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Schwarzarbeiter
Schwarzarbeiter
Seit einiger Zeit bemerkte ich eine Veränderung des Straßenbildes. In unserem beschaulichen Viertel zeigten sich vermehrt Schwarze. Gestern dann, aus dem Autofenster, sah ich eine ganze Horde von ihnen in Richtung der grauen Mietskaserne gehen, die man vor einiger Zeit auf dem Brachland am Rande der Stadt gebaut hatte. Sie trugen Lidltüten, die so voll aussahen, als müssten sie gleich platzenen, und einer von ihnen schob einen Einkaufswagen über den schmutzigen Weg.
Am Nachmittag trat der alte Müller von gegenüber aus dem Haus, nickte mir mit ernstem Gesicht zu und schraubte ein Sicherheitsschloss an seine Tür. Ich studierte die Lokalnachrichten, fand aber nichts über eine Anhäufung von Verbrechen.
Samstag. Es klopfte energisch. Ein Baum von einem Neger stand vor mir und grüßte höflich.
“Was wünschen Sie?”
“Ich will arbeiten”, sagte er mit hartem, kehligen Akzent, und als er mein erstauntes Gesicht bemerkte, lachte er: “Ihr Zaun muss repariert werden.”
Er hatte Recht, ein Sturm hatte vor zwei Wochen unseren Zaun auf einer Länge von fünf Metern eingerissen. Meine Frau bedrängte mich ständig, wie sehe das denn aus, aber für Handwerker fehlte das Geld und ich selbst hatte zwei linke Hände.
“Von welcher Firma kommen Sie?”, fragte ich den Hünen.
“Keine Firma. Nur ich.”
“Und wie ist es mit der Bezahlung?”, fragte ich misstrauisch. Arbeiten wollte der Bursche also und Kraft hatte er ja, aber wie stünde es um den Fleiß?
“Erst repariere ich. Sie sagen, ob zufrieden.” Ich zögerte und er zwinkerte mir zu. “Keine Quittung und Sie sparen Geld.”
“Na gut, das hört sich fair an.”
“Abgemacht. Ich heiße Victor.” Meine Hand verschwand fast völlig in seiner Pranke.
Er hatte einen Werkzeugkoffer mitgebracht und laut pfeifend begann er seine Arbeit. Ich sah die Freude in seinem Gesicht. In jedem Schwarzen steckt ein Kind, dachte ich, und trotz seiner Größe geht nichts Bedrohliches von ihm aus.
Als meine Frau nach Hause kam, strich er gerade den Zaun. Er hatte in der Garage weiße Farbe gefunden, ich hatte sie schon vergessen, und Petra bemerkte lächelnd, wie schön doch unser Garten aussehe mit diesem strahlend weißen Zaun, und dabei sah sie auf Victors nackten Oberkörper: er hatte kompakte Muskeln, sie bewegten sich wie Tiere unter der schwarzen Haut, die nun vom Schweiß glänzte, als habe er sie eingeölt.
“Warum laden wir ihn nicht zum Abendessen ein?”, fragte sie. “Es sind fröhliche Menschen und uns ist doch immer langweilig.”
Petra hatte Bratkartoffeln mit Eiern zubereitet. Erst waren wir unsicher, ob er dies überhaupt esse, vielleicht sei sein Magen andere Speisen gewohnt, doch er aß mit großem Appetit und klopfte sich hinterher anerkennend auf den Bauch. Und reden konnte er, wir kamen kaum zum Essen, so gebannt lauschten wir. Wir tranken ein Glas Wein und er wurde melancholisch, begann schließlich von seiner Heimat zu reden: Von kleine Dörfern in der Steppe, von der sengenden Hitze, die ihnen den letzten Tropfen Wasser aus dem Körper saugte, und von den Frauen, die täglich zehn Kilometer durch die Steppe liefen und dieses Wasser holten.
Er musste gehen. Ich drückte ihm einige Scheine in die Hand. Er wollte ablehnen, das sei zuviel, aber ich bestand darauf, er habe erstklassige Arbeit geleistet. Ob er nicht morgen wiederkommen wolle, auch das Dach müsse repariert werden?
Er ging und wir saßen noch eine Weile am Esstisch. Auf einmal war es still, nur den Fernseher hörte man im Hintergrund.
Victor hat heute das Dach repariert. Ich war mir erst nicht sicher, ob er das schafft, weil ein Dach doch etwas anderes ist als ein Zaun. Der alte Müller von gegenüber stand in der Garageneinfahrt und polierte seinen Mercedes. Gute Arbeit, fragte ich ihn, während Victor sich im Haus wusch, und dabei zeigte ich auf mein Dach. Müller winkte ab, ich kenne die Neger, grunzte er, faul sind die, aber dann wollte er wissen, wie viel das Dach gekostet habe. Ich sagte es ihm, er wollte es nicht glauben – er stiehlt, zischte der alte Müller, so was kommt mir nicht ins Haus. Das mit dem Stehlen waren die Zigeuner, rief seine Frau von drinnen. Du hast Recht, antwortete Müller, wollen wir mal sehen.
