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Sonnenstrahlen im November

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09.05.2005
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Sonnenstrahlen im November

Der Himmel war an diesem Morgen mit dicken grauen Regenwolken verhangen. Noch regnete es nicht.
Pietro sah missmutig aus dem Fenster und kaute verschlafen auf seinen Cornflakes herum. Er war sich sicher. Dieser Tag würde genau wie schon zu viele zuvor spurlos an ihm vorüberziehen.
Er sah auf die Küchenuhr. Mist, schon zwanzig nach sieben. Er ließ die halbvolle Schale mit den Cornflakes auf dem kleinen Esstisch stehen, nahm seine Tasche und seinen Mantel und verließ das Haus.

Es wehte ein leichter, aber nasskalter Wind. so ein Wind, der einem mit seiner Kälte unter die Klamotten kriecht, egal wie dick man angezogen ist. Aber das störte Pietro inzwischen auch nicht mehr. Er vergrub seine Hände in den Manteltaschen und stellte sich auf die Bordsteinkante der Bushaltestelle. Hier wartete er immer. Auf der Bank im Wartehäuschen säße er zwar bequemer und halbwegs windstill, aber von seinem Standort aus konnte er den Bus schon ein paar Sekunden früher sehen.
Er schaute nach oben. Wenn er Langeweile hatte, schaute er oft in die Wolken und suchte nach versteckten Skulpturen und Gesichtern. Heute jedoch war nichts zu erkennen. Wahrscheinlich war die Wolkendecke einfach zu dick und undurchdringlich.

Aah, da war ja die 17. Endlich.
Pietro stieg durch die hintere Tür in den überfüllten Bus ein und stand dicht an die griesgrämigen Fahrgäste mit ihren Handtaschen, Aktenkoffern und Rucksäcken gedrängt. An der nächsten Haltestelle stiegen noch mehr blasse Gesichter mit grauen und braunen Regenmänteln ein. Der Bus fuhr weiter. Inzwischen hatte es auch angefangen zu regnen.
Pietro sah wieder aus dem Fenster. In der dichten Bewölkung war ein kleines Loch aufgerissen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Lücke gebrochen waren, leuchteten in der diesigen Luft wie ein Scheinwerfer im Nebel.
Er wendete den Blick wieder zur Tür, die sich auch an der folgenden Haltestelle mit einem Zischen öffnete. Mehr dunkle Regenmäntel stiegen ein. Aber nicht nur.

Eine knallgelbe Windjacke, die zu einem Hinterkopf gehörte, der Pietros ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, drückte sich gegen seinen Arm. Gegen den Arm, mit dem er sich krampfhaft an einer der klebrigen Haltestangen festhielt.
Normalerweise war ihm jeder Körperkontakt mit diesen unbekannten, ständig drängelnden Leuten zuwider, aber dieser Rücken fühlte sich anders an. Es war kein gehetztes Drängeln, sondern vielmehr ein sanftes Anlehnen.
Pietro betrachtete den kunstvoll geflochtenen Zopf, der die rotbraun glänzenden Haare zusammenhielt. Für einen Moment vergaß er den Regen, die Kälte und die griesgrämigen Gesichter.
Warum hatte er sie zuvor noch nie bemerkt?

Der Bus fuhr mit einem Ruck an. Pietro konnte sein Gleichgewicht gerade noch halten. Das Mädchen mit der gelben Jacke hatte jedoch noch keinen Halt gefunden und kippte rückwärts geradewegs in Pietros Arme.
„Oh, Tschuldigung...“, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.
„Och, macht doch nichts...“, entgegnete Pietro großmütig und lächelte auch ein bisschen.
Der Bus hielt vor dem alten Hauptgebäude des Bahnhofs
„Ich muss jetzt aussteigen“, sagte sie als die Türen schon offen waren.
„Vielleicht sieht man sich ja nochmal“, antwortete Pietro mit ungewohnt fröhlichem Ausdruck.
Der Bus schloss seine Türe und setzte die Fahrt durch den nassgrauen Morgen fort.

