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Schnee für Arsen

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14.08.2008
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Schnee für Arsen

„Unser Vermieter behauptet, dass die Tanzim demnächst nach Beit Jala kommen, um Jerusalem zu beschießen“, sagt Arsen. „Aber das glaube ich nicht. Nicht bei so viel Schnee.“
Der Kleinbus rutscht mehr den steilen Hang von Beit Jala nach Betlehem hinunter, als dass er fährt. Säße nicht Sofian am Steuer, würde ich mit Zafirah aussteigen und zu Fuß zum Supermarkt gehen.
Doch wer in Israel Busfahrer war, kann Auto fahren, und so vertraue ich Sofian voll und ganz, uns heil die überfrorenen und weiß gepuderten Serpentinen hinunter zu bringen.
Seit die PLO die Intifada wieder aufgenommen hat und die Israelis sich abschotten, chauffiert Sofian anstelle von Touristen geistig behinderte Araber von ihrem Heim zu Schule und Werkstatt, holt Volontäre am Checkpoint zwischen Betlehem und Jerusalem ab und hält uns über Weltpolitik jenseits der Pressemeldungen auf dem Laufen.
„Verlass dich lieber nicht darauf“, widerspricht er nun Arsen. „Arafat hat Winterreifen aus Russland bekommen.“
"Und was hat Arafat mit den Tanzim zu tun?"
"Weißt du nicht, dass das die Fatah-Jugend ist?", fragt Sofian zurück. "Wobei - Jugend - die meisten von ihnen sind längst erwachsen."
„Siehst du“, ich knuffe Arsen auf dem Beifahrersitz in den Rücken. „Die Russen sind an allem Schuld!“
„Ich bin Armenier“, brummelt der, was nicht einmal zur Hälfte stimmt. Doch je nach Laune beruft er sich auf eine andere der drei Nationen, die ihn zustande gebracht haben.
„Selbst dann“, meine ich, „nicht vor Mitte Januar. Erst kommt das katholische Weihnachten, dann das russisch-orthodoxe, das armenische, Epiphanias, und dann vielleicht …“
Die Fatah hatten bisher noch immer christliche Feiertage respektiert. Westliches Geld ist ein scheues Tier, was Zafirah wenig interessiert. Sobald sie Weihnachten hört, klatscht sie in die Hände und lacht.
„Weihnachten Mama?“, wie alle Heimbewohner hauptsächlich von internationalen Volontären aufgezogen, spricht sie fließend englisch – was immer bei ihr fließend bedeutet.
„Baarfish – wenn sie dich abholt.“
„Weihnachten Mama?“, Zafirah wird quengelig.
„Eiwa.“ Lieber ein Ja, das sie in zwei Tagen vergessen haben wird, als eine heulende Autistin.

Vor dem King-Husseini-Krankenhaus gerät der Verkehr ins Stocken, ein Taxi ist mit einem Polizeiwagen kollidiert. Arsen und ich bestaunen schneebedeckte Zitronenbäume, Sofian übt sich in Geduld. Ich mache Fotos durchs Seitenfenster.
„Nicht!“, schreit Sofian, ich lasse vor Schreck die Kamera fallen. „Keine Fotos von der Polizei machen.“
„Das waren nur Zitronenbäume!“
Mit Sofian ist nicht zu spaßen. „Sie sind zurzeit sehr nervös. Alle. Ein falsches Wort, und sie nehmen dich fest.“
Ich lache. „Was, denkst du, die halten mich für einen israelischen Spion? Mit Zafirah im Auto?“
„Vielleicht.“
Eine Weile lang schweigen wir uns betroffen an.
„Die spinnen doch alle“, sagt Arsen schließlich auf Deutsch, es klingt kläglich.

Der Besitzer des Supermarkts hat Beziehungen, in seinem Laden bekommt man fast immer fast alles, und was er nicht hat, gibt es im nahen Shuk. Während Sofian die vorbereiteten Kisten fürs Heim in den Kleinbus wuchtet und Prozente aushandelt, verlieren Arsen, Zafihra und ich uns zwischen den Regalreihen.
„Hummus“, lese ich von einer Liste, und während Zafirah drei Plastikdosen mit der grauen Kichererbsenpaste in den Einkaufskorb legt: „Pita, Sarter, Tehinna, Sumak.“
Für das Weihnachtsfest der Volontäre fehlt nur noch das Huhn, wir finden Arsen im hinteren Teil des Ladens, wo er gerade eine Tüte entgegen nimmt. Durch das weiße Plastik zeichnet sich der Hühnerkopf ab, in einem Zipfel rinnt tropfenweise wässriges Blut zusammen. Wenigstens zappelt es nicht mehr.

Zurück in Beit Jala steuert Zafirah zielstrebig Sofians Haus an, unserem gegenüber; Sofians Frau hat ihr einmal zu oft Schokolade geschenkt. Als wir sie endlich loseisen können, stolpert sie ohne anzuklopfen in die Volontärswohnung und fällt beinahe über einen der drei Gasöfen, der wie verrückt Hitze bullert. Wären wir ausgebildete Heilerziehungspfleger, wäre das wohl nicht passiert, aber sei’s drum.
Marijke und Claartje, die die Truppe freiwilliger Mitarbeiter komplettieren, sitzen in Nachthemden am Tisch in der Wohnküche und lackieren Zehennägel. Claartje hatte Nachtwache, Marijke, die ohne Not nie vor elf Uhr aufsteht, begrüßt uns lautstark mit: „Da kommt ja unser altes Ehepaar!“
Claartjes Blick verfinstert sich, dabei war es ihre Idee, Arsen als meinen Mann auszugeben, dass er zu uns in die Wohnung ziehen kann und nicht im Heim leben muss.
„Sieh mal, wir haben ein Haustier mitgebracht!“ Damit zerrt Arsen den nackten Hühnerkopf durch ein kleines Loch in der Tüte. Zafirah kreischt.
„Schlecht gerupft“, konstatiert Claartje trocken. „Lass es draußen liegen, ich kümmere mich gleich darum.“ In ihrem holländischen Leben als Kosmetikerin in einem Salon für Reich und Schön hatte sie selbst pfannenfertig Geschnetzeltes nur mit Latexhandschuhen angefasst, wie sie mir einmal verriet. Aber Israel verändert uns alle.
Arsen deponiert die Einkäufe in der Küche, Zafirah wärmt sich an einem der Öfen und ich tausche den Alpakapullover gegen Arbeitskleidung aus klammer, aber kochfester Baumwolle, um den letzten Nachtdienst anzutreten. Nie hätte ich gedacht, dass ich meiner Patentante einmal für den edlen Hauch von Petrolgrün dankbar sein würde. Doch in meinem Zimmer, in dem es schätzungsweise vier Grad wärmer ist als draußen, wünschte ich, das Andenkamel zwischen November und März überhaupt nicht ablegen zu müssen.

In der Nacht scheint ein Kobold mit einer langen, dünnen Nadel umzugehen, und alles und jeden anzupieksen. Zwei Freundinnen streiten stundenlang, kaum verlasse ich das Zimmer, geht es von vorn los. Ein Geschwisterpaar geistert auf der Suche nach Süßigkeiten durchs Haus, ein junger Mann hat eine Serie kleinerer epileptischer Anfälle. Nach dem dritten gebe ich ihm Valium rektal, an die erhofften paar Stunden Schlaf zwischen Mitternacht und vier Uhr morgens lässt mich mein Gewissen nicht mehr denken.
Nach der Übergabe flüchte ich in die stille Volontärswohnung, falle ohne etwas zu essen ins Bett und in traumlosen Schlaf, bis in die frühen Abendstunden.
Den Rest des Tages vergammle ich irgendwo und irgendwie, schreibe ein paar Postkarten an Familie und Freunde, die ich am nächsten Tag in Jerusalem aufgeben will.
Alles wie immer, nichts Neues. Arbeit macht Spaß, Mama braucht keine Ritter Sport zu schicken, die bekommt man auch hier.
Kein Wort about the situation. Sorgenvolle Anrufe sind das letzte, was ich gebrauchen kann.
Gegen halb eins packt mich der Hunger, ich brate die Innereien des Hühnchens an und stopfe sie mit Unmengen Pita in mich hinein. Schokocreme mit dem Löffel aus dem Glas, Joghurt mit Zucker, Melone, Tomaten in wilder Reihenfolge.

