Was ist neu

Sie, er und der rosa LKW, der keine Rolle spielt

Mitglied
Beitritt
27.12.2005
Beiträge
128

Sie, er und der rosa LKW, der keine Rolle spielt

In dieser Stunde starb er 1000 Tode.
Seine Träume. Sein Stolz. Seine Seele. Alles ausgelöscht.
Bedrückt, teilweise verlegen oder manche gar schadenfroh, stoben die Leute in alle Richtungen davon.
Sie alle waren Zeugen eines tollen Schauspiels geworden. An Dramatik und Realitätsbezug kaum zu überbieten.
Und der rosa LKW fuhr vorbei.
Noch Minuten später, als die Menschentraube schon vollständig aufgelöst und nur mehr der Bühnenkehrer da war, kniete er auf der Bühne. Dort, wo er um ihre Hand angehalten hatte.
Zehn Jahre Beziehung.
Acht mal getrennt.
Sechs Jahre gemeinsame Wohnung.
Vier mal verlobt.
Zwei Jahre Einsamkeit.
Null mal an der Liebe gezweifelt.
Und der rosa LKW fuhr wieder vorbei.
Sie hatte Bindungsängste. Er hatte geklammert.
Sie verließ ihn. Er lief ihr nach.
Sie war einsam. Er war zur Stelle.
Sie wollte frei sein. Er wollte sich binden.
Sie hatte Bindungsängste...
Ihre Beziehung war so berechenbar wie der Tag in „Täglich grüßt das Murmeltier“.
Vielleicht machte diese Pattstellung auch den Reiz für die beiden aus. Man wurde nie überrascht.
Zu schwach, um zu bestehen. Zu stark, um zu verschwinden.
So einfach ließ sich ihre Liebe beschreiben.
Heute sollte es anders werden. Auf der Bühne, vor den Zuschauern, mit Pfarrer. Es sollte endgültig sein. Diesmal würde er sie gleich nach der Verlobung heiraten, damit sie es sich ja nicht überlegen konnte.
Und der rosa LKW rollte langsam vorbei.
Nachdem sie das Stück, die beiden waren nämlich Schauspieler im Festspielhaus, fertig gespielt hatten, folgte die obligate Verbeugung.
Doch anstatt mit den Kollegen hinter den Vorhang, der jeden Moment fallen würde, zu treten, blieb er vorne an der Bühne.
In einem der schönsten Monologe, der den „Leiden des jungen Werther“ entnommen war, gestand er ihr zum tausendsten Mal die Liebe. Die Zuschauer waren im ersten Moment irritiert, danach amüsiert und darauf folgend berührt.
Es herrschte Totenstille im großen Saal. Alle starrten gebannt auf den Vorhang, warteten, das er gehoben oder zur Seite geschoben wurde. Von ihr.
Und sie kam.
Er kniete.
Sie stand.
Er sprach.
Sie weinte.
Er hielt um ihre Hand an.
Sie lehnte unter Tränen ab.
Am Abend zuvor hatte er sie gesehen. In der Umkleide. Unter Peter, auf der Requisitenkiste. Zwei Wochen nach ihrer letzten Trennung.
Wegschauen konnte er nicht. Dazwischengehen durfte er nicht.
Ilse liebte ihre Freiheit. Ilse war frei. Und sie liebte ihn, nur ihn.
Peter war nur ein Spielzeug. Mit dem trieben es doch alle, von der Regisseurin bis hin zur Bühnenbeleuchterin.
Vielleicht trieb sie es mit ihm, weil es eben alle taten? So wie manche aus Gruppenzwang rauchen?
Zum wiederholten Mal fuhr der rosa LKW vorbei.
Als einziger Mensch konnte Ilse in ihn hineinblicken. „Meine kluge Eule“, oder kurz „Euli“, so nannte sie ihn. Seine Hakennase und die dicke Hornbrille waren ihr kein Dorn im Auge. Ihre Worte enthielten niemals Hohn. Oder?
Immer hatte sie betont, keinen dieser Schönlinge und Schnösel, wie Peter es war, jemals lieben zu können.
Also war der Peter nur dazu da, um sie die Eule vergessen zu lassen.
So musste es sein.
Fest hatte er den Entschluss gefasst, um sie zu kämpfen. Sie, wie so oft, zurückzuholen und vor sich selbst zu retten.
Nur, Ilse wollte sich nicht retten lassen. Es lag nicht am schönen Peter, da war er sich sicher. Möglich, dass er sich mit der Zeit und dem Ort vertan hatte. Die vielen Menschen hatten sie verunsichert. So musste es sein. Sonst hätte sie wieder „JA“ gesagt.
Ilse liebte ihn, das stand außer Frage. In zwei Wochen würde er wieder versuchen, sie zu erobern.
Nein, zu retten. Noch romantischer, noch besser durchgeplant würde das ganze werden!
„Geh’ zur Seite, Romeo. Mein Beileid.“ Der Bühnenkehrer hatte es eilig, schließlich würden bald die Zuschauer des nächsten Stückes in den Saal strömen. Da musste die Bühne sauber und leer sein, damit gleich die Requisiten für das nächste Stück aufgestellt werden konnten.
Sie musste so leer sein, wie der Unglücksrabe es in dieser Stunde war.
Und trotz allen Unheils blieb der rosa LKW nicht stehen. Er fuhr vorbei.

