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05.04.2007
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Sie ging langsam, wie immer. Sie hatte es nicht eilig,
Niemand wartete auf sie. Bestimmt musste sie wieder auf das Taxi warten.
Sowieso ging ihr oft alles viel zu schnell. Die Zeit rannte nur so an ihr vorbei, doch um mithalten zu können, hatte sie nicht mehr genug Kraft.
Wenn das Taxi raste, so sagte sie: "Fahren Sie doch bitte langsamer, Sie können sie doch ohnehin nicht mehr einholen".
Den verwirrten Blick des Taxifahrers ignorierte sie dann einfach.
Nur einmal hatte ein Fahrer nachgefragt: "Wen kann ich nicht mehr einholen?"
Sie sah aus dem Fenster und drückte dann ihren Zeigefinger an die Fensterscheibe.
"Na, die Zeit können Sie nicht einholen, sehen Sie nur, da läuft sie." Der Taxifahrer zuckte nur mit den Schultern. Gern hätte sie ihm genauer erklärt was sie eigentlich meinte, doch unaufgefordert würde sie ihm das bestimmt nicht erzählen.
Viele Leute rannten auf dem schmalen Bürgersteig an ihr vorbei. Die Meisten von ihnen waren aktentaschentragende Männer.
Einige schimpften, sie solle doch schneller gehen.

Ihr Taxi kam nicht. Ab heute wartete sie auf Nummer 28.
Eine Bank war frei. Sie setzte sich.
Sie trug auch heute keine Kopfbedeckung. Einige an ihr vorbeigehende Passanten starrten sie neugierig, andere belästigend an.
Egal, welche Art von Blick auf sie gerichtet wurde: Derjenige, der es gewagt hatte, sie länger anzuschauen, bekam einen grimmigen Blick zurück.
Sie hasste Kinder. Kinder waren hektisch, Kinder stellten dumme Fragen.
Sie seufzte. Das Leben war seltsam.
Alles ging viel zu schnell und wenn es dann einmal schnell gehen sollte, geschah alles wie in Zeitlupe.
Dann stand die Zeit fast still. Für einen Moment hatte sie sie eingeholt.
Selbst die Zeit musste ab und zu eine Verschnaufpause einlegen, bevor sie wieder in eine ungeheure Geschwindigkeit verfiel.
Ein Taxi kam. Sie stand auf und beugte sich vor.
Es war nicht ihr Taxi. Es war das Taxi Nummer 15. Meine Pechzahl, dachte sie.
Sie setzte sich wieder.
Damals ist sie ein Teenager gewesen. Sie hatten ihr Hoffnungen gemacht und ihr diese dann langsam aber schließlich ganz und gar wieder genommen.
Nachts träumte sie von ihnen, von ihnen und ihren Worten, die ihr Leben verändert hatten.
Und sie träumte von weiß, was keine Farbe war.

Das Taxi kam. Langsam erhob sie sich. Sie hatte es nicht eilig. Sie ging auf das Auto zu.
Ein Mann kam angelaufen.
Hastig öffnete er die Autotür und stieg hinein. Er hatte sie gesehen, natürlich hatte er sie gesehen.
Das Taxi fuhr los, an ihr vorbei.
Nein, sie war nicht wütend. Sie hatte keine Aktentasche in der Hand.
Wieder setzte sie sich.
Ihre Nase lief. Sie wollte sich ein Taschentuch aus ihrer Jackentasche holen, dabei fiel ihre schwarze Handtasche von der Bank.
Ein kleiner Handspiegel kullerte hinaus.
Sie starrte ihn eine halbe Ewigkeit an.
Die Zeit legte eine Pause ein.
Dann hob sie die Tasche und den Spiegel mit zitternden Händen auf.
Den hatte sie vergessen, sie hatte gewusst, dass sie einen vergessen hatte.
Zögernd und unentschlossen sah sie hinein.
Sie betrachtete sich: Ihren schmalen Mund, die blutverschmierte Nase, die starren, blauen Augen und weiter bis hinauf zu der glänzenden Glatze.
Sie lächelte.
Die Zeit stand.

