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Sonntagsbrötchen
Sonntagsbrötchen!
Alles beginnt am Sonntagmorgen gegen acht Uhr.
Wer kennt es nicht, man liegt im Bett und beginnt sich von der einen auf die andere Seite zu drehen. Eigentlich ist man zu wach um weiterzuschlafen andererseits noch zu müde um aufzustehen. Mit dem Hin- und Herdrehen beschäftigt man sich solange, bis die Liebste die ersten Regungen von sich gibt.
Vorsichtig erkundet man, ob sie noch schläft.
Meine Finger tasten sich in ihre Richtung und beginnen die Decke zu lupfen, in die sie sich noch eingekuschelt hat.
Sollte sie sich nicht bewegen, so kann dies bedeuten - das sie schläft. Es kann aber auch heißen, dass sie nur so tut als würde sie schlafen, um ihre Ruhe vor mir zu haben.
Ich überlege wie der gestrige Abend gelaufen ist und gelange nach und nach zu der Erkenntnis, dass ein durchaus harmonischer Ausklang stattgefunden hat.
Sicherlich gab es ein paar Situationen, die etwas unglücklich gelaufen sind aber das hat meine Art eben so an sich. Einige behaupten ich sei zu ehrlich oder zu direkt.
„Kann man zu ehrlich sein?“
Wenn mich meine Schwiegermutter fragt ob wir etwas gegen eine Einladung in ihr Lieblingsrestaurant haben und ich ihr entgegne duzend bessere zu kennen, so ist das doch nur ehrlich!
Das es unhöflich ist anderen ins Wort zu fallen und so die eingeforderte Antwort im Keim zu ersticken, kann man seiner Schwiegermutter doch auch mitteilen.
Ich kann darin nichts streitsüchtiges erkennen.
Also daran kann es nicht liegen, dass meine Frau die, mittlerweile an ihrer Schulter angekommenen, Finger ignoriert.
Verdammt sie muss doch schon wach sein, kein normaler Mensch schläft fünf Stunden am Stück!
Fünf Minuten später – ich liege inzwischen mit dem Rücken zu ihr – spüre ich ihre Finger an meiner Schulter. Sie tasten sich Stück für Stück weiter und bohren sich schlussendlich in mein Kreuz.
Wie von der Tarantel gestochen drehe ich mich um und raunze meine Gattin an: „ Wenn du sauer auf mich bist, dann sag das gefälligst und tu nicht so als würdest du schlafen!“
Etwas irritiert sieht meine Holde mich an und irgendwie scheint nun eine Entschuldigung meinerseits fällig zu werden.
Krampfhaft bemühe ich mich, mich vor einer direkten Entschuldigung zu drücken und erwidere nur: „Du hast mich aus einem Traum gerissen in dem wir uns wegen deiner Mutter gestritten haben. Und außerdem, wer kann schon mit lediglich fünf Stunden Schlaf auskommen?“
Ein bisschen schuldbewusst sieht mich meine Ex-Verlobte an, doch großmütig vergebe ich ihr recht schnell ihre viel zu frühe Weckaktion.
Nach diesem kleinen Wortgerangel gibt es den Gut-Morgen-Kuss und alles ist wieder gut.
Ungewaschen „springe“ ich in die Sportsachen und verstecke meine zerwühlten Haare unter einer alten Kappe, es sähe wahrscheinlich gepflegter aus, wenn ich die zerwühlte Haarpracht offen tragen würde.
Sonntags gibt es Brötchen und raten sie mal wer diese besorgen darf?
Richtig – ich natürlich!
Die Überlegung ob ich das mit dem Fahrrad oder mit dem Auto erledige stellt sich nicht wirklich.
Mein Rad müsste ich aus unserem Keller freischaufeln und mindestens zwei wenn nicht sogar drei Stufen hinauf tragen. Es erscheint sinnvoller das Auto zu wählen, es steht eh in Fahrtrichtung und außerdem regnet es.