Die ersten Schüsse fallen kurz nach zwei Uhr morgens, weit weg, in Betlehem. Eine schnelle Abfolge leichten Krachens, ähnlich Chinaböllern, dann kurz danach zweimal ein schwerer, dumpfer Knall. Granaten? In den ersten Wochen war ich beim kleinsten Knattern aufgeschreckt. Aufgedreht wie ein Kind vor dem Geburtstag mit den anderen neuen Volontären aufs Dach gelaufen, hatte die Spur israelischer Leuchtmunition am Himmel verfolgt, die schweren Dieselmotoren, die dröhnten wie die Maschinerie einer mittelgroßen Baustelle; versucht zu erraten, durch welche Straßen und in welche Richtung die Panzer rollten. Ob es sich um einen kleinen, leichten, nur mit einem Maschinengewehr bestückten Spähwagen handelte, oder den klassischen Kampfpanzer, hörten wir schnell heraus.
Nach wenigen Wochen wich der Kick der Müdigkeit. Der Notwenigkeit, zu arbeiten und junge Erwachsene zu betreuen, die längst über den Lärm hinweg schliefen, und so gewöhnte ich mich wie jeder andere daran, ihn zu ignorieren.
Doch jetzt, ausgeschlafen nach dem letzten Nachtdienst, ist nicht daran zu denken.
Zwischen dem hellen Klackern palästinensischer Kleinwaffen, das rasch näher kommt, lausche ich auf das typische kreischende Knirschen der Panzerketten auf Asphalt. Nichts. Mehrere Granateneinschläge ganz nahe, nach dem ersten presse ich die Finger in die Ohren. Ein Schatten fällt über mich. Arsen steht im Türrahmen, in Schlafanzug, Pullover und Socken, die Decken um sich gewickelt.
„Schön warm bei dir.“
Ich rutsche auf dem zum Sofa umfunktionierten Kinderbett zur Seite und mache ihm Platz. Ich hatte nicht gewusst, dass er immer noch aufwachte. Eine Weile lauschen wir schweigend den kreisenden Hubschraubern.
„Ich glaube, ich werde Silvester nie wieder leiden mögen“, sage ich irgendwann.
„Ich mochte es noch nie. Weiß auch nicht, warum.“ Arsen rückt dicht an mich heran, sein knochiges Knie presst gegen meinen Oberschenkel. „Das Beste an Silvester war immer, dass es nur noch sechs Tage bis Weihnachten waren. Um diese Zeit herum haben meine Eltern Weihnachtssüßigkeiten zum halben Preis gekauft und vor meinen Brüdern und mir versteckt. Vor dem sechsten Januar gab es nichts. Dafür hat sich die ganze weibliche Verwandtschaft in unserer Wohnküche versammelt, und dann haben sie fünf Tage lang ununterbrochen gekocht und gebacken. Das war was, sag ich dir!“ Er seufzt selig.
„Ich glaube, die mussten nachholen, was bei den Kommunisten nicht möglich war. Dafür hatten wir in Russland Schnee an Weihnachten“, meint er mit wehmütigem Blick auf die regennasse Straße.
Mein Gehör sucht immer noch nach den Panzern. Wenn die Israelis sich in den Kopf gesetzt haben, in Beit Jala einzurücken, werden die Behinderten morgen nicht in die Schule und zur Arbeit gehen können. Dann müssen wir uns etwas einfallen lassen. Doch es bleibt still.
Arsen hat seinen Kopf auf meine Schulter gelegt. Es ist halb drei, und auch ich werde wieder müde, doch der Gedanke an mein kaltes Zimmer erfüllt mich mit Grausen.
„Kommst du mit zu mir? Ich weiß nicht, ob ich allein noch mal einschlafen kann.“
„Hast du eine Wärmflasche?“
„Ist schon kalt.“
„Ich mach sie nochmal frisch.“
Ich hole meine Decken und quetsche mich zwischen Arsen und die Wand. Eine Weile schieben wir kichernd den heißen Gummibeutel zwischen uns hin und her, dann falle ich in kurzen, unruhigen Schlaf.

Als ich am nächsten Morgen aus Arsens Zimmer schleiche, starrt Claartje mich erst ungläubig, dann zornig an, bevor sie hinausstürmt und die Tür krachend ins Schloss wirft.
„Was‘n los?“, brummle ich.
Niemand antwortet. Ich werfe einen Blick nach draußen, Sofians Sohn winkt mir von seinem Taxi aus zu, bevor er zum Shuk tuckert, oder zum Checkpoint, um auf Fahrgäste zu warten. Keine Ausgangssperre also, das ist gut. Der verkehrte Schlafrhythmus steckt mir noch in den Knochen, sehr verlangsamt mache ich mich fertig für einen Tag in Jerusalem.
Irritierend wenige Soldaten flanieren durch die Straßen. Ich lasse meine Fotos entwickeln. Kein einziger palästinensischer Polizist ist auf ihnen zu sehen. Sofian hat sich umsonst Sorgen gemacht.

Am dreißigsten flammen die Schießereien wieder auf, bis die Tanzim schließlich auch bei Tage in Betlehem und Beit Jala bleiben; am dritten Januar, vier Stunden vor meinem Schichtende und sechs Stunden, bevor der Gasmann kommen und unsere Vorräte wieder auffüllen wollte, rücken die Israeli ein.
Marijke, die mich ablösen kommt, weht mit einem Schneeschauer herein.
„Wenn du dich beeilst, kannst du noch durch die Gärten klettern, bevor alles vereist ist. Aber nimm auf keinen Fall den Umweg über die Jeansnäherei, dort haben sie die Artillerie aufgebaut.“
Die Jeansfabrik ist nur eine Straße hinter der Volontärswohnung.
„Wer sagt das?“
„Sofians Sohn. Er hatte noch einen Fahrgast nach Beit Sahour, deshalb hat er die Ausgangssperre verpasst. Sie haben ihn sein komplettes Taxi auseinandernehmen lassen. Reifen abmontieren und was weiß ich, er könnte ja ne Bombe drin habe. Puh, hätte nicht gedacht, dass das neue Jahr so anfängt. Haben wir noch Tee? Meine Mutter hat extra Kandis geschickt!“
Ich werde die Teetrinkerei der Holländer nie verstehen, wo nichts über einen starken Kaffee geht. Oder Kakao … mit Zimt und Pfeffer … ich merke, dass es mich unwiderstehlich nach Hause zieht.
„Arsen ist noch in Jerusalem“, ruft Marijke mir hinterher. „Ich habe ihn auf dem Handy angerufen und Bescheid gesagt. Er wird mit dem Bus nach Har Giloh fahren und von dort versuchen, über die grüne Grenze zu kommen. Oder steht da oben auch Armee?“
Ich zucke mit den Achseln, ich weiß es nicht. Solange keine Tanzim auf dem Weg sind … die Israeli warnen einen zumindest erst, bevor sie schießen, und einen Europäer werden sie wohl passieren lassen. Hoffe ich zumindest.

Oberhalb des Heimes knirscht ein Panzer den weichen Asphalt weg, bestimmt von Har Giloh auf dem Weg nach Betlehem. Das ist gut, dann hat Arsen mindestens eine Stunde Zeit. Wenn er denn schon in dem israelischen Dorf angekommen ist.
Für einen kurzen Moment denke ich daran, tatsächlich durch die verschneiten Gartengrundstücke zu kriechen, in kaum gefrorenen Matsch auszurutschen und die Steinterrassen bis zu unserem Haus hinunterzufallen – und stapfe dann im Schatten der Hauswand zur Hauptstraße hinunter.

