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So schlimm nicht

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03.09.2024
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So schlimm nicht

Er will das auf keinen Fall so. Vor allem nicht in der Farbe. Eigentlich ist es ihm egal, aber so läuft das nicht. Er schüttelt den Kopf. Sie blättert weiter durch die Stoffproben. Bleibt bei einem Rosé-Ton hängen. Schaut ihn an.
„Nicht dein Ernst!“, sagt er.
Sie legt die Stoffprobe auf das Sofa. Der Verkäufer steht neben ihnen.
„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben!“, sagt er zu ihm.
„Lass´den Mann in Ruhe, der kann nichts für deine schlechte Laune!“, sagt sie und streicht mit ihren Fingern über den Stoff.
„Ich will kein Schweinchenrosa im Wohnzimmer! Los, Mann, sagen Sie was!“
„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.
„Bei mir nicht, mich macht das aggressiv. Sehr sogar!“
„Welche Farbe hättest du denn gern?“, fragt sie.
„Grau, hellgrau vielleicht.“
„So, wie das alte Sofa? Das haben wir jetzt zehn Jahre“, sagt sie.
„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
„Da hast du`s!“, sagt sie.
Er dreht an seinem Ehering am Finger, gleich geht das Fußballspiel los. Zuhause würde er den Fernseher anschalten und es sich auf dem hellgrauen, zugegebenermaßen etwas durchgesessenen Sofa bequem machen. Der Verkäufer hat ihn gerade als Feigling bezeichnet. Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
„Was haben Sie gesagt?“, fragt er den Mann.
„Grau passt zu allem“, sagt der.
„Nein, nein, danach, was kam danach?“
„Neutral. Grau ist neutral, habe ich gesagt.“
„Nun lass doch den armen Mann zufrieden!“, sagt sie. Ihre Hände streichen über eine lavendelfarbene Stoffprobe, die Augen fragend auf ihn gerichtet.
„Herrgott, nein!“, sagt er. Noch zehn Minuten bis Anpfiff. Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Kann eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Sie blättert durch die Proben, findet ein dezentes Hellgrün.
„Wunderbar“, haucht der lila Behemdete.
„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor!“
„Ich soll mit dem Bus fahren? Solange wirst du wohl noch warten können!“, antwortet sie.
„Dann will ich grau!“, sagt er.
„Grau passt zu allem“, sagt der Verkäufer.
„Reden Sie bloß nicht weiter!“, warnt er.
„Ist aber ein bisschen feige“, fügt der Verkäufer an.
Ihm klappt die Kinnlade runter.
„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.
Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.
„Sie haben da was“, wiederholt der Mann und zeigt auf seinen Mund.
„Was?“
„Woher soll ich das wissen? Nicht, dass das aufs Sofa tropft.“
Seine Frau wühlt in ihrer Handtasche und reicht ihm ein Taschentuch. Er schlägt ihre Hand weg.
„Ich kaufe hier nichts!“, zischt er hervor.
„Reiß dich mal zusammen, wir bringen das jetzt zu Ende!“, sagt sie.
Der Verkäufer wendet sich an seine Frau.
„Letzte Woche hatte ich auch so einen“, sagt der und macht eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung. Seine Frau schaut den Mann interessiert an.
„Tatsächlich? Was hat der denn gemacht?“
„Ich erspare Ihnen die Einzelheiten, aber das ganze Sofa war unverkäuflich nachdem der weg war. Stellen Sie sich das mal vor!“
Jetzt macht sie eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung.
„Macht der nicht!“
„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
„Sind aus dem Haus“, sagt sie. „Warum?“
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“

 

Hallo @Jaylow

Die Story lässt sich gut lesen. Der (alleinstehende) Tag 'Alltag' hat mich allerdings etwas in die Irre geführt, habe einen anderen Text erwartet. Aber macht nichts, schaust Du mal, die Zitate habe ich direkt während des Erstlesens aufgeschrieben.

„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben“, sagt er zu ihm.
„Ich will kein Schweinchenrosa im Wohnzimmer! Los, Mann, sagen Sie was!“
„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.
Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
Wieso sagt er dem Verkäufer, dass er was dazusagen soll, wenn der Verkäufer selbst ein lila Hemd trägt? Wie kann er von ihm Unterstützung erwarten? Ist das Lila die Arbeitskleidung des Verkäufers? Für mich ist das nicht aufgegangen. Und ja, durchgeballerte Schwulette, echt? Klingt ja ganz handzahm, wenn ich das Ende der Story betrachte.

Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Könnte eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
Ich interessiere mich Null für Fussball, vielleicht war mir diese Stelle deshalb zu ausgewalzt, vor allem diese Gedanken über die Trikotfarben, was tut das zur Sache an der Stelle? Will er sich gedanklich ablenken, aus der Situation flüchten? Da denkt er an Trikots? Ausserdem, zumindest würde ich das vermuten, wissen diejenigen Leser, die sich ernsthaft für Fussball interessieren, sowieso über die Heim- und Auswärts-Trikotfarben dieser beiden Clubs bescheid.

Achsoo!

„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Er leitet sich dadurch die Wunschfarbe für das Sofa her! Trotzdem passt das für mich nicht: Er kennt doch seine Clubfarben, wieso muss er da so lange überlegen? Entschuldige, aber das lässt ihn dümmlich wirken (vor allem auch in Kombi mit meinen ersten Zitaten).

Ich weiss jetzt auch nicht genau, wie ernst ich den Text nehmen soll. Du hast nicht Humor getaggt. Also ich sehe bis jetzt einen etwas begriffsstutzigen Ehemann und eine Frau, die den Ton angibt, dazu der schwule Verkäufer. Es wirkt auf mich alles etwas überzeichnet, vor allem, was die Figuren sagen und wie sie sich verhalten, ein weiteres Beispiel:

„Wunderbar“, haucht der lila Behemdete.
Der Typ im lila Hemd muss das hauchen, es geht ja gar nicht anders. Wenn das in Richtung Humor oder gar Satire gehen soll, würde ich vorschlagen, das noch deftiger zu überzeichnen und bisschen mehr ins Absurde zu zielen. Eigentlich wird ja 'nur' eine alltägliche Situation geschildert, momentan mit seichter Komik.

Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.
Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er es, aber die sitzt ...

Ok, ich sehe schon, ich habe den Text zu Beginn 'falsch' gelesen und keine humoristische Komponente erwartet. Es wird ja gegen Ende immer Komödiantischer. Er schäumt im wahrsten Sinne des Wortes vor Wut. Allerdings zündet der Humor bei mir nicht richtig, da er sich zu stark -- und zudem auf sehr gängige -- Klischees verlässt. Vielleicht müsste der Werder-Fan gegen Ende richtig ausrasten? Ich weiss nicht. Vielleicht auch mehr mit Fussball-Referenzen arbeiten, dass er da irgendwie komplett vernarrt ist und auch seine Frau damit nervt, dass sich das weiter zuspitzt, dass auch der schwule Verkäufer durch irgendwas getriggert wird und dann gibt es ein Riesendurcheinander, vielleicht ein so grosses, dass der Verkäufer sein eigenes Sofa zerstört, der Werder-Fan sich aus absurden Gründen dennoch ein rosa Sofa kaufen will und seiner Frau das dann am Ende doch wieder nicht recht ist. Keine Ahnung. So wie er da steht, ist mir der Text auch zu harmlos, zu wenig bissig. Nichts für ungut, ist nur eine Einzelmeinung, mein Eindruck. Geschrieben finde ich den Text wie gesagt gut, der liess sich flott lesen.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Jaylow , witzig geschrieben. Erinnert mit an Loriot in "Ödipussi".

„Grau, hellgrau vielleicht.“
„So, wie das alte Sofa? Das haben wir jetzt zehn Jahre“, sagt sie.
„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
Das hat Dich vielleicht etwas inspiriert.

Das mit dem Fußball finde ich gerade gut. Es gibt genug Frauen, die in Fußballbettwäsche des Clubs ihres Mannes schlafen müssen. Gegenüber dem Ehebett vielleicht noch ein Foto der Mannschaft. Warum nicht eine Couch in Vereinsfarbe.
Gruß FK

 

„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
„Da hast du`s!“, sagt sie.
...
„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.

Eine m. E. „loriot’sche“ Liebeserklärung an den winzigen, aber vielgestaltigen [zoː]-Laut,

lieber @Jaylow,

auch fällt mir auf, dass bei Dear das Ausrufezeichen gepflegt und somit vorm Aussterben geschützt wird (wiewohl z. B. auch der Satz

„Nicht dein Ernst“, sagt er.
eines widerstandslos vertragen kann ...)

und hier

Sie legt die Stoffprobe auf das Sofa. Der Verkäufer steht neben Ihnen.
gehen „Ehrfurcht“ und „Freundlichkeit“ ein bissken arg weit,
und ist das nicht
„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben“, sagt er zu ihm.
eine Ermutigung und Aufforderung?

Könnte eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots,
Nix falsch – aber denkt ein schlichtes Gemüt in Konjunktiefen? -
Ein schlichtes „kann“ erfüllt doch das Wesentliche – etwas kann sein oder werden oder eben nicht.

„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor.“
¡Klingt das nicht auch sehr bestimmt!, wie auch hier
„Dann will ich grau“, sagt er.
wenn sein Wille ein bisschen hervortritt

„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
An sich eine eher „bürokratische“ Frage, die ich in Verwaltungen als Vater einer Tochter mit „nein“ beantworten muss ..., wenn ich nicht Kindeskinder hinzurechnen darf oder will ...

schließt der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @deserted-monkey,

herzlichen Dank, eine Art Live-Kommentar während des Lesens hat was.

Wieso sagt er dem Verkäufer, dass er was dazusagen soll, wenn der Verkäufer selbst ein lila Hemd trägt? Wie kann er von ihm Unterstützung erwarten? Ist das Lila die Arbeitskleidung des Verkäufers?
Der Mann hat an nichts Interesse, will weder über ein Sofa noch über die Farbe nachdenken. Auch der Verkäufer ist für ihn Statist. Da steht einfach ein Mann, bei dem er Unterstützung sucht. So hatte ich es zumindest intendiert.
Entschuldige, aber das lässt ihn dümmlich wirken
Soll er sein, der Kippmoment, wo er am Gespräch nicht mehr aktiv beteiligt ist, sondern nur noch über ihn gesprochen wird, kommt später und soll das unterstreichen.

Ich weiss jetzt auch nicht genau, wie ernst ich den Text nehmen soll. Du hast nicht Humor getaggt. Also ich sehe bis jetzt einen etwas begriffsstutzigen Ehemann und eine Frau, die den Ton angibt, dazu der schwule Verkäufer. Es wirkt auf mich alles etwas überzeichnet, vor allem, was die Figuren sagen und wie sie sich verhalten
Ja, vielleicht hätte ich den Humor-Tag bemühen soll, fremdel aber ein bisschen damit. Da alles überzeichnet ist, hätte ich das vermutlich aber tun sollen.

Allerdings zündet der Humor bei mir nicht richtig, da er sich zu stark -- und zudem auf sehr gängige -- Klischees verlässt.
Verstehe ich sehr gut, der Text spielt mit absolut gängigen Klischees, völlig richtig.


Geschrieben finde ich den Text wie gesagt gut, der liess sich flott lesen.
Auch wenn der Text dich nicht richtig mitgenommen hat, darf ich an dieser Stelle durchatmen und mich für das Lesen und Kommentieren sehr bedanken! Deine Ideen über eine Eskalation zum Schluss sind gut, könnte man evtl. tatsächlich noch etwas ankicken. Zunächst hatte ich ein softeres, weniger bissiges Ende im Kopf.

Danke für deine Anmerkungen, besten Gruß von

Jaylow

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @FriedaKreuz,

herzlichen Dank für deine Einschätzung, hat mich sehr gefreut!

witzig geschrieben. Erinnert mit an Loriot in "Ödipussi".
Vielleicht ist der Humor von Loriot nicht weit entfernt; ich habe mir auf deine Zeilen hin die Szene mit dem Möbelverkäufer in Ödipussi nochmal angesehen. Ich bin durchaus Loriot-Fan und werde hier keinen Frevel begehen, aber den Humor würde man heute nicht mehr bringen können. (Da sind Laurel und Hardy fast zeitresistenter; jetzt habe ich doch gefrevelt - und ja, ich weiß, dass man die beiden nicht vergleichen sollte.)

Danke für deine Gedanken, einen schönen Abend wünscht

Jaylow

 

Hallo @Friedrichard,

wenn Post aus dem Ruhrpott anlandet (was ich mehr als begrüße), ist der Text danach ein einziges Ausrufezeichen. (Natürlich nicht im literarischen Sinne, ich rede nur von der Grammatik). Ich ärgere mich ein wenig darüber, dass deine Mission bei mir offenbar nur rudimentär angekommen ist, verspreche aber Besserung! Ob Tochter und Kindeskinder ebenfalls grammatikalisch sattelfest durchs Leben ziehen, ist eine interessante Frage, die aber vielleicht auf einem anderem Blatt steht, dieses hier endet mit besten Grüßen von

Jaylow

 

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