Victor blieb zum Abendessen. Er unterhielt uns gut; sogar Petra lachte, sehr laut sogar, ich weiß gar nicht, wann sie zuletzt so lachte. Schließlich unterbrach ich ihn mit einer Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigte: “Warum bist du nach Deutschland gekommen – wegen des Geldes?”
Die Freude schwand aus seinem Gesicht. “Nein”, sagte er leise. Vorwurfsvoll sah Petra mich an. Ich wurde rot, sie hatte ja Recht. Auch ich hatte die Narben auf seinem Rücken gesehen: dicke, wulstige Narben, viel zu groß um einen natürlichen Ursprung zu haben.
Victor kommt jetzt regelmäßig zum Abendessen, obwohl im Haus alles repariert ist. Neulich waren wir im Kino. Es ist ein tolles Gefühl, mit ihm durch die Stadt zu gehen; die Leute machen Platz, wenn seine mächtige dunkle Gestalt ihnen entgegenkommt, und keiner der Betrunkenen wagte es, uns anzurempeln.
“Man fühlt sich sicherer mit ihm”, sagte Petra abends vor dem Einschlafen.
“Ja, das tut man.” Mir kam ein unangenehmer Gedanke. “Hast du dich mit mir nicht sicher gefühlt?”
“Doch. Aber bei ihm ist es wie mit Toby.”
Ich legte meine Hand auf ihren warmen Po. Meine Finger kneteten das Fleisch, wanderten zwischen ihre Beine und kraulten die Locken. Ihr Atem wurde schneller.
Toby war unser Schäferhund gewesen.
“Er könnte bei uns wohnen”, sagte Petra einige Wochen später. “Das Haus ist viel zu groß für zwei.”
“Was sollte er denn hier?” Ich blockte ab, obwohl sie Recht hatte. Als wir das Haus bauten, hatten wir Kinder mit eingeplant.
“Er würde im Haushalt helfen. Ich könnte halbtags arbeiten. Außerdem muss das Haus renoviert werden. Er sagt, er kann es alleine.”
“Du musst nicht arbeiten.” Schließlich verdiente ich genug Geld – ich bezahlte das Haus, ihren VW und nicht zuletzt auch Victor. Manchmal schien sie das zu vergessen.
“Müller hat seine Fassade verklinkern lassen”, sagte sie.
“Sieht gut aus”, gab ich widerwillig zu. “Hat den Alten bestimmt ‘ne Stange Geld gekostet.”
“Glaub ich nicht. Ein Schwarzer lebt jetzt bei ihm.”
Victor hat sich gut eingelebt. Das Haus macht Fortschritte. Obwohl er früher mehr gearbeitet hat. Petra hat noch keine Arbeit gefunden und hockt den ganzen Tag zuhause. Drückt wohl auf ihre Stimmung. Ich wollte mit ihr schlafen, aber sie hatte Kopfschmerzen.
Was für ein Tag. Ich kam nach Hause und hatte großen Hunger. Victor stand am Herd. “Wir kochen afrikanisch!”, rief er. In der Pfanne brutzelte rotbraunes Fleisch in kleinen Portionen. Wahrscheinlich Heuschrecken.
Ich würgte, wollte aber nichts Schlechtes über sein Essen sagen, wo er doch immer solches Heimweh hatte. “Mir ist schlecht”, sagte ich, “ich fahre zu einer Apotheke und hole Tabletten.”
Ich bin eine Stunde durch die Stadt gefahren auf der Suche nach einem saftigen Schnitzel. Sah Dönerbuden, Chinesen und viele dieser afrikanischen Restaurants, die neuerdings wie Pilze aus dem Boden schießen – aber nur ein deutsches Lokal, und dessen Fenster waren mit Brettern vernagelt.
Ich habe in den gelben Seiten geblättert. Fand keine deutschen Restaurants. Vielleicht hatte jemand die Seiten rausgerissen?
Am späten Abend stand ich im Garten und rauchte eine Zigarette, die bleiche Kugel des Mondes leuchtete mir. Ein dunkler Schatten fiel auf mich – Victor. Ein schwarzes Gesicht und die weißen Augen glänzten feucht.
“Magst du unser Essen nicht?”, fragte er leise.
“Andere Kulturen interessieren mich. Aber man muss sich erst daran gewöhnen.”
“Du musst nicht. Deine Frau hat mich gebeten zu kochen. Sie wollte nur einmal probieren.”
“Ist schon gut.” Ich neigte ansonsten nicht zu pathetischen Gesten, aber nun legte ich meinen Arm um seine breiten Schultern und zog ihn an mich. Wir sahen in den schwarzen Himmel.