Der Kampfpanzer und ich erreichen zeitgleich die Kreuzung vor unserem Haus. Ich gehe geradeaus weiter, er rangiert, um die Kurve zu umrunden – und biegt auf die Hauptstraße zum Industriegebiet ein.
Er tut dir nichts, denke ich, während das Rohr sich auf mich einpendelt. Du bist Europäerin. Du bist gleich zuhause, fünfzehn Meter noch. Der Panzer bremst ab, sein Diesel hämmert Rußwolken ins Straßenlaternenlicht und schmilzt Schnee in der Luft, der sich als glänzender Film auf die Luke legt. Zehn Meter, stur gerade aus. Die Luke klappt auf und ich denke, es ist doch vernünftiger, unsichtbar zu werden, und ziehe mich in Sofians Hauseingang zurück.
Der Soldat holt mich ein, bevor ich an der Tür klopfen kann. Er ist jung, jünger und kleiner als ich, ein hübsches, weiches Kindergesicht, die Uniformjacke hängt locker um seine Schultern. Die Maschinenpistole zeigt auf den kleinen Fleck Erde zwischen unseren Fußspitzen; er riecht nach Angst, und so langsam werde auch ich nervös. Er leuchtet mir mit einer starken Taschenlampe ins Gesicht.
„Was machst du hier? Wohin willst du?“
Ich kratze mein spärliches Ivrit zusammen. „Nach Hause.“ Ich deute über die Straße. „Ich wohne dort.“
„Um die Uhrzeit? Weißt du nicht, dass das gefährlich ist, es ist Ausgangssperre!“
Ich verstehe ihn nicht, und er muss es auf Englisch wiederholen.
„Bleib zu Hause; wir sind sowieso nur ein paar Tage da.“
Damit verschwindet er. Ich bleibe noch eine Weile unter Sofians Tür stehen. Mein Herz schlägt langsam, viel zu langsam, ich bin mit einem Mal viel zu ruhig. Gehe über die Straße, das Bewusstsein dicht unter der Haut, und fühle mich gefährlich unantastbar. Im Nachbarhaus bewegt sich eine Gardine, als ich hinsehe, fällt der Vorhang wieder. Ob sie sich wundern, was der Soldat bei Sofians Haus wollte?

Arsen ist tatsächlich hinter dem Panzer die Serpentinen heruntergeschlichen, immer eine Kurve hinter dem Stahlkoloss. Während er sich aus den durchnässten Kleidern schält, berichtet er von plattgewalzten Autos am Straßenrand.
„Bei den meisten fehlten die Räder, der Motor ausgebaut, oder sie waren durchgerostet – die waren schon am Arsch, bevor die Israelis auch nur die Mobilmachung ausgerufen haben. Aber für die Weltpresse macht es sich natürlich gut.“
Ich denke an etwas anderes, nämlich daran, dass Arafat vielleicht auch neue Autos zahlt, wenn man die alten im Dschihad opfert.
„Können wir nicht einen zweiten Ofen anmachen?“, klagt Arsen.
„Geht nicht, Gas ist fast alle“, Claartje mümmelt unbeirrt salzige Lakritze, als sei es Kohle und sie könne damit einen inneren Kamin heizen. Sie schiebt Arsen welche hin, der dankend ablehnt. Mir bietet sie keine an, doch das ist mir ganz recht. Ich muss auf meine Figur achten, das arabische Essen schlägt gut zu Buche.
„Schade“, meint Arsen. „Ich hab mich so auf eine heiße Dusche gefreut.“
„Na, für eine wird es noch reichen“, meint Claartje großzügig.
„Oh prima!“ Arsen springt auf, dann fällt sein Blick auf mich, wie ich engstmöglich verknotet in dem zerfledderten Korbstuhl hocke und die Hände an der Kakaotasse wärme.
„Obwohl … du könntest es auch vertragen, glaube ich.“
„Geh mal“, winke ich ab. „Du warst zuerst da.“
Doch Arsen gedenkt, die Erziehung seiner Eltern zu ehren, und lässt den Gentleman raushängen. Wir streiten uns in Zuvorkommenheit, bis ich entnervt aufgebe.
„Duschen wir eben zusammen.“

Rücken an Rücken ziehen wir uns aus; obwohl wir beide hier zur Genüge nackte Körper in allen Formen gesehen und berührt haben, eigenartig beschämt. Ich brause mich ab und reiche den Duschkopf an ihn weiter, streife dabei seinen alabasterweißen Rücken, erlaube mir, verstohlen an den mit goldenen Sommersprossen übersprenkelten Schultern hängen zu bleiben, während ich mich einseife.
Er muss meine Blicke gespürt haben, er blinzelt kurz über die Achsel, ein zarter Hauch überflammt seine Wangen, als sich unsere Augen treffen. Er streift mich mit seinem nassen, schwarzen Haar, als er an mir vorbei nach der Seife greift, mein Gott, ich bin keine fünfzehn mehr, was zucke ich so zusammen? Hastig mache ich mich fertig, ziehe die feuchten Kleider wieder an – natürlich habe ich vergessen, frische mitzunehmen – und verlasse eilig das Bad.

In der Nacht beginnt die Artillerie bei der Jeansfabrik über unser Haus hinweg zu feuern; Lärm, der die Scheiben in der Fassung zittern lässt, den Schädelknochen zum Singen bringt, das Innerste in Lärm vergewaltigt, so sehr es sich auch sträubt. Überwältigend, durchtränkend, penetrierend. Ich krieche unter die Decke, presse die Fäuste auf die Ohren, singe laut. Flüchte schließlich in Arsens Zimmer und kralle mich an seinem stocksteifen Leib fest.
„Meinst du, sie können uns treffen?“
„Ich glaube, sie schießen übers Haus weg.“
„Aber was ist, wenn die Tanzim zurückschießen?“
„So dicht trauen die sich nicht ran.“
„Was, wenn die Tanzim zu kurz feuern? Dann sind wir in der Linie.“
Ich antworte nicht, sondern presse mich noch dichter an ihn. „Es passiert nichts“, murmle ich schließlich in seinen Hals. „Es wird schon nichts passieren …“
Und es passiert nichts, außer dass er seine kalten Hände auf meinem Bauch wärmt.

Am Spätnachmittag des sechsten Januar zieht die Armee sich zurück und hinterlässt zerbrochene Fensterscheiben, Panzerspurrillen im Asphalt und hie und da gelbe Warnwimpel, wo elektrische oder Gasleitungen getroffen wurden, und wo trotz des orthodoxen Feiertages bald Mitarbeiter der Stadtwerke ihre Baustelle eingerichtet haben. Ob sie die Tanzim gefasst haben, weiß keiner, auch Sofian nicht, den ich frage, wer die Schäden bezahle.
„Arafat natürlich.“
„Wenn die Israelis kommen und alles in Grund und Boden stampfen?“
„Wir haben ein Auslieferungsabkommen mit den Juden. Die Tanzim hätten zumindest festgenommen und hier inhaftiert werden müssen. Aber Arafat fordert sie noch dazu auf, Anschläge zu verüben.“
Natürlich, wie hatte ich es vergessen können. Die Tanzim, die Jugendorganisation der Fatah. Die Fatah, Arafats Kentruppe, die seine Leibwächter stellte, die stärkste Fraktion der PLO. Kein palästinensischer Polizist würde es wagen, die Hand gegen sie zu erheben.
"Und deswegen", Sofian sah sich um, ob jemand uns zuhörte, "ist es nur gerecht, dass er bezahlt."

