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Copywrite Spätsommerreise

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20.01.2018
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Spätsommerreise

1. Auf der anderen Straßenseite steht ein Toter. Ein Mann, schätze ich, oder zumindest der Körper eines solchen; groß, breites Kreuz, teure Schuhe.
Ein mächtiger Spätsommerregen prasselt auf die Pflastersteine zwischen uns.

2. Im vollständig bandagierten Gesicht trägt der Tote eine verspiegelte Sonnenbrille und Kopfhörer, dazu ein mitternachtsblauer Mantel, dessen Spitzen ihm um die Knie flattern.
Silberne Knöpfe halten den Stoff straff am Körper.

3. Die eine Hand steckt in der Manteltasche, in der anderen hält der Tote einen Walkman. Er steht im Regen, das bandagierte Gesicht zum Himmel, und lauscht, was ihm die Kopfhörer zu erzählen haben.
Der Tote riecht nach Rosenöl und Baumharz. Nicht einmal der Regen kann das verwaschen.

4. Der Tote sagt etwas; ich sehe, wie sich unter den Bandagen Lippen bewegen. Seine Stimme geht im Orchester aufplatzender Wassertropfen unter; vielleicht ist er auch stumm.
Ich glaube, er ruft nach mir.

5. Rinnsale bilden sich, fließen gemeinsam die Straße hinunter. Rotes Make-up treibt mit. Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das Innerste übrig ist. Nur das, was nicht gehen kann.

6. Ich sage dem Toten, er soll verschwinden.
Er lässt den Walkman in die Tasche gleiten. „Darf ich zu dir herüberkommen?“, ruft er durch den Regen.
Ich beachte ihn nicht. Vielleicht geht er dann wieder weg.

7. An einem Metallpfahl hat Papas Nachbar seine Bulldogge angekettet. Der Tote macht einen Schritt auf die Straße. Kein Laut löst sich aus dem Maul der Bulldogge; sie zerrt an der Kette, kauert sich dann auf den Boden, still und heimlich, als wünschte sie, darin zu versinken.

8. „Hallo“, sagt der Tote und geht in die Knie, die bandagierten Hände auf die Oberschenkel gestützt; die Mantelspitzen baumeln im Dreck.
„Kannst du mich verstehen?“, frage ich.
Der Tote zeigt auf die Kopfhörer. „Sogar ganz wunderbar.“

8. „Wer bist du?“
„Ein … Fährmann.“
„Wenn es so weiter regnet, könnte ich einen gebrauchen“, sage ich.
Ich glaube, unter den Bandagen schmunzelt der Tote.

9. „Warum sitzt du da?“, fragt der Tote.
„Ich warte. Auf Papa.“
Der Tote schweigt.
Was gibt es da auch zu sagen.

10. Der Tote und ich warten zusammen. Er setzt sich auf die Türschwelle neben mich. So lange zu warten macht einsam, da ist jede Gesellschaft willkommen.
Je länger ich mit ihm sitze, desto mehr glaube ich, dass genau das seine Aufgabe ist.

11. „Was macht ein Fährmann so?“
„Worauf tippst du denn?“
„Irgendetwas mit Schiffen.“
„Das ist gar nicht so falsch.“

12. „Wie lange wartest du schon auf deinen Vater?“
„Weiß nicht.“
„Du hast dich verirrt.“
Ich schaue meinem Make-Up nach, das zwischen den Pflastersteinen verläuft. Ich kann mich nicht verirrt haben, denke ich; ich hab ja gar kein Ziel.

13. Papa verirrt sich nicht. Um halb zwei ändert sich das Prasseln der Regentropfen; weiche Schläge, wie Finger auf einer Trommel.
Vier verhüllte Beine eilen die Straße herauf; zwei lange, zwei kurze. Jemand kichert unter dem Regenmantel. Es schnürt mir die Kehle zu.

14. Der Regenmantel stoppt. Jemand bückt sich; ein Arm bricht durch den Stoff, wirft ihn zurück. Es ist Papa, in der Hand ein Schlüssel; die Haarsträhnen kleben an der Stirn. Ihm ist ein Bart gewachsen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Er wirkt so reif, so stark im Regen.
Wie der Vater einer anderen.

15. „Papa?“ Ich stehe auf.
Er bleibt stehen; sein Blick fällt auf das Make-up, das ihm gegen die Stiefel schwappt. Langsam hebt er den Kopf; ich folge seinen Augen. Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet im Regen.
Unsere Blicke treffen sich.

16. „Papa. Ich bin es.“
Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Sein Blick hält stand.
Ich strecke die Hand nach ihm aus; Regentropfen fallen durch meine Finger, platzen unter meinen Schuhen auf dem Straßenpflaster auf. So viel ist schon abgetragen; ich bin nicht mehr als meine eigene Erinnerung.

17. „Papa?“ Aus dem Regenmantel schaut ein Mädchen mit fuchsroten Haaren und Sommersprossen; fremd und doch vertraut. Papa dreht sich zu ihr.
„Ja?“
„Mach auf. Mir ist kalt“
„Ja, es ist nur …“ Er schüttelt sich das Wasser aus den Haaren. „Nur so ein Gedanke gerade“, sagt er.
Und läuft durch mich hindurch.

18. Zum ersten Mal scheint Papa den Toten zu bemerken. Er mustert ihn mit aufeinandergepressten Lippen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragt er.
Der Tote schmunzelt. „Sehr freundlich, aber nein. Wegen dir komme ich ein anderes Mal.“
Papa nickt langsam, als wäre er dadurch schlauer geworden.

19. Der Tote reicht Papa die Kopfhörer. „Möchtest du dich von ihr verabschieden?“
Papa starrt auf seine Hand. „Was?“
„Nimm es!“, schreie ich ihm ins Ohr. „Bitte!“
„Sie ist sehr aufgebracht“, sagt der Tote. „Sie bittet darum.“

20. Papas Blick wandert vom Walkman zur rot benetzten Treppenstufe. Mit zitternden Fingern schließt er die Haustür auf.
Der Geruch von Farbe kommt mir entgegen; inmitten einer Lache liegt ein leerer Eimer. Rote Pfotenabdrücke führen in die Wohnung.
Er atmet aus, richtet sich auf; die Hand fährt über die nassen Strähnen. Einen Augenblick lang sagt keiner ein Wort. „Finden Sie das witzig?“, fragt Papa den Toten; Schmerz liegt in seinem Gesicht.
Der Tote schweigt.