 

Hallo Li Si,

und herzlich willlkommen hier.
Mal wieder so ein Text, der einen mit Gewalt zum Denken zwingen will. Dazu nutzt er eine Pointe, die viele bedeutungen haben kann. Die Frau kann gerade eine Chemotherapie durchmachen, sie kann der Skinheadszene angehören, sie kann Kummer haben oder ein Sinead O' Connor Fan sein und gleich das Lied "Nothing Comars 2U" anstimmen.
In der Weltsicht über die Zeit fehlt der Bezug zu der Glatze. Nicht, dass es nciht einen geben könnte, aber die hetzenden Passanten, die Aktentaschenträger haben nchts mit ihrem Leben zu tun. Und selbst, wenn ihr eine Krankheit nur noch wenig Zeit lässt, haben sie es immer noch nicht. Der Mann am Taxi macht sie dann zu Miss Elli: "Ich fühl mich so nutzlos".
So schwirrt nur alles in Ahnungen, bei denen ich mich frage, warum eine Geschichte nicht erzählt wird.
Um gleich der Standardausrede hier vorzubeugen: Es geht nicht darum, alles vorzukauen. Es geht aber darum, einen Text aus der beiläufigen Beliebigkeit in etwas einzigartiges zu holen. Wenn du jemanden aufforderst, dir etwas zu trinken zu bringen, kannst du dich ja auch nicht beschwerden, wenn er dir Bier statt Sekt bringt. Er konnte es nicht besser wissen.

auf dem Bürgersteig an ihr vorbei.
bis auf das Wort "schmalen" ist das eine genaue Wiederholung, die recht schnell kommt.
Damals war sie ein Teenager.Sie hatten ihr Hoffnungen gemacht
Es fehlt ein Leerzeichen und bei Rückblenden sollte der Tempus gewechselt werden.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,
erst einmal vielen Dank für das Lesen meiner ersten Kurzgeschichte und die Kritik.
Ich habe mich schon seit längerem mit der Geschichte beschäftigt und war wohl irgendwann so mit ihr verbunden, dass mir nicht klar war, dass der Inhalt vllt. für einen anderen Leser nicht verständlich sein könnte.

Den Inhalt möchte ich jetzt nur kurz in grober Weise zusammenfassen:
Wie schon richtig angedacht macht die Prot. eine Chemotherapie durch oder ist gerade dabei sie abzuschließen. Um genau zu sein leidet sie an Leukämie.

Da du die Aktentaschen erwähntest, will ich das auch noch kurz erläutern:
Die Aktentaschen habe ich in diesem Zusammenhang als Symbol für Beschäftigung, Arbeit etc. angesehen. Die hastenden Männer mit den Aktentaschen haben aus der Sicht der Prot. alle ein von ihnen angestrebtes Ziel, sie haben "etwas zu tun".
Sie selbst hat kein Ziel mehr vor Augen. Also besteht gerade in diesem Gegensatz die Verbindung zwischen ihrem Leben und dem der Passanten, die (hier auch die Verbindung zur Zeit) nur so an ihr vorbei rauschen.

Durch weitere Erläuterungen würde ich tatsächlich alles vorkauen und das würde die Geschichte zerreißen. Darum ende ich hier fürs erste.

Ich freue mich über weitere Rückmeldungen.
Lieben Gruß, Li Si

 

Hallo Li Si,
Herzlich Willkommen

Vorweg: Mir hat die Geschichte gefallen, weil ich ein Faible für das "Kryptische" habe. Ich mag es, wenn zwischen den Zeilen zum Nachdenken angeregt wird.

Mir war das Thema aber zu beliebig, zu oberflächlich, zu wenig und nur auf die Pointe gerichtet erzählt. Eigentlich wabern ein paar Phrasen um das Schicksal eines Menschen herum, die mir nicht gezeigt haben, was der nahe Tod speziell für die Protagonistin bedeutet.
Ist sie bereit zu sterben? Oder ist sie voller Verachtung für andere? Ist sie verzweifelt? Ist sie wütend?
Gerne hätte ich sie verstanden ...

Lieben Gruß

Goldene Dame

 

Hallo Goldene Dame,

vielen Dank auch für deine Kritik und es freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat!

Über noch mehr Rückmeldungen würde ich mich immer noch freuen,
Lieben Gruß
Li Si

 

Hallo Li Si,
Sie ist eine schöne Geschichte. Ich mag Sie.
Sehr gut gefällt mir der folgende Satz:
"...Dann stand die Zeit fast still. Für einen Moment hatte sie sie eingeholt. ..."
Schreib weiter! :)
Lieben Gruß
forester

 

Moin, moin forester!

Vielen Dank für deinen Beitrag. Jetzt fühle ich mich ermutigt weiter zu schreiben.
Also mach ich mich mal auf die Suche nach einem geeigneten Thema :) !

Lieben Gruß
Li Si

 

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