Abends hocken Claartje, Arsen und ich bei Glühwein und russischen Leckereien zusammen auf dem verglasten Balkon. Arsen hat eine Gitarre aufgetrieben und versucht vergeblich, uns armenische Weihnachtslieder beizubringen. Unsere verhaltenen Gesangskünste enden samt und sonders in albernem Gelächter, woraufhin Arsen umso lauter schmettert: „Chorhud medz yev skandscheli …“, und „Krisdos dznav yev haydezav …“. Die großen, trockenen Lebkuchen brechen wir in Stücke, die wir untereinander verteilen und vor dem Essen in Glühwein stippen, weil Arsen sagt, das müsse so sein. Claartje findet auch das urkomisch, wieder brechen wir in Gelächter aus, und zum ersten mal seit langem habe ich das Gefühl, alles zwischen ihr und mir ist in Ordnung.
„Lies uns die Weihnachtgeschichte vor … auf armenisch!“, bettelt sie schließlich, nachdem wir den Glühweitopf halb geleert haben.
Arsen lehnt ab, wird mit einem Mal ernst, und als Claartje ihn weiter bedrängt, raunzt er: „Mit Gottes Wort macht man keine Scherze!“
Betroffen schweigen Claarje und ich uns an, Arsen klimpert in sich versunken auf der Gitarre herum.
„Tut mir leid“, sage ich schließlich. „Komm, sing noch was. Das war schön.“
Das Geklimper wird zur Melodie, Arsens volle Schmolllippen entlassen ein wohlklingendes Summen, doch es will keine rechte Stimmung mehr aufkommen. Nach wenigen Minuten stellt er die Gitarre weg, und greift nach einem Lebkuchen, den er als ganzes isst.
„Sie haben den Schwiegersohn des Supermarktbesitzers mitgenommen, den, der im Laden arbeitet. Einfach die Tür eingeschlagen, und ihn aus dem Bett gezerrt.“ Claartjes Worte fallen unvermittelt schwer in den Raum. „Seinen Bruder auch. Sie seien bei der Tanzim.“
„Stimmt das denn?“, fragt Arsen.
„Wer weiß das schon“, Claartje zuckt mit den Achseln. „Jeder sagt etwas anderes. Aber sie sind weg, das ist sicher.“
Grölen auf der Straße, schlagende Autotüren und Gelächter. Ich weiß nicht, wie viele Bewohner im meistenteils christlichen Beit Jala orthodox sind und wie viele katholisch, doch dass die Jugend Kirchenfeste lieber auf ihre Art feiert, scheint hier wie überall üblich zu sein.
Auf einmal splittert Glas. Elektrisiert springen wir vom Kinderbett hoch. Vor Sofians Haus hat sich ein Mob junger Männer versammelt, mit Eisenstangen zerschlagen sie Rafats Taxi, kindskopfgroße Steine fliegen durch die Scheiben im Erdgeschoss, Stiefel zertrampeln Rosen, Fäuste reißen Weinranken von der Mauer, Sofians Käfer liegt auf dem Kugeldach und reckt hilflos die Räder in die Luft, als sein Motorblock in Flammen aufgeht. Schüsse pfeifen in die Luft, ein Projektil zerschlägt einen Sonnenkollektor auf unserem Dach, wie auf Kommando rutschen wir vom Sofa auf den Boden. Ich komme vor einem Gasofen zu sitzen, mein Hintern fängt an zu glühen, doch die Schüsse wollen und wollen nicht enden. Schließlich halte ich es nicht mehr aus und stehe auf, sofort reißt Claartje mich zurück.
„Bent je gek? Op de vloer!“
Ich stoße sie weg, springe auf und renne in mein Zimmer.
Du bist schuld, du dumme Kuh! Du hast immer über die Tanzim reden wollen, du warst bei Sofians Haus ... der bewegte Vorhang, sie dachten, der Soldat geht zu Sofian, sie denken, er ist ein Veräter ... du bist schuld, du dumme Kuh ...
Ich will auf die Straße rennen, sie anschreien, dass sie aufhören sollen. Ich will sterben. Ich will die Zeit anhalten, und nie mein Studium abgebrochen haben.
Minuten später ist draußen alles vorbei, und jemand klopft verhalten an meine Tür.
„Elly?“ Die Türklinke wird gedrückt, doch ich habe abgeschlossen. „Elly mach auf … bitte!“
Ich ziehe die Decken fester über den Kopf, drehe das Gesicht zur Wand und presse die Faust in den Mund, um das hysterische Lachen zu ersticken.

Irgendwann ertrage ich mich selbst nicht mehr, die Stille nicht, die feuchtklamme Luft. Ich wünschte, die Armee käme zurück um zu zerstören, wie ich mich zerstört fühle. sehne den Lärm herbei, der jeden Gedanken auslöscht.
Arsen schläft wie ein Baby, eingerollt auf der Seite, die Knie zur Brust gezogen, die Hände unters Kinn geklemmt.
Sein Pullover riecht tröstlich anders als meiner, als ich zu ihm unter die Decke krieche und meine Nase in seinem Haar vergrabe. Ich schiebe meine Hände unter die unterste Kleiderschicht, ertaste seinen Rücken, die wenigen Härchen auf dem Bauch, die als schmaler Strich in der Hose verschwinden.
Als ich ihn in den Nacken küsse, wieder und wieder zwischen Genick und Ohr hin und her wandere, wacht er auf und dreht sich zu mir um.
"Elly?" Er betastet mein Gesicht, unsere Lippen treffen sich, er vorsichtig tastend, ich verzweifelt drängend. Während er noch sacht mein Haar streichelt, umkralle ich längst sein nacktes Gesäß und ziehe ihn über mich.
"Komm ... halt mich fest, bitte!"
Sein Gesicht entfernt sich von meinem, Arsen richtet sich auf und gleitet von mir herunter. "Ich will das nicht ... nicht so."
Er streckt sich neben mir aus, umfasst meine Taille und legt den Kopf auf meine Schulter. Sein Atem in meinem Haar tröstet nur den Rand meiner Seele.
"Ob Sofian etwas passiert ist?", murmelt er irgendwann.
"Es ist alles meine Schuld ..."
"Scht!"
"Du hast ja keine Ahnung!"
Er hält mich noch fester, als habe er Angst, ich könne gleich aufstehen und gehen. "Ich habe dich gesehen ... die Nachbarn nennen ihn schon seit Wochen Judenfreund. Glaub mir, sie hätten einen anderen Grund gefunden, irgendwann."
Wozu bin ich überhaupt in dieses Land gekommen, das sich nicht helfen lassen will? Um ein Held zu sein?

Am nächsten Morgen stehe ich vor allen anderen auf. Sofians Haus wage ich nur kurz mit dem Blick zu streifen, als ich durch den Schnee über die Kreuzung und den Berg hinunter schliddere. Die Pflanzen des einstmals wunderschönen Gartens liegen verkohlt auf einem Haufen im Hof; der Käfer nur noch ein kaltes Stahlgerippe, dem Taxi die Reifen zerstochen, der Innenraum voll Splitter. Im neugebauten Obergeschoss bewegt sich etwas, vielleicht nur eine optische Täuschung.
Auf der langen Geraden zwischen Betlehem und dem Checkpoint halten mehrere Taxen an, ob ich mitfahren wolle. Ich winke sie alle durch.
Hinter dem zugigen Kontrollverschlag stehen drei schneeüberzuckerte Panzer, die Rohre gegen Jerusalem gerichtet. Aufbruchsstimmung. Der Soldat, ein blonder Mittdreißiger mit rosig frischem Gesicht, kontrolliert meinen Pass nachlässig, um die Marktfrauen, die wenige Meter hinter ihm durch das Loch im Grenzzaun marschieren, kümmert er sich nicht.
„Deutschland?“
Ich sage nichts, nicke nicht, starre gleichgültig an ihm vorbei in sein ungeheiztes Kabüffchen. Checkpointblick.
„Meine Schwester lebt in Berlin. Schöne Stadt! Schönes Land!“
Keine Ahnung. Ich komme aus der schwäbischen Provinz, aus einem Kaff, in dem man jeden mit allen guten und schlechten Seiten sehr schnell kennen lernt, ob man will, oder nicht. Meine Augen tränen von dem kalten Wind. Ich dachte, nichts Menschliches sei mir fremd.
„Einen schönen Tag noch in Jerusalem“, verabschiedet er mich und winkt den nächsten heran, einen alten Mann, der von Dialyse im Sha’are Sedek-Krankenhaus redet.

