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Sein Haus

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12.08.2005
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Sein Haus

Ich rannte durch die Straßen, als jagten mich tausend Hunde. Ich hatte ihn immer vor Augen. Ich sah, wie er sich die Zähne putzte, sah, wie er den Fernseher anschaltete, sah, wie er sein Glas Wein trank.
Heute wollte ich in sein Haus, alles erklären. Heute wollte ich die Wahrheit offenbaren, die für immer versteckt bleiben sollte. Wir liebten uns ohne Zweifel. Wir liebten den Blick des anderen, die Sprache, die Berührungen. Wir liebten uns, wie wir nie zuvor geliebt hatten. Aber er war tot. Und ich lebte. Und ich ließ nicht zu, dass ich mit einer Lüge weiterleben sollte. Ich hielt an der Straßenecke an. Sein Haus leuchtete aus allen Fenstern. Es stand da, als wäre nie etwas geschehen. Ich sah die Bank unter dem Baum, auf der wir nie gesessen waren. Ich sah den Briefkasten, den nie ein Brief von mir füllte. Ich sah die Türe, deren Griff ich nie berühren konnte. Ich sah das Auto, das habe ich gekannt! Ich habe es selbst einmal gefahren. Damals hatte er zuviel getrunken, war schon beim Einsteigen fast eingeschlafen. Gib mir die Schlüssel hatte ich gesagt, ohne ihn anzusehen, Er gab sie mir und wir tauschten ohne ein Wort die Plätze. Wir hatten uns nie richtig kennen gelernt. Wir lebten aneinander vorbei, mit der Gewissheit und schon immer gekannt zu haben. Wir sahen uns an und wussten, dass uns nichts trennte, wenn wir lächelten. Wir hielten uns im Arm und ich zitterte, wenn er mir erzählte, wie lange wir uns nicht sehen würden. Ich hasste seine Abwesenheit. Und ich hasste seine Verpflichtungen. Wir hätten uns irgendwann gefunden, sowieso, sagte er immer, ob jetzt oder später, welche Rolle spielt das? Ich fand wohl, dass dies eine Rolle spielte und verfluchte den Tag, an dem er geboren worden war. Er lachte nur und zerzauste mein Haar, bis ich nichts mehr sehen konnte. Als ich dann lachen musste, musste er schon wieder gehen. Und wir sahen uns nicht mehr an, weil wir Abschiede nicht ertragen konnten. Wir hatten sie einfach weggelassen. Ich zog meine rote Windjacke fester um mich. Ein Schritt trennte mich von der Straße. Ich trat einen Schritt vor, ohne mich umzusehen. Ich sah die Tür und die Klingel, auf die ich bald drücken sollte. Die Klingel war groß und weiß und ich kannte den Text für die Sprechanlage. Das Gartentor ließ sich öffnen, als hätte es mich schon erwartet. Ich hörte Stimmen, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Ein Kind schrie. Die Klingel schellte. Eine Stimme meldete sich. Sie klang verweint und verzerrt. Ich kannte sie nicht. Ich beugte mich zum Sprechfenster und hielt inne. Dann kam es über meine Lippen, laut und vernehmbar und das Geheimnis erlosch: „Ich war die Geliebte Ihres Mannes.“

 

Hm, hat mir irgendwie gefallen, obwohl man stilistisch noch einiges machen könnte. Du hättest die ganze Beziehung mehr rausheben sollen, beschreiben, wie die Liebe der beiden aussah, als nur zu sagen: "Wir liebten uns." Dann wär das alles intensiver gewesen.
Hier noch ein paar unschöne Sachen:

Ich sah die Bank unter dem Baum, auf der wir nie gesessen waren
gesessen haben

Ich sah den Briefkasten, den nie ein Brief von mir füllte
hm, ich weiß nicht, ob ein Brief zum Füllen ausreicht ;)

Wir hatten uns nie richtig kennen gelernt. Wir lebten aneinander vorbei, mit der Gewissheit und schon immer gekannt zu haben. Wir sahen uns an und wussten, dass uns nichts trennte, wenn wir lächelten. Wir hielten uns im Arm und ich zitterte, wenn er mir erzählte, wie lange wir uns nicht sehen würden. Ich hasste seine Abwesenheit. Und ich hasste seine Verpflichtungen. Wir hätten uns irgendwann gefunden, sowieso, sagte er immer, ob jetzt oder später, welche Rolle spielt das?
...
Das gleiche gilt für "ich". Wenn du ein wenig an deinen Satzstrukturen arbeitest (weniger SPO), die Wortwiederholungen rausnimmst und inhaltlich mehr rausholst und beschreibst, denk ich, daß das ne ganz gute Geschichte wird. Wie gesagt, der Plot hat mir gefallen :)

so long, Pan

 

Hallo Kala,

zum einen frage ich mich, wo ist der gesellschaftspolitische Aspekt dieses Textes? Ich schlage vor, sie nach Alltag zu verschieben.

Zum anderen frage ich mich, warum du den Text abbrichst, als er anfängt, eine Geschichte zu werden. Du zählst uns zig Belege für die Verbundenheit auf, Gedanken, die der Prot auf dem Weg zum Haus kommen. Dass es sich um die Geliebte eines verheirateten Mannes handelt ist doch aber schon nach dem ersten Absatz klar. Für diese Pointe hättest du die Geschichte nicht erzählen müssen. Der Konflikt beginnt mit der Offenbarung. Die Geschichte mit dem Weiterleben beider Frauen, mit der Waage des Schmerzes beider Frauen, der Geliebten und der Ehefrau.
Den Schmerz der Geliebten hast du gar nicht thematisiert, nur aus der Tatsache, dass sie nun die Witwe konfrontieren will, kann man ihn erkennen.

Für mich der Auftakt zu einer Geschichte, leider abgebrochen, als es eine werden würde. Warum nicht mutiger?

Lieben Gruß, sim

 

hello Kala,

ich meine auch, dass diese Geschichte endet, bevor sie so richtig begonnen hat. Mit kurzen Sätzen versuchst Du, Spannung zu erzeugen, wo es die Sache für meinen Geschmack nicht hergibt, besonders am Ende. Die Tatsache, dass jemand eine Geliebte hat und die Ehefrau davon nicht weiß, mag moralisch höchst bedenklich, aber gesellschaftlich nicht so sehr relevant sein.

'Ich hörte Stimmen, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Ein Kind schrie. Die Klingel schellte. Eine Stimme meldete sich. Sie klang verweint und verzerrt. Ich kannte sie nicht. Ich beugte mich...'

Diesen Teil finde ich schlicht mißlungen, nicht nur wegen der Satzanfänge mit 'ich' (die sowieso zu reichlich vorkommen). Wenn sie dort noch nie war, ist es logisch, dass sie die Stimmen 'nie zuvor gehört hatte'. Wenn eine dieser Stimmen dann 'verweint' klang, bedarf es auch nicht der erneuten Erwähnung 'Ich kannte sie nicht.'

Viele Grüße vom gox

 

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