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So schlimm nicht

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03.09.2024
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So schlimm nicht

Er will das auf keinen Fall so. Vor allem nicht in der Farbe. Eigentlich ist es ihm egal, aber so läuft das nicht. Er schüttelt den Kopf. Sie blättert weiter durch die Stoffproben. Bleibt bei einem Rosé-Ton hängen. Schaut ihn an.
„Nicht dein Ernst!“, sagt er.
Sie legt die Stoffprobe auf das Sofa. Der Verkäufer steht neben ihnen.
„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben!“, sagt er zu ihm.
„Lass´den Mann in Ruhe, der kann nichts für deine schlechte Laune!“, sagt sie und streicht mit ihren Fingern über den Stoff.
„Ich will kein Schweinchenrosa im Wohnzimmer! Los, Mann, sagen Sie was!“
„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.
„Bei mir nicht, mich macht das aggressiv. Sehr sogar!“
„Welche Farbe hättest du denn gern?“, fragt sie.
„Grau, hellgrau vielleicht.“
„So, wie das alte Sofa? Das haben wir jetzt zehn Jahre“, sagt sie.
„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
„Da hast du`s!“, sagt sie.
Er dreht an seinem Ehering am Finger, gleich geht das Fußballspiel los. Zuhause würde er den Fernseher anschalten und es sich auf dem hellgrauen, zugegebenermaßen etwas durchgesessenen Sofa bequem machen. Der Verkäufer hat ihn gerade als Feigling bezeichnet. Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
„Was haben Sie gesagt?“, fragt er den Mann.
„Grau passt zu allem“, sagt der.
„Nein, nein, danach, was kam danach?“
„Neutral. Grau ist neutral, habe ich gesagt.“
„Nun lass doch den armen Mann zufrieden!“, sagt sie. Ihre Hände streichen über eine lavendelfarbene Stoffprobe, die Augen fragend auf ihn gerichtet.
„Herrgott, nein!“, sagt er. Noch zehn Minuten bis Anpfiff. Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Kann eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Sie blättert durch die Proben, findet ein dezentes Hellgrün.
„Wunderbar“, haucht der lila Behemdete.
„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor!“
„Ich soll mit dem Bus fahren? Solange wirst du wohl noch warten können!“, antwortet sie.
„Dann will ich grau!“, sagt er.
„Grau passt zu allem“, sagt der Verkäufer.
„Reden Sie bloß nicht weiter!“, warnt er.
„Ist aber ein bisschen feige“, fügt der Verkäufer an.
Ihm klappt die Kinnlade runter.
„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.
Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.
„Sie haben da was“, wiederholt der Mann und zeigt auf seinen Mund.
„Was?“
„Woher soll ich das wissen? Nicht, dass das aufs Sofa tropft.“
Seine Frau wühlt in ihrer Handtasche und reicht ihm ein Taschentuch. Er schlägt ihre Hand weg.
„Ich kaufe hier nichts!“, zischt er hervor.
„Reiß dich mal zusammen, wir bringen das jetzt zu Ende!“, sagt sie.
Der Verkäufer wendet sich an seine Frau.
„Letzte Woche hatte ich auch so einen“, sagt der und macht eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung. Seine Frau schaut den Mann interessiert an.
„Tatsächlich? Was hat der denn gemacht?“
„Es war widerlich! Ich erspare Ihnen die Einzelheiten, aber das ganze Sofa war unverkäuflich, nachdem der weg war. Stellen Sie sich das mal vor!“
Jetzt macht sie eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung.
„Macht der nicht!“
„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
„Sind aus dem Haus“, sagt sie. „Warum?“
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“

 

Hallo @Jaylow

Die Story lässt sich gut lesen. Der (alleinstehende) Tag 'Alltag' hat mich allerdings etwas in die Irre geführt, habe einen anderen Text erwartet. Aber macht nichts, schaust Du mal, die Zitate habe ich direkt während des Erstlesens aufgeschrieben.

„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben“, sagt er zu ihm.
„Ich will kein Schweinchenrosa im Wohnzimmer! Los, Mann, sagen Sie was!“
„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.
Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
Wieso sagt er dem Verkäufer, dass er was dazusagen soll, wenn der Verkäufer selbst ein lila Hemd trägt? Wie kann er von ihm Unterstützung erwarten? Ist das Lila die Arbeitskleidung des Verkäufers? Für mich ist das nicht aufgegangen. Und ja, durchgeballerte Schwulette, echt? Klingt ja ganz handzahm, wenn ich das Ende der Story betrachte.

Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Könnte eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
Ich interessiere mich Null für Fussball, vielleicht war mir diese Stelle deshalb zu ausgewalzt, vor allem diese Gedanken über die Trikotfarben, was tut das zur Sache an der Stelle? Will er sich gedanklich ablenken, aus der Situation flüchten? Da denkt er an Trikots? Ausserdem, zumindest würde ich das vermuten, wissen diejenigen Leser, die sich ernsthaft für Fussball interessieren, sowieso über die Heim- und Auswärts-Trikotfarben dieser beiden Clubs bescheid.

Achsoo!

„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Er leitet sich dadurch die Wunschfarbe für das Sofa her! Trotzdem passt das für mich nicht: Er kennt doch seine Clubfarben, wieso muss er da so lange überlegen? Entschuldige, aber das lässt ihn dümmlich wirken (vor allem auch in Kombi mit meinen ersten Zitaten).

Ich weiss jetzt auch nicht genau, wie ernst ich den Text nehmen soll. Du hast nicht Humor getaggt. Also ich sehe bis jetzt einen etwas begriffsstutzigen Ehemann und eine Frau, die den Ton angibt, dazu der schwule Verkäufer. Es wirkt auf mich alles etwas überzeichnet, vor allem, was die Figuren sagen und wie sie sich verhalten, ein weiteres Beispiel:

„Wunderbar“, haucht der lila Behemdete.
Der Typ im lila Hemd muss das hauchen, es geht ja gar nicht anders. Wenn das in Richtung Humor oder gar Satire gehen soll, würde ich vorschlagen, das noch deftiger zu überzeichnen und bisschen mehr ins Absurde zu zielen. Eigentlich wird ja 'nur' eine alltägliche Situation geschildert, momentan mit seichter Komik.

Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.
Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er es, aber die sitzt ...

Ok, ich sehe schon, ich habe den Text zu Beginn 'falsch' gelesen und keine humoristische Komponente erwartet. Es wird ja gegen Ende immer Komödiantischer. Er schäumt im wahrsten Sinne des Wortes vor Wut. Allerdings zündet der Humor bei mir nicht richtig, da er sich zu stark -- und zudem auf sehr gängige -- Klischees verlässt. Vielleicht müsste der Werder-Fan gegen Ende richtig ausrasten? Ich weiss nicht. Vielleicht auch mehr mit Fussball-Referenzen arbeiten, dass er da irgendwie komplett vernarrt ist und auch seine Frau damit nervt, dass sich das weiter zuspitzt, dass auch der schwule Verkäufer durch irgendwas getriggert wird und dann gibt es ein Riesendurcheinander, vielleicht ein so grosses, dass der Verkäufer sein eigenes Sofa zerstört, der Werder-Fan sich aus absurden Gründen dennoch ein rosa Sofa kaufen will und seiner Frau das dann am Ende doch wieder nicht recht ist. Keine Ahnung. So wie er da steht, ist mir der Text auch zu harmlos, zu wenig bissig. Nichts für ungut, ist nur eine Einzelmeinung, mein Eindruck. Geschrieben finde ich den Text wie gesagt gut, der liess sich flott lesen.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Jaylow , witzig geschrieben. Erinnert mit an Loriot in "Ödipussi".

„Grau, hellgrau vielleicht.“
„So, wie das alte Sofa? Das haben wir jetzt zehn Jahre“, sagt sie.
„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
Das hat Dich vielleicht etwas inspiriert.

Das mit dem Fußball finde ich gerade gut. Es gibt genug Frauen, die in Fußballbettwäsche des Clubs ihres Mannes schlafen müssen. Gegenüber dem Ehebett vielleicht noch ein Foto der Mannschaft. Warum nicht eine Couch in Vereinsfarbe.
Gruß FK

 

„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
„Da hast du`s!“, sagt sie.
...
„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.