Die Soldaten sind in die Straßen zurückgekehrt, und mit ihnen die alarmierte Ruhe, misstrauische Wachsamkeit unterm Scheinalltag, Taschenkontrolle an jeder Tür. In der Filiale der HaPoel-Bank in der Ben Yehuda hebe ich so viel Geld ab, wie man an einem Tag aus dem Automaten ziehen kann; es sieht nach einer Menge aus, doch wie viel ist viel für eine neue Existenz? Und vor allem, wo?

Zurück in Beit Jala ist das Taxi vor Sofians Haus verschwunden. Die Tür steht noch offen, im Flur liegen zerbrochene Möbel, die Bilder an den Wänden, kitschige Drucke von Alpenpanoramen, fehlen. Sonst ist alles unverändert, nur der Käfer, immer noch auf dem Dach liegend, ist vor unsere Gartenmauer geschoben worden.
Arsen erwartet mich am Gartentor, die Hände in die Taschen vergraben, die Schultern gegen die Kälte zusammengezogen. Er trägt keine Jacke.
„Sie sind vor einer halben Stunde gefahren. Zu Sofians Onkel nach Nablus.“
"Ich dachte, die beiden verstehen sich nicht gut?"
Arsen zieht die Schultern enger zusammen. "Wohin denn sonst?"
Meine Finger umklammern den Geldbeutel mit tausend nutzlosen Schekalim. Was werden sie mit ihm machen, wenn das Gerücht bis Nablus vordringt, dass er ein Judenfreund sei? Ein Verräter, ein israelischer Spion?
"Vielleicht gehen sie später nach Amerika ... seine Frau hat einen Cousin dort."
Arsen nimmt mich am Arm und führt mich ins Haus zurück, vorbei an den Zitronenbäumen, von denen Schnee rund abschmilzt.
"Ich soll dir noch Grüße sagen - und du sollst dir keine Vorwürfe machen."
Auf der Hollywoodschaukel im Garten sitzt, dick eingepackt, Zafirah. Als sie uns Arm in Arm kommen sieht, spitzt sie schmatzend die Lippen. Arsen wird rot, Marijke, die sich aus dem Fenster über uns lehnt, lacht, bis ich nicht mehr anders kann und mitlächle.
Und dann beginne ich endlich, zu weinen.

 

Hallo Pardus,

manchmal locken Titel aus ganz privaten Gründen. Eines meiner Fußballkinder ist ein kleiner armenischer Junge namens Arsen. Und da es ein äußerst plietscher (wie man hier im Norden so sagt) Junge ist, hat dein Titel gleich Sympathie in mir geweckt.
Ich habe die Geschichte gern gelesen, das vorweg, denn es folgen dennoch kritische Worte. Zum einen, weil ich Ares Einwand verstehen kann. Es wird zu viel Wert darauf gelegt, wo jeder her kommt, um es noch als natürliches kulturelles Zusammenleben zu empfinden. Wahrscheinlich, weil du einen Eindruck davon vermitteln wolltest, wie Menschen damit umgehen, wenn der Terror Alltag ist und das Leben inklusive der Behinderteneinrichtungen, der Läden, der Taxifahrten und öffentlichen Verkehrsmittel irgendwie trotzdem funktionieren.
Das ist dir auch gut gelungen, denn Angst haben die anderen. Aber mir fehlte vor lauter Namen und Nationen gerade zu Beginn die Richtung der Erzählung. Lange habe ich mich gefragt, wovon du überhaupt erzählst. So ist das manchmal mit Alltagsgeschichte (und da sie in Israel spielt ist sie genau das, auch wenn "Gesellschaft" natürlich durchaus die richtige Rubrik ist), sie plätschern eben richtungslos und zufällig wie die Tage an einem vorbei. Trotz Terror, trotz Granaten und Schüssen, trotz Kälte. Immer, wenn Mareikje ihre kurzen Eifersuchtsausraster hatte, dann hatte ich das Gefühl, jetzt wird der Hintergrund auch mit einer Geschichte angereichert. Das wäre großartig gewesen, diese Stimmung und dann noch eine erzählte Liebesgeschichte dazu. Vor dieser Kulisse. Angedeutet ist sie ja schon.
Die Namen und Verwandtschaftsbeziehungen verwirren oft, kommen zu schnell und nehmen im Verhältnis zur Länge der Geschichte zu viel Raum ein. Da musste mir meine Sympathie für den Titel zu Beginn schon über manche Klippe hinweghelfen.

Einige Details:

verlieren Arsen, Ikram und ich und zwischen den Regalreihen
das zweite "und" sollte wohl "uns" heißen
bevor der Gasmann kommen wollte und unsere Vorräte wieder auffüllen wollte
ungeschickt: Vorschlag: bevor der Gasmann kommen wollte, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen
Oder Kakao … mit Zimt und Pfeffer … ich merke, wie es mich unwiderstehlich nach Hause zieht
wenn "wie", dann "wie unwiderstehlich es mich nach Hause zieht", in deiner Satzkonstellation aber "dass".
Ich denke an etwas anderes, nämlich dass Arafat vielleicht auch neue Autos zahlt, wenn man die alten im Dschihad opfert.
wenn "an etwas anderes", dann auch "nämlich daran, dass" oder "an" streichen.
dann fällt sein Blick auf mich, wie ich engstmöglich verknotet in dem zerfledderten Korbstuhl hocke und die Hände an der Kakaotasse wärme.
wenn "auf mich", dann "die ich" statt "wie ich". Oder "fällt sein Blick darauf, wie ich ...
Am Spätnachmittag des sechsten Januar zieht die Armee sich zurück und hinterlassen zerbrochene Fensterscheiben
hinterlässt
und zum ersten mal seit langem habe ich das Gefühl, das zwischen uns alles in Ordnung ist
zum ersten Mal ... Gefühl, dass (oder besser: das Gefühl, alles zwischen uns ist in Ordnung)
Arsen lehnt ab, er wird mit einem mal ernst, und als Claartje ihn weiter bedrängt, raunzte er
Änderungsvorschlag: Arsen lehnt ab, er wird mit einem Mal ernst, und als Claartje ihn weiter bedrängt, raunzte er
Tut mir Leid
Nach der Reform der Reform der Reform "leid" wieder klein
Sie haben Fakhris Schwiegersohn mitgenommen, den, der im Laden arbeitet. Einfach die Tür eingeschlagen, und sie aus dem Bett gezerrt
die Schwiegersohn?
doch dass die Jugend Kirchenfeste lieber zum auf ihre Arte feiern nutzt, scheint überall auf der Welt das gleiche zu sein
was für ein schiefer Satz: doch dass die Jugend Kirchenfester lieber auf ihre Art feiert, schein überall auf der Welt gleich zu sein.
Vor Sofians Haus hat ich ein Mob junger Männer versammelt
hat sich
Sofian Käfer liegt auf dem Kugeldach
Sofians
Ich ziehe die decken fester über den Kopf
die Decken
Hinter dem zugigen Kontrollverschlag stehen drei schneeüberzuckerte Panzer, ihre Rohre gegen Jerusalem gerichtet.
würde nur "die Rohre" schreiben
Ich dachte, nichts menschliches sei mir fremd.
Menschliches

Lieben Gruß
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Salve Are,

ich bitte Dich, Deinen Rassismusvorwurf mit Textstellen zu belegen.

Davon lenken aber sofort markante Eigennamen und Hinweise auf die Herkunft ab.
Die Herkunftshinweise habe ich versucht, zu reduzieren. Rassismus würde ich nicht daraus ableiten, jemanden einen Armeiner, Russen, Araber oder Israeli zu nennen.
Und dass Araber eben nicht Helmut, Günther und Annedore heißen, ist nicht meine Schuld :D.
alles wird überlagert von der konstanten Sorge, bloß allen gerecht zu werden
Woran machst du das fest?


Salve sim,

Fehlerchen sind beseitigt.