 

Hallo Antti1

ein paar Kleinigkeiten vorneweg:

Noch Minuten später, als die Menschentraube schon vollständig aufgelöst und nur mehr der Bühnenkehrer da war, kniete er auf der Bühne.

Etwas unschöne Wiederholung von „Bühne"

Ihre Beziehung war so berechenbar wie der Tag in „Täglich grüßt das Murmeltier".

Zwar ein treffender, aber ich finde nicht sehr ästhetischer Vergleich.

„Meine kluge Eule", oder kurz „Euli", so nannte sie ihn.

Wie schmeichelhaft :bib:

Möglich, dass er sich mit der Zeit und dem Ort vertan hatte.

Wirklich? Nein... das kann ich mir nicht vorstellen. :D

Hm, also irgendwie hat die Geschichte was. Einen gewissen Charme, den ich nur schwer erklären kann. Schätze es liegt an deinem Stil, welchen ich recht interessant finde.
Das mit dem Lkw hab ich irgendwie gar nicht gerafft. Er ist doch im Theater, wie kann er da überhaupt irgendwas vorbeifahren sehen? Oder war da was metaphorisches, was ich einfach nicht kapiert habe? :confused:
Tja, unkonstruktiver weise kann ich grad nicht viel mehr dazu sagen. Irgendwie eine nette kleine Geschichte halt, die mir aber auch nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.


Gruß, Skalde.

 

Ja, nett. Ich tipp mal: Der rosa LKW ist die Illusion von der Liebe. Wie sich Mäxchen eben das Leben am Theater vorstellt. Genau getroffen.

Viele liebe Grüße
Estrel

 

@Skalde: Danke für die nette Kritik. Der rosa Lkw bleibt nie stehen und er kann nicht mit fahren, so wie er mit der Liebe zu Ilse nicht mit fahren kann... etwa so... dh. er kann auf den Zug der Liebe nicht aufspringen. Sorry für den Satz. nun... hab den Zug als Lkw gesehen...
@Estrel: DU hast es erfasst. Sehr schön, danke, noch mehr liebe Grüße zurück!

 

Hallo Antti1,

dein Text ist schon etwas ungewöhnlich, der berichtende Stil, etwas abgehackt. Das hat mich nicht sehr gestört, die Metapher des Rosa LKW halte ich für etwas erzwungen - gibt es nicht ein Ausdruck, der besser zum Theatergeschehen passt?

„Mit dem trieben es doch alle, von der Regisseurin bis hin zur Bühnenbeleuchterin.“

- Das kommt mir doch etwas wie ein Vorurteil vor, besonders „alle“.

Ansonsten hat der Inhalt des Textes schon eine tragische Komponente, dieses verpassen der Liebe … aber bei den herrschenden Zuständen :)

L G,

tschüß Woltochinon

 

hey...
also ich finde noch ein bissel kürzer und das ganze wird schon wieer lyrisch...eigentlich gut!
ich finde du solltest dich stärker für einen aspekt entscheiden, dass heißt entweder verkürzt und so knapp wie bei

Zehn Jahre Beziehung.
Acht mal getrennt.
Sechs Jahre gemeinsame Wohnung.
Vier mal verlobt.
Zwei Jahre Einsamkeit.
Null mal an der Liebe gezweifelt.
das finde ich gut und die zeilen umbrüche hats nicht zwingend nötig finde ich.
mich stört ein wenig der recht unkontrollierte umschwung zum erklärenden, da gibts für mich nicht wirklich ein klares modell, also zum beispiel das der rosa lkw ein rahmen für seine ausbrüche ist, die dann genau so wie oben genanntes zitat ablaufen können, was wiederum zeigen würde, dass er gar nich so die leuchte is im nachvollziehen und verstehen...sondern dass sie vielleicht einfach ein bissel kompliziert ist...vielleicht als beispiel.
also ich fänd noch etwas mehr struktur richtig gut
das mit dem rosa lkw fand ich jetzt auch nicht so ne super gelungene metapher auch wenn ich sie gleich verstanden hab...ich meine das is ja schon ein stück surreal...aber warum dann nicht gleich richtig...also weiß nicht genau aber sowas wie ne rosa Fliege die ihn immer wieder aus seinen gedanken holt...auf die er ja auch nich aufspringen könnte!...irgendwas krasseres...ich glaub das tät der geschichte gut!
soweit erstmal...
vielleicht später mehr
bis denne

 

@Woltochinon: Danke für die Kritik. Natürlich ist es ein Vorurteil, dass es alle mit dem anderen treiben. Ist ja die objektive Sicht "meines" Losers. Ja, abgehackt trifft sicher zu, ich wollte es ja so kurz wie möglich halten. So kurze Sätze wie es geht. LG ;-)
@colorblindone: hy. also, den rosa Lkw sah ich (in meinem Kopf) eben vorbeifahren, der musste sein. Er soll ja nicht seine Ausbrüche, sondern die Liebe der beiden darstellen. Er bleibt nie stehen und nimmt ihn nicht mit, der Lkw ihrer Liebe. (sorry für den schmalzigen Satz). weiß nicht, sollte das viel mehr verknüpfen, der Lkw fährt bei mir (jetzt im Abstand von ein paar Tagen) einfach so vorbei... danke, lg :-)

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom