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Schnuppertag

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15.07.2005
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Schnuppertag

Ihr glaubt also, es wäre einfach, der Tod zu sein, ja? Der Grimme Schnitter. Der Sensenmann. Die letzte Instanz. All die hippen Spitznamen, die man so hat. Nun, nachdem ja jeder von euch hier gerne unser qualifiziertes Ausbildungsprogramm genießen möchte, ist es meine Aufgabe, euch klar zu machen: Jemanden zu töten, das macht man nicht so larifari. Das verändert einen. Komplett. Dafür braucht man Mumm in den Knochen.

Gleich als erstes: Vergesst den ganzen Unsinn. Verabschiedet euch von diesem ganzen Humbug, den die Literatur euch einzubleuen versucht. Muffige Kutten, rostige Sensen, reden in Großbuchstaben, knöcherne Finger mit denen ihr einfach nur die Leute anstippst. Auf die Art macht ihr vielleicht Schmierspuren auf einen Touchscreen, aber für den Job hier ist das nix. Der Tod sein, das bedeutet Arbeit. Harte Arbeit. Ewigen Stress, dauernde Termine, und glaubt ja nicht, dass ihr noch mal Zeit habt, in die Oper oder ins Kino zu gehen. Außer beruflich. Und lesen oder fernsehgucken ist total ausgeschlossen.

Tod zu sein machst Du nicht, das lebst Du.

Ihr würdet mit den Ohren schlackern, wenn ich euch erzählte, wer hier alles schon aufgetaucht ist und mir vorgejammert hat: Bitte, bitte, ich hab kein Geld, kein Essen, nix gelernt, meine Frau hat mich verlassen, mein Auto wurde geklaut, mein Hund verführt und meine Tochter überfahren, bitte lass mich Tod sein - Tod zu sein ist das Einzige, was noch einen Sinn für mich hat.

Das hier ist ein Knochenjob. Jeder Junkie auf Jieper kann sich ne Knarre greifen und seinen Dealer in einer schmierigen Bahnhofstoilette übern Haufen ballern. Das macht ihn zwar zu einer Schlagzeile, aber noch lange nicht zum Tod. Und nur weil ein paar minderwertigkeitskomplexbeladene Möchtegerndespoten den ein oder anderen Völkermord angezettelt haben, sind sie nicht automatisch in der Lage, der Tod zu sein. Als Tod, wisst Ihr, da seid Ihr für den Tod echt vieler Leute verantwortlich. Wirklich viele. Denkt euch mal alle Leute auf einen Haufen, die ihr kennt. Und dann denkt euch noch alle Leute dazu, die ihr nicht kennt. Und dann überlegt euch, dass es da noch ein paar andere Leute gibt, die nicht mal Ihr nicht kennt. Und für jeden Einzelnen von diesen ganzen Leuten seid Ihr verantwortlich. Das ist ein ziemlicher Haufen, und wenn man für den Tod von so furchtbar vielen Leuten verantwortlich ist, kann einen das Gewissen manchmal ganz schön zwacken.

Außerdem passieren in dem Job leider ständig Pannen. Wenn Ihr einen armen Spaziergänger mit Kopfschuss in der verregneten Gasse vergesst, könnt Ihr des Teufels Advokat gleich informieren, dass mal wieder ein Kunstfehlerprozess auf euch zukommt, sobald der Kerl mit der Hirnfunktion einer Selleriestaude im Krankenhaus aufwacht.

Dieser Job ist kein Abenteuer. Kein rumreisen und Leuten auf die Schulter klopfen, kein rumrennen mit kryptischem Gesichtsausdruck und dabei rätselhafte Einzeiler wie Es ist an der Zeit! ablassen. Hier herrscht nackte Bürokratie, und damit Ihr es gleich wisst, das ist auch das einzig nackte hier. Lasst also euer Skelett schön eingepackt – auch hier hat die Rechtsabteilung scharfe Grenzen gesetzt, nachdem es zu einigen Klagen puritanischer Geistlicher kam.