Es wird zu viel Wert darauf gelegt, wo jeder her kommt, um es noch als natürliches kulturelles Zusammenleben zu empfinden.
Dieses natürliche kulturelle Zusammenleben gibt es in Israel in der Tat nicht. Wer Du bist und wo Du herkommst, spielt eine immensgroße Rolle; man wird in dem Konflikt automatisch positioniert, ob man will oder nicht, auch als Ausländer.

Für Elly und Arsen ist die Frage von Arsens "bunter" Herkunft ein Spiel, mit dem sie sich foppen, nicht mehr.
Für alle anderen wird es vital, entscheidet darüber, was man sagen und denken darf, und was nicht. Schon vermeintliche Abweichungen werden drakonisch bestraft.

Außerdem, je länger man in einer fremden Kultur lebt, noch dazu ohne sein angestammtes soziales Netzwerk, umso mehr werden einem seine eigenen Wurzeln bewusst; dass man Vergleiche anstellt, kommt ganz automatisch.
Was ist typisch deutsch - was ist typisch holländisch war in meiner Zeit in Beit Jala tatsächlich ein großes, gottseidank meist amüsantes Thema.

Über Namen und Verwandtschaftsverhältnisse geh ich in einer ruhigen Minute noch mal drüber.

Dass sich Vieles in Details verliert, war ein Stück weit Absicht; gerade was den Israeli-Palästinenser-Konflikt angeht, kursiert so viel Plattes, Reißerisches, Halbwahres, Überzeichnetes, dass ich ein wenig Alltagsfeeling transportieren wollte, inklusive den bauernschlauen Palästinensern, die sich ein wenig Geld von der Autonomiebehörde ergaunern, dem Loch im Grenzzaun und Ritter Sport in einem Tausendseelenkaff auf der West Bank.


Gruß an euch beide,

Pardus

 

Hi Pardus,
so, jetzt habe ich mich durch Deinen Text durchgekämpft, ja, so muss ich das wohl nennen. Ich hatte am Anfang echt Schwierigkeiten, die ganzen Personen, Umstände, Herkunft etc. auseinanderzuhalten. Ich musste immer wieder hochscrollen, um zu schauen, wer wer ist und warum.

Das Warum war sowieso ziemlich groß am Anfang, so bis in die Mitte Deiner KG. So richtig hat sich mir die Geschichte nicht erschlossen. Es ist für mich irgendwie eine Aneinanderreihung von Ereignissen, aber es bleiben die Emotionen der Menschen auf der Strecke.

Deine KG hat auch für mich irgendwie keinen Handlungsfaden. Ich weiß nicht recht, was Du damit ausdrücken willst. Du beschreibst zwar die Lebensumstände teilweise ganz gut, aber es treffen mich in kürzester Zeit so viele Fakten, dass ich am Ende der KG schon nicht mehr weiß, was ich eigentlich gelesen habe.

Das ist much too much, würde ich sagen, wobei ich mit der Länge an sich nicht das Problem habe, aber ich musste mich schon bei der Stange halten, um das Ende überhaupt zu erreichen. Das finde ich doch sehr schade.

Das Thema an sich ist spannend und interessant und sicherlich auch wert, eine KG darüber zu schreiben. Nur ich hätte mich auf weniger Personen beschränkt und die dafür genauer beschrieben, damit man sie besser kennenlernen und die Angst besser spüren kann.

Wenn ich die Tage Zeit habe, lese ich die Geschichte nochmal, vielleicht verstehe ich sie beim zweiten Mal besser.

LG
Giraffe.

 

Hallo Giraffe,

wie es aussieht, muss ich über den Text nochmal gründlich drüber. Mal sehen, was ich an Figuren streichen oder zusammenfassen kann.
Und auch dass der kausale Zusammenhang, den ich zwischen den Ereignissen durchaus darstellen wollte, so nicht rüberkam, gibt mir natürlich zu denken.

Wie vor allen größeren Operationen bitte ich das werte Publikum um Geduld :).

Gruß, Pardus

 

Salve Are,

eigentlich hatte ich nicht vor, es so plakativ aufs Tapet zu bringen, aber:
fast alles, was ich geschrieben habe, ist fast genau so passiert.
Ich kann nur Vermutungen anstellen, durch was das zustande kommt, was Du als "Unterton" bezeichnest.

Daist zum einen, wenn Personen aus verschiedenen Ländern sich untereinader austauschen, und ihre Kulturen vergleichen.
Daran sehe ich nichts Schlimmes, es ist eher eine natürliche Neugier. Und Unterschiede zwischen Kulturen bestehen, auch wenn es in manchen politischen Kreisen als schick gilt, diese wegzuleugnen. Gerade damit unterstreicht man aber mE die Ansicht, dass "anders" "schlechter" bedeutet - sonst könnte man "anders" ja stehen lassen.

Auch die Sehnsucht nach etwas "Heimatlichem" wie Arsens armenischem Weihnachten, Claartjes salziger Lakritze und Ellys Kakao finde ich nicht weiter tragisch. Nach einem halben Jahr Pita und Hummus zum Frühstück hatte ich derartige Gelüste nach Müsli, dass ich in einem Jerusalemer Bioladen Haferflocken und Rosinen zu horrenden Preisen gekauft habe - Essen vermittelt überhaupt sehr stark heimatliche Gefühle, Vertrautheit, Geborgenheit. Andere ließen sich von Neuankömmlingen Erdnussbutter, Sirupwaffeln oder eben salzige Lakritze mitbringen.

Dann die ständige Bennenung der Nationalitäten: Araber, Palästinenser, Israelis, Juden - zum einen ist, wie ich sim bereits schrieb, die Situation dort so. Das ist weder politisch korrekt noch humanistisch erträglich, aber das Leben ist beides in den seltensten Fällen.
Bewohner der Westbank bezeichnen Israelis tatsächlich als "die Juden", sich selbst als "Palästinenser", obwohl der korrekte politische Begrif "israelische Araber" ist, für die nach 1948 geborenen. Furchtbar kleingeistig, aber auch das habe ich mir nicht ausgedacht.
Aßerdem ist es schlechterdings unmöglich, eine Kriegsgeschichte zu schreiben, ohne die Lager und Fronten zu benennen.

Ich sehe auch nicht, dass ich eine Nationalität oder Kultur auf Stereotypen reduziert hätte, weder auf negative, noch auf positive im Sinne einer blinden Romantisierung.
Höchstens, dass ich eben auf diese blinde Romantisierung a´la "alle Menschen werden Brüder" verzichtet habe.

Ich hoffe, ich habe des Pudels Kern getroffen. Wenn nicht - dann weiß ich auch nicht, dann reden wir wahrscheinlich aneinander vorbei.

Gruß und gute Zeit,
Pardus

 

Salve Are,

gerade beim Namen Arsen hatte ich Reaktionen erwartet, die dahinter eher die der Gesundheit abträgliche Substanz vermutet hätten.

Mal sehen, ob ich Ikram durch einen geläufigeren arabischen Namen ersetze. Und vielleicht die Tanzim durch die Fatah austausche (deren Untergruppe sie ist), ich denke, die ist geläufiger; oder eben Al Aqsa. Wobei - es waren eben die Tanzim ...

Ist ja schön, wenn der Ärger sich so leicht aus der Welt schaffen lässt :).

Mazeltov zum Neuen,
Pardus

 

Hallo Pardus

Arsen ist für mich ein Gift. Um so überraschter war ich, dass ich in eine Geschichte gelockt worden bin, die zwar vor Jahren passiert ist, aber durch den derzeitigen "Krieg" der Israelis auch wiederrum aktuell ist. Ich weiß nicht warum, aber mir geht es bestimmt nicht alleine so, dass ich den Konflikt dieser Menschen nicht nachvollziehen kann. Als ich die Geschichte gelesen habe, bekam ich das Gefühl das der Konflikt um seines Willen am Leben erhalten wird. Und dass mein Unwille ihn zu begreifen daher rührt. Die zweite Geschichte, die sich "anbahnende Liebesbeziehung" habe ich in diesem Dickicht aus Glauben und Herkunft als "sehr erholsam" heraus gelesen. Vielleicht sollte diese Geschichte mehr in den Mittelpunkt gestellt werden und das Drum herum mit Arafat und Tanzim in einem Absatz abgehandelt werden. Mir hätte gereicht, dass die Protagonistin durch den Wind war wegen der Ballerei, ...