Eine m. E. „loriot’sche“ Liebeserklärung an den winzigen, aber vielgestaltigen [zoː]-Laut,

lieber @Jaylow,

auch fällt mir auf, dass bei Dear das Ausrufezeichen gepflegt und somit vorm Aussterben geschützt wird (wiewohl z. B. auch der Satz

„Nicht dein Ernst“, sagt er.
eines widerstandslos vertragen kann ...)

und hier

Sie legt die Stoffprobe auf das Sofa. Der Verkäufer steht neben Ihnen.
gehen „Ehrfurcht“ und „Freundlichkeit“ ein bissken arg weit,
und ist das nicht
„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben“, sagt er zu ihm.
eine Ermutigung und Aufforderung?

Könnte eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots,
Nix falsch – aber denkt ein schlichtes Gemüt in Konjunktiefen? -
Ein schlichtes „kann“ erfüllt doch das Wesentliche – etwas kann sein oder werden oder eben nicht.

„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor.“
¡Klingt das nicht auch sehr bestimmt!, wie auch hier
„Dann will ich grau“, sagt er.
wenn sein Wille ein bisschen hervortritt

„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
An sich eine eher „bürokratische“ Frage, die ich in Verwaltungen als Vater einer Tochter mit „nein“ beantworten muss ..., wenn ich nicht Kindeskinder hinzurechnen darf oder will ...

schließt der

Friedel

 
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Hallo @deserted-monkey,

herzlichen Dank, eine Art Live-Kommentar während des Lesens hat was.

Wieso sagt er dem Verkäufer, dass er was dazusagen soll, wenn der Verkäufer selbst ein lila Hemd trägt? Wie kann er von ihm Unterstützung erwarten? Ist das Lila die Arbeitskleidung des Verkäufers?
Der Mann hat an nichts Interesse, will weder über ein Sofa noch über die Farbe nachdenken. Auch der Verkäufer ist für ihn Statist. Da steht einfach ein Mann, bei dem er Unterstützung sucht. So hatte ich es zumindest intendiert.
Entschuldige, aber das lässt ihn dümmlich wirken
Soll er sein, der Kippmoment, wo er am Gespräch nicht mehr aktiv beteiligt ist, sondern nur noch über ihn gesprochen wird, kommt später und soll das unterstreichen.

Ich weiss jetzt auch nicht genau, wie ernst ich den Text nehmen soll. Du hast nicht Humor getaggt. Also ich sehe bis jetzt einen etwas begriffsstutzigen Ehemann und eine Frau, die den Ton angibt, dazu der schwule Verkäufer. Es wirkt auf mich alles etwas überzeichnet, vor allem, was die Figuren sagen und wie sie sich verhalten
Ja, vielleicht hätte ich den Humor-Tag bemühen soll, fremdel aber ein bisschen damit. Da alles überzeichnet ist, hätte ich das vermutlich aber tun sollen.

Allerdings zündet der Humor bei mir nicht richtig, da er sich zu stark -- und zudem auf sehr gängige -- Klischees verlässt.
Verstehe ich sehr gut, der Text spielt mit absolut gängigen Klischees, völlig richtig.


Geschrieben finde ich den Text wie gesagt gut, der liess sich flott lesen.
Auch wenn der Text dich nicht richtig mitgenommen hat, darf ich an dieser Stelle durchatmen und mich für das Lesen und Kommentieren sehr bedanken! Deine Ideen über eine Eskalation zum Schluss sind gut, könnte man evtl. tatsächlich noch etwas ankicken. Zunächst hatte ich ein softeres, weniger bissiges Ende im Kopf.

Danke für deine Anmerkungen, besten Gruß von

Jaylow

 
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Hallo @FriedaKreuz,

herzlichen Dank für deine Einschätzung, hat mich sehr gefreut!

witzig geschrieben. Erinnert mit an Loriot in "Ödipussi".
Vielleicht ist der Humor von Loriot nicht weit entfernt; ich habe mir auf deine Zeilen hin die Szene mit dem Möbelverkäufer in Ödipussi nochmal angesehen. Ich bin durchaus Loriot-Fan und werde hier keinen Frevel begehen, aber den Humor würde man heute nicht mehr bringen können. (Da sind Laurel und Hardy fast zeitresistenter; jetzt habe ich doch gefrevelt - und ja, ich weiß, dass man die beiden nicht vergleichen sollte.)