21. „Komm rein“, ruft Papa und schaut mich an.
Eine Hand fährt aus meiner Brust; der Arm, dann die Schulter. Das Mädchen im Regenmantel tapst die Stufen hinauf und verschwindet im Haus.
Papa wirft dem Toten einen letzten Blick zu, dann folgt er ihr.
Und schließt die Tür.

22. Der Tote setzt sich die Kopfhörer auf.
„Wollen wir?“, fragt er.
„Er will sich nicht von mir verabschieden.“
„Oh, das hat er schon. Schon vor langer Zeit.“

23.
„Muss ich gehen?“
„Willst du denn bleiben?“
Schwere Frage, denke ich. Wie kann ich denn wissen, ob ich aufbrechen will, wenn ich nicht weiß, was noch kommt?
Vielleicht kommt auch gar nichts mehr.
„Ist das das Ende?“, frage ich den Toten.
„Oh nein.“ Er lacht. „Das ist der Anfang.“
Ich schaue in den Himmel. Ich wünschte, ich könnte noch einmal den Regen auf meiner Haut spüren.
„Da, wo wir hingegehen, gibt es da Regen?“, frage ich.
„Den gibt es überall.
„Dann lass uns los.“
Wir folgen dem Make-up. Der Tote singt ein wortloses Lied. Zu unseren Füßen fließt der Regen dahin. Bald gräbt sich das Wasser in die Rillen zwischen den Pflastersteinen, spült Sand und Erde mit sich; die Steine lösen sich, treiben davon. Häuser versinken in Schlamm und Wasser. Was mal eine Straße war, ist zu einem reißenden Fluss gewachsen. Mein Make-up wird zu Fäden zerrissen, immer kleiner und kleiner, bis man es nicht mehr erkennt.

24. Der Tote setzt einen Fuß auf das Wasser und streckt die Hand nach mir aus. „Bist du bereit?“
Ich nicke; Wind zieht auf, peitscht wellenlos an uns vorbei.
Ich nehme seine Hand.
Regentropfen fallen mir auf die Haut.

 

Lieber @MRG ,
das ist ganz sicher nicht die Geschichte, die du erwartet hast, und erst Recht nicht der Text, den ich schreiben wollte. Aber um den Hundertjährgen zu zitieren. "Es ist, wie es ist, und es kommt, wie es kommt."
Grundlage für den Text ist Winterreise von @MRG . Im Endeffekt eine seltsame Fusion aus dem Konflikt deines Prots. und der Winterreise von Schubert.

 
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Lieber @Meuvind,

sorry, das der erste Kommentar solange dauert, meine ersten hat das System gefressen und ich sage es gerade heraus, ich bin zu doof für Deine Geschichte. Nein, nicht für die Geschichte, für Deine Copyidee dahinter - ich sehe sie einfach nicht, oder nur schemenhaft. Das ändert aber nichts daran, das ich Deine Geschichte sehr mag und wirklich mit "Vergnügen" gelesen habe. Da sind so wundervolle Brüche, damit bekommst Du mich immer. Also verzeih, wenn ich fast den ganzen Text zitiere, ich habe auch ewig nicht mehr kommentiert und fühle mich etwas hilflos. Lass mal schauen:

Ich war nochmal kurz bei @MRG zu Gast, die Geschichte lag mir nicht so recht, obwohl sie gut geschrieben ist. Ich finde "nur" die folgenden Bezugspunkte, wo ich ein anknüpfen erahne.

Komponisten klassischer Musik, CD-Player mitgebracht. Einen altmodischen CD-Player, Nur die Hunde knurren.

und natürlich die Winterreise, tatsächlich fiel sie mir sofort beim Lesen des Titels ein, was allerdings auch mit meiner derzeitigen Klassikvorliebe als Schreibbegleitung zu tun haben kann. Allerdings bin ich nur Hörerin, habe keinerlei tiefere Ahnung und das steht mir hier vielleicht im Weg?
Spätsommerreise
Der Titel ist gut, wobei ich auch da eher auf dem Schlauch stehe, ich freue mich schon auf Deine Kommentarantworten

1. Auf der anderen Straßenseite steht ein Toter. Ein Mann, schätze ich, oder zumindest der Körper eines solchen; groß, breites Kreuz, lange Schuhe.
Hier bin ich sofort neugierig. Ein Toter - unheimlich. Aber woher weiß sie/er das? Mein Bild des Prostas ist hier ein junger Erwachsener, der Sprache wegen.

2. Im vollständig bandagierten Gesicht trägt der Tote eine verspiegelte Sonnenbrille und Kopfhörer, dazu ein durchnässter, mitternachtsblauer Mantel, dessen Spitzen ihm um die Knie flattern.
Silberne Knöpfe halten den Stoff straff am Körper.
Klasse Beschreibung. Ich liebe Deine Details.

Er steht im Regen, das bandagierte Gesicht zum Himmel, und lauscht, was ihm die Kopfhörer zu erzählen haben.
Hier fehlt für mein Lesegefühl etwas

Der Tote riecht nach Rosenöl und Baumharz. Nicht einmal der Regen kann das verwaschen.
Was für eine wunderbare Kombination. Der Regen ist hier so positiv (was eine seit Wochen nass geregnete und frierende Gärtnerin ganz toll findet)

4. Der Tote sagt etwas; ich sehe, wie sich unter den Bandagen Lippen bewegen. Seine Stimme geht im Orchester aufplatzender Wassertropfen unter; vielleicht ist er auch stumm.
Die Lippen stoppen nicht.
Ich glaube, er ruft nach mir.
Im ersten Lesen fand ich es schön, doch dann siegt die Wortkriegerin. Das ist gefühlt unentschlossen oder hin und her. Wie soll denn das mein Film ablaufen (oder was soll ich hören). Bei "Die Lippen stoppen nicht" bin ich sehr unentschlossen. Es ist ungenau formuliert, andersherum empfinde ich gerade dieses unpassende Wort "stoppen" hier interessant. Ich denke weiter drüber nach. Der letzte Satz ist wieder ungenau. Weiß der Autor, was er will? Ich empfinde es hier nicht als Unwissenheit der/des Protas

Rinnsale bilden sich, stürzen sich gemeinsam die Straße hinunter. Rotes Make-up treibt mit. Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das innerste übrig ist. Nur das, was nicht gehen kann.
Ich mag die aktive Wortwahl, es ist wunderbar direkt. Eventuell das zweite sich einsparen? Bei dem Make-up bin ich jetzt bei weiblicher Protagonistin, jugendlich bis junge Frau.

6. Ich sage dem Toten, er soll verschwinden.
Der Tote lässt den Walkman in die Tasche gleiten. „Darf ich zu dir herüberkommen?“, ruft er durch den Regen.
Ich beachte ihn nicht. Vielleicht geht er dann wieder weg.
mmmh? Doch ein kleines Mädchen? Ich bin irritiert. Ab hier wird mir die Bezeichnung "der Tote" langsam zu viel. Warum hast Du Dich dafür entschieden?

Alarmanlagen kosten Geld, Hunde nur Futter.
Haha! Ne, gutes Hundefutter kostet richtig!

Der Tote macht einen Schritt in den Regen.
kurzes Stutzen, er steht doch auf der anderen Straßenseite, regnet es da nicht? Oder habe ich den Anfang ungenau gelesen - es regnet nur zwischen Ihnen - coole Idee.
; sie zerrt an der Kette, kauert sich dann auf den Boden, still und heimlich, als wünschte sie, darin zu versinken.
Die Reaktion des Hundes passt und ich weiß auch, was Du zeigst. Aber bei der Formulierung denke ich an eine aktive Handlung, etwas machen und nicht an ein still hinlegen. Mag aber nur mir so gehen, warte also bitte ab.

„Hallo“, sagt der Tote und geht in die Knie, die bandagierten Hände auf die Oberschenkel gestützt; die Mantelspitzen baumeln im Dreck.
„Kannst du mich verstehen?“, frage ich.
Der Tote zeigt auf die Kopfhörer. „Sogar ganz wunderbar.“
Die Aktionen der beiden Miteinander sind wunderbar, richtig nett im besten Sinne. Aber für mich ist sie hier ein Kind.

9. „Warum sitzt du da?“, fragt der Tote.
„Ich warte. Auf Papa.“
Der Tote schweigt.
Was gibt es da auch zu sagen.
Auch das liest sich wie eine kindliche Erzählerin (ein Junge würde natürlich auch passen.

Je länger ich mit ihm sitze, desto mehr glaube ich, dass genau das seine Aufgabe ist.
so schön gedacht!

11. „Was macht ein Fährmann so?“
„Worauf tippst du denn?“
„Irgendetwas mit Schiffen.“
„Das ist gar nicht so falsch.“
Ich mag Deinen Tod, der darf gerne vorbeikommen, irgendwann, viel später.

Ich schaue meinem Make-Up nach, das zwischen den Pflastersteinen verläuft. Ich kann mich nicht verirrt haben, denke ich; ich hab ja gar kein Ziel.
Ups! Doch kein kleines Mädchen? Ich glaube, ich denke in Schubladen und bin jetzt neugierig auf Deine Aufklärung. Es stört nur meinen Film, den Lesegenuss nicht wirklich, lass Dich als von den vielen kleinen Meckereien nicht irritieren, ich habe ein Lächeln im Gesicht.

Vier verhüllte Beine eilen die Straße hinauf;
Ein wunderbares Bild, etwas schräg, aber ich mag es. Allerdings würde ich gefühlsmäßig zu "herauf" tendieren, sie erzählt und sie kommen zu ihr. Aber der Friedel beantwortet Dir die Frage bestimmt eher als mir.

Ich höre sie unter dem Regenmantel kichern. Es schnürt mir die Kehle zu.
Grins. Unsauber! Davor geht es um die eilenden Beine - die kichern aber doch nicht, oder? Der Nachsatz ist super, tut richtig weh, so nach de lockeren davor.

Der Regenmantel stoppt. Jemand bückt sich; ein Arm bricht durch den Stoff, wirft ihn zurück. Es ist Papa, in der Hand ein Schlüssel;
Ja, anscheinend ist diese "Verwirrung" geplant, denn hier machst Du es offensichtlich absichtlich. Ich bin hin und her gerissen, insgesamt mag ich es auf alle Fälle.

Ihm ist ein Bart gewachsen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Er wirkt so alt, so stark im Regen.
Wie der Vater eines anderen.
Hier sagst Du doch ziemlich deutlich, das der Tot schon länger her ist. Finde ich gut! Und zu meiner Verwirrung, dass sie ein er ist?
Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet in den Regen.
Unheimlich, ich versteh nicht was es bedeutet, aber es passt irgendwie.

Ich strecke die Hand nach ihm aus; Regentropfen fallen durch meine Finger, platzen unter meinen Schuhen auf dem Straßenpflaster auf. So viel ist schon abgetragen; ich bin nicht mehr als meine eigene Erinnerung.
Das ist meine absolute Lieblingsstelle.

„Nur so ein Gedanke gerade“, sagt er.
Und läuft durch mich hindurch.
Klasse Bruch

Zum ersten Mal scheint Papa den Toten zu bemerken. Er mustert ihn mit aufeinandergepressten Lippen.
Das irritiert mich. Der Papa sieht doch nur eine Gestalt/Mann/ Person. Das es ein Toter - der Tot, der Fährmann ist, entgeht ihm doch, oder? Das würde ich hier anders darstellen, deutlicher!

Der Tote schmunzelt. „Sehr freundlich, aber nein. Wegen dir komme ich ein anderes Mal.“
Papa nickt langsam, als wäre er dadurch schlauer geworden.
Sehr schön!

Einen Augenblick lang sagt keiner ein Wort. „Finden Sie das witzig?“, fragt Papa den Toten; Schmerz liegt in seinem Gesicht.
Der Tote schweigt.
auch das ist richtig gut für mich!

„Er will sich nicht von mir verabschieden.“
„Oh, das hat er schon. Schon vor langer Zeit.“
Ich verstehe das Kind? Aber warum lautet die Antwort des Todes so? Ich habe die Verabschiedung nicht gesehen und zumindest das Kind braucht mehr, um loszulassen. Das reicht für mich nicht, warten wir mal, was andere sagen, vielleicht überlese ich ja auch etwas entscheidendes.

„Muss ich gehen?“
„Willst du denn bleiben?“
Schwere Frage, denke ich. Wie kann ich denn wissen, ob ich aufbrechen will, wenn ich nicht weiß, was noch kommt?
Gefühlt, ist mir das zu deutlich, Du hast gut vorgearbeitet, vielleicht nur als angerissenen Gedanken "Was kommt dann?" oder ähnlich

Bald gräbt sich das Wasser in die Rillen zwischen den Pflastersteinen, spült Sand und Erde mit sich; die Steine lösen sich, treiben davon. Häuser versinken in Schlamm und Wasser. Was mal eine Straße war, ist zu einem reißenden Fluss gewachsen. Mein Make-up wird zu Fäden zerrissen, immer kleiner und kleiner, bis man es nicht mehr erkennt.
Hier siegt Deine Fantasyleidenschaft, da sehe ich bunte Bilder, wenn auch etwas erschreckend, aber sie passen total.

Der Tote setzt einen Fuß auf das Wasser und streckt die Hand nach mir aus. „Bist du bereit?“
Ich nicke; Wind zieht auf, peitscht wellenlos an uns vorbei.
Ja, er setzt den Fuß aufs Wasser, wie auch sonst! Ein wunderbarer Schluss für mich.

Ach Meuvind, ich mag die Geschichte sehr, mich hat nicht mal die eigentlich unnütze Nummerierung gestört. Die ist dem Bezug zu Schubert geschuldet, oder? Ich freue mich auf ein wenig Aufklärung, damit ich die fehlenden Puzzleteile noch einpassen kann. Dann gebe ich auch gerne ein Urteil zum Copy gelungen oder nicht ab.
Beste Wünsche
witch

 

Lieber @Meuvind,

hab die Geschichte gestern schon gesehen und endlich komme ich dazu, dir zu antworten. Habe ich mich heute schon die ganze Zeit drauf gefreut. :D

Ich hatte beim Lesen Gänsehaut und ich bin erstaunt von deinem Copywrite. Meiner Einschätzung nach hast du die Innenwelt meiner beiden Protagonisten aufgenommen und zu etwas Neuem geformt. Das finde ich absolut bemerkenswert. Ich weiß nicht, ob ich das in den Text hineininterpretiere oder ob du das wirklich so geplant hast. Jedenfalls ist das hier mein Verständnis deines Copywrites:

Du spielst mit zwei Grundkonflikten. Erstens geht es um den Tod, dem sich der alte Mann gegenübersieht. Er hat durch seinen Unfall jegliche Hoffnung verloren und ist kurz davor sich aufzugeben. Dafür sehe ich vor allem diese Textstellen als zentral an:

Auf der anderen Straßenseite steht ein Toter.
Der Tod klopft bei ihm an, was für mich für den Unfall und seine Verzweiflung nach der Querschnittslähmung steht.

Im vollständig bandagierten Gesicht trägt der Tote eine verspiegelte Sonnenbrille und Kopfhörer,
Hier ist dann der Bezug zur Musik. Bin mir an dieser Stelle nicht ganz sicher gewesen wieso der Tod mit der Musik verknüpft ist? Für mich müsste das eher das Gegenteil sein, also eine Ressource, die gegenüber des Tods steht? Bin gespannt, wie du dir das gedacht hast.

Ich glaube, er ruft nach mir.
Hier wieder die Betonung, dass er sich dem Tod gegenübersieht. Es geht hier um die existenzielle Frage, ob er sich dem Tod, der Verzweiflung hingibt oder weitermacht. So habe ich das zumindest gelesen im Hinblick auf die Winterreise.

Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das innerste übrig ist.
Ah, das ist eine meiner Lieblingsstellen. Wovon ich in meinen Geschichten träume ist hier in einem Satz zusammengefasst. Zum Kern vordringen, wirklich offenbaren, was in den Protagonisten vorgeht (habe oft das Gefühl etwas ausdrücken zu wollen in meinen Geschichten, was allerdings bei den Lesenden in der von mir vorgestellten Form noch nicht ankommt).

Ich sage dem Toten, er soll verschwinden.
Hier ist für mich der Lebenswille, der ja auch zentral in der Winterreise ist.


So, jetzt komme ich zu dem zweiten Grundkonflikt, wobei hier die innere leere und Einsamkeit des Studenten betont wird. Mir ist aufgefallen, dass du beide Konflikte in dem Protagonisten zusammengefügt hast (das meinte ich oben mit dem Neuen). Ich musste mich hier erst kurz drauf einstellen, weil ich erst von zwei Personen ausgegangen bin. Hier meine weiteren Gedanken dazu:

„Ich warte. Auf Papa.“
Hier der Bezug zu der Einsamkeit und dem Vater, der sich eine neue Familie gesucht hat. Diese Verzweiflung kommt extrem gut rüber, zumindest war das für mich der Fall. Die Geschichte hat etwas von einem Fiebertraum, hat diesen mystischen Charakter. Ach, großartig das zu lesen.

Wie der Vater eines anderen.
Ja, das trifft genau den Schmerz des jungen Studenten. Er ist irrelevant, hat eigentlich keinen Platz mehr im Herzen seines Vaters.

„Ja, es ist nur …“ Er schüttelt sich das Wasser aus den Haaren. „Nur so ein Gedanke gerade“, sagt er.
Und läuft durch mich hindurch.
Das wird dann hier noch einmal verstärkt, der Vater läuft durch ihn hindurch, sieht ihn nicht einmal mehr.

Mein Make-up wird zu Fäden zerrissen, immer kleiner und kleiner, bis man es nicht mehr erkennt.
Finde es übrigens bemerkenswert, dass du hier das Make-up verwendest hast. Denn genau das ist ja auch eine Facette des jungen Studenten. Er will jemand sein, der er nicht ist, er will cool sein und verstellt sich damit ja zumindest am Anfang der Geschichte.


Ich verstehe dein Copywrite so, dass du die innere Welt der beiden Protagonisten adaptiert hast und damit die Hintergründe weiter ausführst. In gewisser Weise schaffst du etwas, was ich mit meiner Geschichte probiert habe: Du zeigst diesen Schmerz auf unter dem beide Protagonisten leiden. Der eine sieht sich dem Tod und einer existentiellen Krise gegenüber, der andere fühlt sich innerlich leer und von seinem Vater verlassen.
Für mich ist das eine bereichernde Erfahrung gewesen, deine Sichtweise auf meine Geschichte zu lesen, weil es mir zeigt, wie jemand anderes das ausdrückt, was ich versucht habe. Vielen Dank dafür, freue mich gerade doppelt, dass du mich gecopywritten hast!

Wünsche dir ein schönes Wochenende und beste Grüße
MRG

 

„Warum sitzt du da?“, fragt der Tote.
„Ich warte. Auf Papa.“
Der Tote schweigt.
Was gibt es da auch zu sagen.​

Moin,

Meuvind,


eine Winterreise nun in einen Totentanz von Spätsommerreise mit einer Anleihe im antiken Mythos und Charon (fehlt nur der Höllenhund),

verwandeln mit und wie zur Vorlage ein bissken Heine

»Noch blüht mein [Spät-]Sommer, dennoch eingebracht / Hab ich die Ernte schon in meine Scheuer // Und jetzt soll ich verlassen, was so teuer, / So lieb und teuer mir die Welt gemacht! //
Der Hand entsinkt das Saitenspiel. In Scherben / Zerbricht das Glas, das ich so fröhlich eben
An meine übermütgen Lippen preßte. // O Gott! wie häßlich bitter ist das Sterben! /
O Gott! wie süß und traulich läßt sich leben / In diesem traulich süßen Erdenneste!
«​

(H. Heine »Mein Tag war heiter, glücklich meine Nacht«)

Aber ach – das hättestu noch einmal durchgehn sollen – also in der Reihenfolge des Aufscheinens

5. Rinnsale bilden sich, stürzen sich gemeinsam die Straße hinunter. Rotes Make-up treibt mit. Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das innerste übrig ist.
Besser „das Innerste“ oder doch besser „mein Innerstes“

7. An einem Metallpfahl hat Papas Nachbar seine Bulldoge angekettet; Alarmanlagen kosten Geld, Hunde nur Futter.
Der Tote macht einen Schritt in den Regen. Kein Laut löst sich aus dem Maul der Bulldoge; sie zerrt an der Kette, …
die „Dogge“, aber „der Doge“

Ich schaue meinem Make-Up nach, das zwischen den Pflastersteinen verläuft.
s. o. + etwas weiter unten

13. Papa verirrt sich nicht. Um halb 2 ändert sich das Prasseln der Regentropfen; statt dem harten Geräusch von Stein schlägt das Wasser weich auf, wie Finger auf eine Trommel.
a) „halb zwei“
b) „statt“ ruft idR bedarf an sich des Genitivs … „des harten Geräusches“

Er bleibt stehen; sein Blick fällt auf das Make-up, das ihm gegen die Stiefel schwappt. Langsam hebt er den Kopf; ich folge seinen Augen. Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet in den Regen.
„Regen“ als Fluss betrachtet? Eher nicht. Besser Dativ, „im“ oder „in dem“ Regen

„Da, wo wir hingegehen, gibt es da Regen?“, frage ich.

Schau'n mer ma', wie's sich "ent"wickelt ... meint der

FRiedel,

der gerade technische Probleme hat ...

 

Hey @Meuvind,

spannend ist das hier bei Dir! Wie die Lesarten doch auseinander gehen. Jedenfalls die meine. Als ich den Text gestern gelesen hab, dachte ich toller Copy-Ansatz, denn für mich bezog sich dein Text auf diese Stelle von @MRG s Original.

Seine tiefe, angenehme Stimme berührt etwas in mir. Ich erinnere mich an meinen Vater, wie er mir vor dem Schlafengehen eine Geschichte vorlas. Jeden Abend bis auf montags, die besten Erinnerungen an meine Kindheit. Ich durfte die Bücher immer selbst aussuchen. Die gesamten sieben Bände von Harry Potter trug er mit seiner tiefen Stimme vor ... Jetzt lebt er mit seiner neuen Frau und einem kleinen Sohn in einer Doppelhaushälfte. Er hat kaum noch Zeit für mich. Ob er ihm auch Harry Potter vorliest?

Und jetzt lese ich alles gleich nochmal und guck, ob ich mich da gestern in irgendwas verrannt hab und schreib dabei gleich mit. Vorab will ich noch sagen, das ich es sehr gern gelesen hab, dass ich gestern auch verwirrt war, ob des Alters der Prot. und dass die Nummerierung für mich auch nur im Sinne des CWs und Schubert Sinn ergibt. Mal gucken, wie das im zweiten Lesegang auf mich wirkt.

Der Tote riecht nach Rosenöl und Baumharz. Nicht einmal der Regen kann das verwaschen.
Schön.

8. „Wer bist du?“
„Ein … Fährmann.“
„Wenn es so weiter regnet, könnte ich einen gebrauchen“, sage ich.
Ich glaube, unter den Bandagen schmunzelt der Tote.
Da habe ich auch geschmunzelt.

9. „Warum sitzt du da?“, fragt der Tote.
„Ich warte. Auf Papa.“
Der Tote schweigt.
Was gibt es da auch zu sagen.
Ja, doch. Ich bleibe dabei. Da ist ein inneres Kind gestorben, was abgeholt wird.