Man hat einen straffen Terminkalender. Disposition und Organisation ist das A und O in diesem Laden. Wenn ihr um 9:03:634 Uhr in Shanghai den Jungen mit dem Hühnerbein im Hals abgeholt habt, lohnt es nicht, um 9:03:635 Uhr in Rochester den Mann mit dem Survival-Messer in der Niere abzuhaken. Da müsst Ihr besser planen.

Und ihr müsst eiskalt sein, Mann. Wirklich eiskalt! Da gibt’s keine Kompromisse und kein Handeln. Tot ist tot, Punkt. In diesem Job ist kein Platz für Weicheier und Kaninchenschmuser. Als Tod ist man entweder knallhart, oder man ist falsch in dem Laden. Das vergessen die Leute einfach. Die denken: Klar, sie haben schon jede Menge böser Buben um die Ecke gebracht, sie haben schon kleine Kinder aufgespießt, haben ihre Hamster in die heiße Bratpfanne geschmissen und zugeguckt, wie den kleinen, knuffigen Pelzkugeln die Beine weggeschmolzen sind. Und trotzdem...

Es gab hier mal ein echtes Problem, als die Zeit gekommen war für ein Entenküken. Der Fall SchnuffiFluff ist ein Klassiker. Da kann der Tod auch mal zweieinhalb Meter groß und von der Statur einer Baggerschaufel sein, wenn so ein piepsender kleiner Daunenknödel vor ihm herzippelt, kriegt er den Job nicht erledigt. Wir haben dem Jungen die Dienstaufsicht soweit den Arsch hochgejagt, dass er heute noch dran knabbert. Unser Geschäft lebt vom Image. Das ist das allerwichtigste. Der Tod hat ein Image. Einen Ruf. Die Leute verlassen sich auf den Tod. Wenn da draußen erst mal bekannt wird, dass hier nur Luschen arbeiten, und dass der Tod nicht das liefert, was er verspricht, dann ist da draußen die Hölle los. Dann herrscht da Mord und Totschlag.

Also, die Moral von SchnuffiFluff ist, dass der Kerl mittlerweile so viele Klagen von uns am Hals hat, dass er sich wünschte, er wäre tot.

Notiert es euch: Organisation, Eiskalt sein, und die Regeln beachten. Darum geht es hier. Wer von euch jetzt noch bereit ist, sich der Herausforderung zu stellen: Dort hinten kann man sich mit Blut eintragen und die Ausbildung beginnen. Eine Tür weiter rechts ist die Umkleide, lasst eure Seele einfach im Spind hängen, bis ihr Feierabend macht.

Aber sagt hinterher nicht, ich hätte euch nicht gewarnt.

 

Moin Huutini,

Hat mir gut gefallen. Sehr sogar.
Lebendige Sprache, schwarzer Humor, schöne Ideen - passt.

Ich entschuldige mich für meine Unkonstruktivität, aber der Text hier war einfach witzig. Punkt.

 

Hey Gnoebel!

Vielen Dank fürs lesen, und in dem Falle verzeihe ich Dir auch deine Unkonstruktivität! ;)

Hauptsache, es gefällt!

Gruß, Huutini!

 

Verdammt, gnoebel, wieso musstest du dich für deine Unkonstruktivität entschuldigen, ich hätte dich so schön damit angreifen können.
Andererseits gibt das mir ja wohl das Recht auch unkonst. zu sein. ;-)
Nee, also die Geschichte hat mir nicht soo gefallen, sondern sooo. Und gehs nochmal durch, "du" schreibt man nämlich klein.

 

Hallo Huutini!

Es gab hier mal ein echtes Problem, als die zeit gekommen war für ein Entenküken.
Es gab hier mal ein echtes Problem, als die Zeit für ein Entenküken gekommen war.