Danke für deine Gedanken, einen schönen Abend wünscht

Jaylow

 

Hallo @Friedrichard,

wenn Post aus dem Ruhrpott anlandet (was ich mehr als begrüße), ist der Text danach ein einziges Ausrufezeichen. (Natürlich nicht im literarischen Sinne, ich rede nur von der Grammatik). Ich ärgere mich ein wenig darüber, dass deine Mission bei mir offenbar nur rudimentär angekommen ist, verspreche aber Besserung! Ob Tochter und Kindeskinder ebenfalls grammatikalisch sattelfest durchs Leben ziehen, ist eine interessante Frage, die aber vielleicht auf einem anderem Blatt steht, dieses hier endet mit besten Grüßen von

Jaylow

 

Hallo @Jaylow

Vorab gleich mal: Hat mir gefallen, weil wir grad vor nem halben Jahr eine Couch gekauft haben und auch 2 Tage lang im Vorführraum auf der Couch saßen.

Eigentlich ist es ihm egal, aber so läuft das nicht.
Großartig :D Dachte ich damals auch - nach dem Motto: irgendeine Meinung muss ich ja vertreten.

„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben!“, sagt er zu ihm.
Hier hatte er leider schon "verloren" und den Verkäufer "gegen ihn". Schade, dass er hier schon so genervt ist, dass er das Gespäch schon so pampig führt.

„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.
Ich hab nicht kapiert, was er da am Mund hat,

„Es war widerlich! Ich erspare Ihnen die Einzelheiten, aber das ganze Sofa war unverkäuflich, nachdem der weg war. Stellen Sie sich das mal vor!“
Und das ging mir etwas zuweit, .. vorallem weil dann kommt:
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
...haben die so einen Stoff nicht im Vorführraum?

Ich fand die "haben sie Kinder"-Frage disqualifiziert ihn als Verkäufer - meist brauchen Familien eine Couch. Wenn er keine Kinder mag, soll er Schmuck verkaufen.

„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“
Da mir nicht so recht in den Sinn kommen wollte, was er da am Mund hat, (Spucke/Speichel hinterlässt nicht "solche" Flecken), wollte bei mir der Schlusssatz nicht so zünden.

Insgesamt dennoch flüssig und kurzweilig.
Gern gelesen
Gruß
pantoholli

 
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Hallo @pantoholli,

wenn ihr zwei Tage lang im Vorführraum (ich würde vermuten, in der Ausstellung) gesessen habt, habe ich alle Achtung vor eurem Durchhaltevermögen und auch dem der Geschäftsinhaber.
Vielen Dank für deine Zeilen erstmal! Freut mich sehr, dass der Text gefallen hat.
Was er am Mund hat, ist natürlich das, was du annimmst. Spucke, Geifer, sowas. Eben nicht schön, wenn das aufs Sofa tropft.

Ich hab nicht kapiert, was er da am Mund hat,
„Es war widerlich! Ich erspare Ihnen die Einzelheiten, aber das ganze Sofa war unverkäuflich, nachdem der weg war. Stellen Sie sich das mal vor!“
Und das ging mir etwas zuweit, .. vorallem weil dann kommt:
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
...haben die so einen Stoff nicht im Vorführraum?
Der Text überzeichnet, aus meiner Sicht geht er vielleicht nicht weit genug drüber. Und natürlich gibt es die imprägnierten Stoffe in einer Stofflasche in der Ausstellung, aber der Verkäufer läßt den Kunden erstmal "laufen", bevor er mit eigenen Vorschlägen kommt. Die Frage nach den Kindern finde ich eigentlich nicht disqualifizierend, das kann durchaus ein Entscheidungskriterium sein, außerdem ist es an dieser Stelle möglicherweise einfach eine Boshaftigkeit/Retourkutsche des Verkäufers, die er einleitet.
Ich merke, dass nicht alle Absichten rübergekommen sind, was sicher am Text liegt, freut mich aber sehr, dass du ihn als kurzweilig beschreibst, besten Dank und schönen Abend
wünscht

Jaylow

 
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Hallo @Jaylow,

ich bin sehr gut durch deinen Test hindurchgeglitten, weil dir der Fluss des Dialogs wirklich außerordentlich gut geglückt ist.
Der Text fängt schon sehr ordentlich an, aber mit

„Nicht dein Ernst!“, sagt er.
hattest du mich sofort in der Unterhaltung.
Der innere und dann auch äußere Widerstand deines Antagonisten (das ist er wohl) kommt authentisch zum Vorschein, dieses Keine-Meinung-haben-aber-trotzdem-bestimmen-müssen-Wollen, mit dem er sich selbst völlig unnötig unter Druck setzt.
Und dann:
Er dreht an seinem Ehering am Finger, gleich geht das Fußballspiel los.
Ebenfalls sehr schön, der Stress dieses Ich-will-gar-nicht-hier-sein-aber-ich-muss-weil-sonst-kan-ich-nicht-der-Bestimmer-seins nimmt mit diesem Satz Gestalt an - die Prioritäten sind hiermit absolut offengelegt.
Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
Hier kippt der Text für mich ein bisschen. Das mag die "durchgeballerte Schwulette" sein, die für mich über dem sprachlichen Stammhirndenkerniveau des Antagonisten liegt, aber ich mag dir Formulierung auch nicht.
Bis hierher war der Text angenehm zu lesen, aber unangenehm zu ertragen, weil mir diese Denke durchaus authentisch erschien, dieses Sich-nicht-ändern-Wollen und die Angst vor dem Kontrollverlust, die glaube ich heute ganz viele vor allem konservativ geprägte Menschen aus dem Unbewussten heraus antreibt, auch und gerade, wenn es um größere Dinge als ein Sofa geht. Hier kippt es jetzt (für mich) leider ins Parodistische oder Humoristische, und das Unangenehme verflüchtigt sich.
Vielleicht hatte ich gehofft, dass dieser Verharrungswille des Ehemanns etwas stärker seziert würde, aber ohne es ins Lächerliche zu ziehen, was letztlich ab diesem Punkt im Text passiert. So wird die Geschichte von etwas, was über diese Episode hinaus gewirkt hätte, doch nur zu einer Episodengeschichte, einem Sketch.
Noch zehn Minuten bis Anpfiff. Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Kann eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Das finde ich wiederum geglückt, diese instinktive Übersprungsentscheidung aus dem Heimtrikot der Werderaner in einen anschlussfähigen Konsens hinsichtlich der Stofffarbe für das neue Sofa.
„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor!“
„Ich soll mit dem Bus fahren? Solange wirst du wohl noch warten können!“, antwortet sie.
„Dann will ich grau!“, sagt er.
Hier kippt der Text noch etwas mehr ins Groteske, und biegt jetzt endgültig auf diese Strecke ab, auf der ich ihm nicht mehr ganz folgen mag.
„Letzte Woche hatte ich auch so einen“
Und hier bin ich dann ausgestiegen (ich habe noch weitergelesen, aber diese Lästereien über den inzwischen abgetretenen Ehegatten und den Austausch über abwaschbare Bezüge fand ich dann nicht mehr wirklich interessant).
„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“
Der Satz schließt diese Szene wiederum gut ab, auch, weil ich mir sofort denke : "Doch, gute Frau, ich glaube, er ist noch viel schlimmer."

Es ist nun gewiss keine Geschichte für die Ewigkeit, aber immerhin ein gut lesbares Häppchen mit sehr ordentlich konstruiertem Dialog und (leider) ohne Nebenwirkungen. Danke dir!
Gruß
bvw

 

Der Mann hat an nichts Interesse, will weder über ein Sofa noch über die Farbe nachdenken. Auch der Verkäufer ist für ihn Statist. Da steht einfach ein Mann, bei dem er Unterstützung sucht. So hatte ich es zumindest intendiert.
Dass der Ehemann desinteressiert ist, habe ich deutlich gemerkt. Ja, etwas klischeehaft, aber ich kann es gut nachempfinden. Ich glaube, der Verkäufer war das Problem. Es kam für mich nicht so herüber als wenn er dem Ehemann wichtig gewesen wäre und der Verkäufer wirkte unprofessionell als auch unsympathisch. Man spricht nicht so über einen anwesenden Kunden und ich könnte mir vorstellen, dass erst da die Eskalation begonnen hätte. Welcher MANN lässt sich so etwas bieten?

 

Hallo @Jaylow,

„Grau passt zu allem“, sagt der Verkäufer.
„Reden Sie bloß nicht weiter!“, warnt er.
Gut! Fast schon Friedensnobelpreiswürdig, diese Deeskalation ...

Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er es, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.

„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
„Sind aus dem Haus“, sagt sie. „Warum?“
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“

Eine sehr gelungene Wende, ganz klassisch: Kommt unerwartet, überlässt der Fantasie des Lesers die eigentliche Aussage.