10. Der Tote und ich warten zusammen. Er setzt sich auf die Türschwelle neben mich. So lange zu warten macht einsam, da ist jede Gesellschaft willkommen.
Je länger ich mit ihm sitze, desto mehr glaube ich, dass genau das seine Aufgabe ist.
Mochte ich sehr.

12. „Wie lange wartest du schon auf deinen Vater?“
„Weiß nicht.“
„Du hast dich verirrt.“
Das ist zwar schön mit dem verirrt, weiß aber nicht, ob ich das Verb hier treffend finde. Bin da zum jetzigen Zeitpunkt unentschlossen.

Vier verhüllte Beine eilen die Straße hinauf; zwei lange, zwei kurze. Ich höre sie unter dem Regenmantel kichern. Es schnürt mir die Kehle zu.
Papa und das neue Kind kommen.

Ihm ist ein Bart gewachsen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Er wirkt so alt, so stark im Regen.
Wie der Vater eines anderen.
Ja, traurig.

Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet in den Regen.
Schönes Bild. Ich weiß aber nicht, was es zu bedeuten hat. Könnte jetzt die Farbe rot mit der Liebe gleich setzen, die in diesem Haus wohnt, aber warum quillt sie dann heraus und löst sich auf. Ich verwerfe den Gedanken wieder.

Ich strecke die Hand nach ihm aus; Regentropfen fallen durch meine Finger, platzen unter meinen Schuhen auf dem Straßenpflaster auf. So viel ist schon abgetragen; ich bin nicht mehr als meine eigene Erinnerung.
Ja, da ist nichts mehr. Alles weg.

17. „Papa?“ Aus dem Regenmantel schaut ein Mädchen mit fuchsroten Haaren und Sommersprossen; fremd und doch vertraut. Papa dreht sich zu ihr.
...
Und läuft durch mich hindurch.
Das ist hart und darum gut. Jetzt hat sie Gewissheit. Für Papa ist sie nicht mehr, existiert nicht mehr.

18. Zum ersten Mal scheint Papa den Toten zu bemerken. Er mustert ihn mit aufeinandergepressten Lippen.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragt er.
Der Tote schmunzelt. „Sehr freundlich, aber nein. Wegen dir komme ich ein anderes Mal.“
Papa nickt langsam, als wäre er dadurch schlauer geworden.
Den Toten jedoch bemerkt er. Das ist fies!

„Er will sich nicht von mir verabschieden.“
„Oh, das hat er schon. Schon vor langer Zeit.“
Sicher nicht die Art von Abschied, die sie sich vorgestellt hat. Ach, Mensch, das arme Kind. Mit Mama wurde auch die Tochter verlassen und die versteht natürlich nicht, warum.

„Ist das das Ende?“, frage ich den Toten.
„Oh nein.“ Er lacht. „Das ist der Anfang.“
Ja. Sie muss sich

„Da, wo wir hingegehen, gibt es da Regen?“, frage ich.
„Den gibt es überall.
„Dann lass uns los.“
... Mein Make-up wird zu Fäden zerrissen, immer kleiner und kleiner, bis man es nicht mehr erkennt.
Ihr Fassade ist abgewaschen. Alles, worauf sie ihre Hoffnungen baute fort. Sie hat Gewissheit bekommen und könnte jetzt den Schmerz zulassen, akzeptieren, sich neu sortieren. Das steckt für mich in der Frage nach dem Regen.

Ich nicke; Wind zieht auf, peitscht wellenlos an uns vorbei.
Ich nehme seine Hand.
Regentropfen fallen mir auf die Haut.
Ja, ist stürmisch in dieser Phase. Das sie den Regen spüren kann, macht mir Hoffnung.

So, jetzt haste noch ne Lesart dazu. Immer gut, wenn Texte das machen und können. Ich finde die Idee total schön und sooooo traurig. Irgendwie ein typischer Meuvind und doch so anders, als die Texte, die ich bisher von Dir gelesen habe. Ach, all die armen Kinder da draußen ...:cry:

Liebe Grüße, Fliege

Nachtrag: Heute war altersmäßig alles in Ordnung bei mir. Jedenfalls ist mir nichts mehr "komisch" vorgekommen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Meuvind ,

ich bin ganz ehrlich, zunächst war ich bloß verwirrt und habe gedacht, jetzt muss ich doch erst noch den Vorlagetext lesen, vielleicht gibts von dort Anknüpfungspunkte: Und schließlich ist das ja der Sinn von copywrite. Immer noch kein eindeutiger Bezug, also noch weiter suchen, vielleicht bei den Kommentatoren, was denen so alles einfällt.
Und da bin ich fündig geworden.

Ja, doch. Ich bleibe dabei. Da ist ein inneres Kind gestorben, was abgeholt wird.
Das innere Kind, ein Begriff aus der Psychotherapie, ebenso wie Resilienz, was das Thema von @MRG ist, und schließlich Winterreise, der berühmte Liederzyklus von Schubert und seinem genialen Texter Wilhelm Müller.

Ich glaube jetzt, bei deinem Text hat dir der alte Leiermann die Feder geführt, von der ersten bis zur letzten Strophe deines Prosalieds.
(Siehste, jetzt verführtst du mich sogar zu einer Wortschöpfung.:). Wenn das kein Erfolg ist ...)

Ich bin überzeugt, dass man verwandte Bilder finden, wenn schon nicht identische, dann doch von der lyrischen Essenz Müllers her und der Stimmungslage bei der Prota, der du eine Ich-Identität gegeben hast.

Grundlage für den Text ist Winterreise von @MRG . Im Endeffekt eine seltsame Fusion aus dem Konflikt deines Prots. und der Winterreise von Schubert.
Dass Schubert zu meinen Lieblingskomponisten zählt, muss ich wohl nicht eigens erwähnen. Vor vielen Jahren habe ich Schuberts Lieder (dilettantisch) am Klavier gespielt und dazu gesungen. Aber Gänsehaut gibt es immer noch, wenn unser Männerchor im Städtle "Am Brunnen vor dem Tore " singt.

