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Schweigen im Wind
Erstaunt verknotete sich mein Magen, als ich auf der Düne zum Stehen kam. Im kühlen Wind kniete eine Frau und wirbelte Sand in alle Richtungen. Mein Hund raste hinunter und tat es ihr gleich, aber ich wollte weiter gehen. Und bleiben. Auf einer Fläche so groß wie zwei Picknickdecken waren Löcher im Boden; teilweise frisch, teilweise zusammengefallen. Der sausende Hund überschlug sich an einem merkwürdig bunten Haufen. Stellenweise von Sand bedeckt, lag dort eine Sammlung von Gegenständen. Sie warf eine zerfledderte Wassersandale dazu.
»Kann ich helfen?« Die Frau schnellte in die Höhe und sah mich mit aufgerissenen Augen an. Ein heftiges Nicken und ich eilte hinab. Ich musterte sie kurz, es war zu kalt für T-Shirt und Shorts.
»Was fehlt denn?« Grüne Augen blickten mich verzweifelt an. Während ich auf eine Erklärung wartete, fiel mir auf, wie jung sie sein musste. In Isabellas Alter vielleicht. Sie zeigte auf sich bevor sie weiter schaufelte, ein rostiger Schlüssel im Flug. Ohne zu verstehen, buddelte ich. Schweiß lief meinen Rücken hinab. Graben. Ich fühlte mich nutzlos in meinem Nichtfinden. Stunden vergingen, das Licht ließ nach und ich konnte hören, wie das Meer wütender wurde. Wilde Wolken kündigten Dunkelheit an und ihre dicken Regentropfen schlugen auf meine Kapuze. Die Suchende hatte lange nichts mehr gefunden. Sie schien an Körperspannung zu verlieren als ihre Bewegungen ruhiger wurden und sie endlich mit hängendem Kopf in sich zusammensackte. Deutlich bewegten sich ihre Lippen, aber die tosenden Wellen verschluckten Worte.
»Gehen wir?« Das Beben in meiner Stimme wunderte mich. Sie streckte ihren Arm nach mir aus und legte die Hand auf meine Schulter. Im Aufstehen verweilte sie für einen Augenblick bei ihren Schätzen, dann folgte sie barfuß. Schweigend begaben wir uns in den Schutz der Siedlung.
»Das ist mein Haus«, ließ ich sie wissen, als wir es passierten. Um die Stille zu brechen, aber ich weiß nicht, ob es laut genug war. Nach wenigen Minuten verlangsamte sich ihr Schritt. Sie ließ Zeige- und Mittelfinger durch die Luft marschieren, deutete auf sich und dann auf die Pension, vor der wir zum Stehen gekommen waren. Mit kalten Händen umschloss sie meine zum Gruß.
»Tut mir leid,« mittlerweile krächzte ich. »Nichts gefunden.« Die junge Frau lächelte kaum.
Mit nassem Hund betrat ich die Kneipe am Eck. Sie war mit Touristen gefüllt und ich war froh um meinen Platz an der Theke. Der Mann neben mir fiel auf, denn es war kein Wetter für T-Shirt und Shorts. Kurz hob er sein Bier in meine Richtung, bevor er die Augen senkte. Dann stocherte er in seinem Berg von Pistazienschalen und ich zog mich in die Gedanken zurück. Was hast Du gesucht?
»Meine Wörter.« Ein fransiger Zettel an meiner Haustüre; mit Tesafilm befestigt, flatternd im Wind.