Dieses "so schlimm ist er nicht" ist klasse - denn es impliziert, das er doch irgendwie schlimm ist (was der Text durchaus untermauert).

Gelungener humoristischer Text, gute Idee: Ein schlimmer Mann ist mal nicht das Sexualmonster ... ein Einkaufsquerulant ist auch nicht angenehm (und Frauen, wie die dargestellte, auch nicht).

LG,

Woltochinon

 

Hallo @brudervomweber,


ich bin sehr gut durch deinen Test hindurchgeglitten, weil dir der Fluss des Dialogs wirklich außerordentlich gut geglückt ist.
Vielen Dank, das freut mich sehr!
Hier kippt es jetzt (für mich) leider ins Parodistische oder Humoristische, und das Unangenehme verflüchtigt sich.
Ja, der Text hat etwas von einer Parodie. Es ist bereits kritisch angemerkt worden, dass ein zusätzlicher Humor-Tag hilfreich gewesen wäre. Vermutlich ist er das. Aber ich finde es nicht so schlimm, wenn Erwartungen gebrochen werden - zumindest in diesem Fall nicht.
So wird die Geschichte von etwas, was über diese Episode hinaus gewirkt hätte, doch nur zu einer Episodengeschichte, einem Sketch.
Vielleicht, ja. Ein ganz klein bisschen mehr hatte ich mir erhofft, da Gespräche in dieser Art durchaus nicht völlig unrealistisch sind, aber mein Fokus lag tatsächlich auf einer unterhaltsamen Episode.
Es ist nun gewiss keine Geschichte für die Ewigkeit, aber immerhin ein gut lesbares Häppchen mit sehr ordentlich konstruiertem Dialog und (leider) ohne Nebenwirkungen.
Immerhin! Etwas mehr Nebenwirkung hätte ich mir gewünscht, aber ich denke, du hast
recht.

Vielen Dank für deinen Kommentar, besten Gruß

Jaylow

 

Hallo @XVIII,

Ich glaube, der Verkäufer war das Problem. Es kam für mich nicht so herüber als wenn er dem Ehemann wichtig gewesen wäre und der Verkäufer wirkte unprofessionell als auch unsympathisch.
Der Verkäufer war dem Ehemann völlig egal, aber er reagiert auf seine Art und geht irgendwann zum Gegenangriff über. So zumindest war die Intention. Die Situation zum Schluss ist ganz sicher überzeichnet, sollte aber den Ehemann als schwachen Part entlarven, im Gegensatz zu seinem Selbstverständnis. Der Verkäufer lässt sich eben auch nicht alles bieten.

Vielen Dank fürs Lesen und ein schönes Wochenende wünscht

Jaylow

 

Hallo @Woltochinon,

Gut! Fast schon Friedensnobelpreiswürdig, diese Deeskalation ...
ja, hier scheint er sich noch diskret zurückzuhalten, bereitet aber den Gegenangriff vor.
Dieses "so schlimm ist er nicht" ist klasse - denn es impliziert, das er doch irgendwie schlimm ist (was der Text durchaus untermauert). Gelungener humoristischer Text, gute Idee
Deine Einschätzung deckt sich mit meiner Intention völlig, vielen Dank! Der Text besteht fast nur aus Dialogen, es gibt kaum Beschreibungen, das sollte die Ereignisse authentisch wirken lassen mit genug Luft zu Interpretation. Und der Typ ist natürlich ein mieser Lappen, man möchte gar nicht wissen, wie schlimm der sonst noch ist!
Das mit dem Humor-Tag hatte ich bereits erwähnt, und deine Klassifizierung als humoristischen Text ist natürlich völlig richtig!

Ich bedanke mich fürs Beschäftigen und deine Einschätzung, hat mich sehr gefreut!

Ein entspanntes Wochenende wünscht

Jaylow

 

Moin,

ich tu mich ein bisschen schwer zu erklären, was mich an der Geschichte (ist das überhaupt eine Kurzgeschichte und nicht eher eine Szene? Ein Sketch?) stört. Verzeih, wenn ich das ein bisschen hier vor mich hin entwickle.
Ich glaube der Text will eine Spur zu sehr etwas von mir, das ich nicht bereit bin zu geben - mein zustimmendes Nicken, mein Schmunzeln? Weil die Pointen so deutlich daherkommen wie Lachanweisungen in Comedy-Shows?
Wobei, sagen muss ich - Humor ist so schwer, ich könnte das nicht, und du hast einen wunderbaren Versuch unternommen, Respekt!