Sehr interessant, auch wenn der Start etwas holprig war.

Liebe Grüße
wieselmaus

 

Lieber @Meuvind ,

ja, was soll ich dazu groß sagen? :sad:
Ungewöhnlicher Aufbau.
Dichte Darstellung.
Drückt auf die Tränendrüse. :crying:
Zusammengefasst:
Das ist einfach großartig! :D
Und dabei kritisiere ich doch so gerne ... und dann so etwas.
Mir gefällt die Entwicklung echt gut. Diese leichte Verwirrung beim Leser, wen der Fährmann nun im Auge hat, um ihn über den Jordan zu bringen. Die Protagonistin, die wartet. Ein bisschen erinnerte mich das stellenweise an diesen Film mit Mark Wahlberg, ich glaube „In meinem Himmel“ oder so hieß der In deutscher Übersetzung. Nur, dass Du ohne diesen ganzen pathetischen-Ami-Film-Mist auskommst und dafür lieber in die europäische MythologieKiste greifst. Ich habe nur ein paar Flusen:

Um halb 2 ändert sich das Prasseln der Regentropfen
„halb zwei“
Vier verhüllte Beine eilen die Straße hinauf; zwei lange, zwei kurze. Ich höre sie unter dem Regenmantel kichern
Kichernde Beine also ... :lol:
Er wirkt so alt, so stark im Regen.
Wie der Vater eines anderen.
Diese Stelle hat mich irgendwie irritiert. „Alt“ und „stark“ sind eigentlich Gegensätze und der Sprung zur „Fremdhaftigkeit“ ist dadurch für mich nicht gut eingeleitet. Außerdem habe ich mich gefragt, wenn sie da schon so lange sitzt, warum der Vater nicht öfters vorbeigekommen ist.
spüren.
„Da, wo wir hingegehen, gibt es da Regen?“
Sehr schön und auch so stimmig zum Schluss:
Regentropfen fallen mir auf die Haut.
:bounce:
Also, ich habe das sehr gerne gelesen. Aber beim nächsten Mal lässt Du mir mehr Angriffsfläche, gell?


Liebe Grüße
Mae

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Meuvind

mächtiger Spätsommerregen
Er steht im Regen
einmal der Regen
Orchester aufplatzender Wassertropfen
Ich mag den Regen
ruft er durch den Regen.
einen Schritt in den Regen
es so weiter regnet
ändert sich das Prasseln der Regentropfen
so stark im Regen.
mündet in den Regen.
Regentropfen fallen durch meine Finger
och einmal den Regen auf meiner Haut
gibt es da Regen
fließt der Regen dahin
Regentropfen fallen mir auf die Haut.
Kann es sein, dass es in dieser Geschichte regnet? :D Ist so eine Sache. Natürlich ist der Regen ein zentrales Motiv, aber wenn man das mal verstanden hat, kann es schnell auch penetrant werden. Mir zumindest ist es so ergangen. Ich denke, da kann man entschlacken, so Sachen wie "ruft er durch den Regen" braucht es nicht, das bietet keinen Mehrwert.
Auf der anderen Straßenseite steht ein Toter.
Ich stecke grad im Lektorat zu meinen Totentanz-Geschichten und da bin ich natürlich ein wenig sensibilisiert. Aber ich frage mich halt, wie und warum dieser Mann sofort als Toter identifiziert wird.
Ein Mann, schätze ich, oder zumindest der Körper eines solchen; groß, breites Kreuz, lange Schuhe.
Etwas unentschlossen. Was wäre überhaupt der Unterschied? Ein Mann vs. der Körper eines Mannes? Für mich klingt das gut, macht aber nicht wirklich Sinn.
breites Kreuz, lange Schuhe.
ein wenig geometrisch, breit, lang. Ich finde die Wahl der Adjektive hier nicht optimal.
eine verspiegelte Sonnenbrille
Erkennt man, dass eine Sonnenbrille verspiegelt ist, wenn es so stark regnet?
durchnässter, mitternachtsblauer Mantel
Woher weiss sie, dass der Mantel durchnässt ist?
Der Tote sagt etwas; ich sehe, wie sich unter den Bandagen Lippen bewegen. Seine Stimme geht im Orchester aufplatzender Wassertropfen unter; vielleicht ist er auch stumm.
Die Lippen stoppen nicht.
Ich glaube, er ruft nach mir.
Wieder etwas unentschlossen. Viele Worte. Zumindest das "die Lippen stoppen nicht" würde ich streichen.
Rinnsale bilden sich, stürzen sich gemeinsam die Straße hinunter.
Rinnsale sind "sehr kleine, sacht fließende Gewässer" oder "Flüssigkeit, die in einer kleineren Menge irgendwohin rinnt". Das passt nicht zu stürzen. Sich hinunterstürzen tut man so oder so eher von Klippen.
noch das innerste übrig ist.
Innerste
Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das innerste übrig ist.
Das kommt ein wenig aus dem Nichts. Ich weiss nichts über die erzählende Instanz und dann gleich so was. Das Abtragen erschliesst sich ja dann später. Aber weshalb: "macht mich rein"? Ich habe danach nach Schmutz oder Schuld oder so etwas gesucht, bin aber nicht fündig geworden.
Ich sage dem Toten, er soll verschwinden.
Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass der Tote Ängste oder auch nur Beunruhigung auslöst.
Alarmanlagen kosten Geld, Hunde nur Futter.
Futter kostet auf die Dauer deutlich mehr Geld als eine Alaramanalage
Der Tote macht einen Schritt in den Regen.
Ich dachte, er steht bereits im Regen?
„Ein … Fährmann.“
„Wenn es so weiter regnet, könnte ich einen gebrauchen“, sage ich.
Zwischen "Verschwinde!" und diesem kleinen Scherz ist sehr wenig Zeit vergangen. Ich empfand die Reaktion insgesamt als nicht so stringent.
statt dem harten Geräusch von Stein schlägt das Wasser weich auf, wie Finger auf eine Trommel.
Der Satz ist syntaktisch kaputt.
Er wirkt so alt, so stark im Regen.
Bewusst diese eher widersprüchlichen Adjektive?
Wie der Vater eines anderen.
müsste es nicht heissen: einer anderen?
Er bleibt stehen; sein Blick fällt auf das Make-up, das ihm gegen die Stiefel schwappt. Langsam hebt er den Kopf; ich folge seinen Augen. Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet in den Regen.
Unsere Blicke treffen sich.
Hier hatte ich Mühe zu folgen. Wenn der Vater den Kopf hebt und sie den Augen (vielleicht besser: dem Blick. Andererseits hast du schon zweimal Blick in diesem Abschnitt) folgt, dann sieht sie zunächst die unteren Treppenstufen und erst danach den Türspalt.
Rote Pfotenabdrücke führen in die Wohnung.
Das konnte ich nicht integrieren, so wie ich insgesamt nicht so recht verstanden habe, was genau erzählt wird. Für meinen Geschmack müsste man mehr über die Erzählerin erfahren, das hätte mir glaub geholfen, den Fuss in den Text zu kriegen. Die Beschreibungen und die Begegnung an sich gibt für mich etwas zu wenig her, damit der Text sich tief in mein Gedächtnis eingraben könnte. Dass die Idee und die Grundstimmung mir gefällt, ist ja klar. Im Detail will ich aber nicht auf den Inhalt eingehen, da bin ich zu nahe dran und würde bloss eigene Vorstellungen und Vorlieben kommunizieren.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Liebe Wortkrieger,
das Wetter war so schön, dass ich beschlossen hatte, das Wochenende (endlich) mal nicht am Bildschirm zu verbringen. Ich hab nicht besonders viel Zeit, deswegen nur kurz; mal schauen, wie viel ich schaffe.


