen konnte. Dennoch wirkte sie fragmentarisch und schwierig verständlich. Er war kein Gelehrter in diesem Fachbereich und wollte den Text noch mit andern Schriften aus dieser Zeit vergleichen. Ein grosser Aufwand, der sich in seinen Augen lohnen würde.

Drückt die ursprüngliche Version einen langwierigen, vielleicht sogar sportlichen inneren Kampf aus
Nach langem Ringen um die richtigen Interpretationen der Worte …,
so ist die korrigierte Fassung geradezu kaufmännisch nüchtern im Bild der Waage, in dem es sich auf ein prüfendes Bedenken (d. i. die Bedeutung des abwägens, dass vordem ein abwiegen war, seit dem 15. Jhdt.)
Nach langem Abwägen der Interpretationen …

Der Nebensatz bleibt unverändert (vielleicht doch besser im Konj. I, wie’s auch Gisanne vorschlägt?)

Der folgende Satz aber birgt von Anfang an seine Tücken:
Alt:

Doch las sich das Ganze noch schwer verständlich.
Korr:
Dennoch wirkte sie fragmentarisch und schwierig verständlich.
Der erneuerte Satz wirkt umfangreicher als der alte, nicht weil die einleitenden Adverbien ausgetauscht wurden („doch“ und „dennoch“ bedeuten nahezu das gleiche zeitlich gewendet, nämlich: das, was darauf /daraus folge) aber „wirken“ bedeutet wesentlich mehr als „lesen“, das „Ganze“ kann ein Fragment sein, ein „Fragment“ wäre aber niemals das Ganze.

Die tatsächliche Fußfalle erscheint dann dem Kaufmann wieder mit dem Bild der Waage, wenn uns das kfm. Wiegen im Problem „schwer“ und/oder „schwierig“ entgegenkommt und mit dem Verstand oder dem Verstehen verknüpft werden soll, denn wie schon beim Fragment ist der Verstand etwas anderes als das Verstehen - was ich nur kurz einwerfen will.

„Schwer“ bedeutet im Grunde, Gewicht zu haben, ist aber von allem nachvollziehbarem Anfang an übertragen worden auf „drückend / beschwerlich / lastend“, um Arbeit, Not und Krankheit (nicht zu verschweigen: Sünde) zu kennzeichnen.

Und just setzt das ansonsten sichere Sprachgefühl einen auf die falsche Fährte:
In der „Schwierigkeit“ (des 18. Jhdt.) sind „schwerig- / schwirigkeit“ (= Vereiterung; schwirig = schwürig) mit der mhd. „swærecheit“ (Schwere, Beschwerlichkeit) zusammengeflossen. „Schwierig“ lässt wahrlich sich nicht aus „schwer“ ableiten. Zwar kommt es den übertragenen Bedeutungen von „schwer“ nahe mit dem Sinn „viel Mühe machend“ (was auf den Text zutrifft wie hier den kleinen Beitrag), zumindest „nicht einfach“, aber das mhd. „swiric / sweric“ verräts im Übergang zum alten nhd. schwirig = schwürig = „voll Schwären“, es stammt ab vom Verb „schwären“.

Dennoch wirkte es fragmentarisch und schwierig verständlich
wäre vielleicht besser als „schwer“ verständlich [das Verstandesorgan hat schließlich ein erhebliches Gewicht] oder alternativ als schwierig „zu verstehen“ anzusetzen, schließlich bereitet der Verstehensprozess allemal einige Mühe. Was sicherlich auch für die etymologischen Abschweifungen gilt, umso mehr, als wir alle keine Gelehrten in diesem Fachbereich sind.

So viel oder wenig für heute vom

Friedel

 

Das Ringen um die richtige Transkription hat mich voll im Griff, doch auch die Gelehrtenwelt wurde davon erfasst.

Hallo Friedel

Vorab herzlichen Dank für Deine neuerlich kritische Durchsicht des Stücks. Ich ahnte nach Deiner Ankündigung, Du würdest es hippokratisch auf Herz und Nieren prüfen, den Wandel zwischen Antike und Moderne durchleuchten und sezieren. Es wird wohl spät in der Nacht oder neuer Tag sein, bis ich dazu komme, das Manuskript erneut unter die Lupe zu nehmen. Zwischen Abwägen und Verwerfen, Streichen und Ändern, werde ich dann den Spuren von B. folgend, die Vollendung der Interpretation suchen, was es mit diesem Albtraum auf sich hat. Oder ist es ein Satyrspiel, in dem ich mich in Rollentausch verfangen habe? Der Pinselstrich wird es dann weisen.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Friedel

Zu tiefnächtlicher Stunde ist die Gefahr vorhanden, getrübten Geistes vom rechten Weg abzuweichen, wie ich einmal mehr erfahren musste. Bei Tageslicht und wachem Verstand soll es mich künftig leiten, die Kapriolen solcher Nachtmahr auszumerzen.

Der Pinselstrich einer Besänftigung ist getan, das zu Nüchterne belebt und zu starke Überspitzung abgebaut.

Gruss

Anakreon

 

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