Behände wie eine junge Antilope schlurfe ich zum Vehikel und muss beim Starten feststellen am gestrigen Abend wohl etwas lautere Musik gehört zu haben, denn zeitgleich mit dem Motorengeräusch begrüßt mich Metallica durch alle sechs Boxen.
Etwas rasanter schieße ich rückwärts aus der Parklücke und mir wird schnell klar, dass ich nicht nur das Radio nicht aus gemacht hatte, sondern ebenfalls das Sonnendach nicht ganz geschlossen hatte. Das angesammelte Regenwasser ergießt sich, wie die Niagarafälle, über die Frontsitze, wobei ich den Fahrersitz, mit meinem Körper, trocken halten kann.
Der Widerspruch könnte nicht größer sein. Während ich den Klängen einer Rockgruppe lausche pilgert eine Schar von älteren Leuten, unter tosendem Glockengeläut, zur Kirche. Während die Leute, unter ihren Schirmen trocken sind, sitze ich klitschnass im Auto.
Nichts desto trotz, stehe ich samt Auto zwei Minuten später vor der Bäckerei – und wäre ich nicht so flexibel, würde ich auch noch eine halbe Stunde länger vor ihr stehen. Ausnahmsweise öffnet mein Bäcker heute eben diese 30 Minuten später.
Ich überlege kurz und treffe die äußerst kluge Entscheidung zur nächsten Tankstelle zu fahren um mich dort mit Brötchen zu versorgen.
An der Kasse muss ich feststellen, dass ich gar nicht genug Geld dabei habe.
Da ich es albern finde 3,65 Euro mit der EC-Karte zu bezahlen, hole ich noch eine Stange Zigaretten, einen Kasten Bier, Sprudel und ein Kuscheltier für meine Tochter und verlasse den Schalterraum.
Bis auf die Brötchen ist alles im Kofferraum untergebracht und ich mache mich auf den Weg nach Hause.
In unsere Straße einbiegend sehe ich immer noch vereinzelte Menschen in die Kirche gehen. Sehr zu meinem Verdruss gehen jedoch nicht alle zu Fuß. Nein, einige haben sich zu (P)fahrgemeinschaften zusammen geschlossen und haben nichts besseres zu tun, als mir meinen Parkplatz streitig zu machen und ihn mir letztlich wegzunehmen.
Alles fluchen nutzt nichts, ich muss Wohl oder Übel auf dem Bürgersteig parken.
Beim Aussteigen schimpft auch prompt eine ältere Dame über die heutige Jugend. Ich reiße mich zusammen und verbiete mir jeglichen Kommentar.
Die Brötchentüte reißt sich zwar nicht zusammen aber reißen tut sie auch! Durch die Nässe des Sitzes ist ihr Boden aufgeweicht und gibt dem Druck der Backwaren nach!!!
Da liegen nun meine fünf Brötchen und drei Hörnchen in einer großen Pfütze vor mir auf dem Boden.
Aber ich halte mich im Zaum und denke nur: "Na, dann eben nicht!" Ich gehe weiter zum Kofferraum und schnappe mir meinen Bierkasten.
Eher für den Tag bedient als fröhlich steige ich die zwei Etagen zu unserer Wohnung hinauf. Auf dem Weg begegnet mir unser Nachbar, der mich höflich grüßt und wissen will, ob es immer noch regnet. Angewidert grüße ich, völlig durchnässt, mit den Worten: „Aha, geht wohl zur Kirche, nehmen sie Sonnencreme mit, sehen ja wie ich schwitze!?!“, knapp zurück und verschwinde in der Wohnung.
Ich bringe den Bierkasten ins Wohnzimmer, wo meine Liebste am Frühstückstisch sitzt und bereits ungeduldig auf die Sonntagsbrötchen wartet.
Mit den Worten: „Brötchen sind unten!!!“, und dem Kasten unterm Arm verschwinde ich unwirsch im Arbeitszimmer.
Prost!