 

Hallo Kastanie,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Ich bin mir sicher, dies ist nicht die erste Geschichte, die du geschrieben hast.
Deine Geschichte hat mir gefallen, auch wenn der Titel schon relativ viel vom Inhalt verraten hat. Für mich jedenfalls.

Schön fand ich, dass du die Geschichte melancholisch hast enden lassen. Als das Mädchen beim Bremsen des Busses in den Jungen gerempelt ist, dachte ich mir: "Oh nein, nicht soooooo eine Geschichte."
Ich hoffe jedenfalls, dass die beiden sich nochmal begegenen werden.

Ich finde an manchen Stellen könntest du ein wenig kürzen. Du hast ein paar Stellen im Text, die die Geschichte nicht wirklich voran bringen. Wenn du möchtest kann ich dir ein paar Stellen heraus suchen, bei denen ich das so empfunden habe.

LG
Bella

 

Hallo Bella,

über den Titel habe ich auch eine Weile nachgedacht. Ich habe nach einem einfachen Titel gesucht, der nicht allzuviel über die Geschichte verrät. Aber wenn man den ersten Teil der Geschichte gelesen hat, kann man sich wahrscheinlich schon denken, dass noch ein Mädchen auftauchen wird. Für Titelvorschläge bin ich sehr offen.

Dass nicht jeder Satz die Story weiterbringt beruht darauf, dass es mir wichtig war, die Stimmung und Atmosphäre, in der sich der Prot. befindet zu schildern. Vielleicht habe ich damit an einigen Stellen übertrieben ;) Wenn du mir sagen kannst wo, gerne!

Gruß,

Kastanie

 

Hallo Kastanie,

die Kurzgeschichte hat mir gut gefallen.
Ich kann das Geschriebene gut nachvollziehen, da ich auch Jahre lang mit dem Bus in die Schule und später zur Arbeit gefahren bin.

Die Gefühle, die jeden Morgen in einem voll gestopften Bus aufkommen, sind meines Erachtens sehr gut beschrieben.

Nur eines habe ich bedauert, dass das Mädchen sehr kurz in der Geschichte erschienen ist. Vielleicht hättest du noch ein bisschen mehr Unterhaltung zwischen den beiden Jugendlichen hineinbringen können, oder ist Pietro eher einer von der ruhigen und schüchternen Sorte?

Das einzige, was mir nicht so gefallen hat, sind einige Wiederholungen.

Es wehte ein leichter, aber nasskalter Wind. So ein Wind, der mit seiner Kälte...

vielleicht: Es wehte eine leichte, aber nasskalte Brise. So ein Wind, der....

Er vergrub seine Hände in den Manteltaschen und stellte sich auf die Bordsteinkante der Bushaltestelle. ......aber von der Bordsteinkante aus konnte er den Bus schon ein paar Sekunden früher sehen.

.... aber von seinem Standort aus .....

Er schaute in die Wolken. Wenn er Langeweile hatte, schaute er oft in die Wolken und suchte nach versteckten Skulpturen und Gesichtern.

Wenn der Langeweile hatte, sah er oft in den Himmel und.....

In der dichten Wolkendecke war ein kleines Loch aufgerissen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke gebrochen waren,...

Die Sonnenstrahlen, die durch diese Lücke gebrochen waren,....

Dies sind nur ein paar Vorschläge von mir, um die Wiederholungen zu vermeiden.

Auch bei der wörtlichen Rede müsstest du die Zeichensetzung noch überarbeiten.

„Oh, Tschuldigung...sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

„Oh, Tschuldigung...“, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.

Das war es von mir.
Viel Spass beim Weiterschreiben.

Viele Grüße

bambu

 

Hallo Kastanie,

deine Geschichte habe ich gerne gelesen. Wie die anderen und du selbst bemerktest, ist der Titel etwas unglücklich gewählt. Ich würde dabei viel neutraler bleiben, vielleicht: Die morgentliche Busfahrt oder: Gelb wie die Sonne oder so in der Art.

Viel Spaß weiterhin hier.
Lieber Gruß
ber

 

Hallo Kastanie,

die Geschichte hat mir dank ihrer Natürlichkeit sehr gut gefallen, allerdings würde ich vorschlagen, dass du mit Adjektiven etwas sparsamer umgehst. Als Beispiel dafür, wie ich das meine, der erste Abschnitt:

"Der Himmel war an diesem Morgen mit dicken grauen Regenwolken verhangen. Noch regnete es nicht. Pietro sah missmutig aus dem Fenster und kaute noch leicht verschlafen auf seinen Cornflakes herum. Er war sich sicher. Dieser Tag würde genau wie schon zu viele zuvor spurlos an ihm vorüberziehen. Er hatte es aufgegeben auf ein Wunder zu warten. Er sah auf die Küchenuhr. Mist, schon zwanzig nach sieben. Er ließ die halbvolle Schale mit den Cornflakes auf dem kleinen Esstisch stehen, nahm seine Tasche und seinen Mantel und verließ das Haus."

Die markierten Adjektive/Adverbien sind entweder unwichtige Zusatzinformationen (weil aus dem Zusammenhang deutlich genug bzw. schlicht und einfach uninteressant) oder schwächen die eigene Aussage des Satzes unnötigerweise (va. das "leicht" verschlafen).

Das ist natürlich nur ein Detail, aber es hilft vielleicht, den etwas langen Einstieg zu verkürzen.

Viele Grüsse,
Sorontur

 

Hallo Kastanie,

wie versprochen: Die Stellen, die du, meiner Meinung nach, streichen könntest. Bitte verstehe das nur als meinen persönlichen Vorschlag.
Ich habe hier den gesamten Text kopiert. Die Stellen, die du streichen könntest, markiere ich fett.

Der Himmel war an diesem Morgen mit dicken grauen Regenwolken verhangen. Noch regnete es nicht. Pietro sah missmutig aus dem Fenster und kaute noch leicht verschlafen auf seinen Cornflakes herum. Er war sich sicher. Dieser Tag würde genau wie schon zu viele zuvor spurlos an ihm vorüberziehen. Er hatte es aufgegeben auf ein Wunder zu warten. Er sah auf die Küchenuhr. Mist, schon zwanzig nach sieben. Er ließ die halbvolle Schale mit den Cornflakes auf dem kleinen Esstisch stehen, nahm seine Tasche und seinen Mantel und verließ das Haus.

Es wehte ein leichter, aber nasskalter Wind. So ein Wind, der mit seiner Kälte unter die Klamotten kriecht, egal wie dick man angezogen ist. Aber das störte Pietro inzwischen auch nicht mehr. Er vergrub seine Hände in den Manteltaschen und stellte sich auf die Bordsteinkante der Bushaltestelle. Hier wartete er immer. Auf der Bank im Wartehäuschen säße er zwar bequemer und halbwegs windstill, aber von der Bordsteinkante aus konnte er den Bus schon ein paar Sekunden früher sehen. Er lehnte sich leicht vor. Der Bus war noch nicht zu sehen. Er schaute in die Wolken. Wenn er Langeweile hatte, schaute er oft in die Wolken und suchte nach versteckten Skulpturen und Gesichtern. Heute jedoch war nichts zu erkennen. Wahrscheinlich war die Wolkendecke einfach zu dick und undurchdringlich.

Aah, da war ja die 17. Endlich. Pietro stieg durch die hintere Tür in den überfüllten Bus ein und stand dicht an die griesgrämigen Fahrgäste mit ihren Handtaschen, Aktenkoffern und Rucksäcken gedrängt. An der nächsten Haltestelle stiegen noch mehr blasse Gesichter mit grauen und braunen Regenmänteln ein. Der Bus fuhr weiter. Inzwischen hatte es auch angefangen zu regnen.
Pietro sah wieder aus dem Fenster. In der dichten Wolkendecke war ein kleines Loch aufgerissen. Die Sonnenstrahlen, die durch die Wolkendecke gebrochen waren, leuchteten in der diesigen Luft wie ein Scheinwerfer im Nebel. Er wendete den Blick wieder zur Tür, die sich auch an der folgenden Haltestelle mit einem Zischen öffnete. Mehr dunkle Regenmäntel stiegen ein. Aber nicht nur.