Trotzdem mein Respekt, weil du dieses schwierige Thema aufgegriffen hast.
LG
GD

 
Zuletzt bearbeitet:

Bonjour Mme de Lempicka,

den Nahostkonflikt sehe ich etwas differenzierter, wobei Balfour-Deklaration, Transjordanien, politisch gewollte Nichtintegration von Flüchtlingen und die Rolle der Medien den Rahmen gesprengt hätte ;).

Ich oute mich: zumindest zum Teil wollte ich meine Erfahrungen aufschreiben, denn wie ich schon Are sagte, fast alles ist fast genau so passiert (und noch viel mehr, aber wie gesagt, der Rahmen). Von daher war mir gerade das politisch-religiöse Kuddelmuddel wichtig.

Was mich in dem Jahr auf der Westbank am meisten geschockt hat, war, wie selbstverständlich Fatah und Hizbollah unbeteiligte Landsleute in das Kampfgeschehen mit hineinziehen. Wenn sich hundert Meter hinter dir ein Selbstmordattentäter an einem Checkpoint in die Luft jagen will, an dem drei israelische Soldaten und zwanzig palästinensische Marktleute befinden - wenn die Tanzim in Häuser einbrechen, um von dort aus auf israelische Städte zu schießen, obwohl ihnen klar sein muss, dass eine Familie obdachlos wird, sobald die Israelis zurückschießen und das Haus zerstört wird - dann fragt man sich schon, wie diese Gruppierungen ernsthaft behaupten können, im Interesse der arabischen Bevölkerung der Autonomiegebiete zu handeln.

Das wollte ich mit der Handlung um Sofian und Fakhri rüberbringen.
Sofian durchbricht einmal zu oft das unausgesprochene Denk- und Redeverbot, und obwohl er Recht hat, wird er dafür abgestraft.
Für Fakhri dagegen sind weiterhin die Juden an allem Schuld, obwohl er sich fragen müsste, ob nicht ein Nachbar etwas gegen ihn hat, oder seine Schwiegersöhne beim in die Luft schießen und das Magazin leeren zu unvorsichtig waren.

Lange Rede, kurzer Sinn: anscheinend ist es mir nicht gelungen, meine eigentliche Intention in der Geschichte zu vermitteln. Aber wer weiß, ob dann noch jemand was damit anfangen könnte, der nicht selbst einige Zeit in diesem Tollhaus zugebracht hat ...

Und dass Elly nur wegen der Schießerei durch den Wind ist, reicht nicht, denn mit der Zeit schläft man wirklich drüber hinweg - ehrlich :)!

Aber dass die Pointe mit dem Namen und dem Gift wenigstens einen Leser überraschen konnte, freut mich ganz ungemein :D.

Gruß und ein gutes Neues,
Pardus

 

Hallo Pardus,
klar, eine solche Geschichte bleibt einfach nicht beim Text! Mir gefällt sie wegen des Spektrums von Denkweisen und der Darstellung tragischer Mißverständnisse, die sich selbst in den Kommentaren niederschlagen. Ein Kabinettstückchen gegen Eindimensionalität? Mag sein, dennoch: verworren bleibt sie allemal. Nach zweimaligem Lesen geht es dann besser. Thematisch lohnt es sich auf jeden Fall, auch wenn du zuuuu dicht dran bist!
LG,
Jutta

 

Salve Jutta,

ach ja, platt oder verworren, meine Texte scheinen immer entweder links oder rechts vom Pferd zu kippen.
Mag sein, dass ich zu dicht dran bin, und ich bin ganz froh, dass niemand, wie ich befürchtet hatte, eine politische Diskussion vom Zaun gebrochen hat.
Wobei bei zunehmender Distanz gerade bei diesem Thema Vorurteile, Lügen und Platitüden sehr schnell fröhliche Urständ feiern - das wäre noch zwei, drei Geschichten wert.

Auf jeden Fall freut es mich, dass Du Dich nicht nur zweimal durch die Geschichte, sondern auch durch die ganzen epischen Kommentare gelesen hast :).
Mal sehen, ob ich beim nächsten Mal endlich leichteren Tobak verräuchere :D.

Gruß, und Mazeltov zum Neuen!

Pardus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe Pardus,
puh, das ist keine Geschichte zum Zurücklehnen, sondern Arbeit!
Ich habe gespürt, dass es für Dich wichtig war, sie zu schreiben. Ehrlichkeit, Mut und Schweiß habe ich nachempfunden. Ich konnte mich oft in die Situation reinfühlen, jedoch erst, nachdem ich nicht mehr versucht habe, mir alle Personen einzuprägen. Wenn Du von der Geschichte für Dich zur Geschichte auch für Andere kommen willst, solltest Du Dich von einigen Personen trennen.
Vielleicht gelingt es Dir, durch den Wechsel von der Ich-Person zum neutralen Erzähler, mehr Distanz zum Erlebten zu bekommen, um mehr Emotionen mitteilen zu können. Damit bestünde kein Wahrheitsanspruch, Du hättest mehr Schreibfreiheit.
Oder Du wählst den hautnahen Erzählerstil: Das habe ich erlebt, so habe ich GEFÜHLT!
Jetzt gehst Du einen Zwischenweg, die Geschichte ist zu gepresst, dafür wirken die Protagonisten meist unterkühlt. Ein Stück weit spiegelt dies sicher die Stimmung wider. Wenn zu viel passiert, kann es der Mensch nicht verarbeiten, also verdrängt er. Aber Du solltest als Erzähler über dem stehen, Deine Leser an die Hand nehmen und durch diese wertvolle Geschichte führen.
Der Titel ist toll, verführt zum Lesen. (Ich hab's nicht bereut!).
Rassismusgedanken drängten sich mir nur an dieser Stelle auf:
"Seit die PLO die Intifada wieder aufgenommen hat und die Israelis sich abschotten, chauffiert Sofian anstelle von Touristen geistig Behinderte Araber von ihrem Heim zu Schule und Werkstatt,"
Ich fasste das fälschlich als Araberbeleidigung auf. Natürlich hat sich dies revidiert, aber eine Weile war ich "auf der Hut". Eine Umformulierung würde solche Gedanken gar nicht aufkommen lassen. (Behinderte in diesem Fall kleingeschrieben.)
Die Tanzim würde ich drin lassen, ist auch gut erklärt.
"um die letzte meiner Nachtdienste anzutreten"
um DEN letzten meiner Nachtdienste...
Solche Faselfehler gibts noch hier und da. Ich bin jetzt zu faul, um sie weiter rauszufischen.
Die Liebesgeschichte, da schreibst Du wunderschön, z.B. die Rücken an Rücken - Duschszene. Davon würde ich gern mehr lesen.
Deine Geschichte ist für mich ein Rohdiamant. Er muss geschliffen werden und fordert einen höheren Aufwand, als andere Kleinode. Aber ich sehe schon seine Schönheit. Würde mich freuen, wenn Du dran bleibst und mir mailst, wenn Du "geschliffen" hast.
Sorry, ich kritisiere etwas diktatorisch, mein ich gar nicht so. ;-)
VlG Damaris.

 

Salve Damaris,

mir graut davor, noch mehr Personen zu eliminieren - ein guter Teil ist schon rausgeflogen! Nichtsdestotrotz werde ich mich wohl noch einmal mit kritischem Blick ans Werk machen.

puh, das ist keine Geschichte zum Zurücklehnen, sondern Arbeit!
(...) Ehrlichkeit, Mut und Schweiß habe ich nachempfunden.
Du machst mich fertig!

Deine Kritik ist übrigens kein bisschen diktatorisch :).