Er hat es gut gemeint, dachte ich. Aber ich muss mit Petra reden, sonst laufen wir bald in Baströckchen rum und machen den Hottentottentanz.
Heute ist mir etwas Seltsames passiert. Müllers Wagen fuhr an mir vorbei. “Müller!”, rief ich. Der dunkle Mercedes hielt an einer Ampel. “Mensch, Müller”, rief ich, während ich auf den Wagen zulief, “ich habe Sie ja schon seit Wochen nicht mehr gesehen ...” Mit quietschenden Reifen startete der Mercedes. Ich sah ihm hinterher – kein Wunder, dass Müller mich nicht gehört hatte, denn aus den Boxen schallte Trommelmusik in Diskolautstärke.
Heute kam ich später nach Hause, ich hatte ein Geschäftsessen. Laute Musik empfing mich. Unsere Wohnung war voller Menschen in bunten Kleidern, sie lachten und schwatzten und alle waren schwarz.
Victor kam auf mich zu. Er trug einen weinroten Anzug, und keine Arbeitskleidung. Einen Weißen hätte das zum Geck gemacht, aber ihm stand es gut. “Wir machen eine Party. Ich habe dich angerufen, aber du warst nicht im Büro. Da habe ich gedacht, wahrscheinlich ist es dir Recht und wenn ich absage, ärgerst du dich auch.” Wo ist Petra, wollte ich fragen, doch Victor war schon weitergegangen. Ein zierliches Mädchen reichte mir ein giftgrünes Getränk. Sie hatte rosafarbene Lippen. “Hier für dich.”
“Was ist das?”
“Bei uns ist es sehr populär.” Sie hob den Arm mit dem Glas. Unter ihren Achseln wuchs ein kleiner schwarzer Busch und ich roch Vanille. Meine Lenden pochten.
“Andere Kulturen haben mich schon immer interessiert.” Ich stürzte das Getränk hinunter und fühlte augenblicklich die Wärme in meinem Bauch. Sie stieg in den Kopf und entspannte mich.
“Noch eines?”, fragte das Mädchen. Ich nickte, das grüne Zeug hatte etwas. Sie fasste mich an der Hand und führte mich zu den anderen. Die Musik klang laut und rhythmisch. Wir lachten viel, sie waren sehr nett, die Schwarzen, und das Mädchen blieb an meiner Seite. Manchmal meinte ich zu bemerken, wie sie neugierig auf meine Haut sah, das einzig Weiße unter so viel Schwarz.
“Gehen wir nach oben”, sagte sie später. An der Treppe wäre ich fast gestolpert. Sie hatte schmale Pobacken.
Sie öffnete die Schlafzimmertür. Da hörte ich es, Stimmen drangen aus dem Gästezimmer gegenüber. “Warte.” Ich legte mein Ohr an die Tür.
“Das macht man nicht”, kicherte sie.
Ich lauschte: Dumpfes Klatschen hörte ich und ein ungläubiges Stöhnen! Das Stöhnen kannte ich, nur Petra stöhnte so, und ohne Zweifel war es Victor, der nun auf ihr lag, ein Fleisch gewordener Rammbock, der sie penetrierte, seinen Negerschwanz zwischen ihre Beine rammte – und ich konnte ihre Lustschreie verstehen: es waren Tiere, was hatte ich Ebenbürtiges zu bieten?
“Zieh dich aus”, sagte das Mädchen. Ich rannte zur Toilette und erbrach mich.
Am nächsten Tag ging ich zum Amt. Immer wieder sah ich über die Schulter, als sei ich ein entflohener Sträfling. Dabei tat ich nichts Ehrenrühriges. Sie sollten lediglich einiges überprüfen: Ob er sein Treiben gemeldet hatte und alle Steuern abführte. Was dann ihm geschehen würde, dafür gab es Gesetze; ich dagegen tat nur meine Bürgerpflicht.
Ich betrat das Amt. Dort musste ich eine Nummer ziehen und auf dem kahlen Flur warten.
Endlich durfte ich eintreten. Noch einmal legte ich mir die Worte zurecht. Um eine Überprüfung würde ich bitten, nein, einen konkreten Verdacht hätte ich nicht, nur der Ordnung halber sei ich hier.
Der Amtsleiter beugte den Kopf tief zwischen eine Akte. “Was wünschen Sie?”, brummte er.
“Ich bitte um die Überprüfung einer Person.”
“Wen wollen Sie denn überprüfen lassen?” Er lachte kehlig. Warum lachen Sie, wollte ich fragen, da hob er den Kopf. Ich erbleichte. “Niemanden”, stammelte ich, “ich habe mich im Zimmer geirrt.” Ich taumelte rückwärts, an der Schwelle stolperte ich und fiel. Geschmeidig sprang er auf, beugte sich über mich, fasste meinen Arm: “Sie sind gefallen”, lachte er mit kindlicher Freude und die Zähne leuchteten weiß in seinem Gesicht ...