Eine knallgelbe Windjacke, die zu einem Hinterkopf gehörte, der Pietros ganze Aufmerksamkeit auf sich zog, drückte sich gegen seinen Arm. Gegen den Arm, mit dem er sich krampfhaft an einer der klebrigen Haltestangen festhielt. Normalerweise war ihm jeder Körperkontakt mit diesen unbekannten, ständig drängelnden Leuten zuwider, aber dieser Rücken fühlte sich anders an. Es war kein gehetztes Drängeln, sondern vielmehr ein sanftes Anlehnen. Pietro betrachtete den kunstvoll geflochtenen Zopf, der die rotbraun glänzenden Haare zusammenhielt. Für einen Moment vergaß er den Regen, die Kälte und die griesgrämigen Gesichter. Warum hatte er sie zuvor noch nie bemerkt? Er fuhr doch nun schon seit über zwei Jahren jeden Morgen mit der 17.
Der Bus fuhr mit einem Ruck an. Pietro konnte sein Gleichgewicht gerade noch halten. Das Mädchen mit der gelben Jacke hatte jedoch noch keinen Halt gefunden und kippte rückwärts geradewegs in Pietros Arme.
„Oh, Tschuldigung...“ sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.
„Och, macht doch nichts...“ entgegnete Pietro großmütig und lächelte auch ein bisschen.
Der Bus hielt vor dem alten Hauptgebäude des Bahnhofs
„Ich muss jetzt aussteigen“ sagte sie als die Türen schon offen waren.
„Vielleicht sieht man sich ja nochmal“ antwortete Pietro mit ungewohnt fröhlichem Ausdruck.
Der Bus schloss seine Türen wieder und setzte die Fahrt durch den nassgrauen Morgen fort.

Wie du siehst - sehr viel ist nicht zusammen gekommen. Solltest du diese Sätze streichen, könntest du ja dafür noch ein paar Details über das Mädchen hinzufügen.

LG
Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Was lange währt wird endlich... besser

Hallo liebe Kritiker,

nach über einem Jahr Bendenkzeit, habe ich mir diese Geschichte inklusive Kritik noch einmal angeschaut und jetzt, mit etwas mehr Distanz, stimme ich euch in den meisten Punkten zu. Da dies tatsächlich die allererste Kurzgeschichte ist, die ich geschrieben habe, wollte ich sie anfänglich nur ungern ändern.

Bis auf einige Ausnahmen, habe ich mir alle Kritiken zu Herzen genommen und bin euch allen sehr dankbar:thumbsup: .

@Soruntor: Ja, ich benutze recht viele Adjektive, die ich auch nicht alle streichen möchte. Da diese Geschichte relativ wenig Handlung vorzuweisen hat, waren mir die Beschreibungen sehr wichtig und ich wollte sicher gehen, dass ich die richtige Stimmung erzeuge bzw. wiedergebe. Z.B dient das "kleine" vor dem Esstisch dazu, zu vermitteln, dass er nicht in einem großen Haus sondern in einer kleinen Wohnung lebt, wahrscheinlich alleine.
Ich habe schon festgestellt, dass ich dazu neige zu viel Beschreibung und zu wenig Handlung zu bieten. Werde versuchen, dass in den nächsten Geschichten zu verbessern.

@bambu: Habe alle Wiederholungen soweit beseitigt, bis auf den "Wind", den ich absichtlich in so kurzem Abstand wiederhole.

@bella: "Aber das störte Pietro inzwischen auch nicht mehr" ist der einzige vorgeschlagene Satz, den ich nicht gelöscht habe, da er verdeutlicht, dass er früher nicht so gleichgültig war. Und nun ist ihm sogar egal, wenn ihm die Kälte unter den Mantel kriecht.

Gefällt euch die Geschichte jetzt besser? Was haltet ihr vom neuen Titel?:schiel:

Liebe Grüße,

Kastanie

 

Anmerkung: Der neue Titel lautet: "Sonnenstrahlen im November" Leider konnte ich den angezeigten Titel nicht nachträglich ändern

Das können nur Moderatoren. Bitte doch einen aus Alltag darum, du findest sie oberhalb der Alltag-Rubrik.

 

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