Das war das einzige, was ich gefunden habe. Sorry. :D

Zur Geschichte: ich fand's ganz nett. Einige lustige Stellen sind mE drin. Z.B. die hier fand ich super!

Als Tod, wisst Ihr, da seid Ihr für den Tod echt vieler Leute verantwortlich. Wirklich viele. Denkt euch mal alle Leute auf einen Haufen, die ihr kennt. Und dann denkt euch noch alle Leute dazu, die ihr nicht kennt. Und dann überlegt euch, dass es da noch ein paar andere Leute gibt, die nicht mal Ihr nicht kennt.

Tod zu sein machst Du nicht, das lebst Du.
Das ist auch ein spitzen Satz, nur wird der Gag durch das Hervorheben des Wortes lebst, zu offensichtlich.

Gestört hat mich, dass der "Ausbilder" sich im Grund ständig wiederholt, wie schwer der Job doch wäre, auch wenn man schon drei mal seine Katze geröstet und Socken unterschiedlicher Farbe zusammengerollt hätte. Das nimmt der KG irgendwann den Schwung und lässt sie nur noch dahinplätschern.

Also: im großen und ganzen ganz nett zu lesen. Die gewisse Eintönigkeit schmälert den positiven Gesamteindruck.


Lieben Gruß
flash

 

Hi Huu :)

Ja, den vielen Loben kann ich mich nur anschließen. Verdiente Empfehlung eines rundum witzigen Textes.

Ganz allgemein fühlte ich mich unterschwänglich an Pratchetts "Mort" erinnert, wo sich der Tod ebenfalls einen Lehrling sucht. Ähnlich wie dort glänzt der Text nicht mit einzelen Spitzen sondern mit einem gesamtheitlich hohen Humorniveau.

Fühle dich also amüsiert auf die Schulter geklopft. :D


Gruß
Hagen

 

Hi Huutini,

wollte doch mal sehen, wie eine unblutige KG von dir aussieht. :D

Hat mir gefallen.
Da hat der Tod schon recht. Als normalsterblicher, macht man sich garkeine Vorstellung, wie stressig sein Job ist und was man so alles bedenken muß. :hmm:
Wenn er irgentwann mal an meiner Tür klopft, biete ich ihm einen Kaffee an, bevor er weiter muß. :shy:

Trocken und witzig geschrieben.

liben Gruß, coleratio

 

Hi Huutini!

Gefallen hat mir der Text, gut geschrieben ist er auch, aber die von flashbak erwähnte Redundanz ist mir auch etwas störend aufgefallen. Ab der Mitte ungefähr musste ich mich schon konzentrieren, den Text nicht einfach zu überfliegen. Die Luft war da irgendwie raus.

Aber wie gesagt: gefallen hat es mir trotzdem.

In diesem Sinne
c

 

Hey Leute!

Ach herrje, quasi mein zweiter Auftritt hier, und gleich ne Empfehlung! :shy:
Danke schön, hoffe nur, ich kann das Niveau auch halbwegs halten!

Danke euch auch sehr für eure Kommentare und das bisschen Kritik, dem ich übrigens widerspruchslos zustimme.
Die Wiederholungen sehe ich jetzt auch - liegt wohl daran, dass der Text ursprünglich als Auftakt zu einer Serie gedacht war, in welcher neue Anwärter auf den Tod auf militärische Art ausgebildet werden sollten.
Hatte also eine militärische Antrittsrede im Kopf, als ich das schrieb, daher der hohe Wiederholungsgrad.
Und ja, auch mir kam dabei immer wieder Pratchetts MORT in den Sinn, was die Erwähnung der Großbuchstaben mit sich brachte! :D

Liebe Col, wenn du dem Tod nen Kaffee anbietest, pass auf, dass du dich nicht dran verschluckst! Wenn der Junge in der Nähe ist, sollte man immer aufpassen, was man tut! :Pfeif:
Aber: ich habe hier auch andere, gänzlich unblutige (ältere) Werke herumstehen...

Liebe Grüße,
Huutini!

 

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