Danke für die Rückmeldung, PM folgt nach Überarbeitung :).

LG, Pardus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo liebe Pardus,
Deine Geschichte ist nun verständlicher. Ich glaube, Du solltest sie eine Weile links liegen lassen und, wenn Du wieder auf sie Lust hast, nochmal gründlich durchackern. Vielleicht wäre es besser, sie in mehreren Teilen zu schreiben. Das Ende gefällt mir sehr gut. Nun geh ich in's Detail:

geistig Behinderte Araber von ihrem Heim
Behinderte kleingeschrieben!
Ich lache. „Was, denkst du, die halten mich für einen israelischen Spion? Mit Ikram im Auto?“
Wer ist Ikram?
Arbeitskleidung aus klammer, aber kochfester Baumwolle
ABER? passt hier nicht. >aber kochfester< würde ich weglassen.
Die ersten Schüsse fallen kurz nach zwei Uhr morgens... Doch jetzt, ausgeschlafen nach dem Ende meiner Nachtwachen,
Da fehlt das Stück zwischen 2Uhr und, ich nehme an, nachmittags (ausgeschlafen). Gleich danach wacht sie morgens in ihrem Haus neben Arsen auf. Auch der Ortswechsel fehlt. Da kommt man nicht mit!
Neugierig geworden folge ich Yumnah in den Laden.
Vielleicht solltst Du sie ohne Namen als Arabischlehrerin betiteln - zu viele Namen, man kann sich's nicht merken.
am dritten Januar, vier Stunden vor meinem Schichtende und sechs Stunden, bevor der Gasmann...
Aha! Wann?
bevor ich an der Tür klopfen kann.
an DIE Tür
Mein Herz schlägt langsam, viel zu langsam, ich bin mit einem Mal viel zu ruhig. Gehe über die Straße, das Bewusstsein dicht unter der Haut, und fühle mich gefährlich unantastbar.
Super!
Lärm, der die Scheiben in der Fassung zittern lässt, den Schädelknochen zum Singen bringt, das Innerste in Lärm vergewaltigt, so sehr es sich auch sträubt. Überwältigend, durchtränkend, penetrierend. Ich krieche unter die Decke, presse die Fäuste auf die Ohren, singe laut. Flüchte schließlich in Arsens Zimmer und kralle mich an seinem stocksteifen Leib fest.
Ich fühle es mit!
„Sie haben Fakhris Schwiegersohn mitgenommen, den, der im Laden arbeitet.
Solche Bezeichnungen für Nebenrollen, an statt deren Namen und der Text wäre viel verständlicher.
Schließlich halte ich es nicht mehr aus und stehe auf, sofort reißt Claartje mich zurück. „Bent je gek? Op de vloer!“...
Prima!
Irgendwann ertrage ich mich selbst nicht mehr, die Stille nicht, die feuchtklamme Luft. Ich wünschte, die Armee käme zurück um zu zerstören, wie ich mich zerstört fühle. sehne den Lärm herbei, der jeden Gedanken auslöscht.
Auch sehr emotional, aber der erste Satz holpert. Dritter Satz fängt versehentlich kleingeschrieben an.
Sein Atem in meinem Haar tröstet nur den Rand meiner Seele.
Großes Kino!
zurück gekehrt
Zusammengeschrieben!

Du siehst, Deine Kg ist mir ans Herz gewachsen. Kannst mir dann gern wieder mailen...
VlG Damaris :-)

 

Hallo Damaris,

Deine Geschichte ist nun verständlicher.
Das kann nur der Effekt des mehrmaligen Lesens sein - ich hab nämlich beim Einstellen der überarbeiteten Version Murks gebaut, und die alte drin belassen. :D

Aber nun ist's wirklich der abgeänderte Text.

LG, Pardus

 

Hallo Pardus,
ich finde den Text nun noch verständlicher, doch ich bin misstrauisch. Vielleicht verarscht Du mich und er ist unverändert. Wenn ich dann das Original zum 10. Mal gelesen hab und mit allen Protagonisten per Du bin, ihn auswendig im Schlaf aufsagen kann, werde ich jeden als Idioten beschimpfen, der daran irgendwas nicht kapiert. Diese Taktik merk ich mir ;-))))
Doch hab ich noch was gefunden:

Wären wir ausgebildete Heilerziehungspfleger, wäre das wohl nicht
passiert,aner sei’s drum.
Ich würde es ganz weglassen. Aber wenn Du's magst, dann "ABER sei's drum."

VlG Damaris.

PS.: Wie gehts der Arabischlehrerin? Gestern hab ich von Ikram geträumt. Er saß, an Stelle von Zafirah, in meinem Auto. ^^

 

Hallo Damaris,

es würde mir nicht im Traum einfallen, Dich zu verhohnepiepeln. Das heißt, im Traum vielleicht schon, aber da fällt einem viel ein,wie Du selbst bemerkt hast.

Ikram ist ein Frauenname - Zafirahs Name in der Erstfassung, da wusste aber keiner ein Geschlecht zuzuordnen, also hab ich's geändert (und einmal übersehen).

Die Arabischlehrerin Yummnah ist ganz rausgeflogen - manche Leser kreideten mir einen unübersichtlichen Wust an Nebenpersonen an ;).

LG, Pardus

 

Salü Pardus,

Deine Geschichte wollte ich schon längst lesen und bin froh, dass Damaris sie hochgeholt hat.
Ich habe sie jetzt eben in einem Rutsch und völlig 'unpolitisch' gelesen. Vielleicht ist das in 'Gesellschaft' nicht erlaubt - aber ich konnte nicht anders. Dein Schreibstil hat mich sehr gefangen genommen und was ich herauslas, war: Durchhalten in nackter Angst, war Heimweh, war Zusammenrücken verschiedener Menschen (Kulturen, Festtagsbräuche, heimatliche Naschereien, usw.). Ich finde, das ist Dir prima gelungen. Die Dramatik dieser menschlichen Situation ging mir voll unter die Haut und all die kleinen Details: 'Ritter Sport', 'salzige Lakritz' usw., die gemeinsame Dusche, das aneinanderkuscheln aus Verzweiflung, Sehnsucht, Todesangst - das kommt sehr gut bei mir an. Aus politischer Sicht alles Nebensache. Aus menschlicher Sicht ungemein wichtig und stimmig.

Mein Lob! Da ist Dir eine gute Geschichte gelungen. Ich werde nicht all die Namen in Erinnerung behalten - aber ganz sicher die Atmoshäre!

Lieben Gruss,
Gisanne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gisanne,

vielen Dank für das Lob nach völlig unpolitischer Lektüre!
Es freut mich sehr, dass die Emotionen bei Dir angekommen sind, vor allem, nachdem mir sehr oft eine distanzierte Schreibe diagnostiziert wird. Da ist es schön, mal Gegenteiliges zu hören.

Ja, das Zusammenleben der Kulturen war in dieser Zeit wirklich etwas extrem Spannendes. Wenn Du heute zu Fuß, mit dem Fahrrad oder wie auch immer um die Ecken gekommen wärst, hätte ich Dir ein paar lustige Anekdoten über Holländer, israelische Araber, jüdische Israelis und Deutsche erzählt. Aber so ...

Aber das mit den Namen nehm ich Dir ernstlich übel! Ich schmeiß die Hälfte raus, und Du kannst Dir nicht mal Claartje, Marijke, Arsen, Elli, Zafirah und Sofian merken! Hah!

LG, und gute Zeit in der Schwyz,
Pardus

 

Aber das mit den Namen nehm ich Dir ernstlich übel! Ich schmeiß die Hälfte raus, und Du kannst Dir nicht mal Claartje, Marijke, Arsen, Elli, Zafirah und Sofian merken! Hah!

Nimms mir nicht übel, die Geschichte drumrum war viel packender - und daran haben die beschriebenen Personen mehr Anteil als ihre Namen :)

Ja, da verpasse ich heute echt etwas *traurig*. Häbts guet!

 

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