Er will das auf keinen Fall so. Vor allem nicht in der Farbe. Eigentlich ist es ihm egal, aber so läuft das nicht.

Ich kann den Ehemann schlecht einordnen. Es wirkt doch so, als wolle er überhaupt kein neues Sofa, sonst macht der erste Satz wenig Sinn. Hat sich also mitschleppen lassen? Aber für einen Ehemann-Pudel, der treudoof in jedes Geschäft hinterherläuft, ist er mir dann wieder zu aggressiv ...

„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben!“, sagt er zu ihm.

Er ist mitgelatscht, aber irgendwo auch ein Bestimmer, wie schon gesagt, ich kriege das bei mir nicht ganz sortiert.

„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.

Mit dem Verkäufer komme ich noch weniger klar, der haut vorgestanzte Sätze heraus wie ein K.I.-gesteuerter Roboter.

gleich geht das Fußballspiel los

braucht es nicht unbedingt, diesen Satz

Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.

Dass er jetzt noch mehr ins Aggressive dreht, hilft dem Text nicht weiter. Klischees kommen ins Spiel, aber sehr lustig ist das nicht.

„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor!“
„Ich soll mit dem Bus fahren? Solange wirst du wohl noch warten können!“, antwortet sie.

Ich bin so blöd, erst beim gefühlt 100. Lesen habe ich verstanden, dass er schon nach Hause fahren will. Die ganze Zeit dachte ich, er will das Auto vorfahren, um sie einsteigen zu lassen.

„Dann will ich grau!“, sagt er.

Häh? Wieso?

„Grau passt zu allem“, sagt der Verkäufer.

Ups, was soll das?

„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.

Und was kommt jetzt?

Sorry, es hat für mich nicht richtig funktioniert!

F.

 

Hallo @Jaylow,


Der Text besteht fast nur aus Dialogen, es gibt kaum Beschreibungen, das sollte die Ereignisse authentisch wirken lassen mit genug Luft zu Interpretation.
E gab mal einen Autoren hier, der hat (fast) nur Dialoge als Geschichten geschrieben. Ich finde, du hast das gut umgesetzt. Diese Möglichkeit Texte zu schreiben sollte man nicht auslassen.

Und der Typ ist natürlich ein mieser Lappen, man möchte gar nicht wissen, wie schlimm der sonst noch ist!
Wobei mir die Frau auch nicht ganz harmlos vorkommt ...
Deine Geschichte weckt bei mir Erinnerungen an die Ehepaare in den Herman-Cartoons von Unger.

witzig geschrieben. Erinnert mit an Loriot in "Ödi
@Frieda Kreuz ... und bei mir an Herman-Cartoons!

Ich wünsche euch ein super Wochenende!

Woltochinon

pussi".

 

Hallo @Fred,

Sorry, es hat für mich nicht richtig funktioniert!
Du musst dich nicht entschuldigen!
Ich glaube der Text will eine Spur zu sehr etwas von mir, das ich nicht bereit bin zu geben
Musst du auch nicht! Was nicht funktioniert, funktioniert nicht. Humor ist schwer, schreibst du an anderer Stelle. Das ist vermutlich der Grund, warum ich mit dem Humor-Tag fremdel, wir haben jedenfalls eine sehr unterschiedliche Auffassung. Damit muss ich leben, vielen Dank für deine Zeit auf alle Fälle!

Schönen Gruß

Jaylow

Hallo @Woltochinon,

der Autor würde mich sehr interessieren! Als ein wirklich gutes Beispiel für einen Schriftsteller, der mit extrem vielen (und, wie ich zumindest finde, witzigen) Dialogen arbeitet, ist Castle Freeman etwa in "Männer mit Erfahrung", im Gegensatz zu Dörte Hansen, die Dialoge praktisch gar nicht einsetzt. Beides kann sicher zu einem guten Ergebnis führen! (Das hat nichts mit meinem Text zu tun, der vielleicht etwas lasch geraten ist - wie auch immer)

Besten Gruß von

Jaylow

 

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