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Sebbe
Die Abschiedsfeier
Er konnte es kaum glauben. Dies sollte also jetzt sein letzter Abend sein. Er schüttelte den Kopf. Vielleicht würden so ja die Schäfchenwolken, die in seinem Gehirn zu schweben schienen, verschwinden.
Die Leute um ihn herum waren alle so, so wie immer. Oder sie versuchten zu mindest so zu sein.
Ein hartes Lachen entrang sich seiner Kehle. Worüber wusste er selbst nicht. Vielleicht über die Abstraktheit dieses Moments.
Alle wollten diesen Abend so zweifelhaft genießen, diesen letzten Abend, der gar nicht zum Genießen gemacht worden war.
Sein Vater hatte ihm immer und immer wieder gesagt, es würde der Familie in Kanada viel besser gehen, es würde ihm dort besser gehen. Er würde dort weiterhin ganz normal zur Schule gehen, neue Freunde finden und ein ganz normales Leben führen. Der einzige Unterschied wäre eben nur, dass es in Kanada war, dass sein Vater dort einen Job hätte, dass die ganze Familie dort mehr Geld hätte ...
Das Problem war nur, dass Sebbe nicht mehr Geld wollte. Und er wollte auch nicht in Kanada zur Schule gehen, dort neue Freunde finden.
Er hatte hier Freunde.
Er wollte hier bleiben.
Doch er wusste das seine Wünsche nicht zählten. Es war beschlossene Sache und er verstand seinen Vater ja auch ... irgendwie. In den zwei Jahren seiner Arbeitslosigkeit war er immer mehr verkommen, hatte sich immer mehr und mehr in sich selbst zurück gezogen. Als dann, dass Job-Angebot aus Kanada gekommen war, war er wie aus einer langandauernden Trance aufgewacht. Er war wieder aufgeblüht, war wieder der Vater gewesen, den Sebbe so lange vermisst hatte, hatte Sachen mit ihm unternommen, wieder Späße gemacht. Das Familienglück war wieder hergestellt... Doch trotzdem...
Er fing an zu zittern. Jetzt war es so weit. Er hatte sich vor diesem Moment schon die ganz Zeit gefürchtet, diesen unausweichlichen Moment, der sein Herz rauszureißen schien.
Die ersten kamen.
“Sebbe ...” Fingen sie an, dann stockten sie.
“Ihr wollt gehen?” führte er ihren Satz zu Ende. Ein zögerliches Nicken. Er deutet mit dem Kopf zu Tür. Draußen. Nicht vor den Anderen. In Ruhe. Sie folgten ihm. Leise trapsend, unsicher, obwohl er eigentlich derjenige sein sollte, der unsicher war.
Dann standen sie sich gegenüber.
“Sebbe ...”
Er schüttelte den Kopf.
“Sebbe.”
Tränen rollten wie als Antwort über seine Wangen, trugen seine Seele mit sich. Dann die Umarmung. “Versuch glücklich zu werden.. Find neue...”
Ihr Flüstern versagte,
“... Find Neue.”
Sie lösten sich voneinander. Es war als würden sie jetzt schon tausende von Meilen voneinander entfernt sein. Er in Kanada. Sie hier. In der Heimat, seiner Heimat. In Deutschland.
“Vergiss uns nicht.. “
“Werd ich nicht..”
Dann war es vorbei.