Liebe @greenwitch ,

danke für den ersten Kommentar!

meine ersten hat das System gefressen und ich sage es gerade heraus, ich bin zu doof für Deine Geschichte. Nein, nicht für die Geschichte, für Deine Copyidee dahinter - ich sehe sie einfach nicht, oder nur schemenhaft.

Och ne :shy: und das mit der Copyidee ist glaube ich dieses Mal sehr wild. Beim Schreiben habe ich selbst mehrmals den Faden verloren. Ich bin auch beindruckt, wie viele unterschiedliche gute Ideen und Interpretationen da in den Kommentaren eingetrudelt sind

Allerdings bin ich nur Hörerin, habe keinerlei tiefere Ahnung und das steht mir hier vielleicht im Weg?

Ne, nicht wirklich. Ich hatte Schubert im Abi, deswegen sind mir die ganzen Interpretationen, Rhythmusstrukturen und sowas noch vertraut. Ist aber auch total egal. Wichtig ist mehr die grobe Idee: Da macht jemand eine Reise und endet (wahrscheinlich) an seinem Tod.

Der Titel ist gut, wobei ich auch da eher auf dem Schlauch stehe, ich freue mich schon auf Deine Kommentarantworten

Ganz ehrlich, ich hab kein Bock mehr auf Winter :D einen tieferen Grund gibt es nicht.

Hier bin ich sofort neugierig. Ein Toter - unheimlich. Aber woher weiß sie/er das?

Dachte an das Konzept von einer gut angezogenen Mumie. Quasi das tote Gegenteil zum Geist. Ein Geist ist weniger ein lebendes, körperliches Wesen und eher eine Erscheinung, die z.B. nicht an die Gesetze der Physik gebunden ist, die Mumie hat zwar einen Körper, aber der ist balsamiert. Deswegen auch das Rosenöl.

Der letzte Satz ist wieder ungenau. Weiß der Autor, was er will? Ich empfinde es hier nicht als Unwissenheit der/des Protas

Ich verstehe es, ja. Ich kann den Satz auch einfach rausnehmen, denn ehrlich gesagt trägt er zu gar nichts bei.

Haha! Ne, gutes Hundefutter kostet richtig!

Unser Nachbar hat früher seinen Hund in einem Käfig vor dem Haus gehalten und den mit Resten gefüttert. Nach ein paar Jahren war das Tier so wahnsinnig, dass es bei jedem, der die Straße entlang kam, gebellt hat. Vielleicht muss ich das spezifizieren; andererseits sagt das nichts Gutes über die Gegend aus und das will ich eigentlich nicht sagen. Also irgendwie ändern.

Ich mag die aktive Wortwahl, es ist wunderbar direkt. Eventuell das zweite sich einsparen?

Ich kann noch gar nicht abschätzen, was gut klingt und was nicht, dafür ist der zeitliche Abstand zu frisch. Ich lasse es stehen und schau dann.

Ab hier wird mir die Bezeichnung "der Tote" langsam zu viel. Warum hast Du Dich dafür entschieden?

Hast ja Recht, ein Toter ist raus :lol:.

kurzes Stutzen, er steht doch auf der anderen Straßenseite, regnet es da nicht? Oder habe ich den Anfang ungenau gelesen - es regnet nur zwischen Ihnen - coole Idee.

Ne, ungenau von mir. Hab ich korrigiert, danke.

Die Reaktion des Hundes passt und ich weiß auch, was Du zeigst. Aber bei der Formulierung denke ich an eine aktive Handlung, etwas machen und nicht an ein still hinlegen. Mag aber nur mir so gehen, warte also bitte ab.

Den Absatz mag ich auch von allen am wenigsten. Da wird auf jeden Fall was geändert, aber bis dahin kämpfe ich mich zu den nächsten Kommentaren vor.

Die Aktionen der beiden Miteinander sind wunderbar, richtig nett im besten Sinne. Aber für mich ist sie hier ein Kind.

Wie machst du sie als Kind fest? Als ich die Kommentare überflogen habe, schien die Idee auch anderen gekommen zu sein. Ich meine, sie gefällt mir, war aber gar nicht vollkommen beabsichtigt :D.

Ich mag Deinen Tod, der darf gerne vorbeikommen, irgendwann, viel später.

Na, der soll sich gefälligst noch ein wenig Zeit lassen.

Ups! Doch kein kleines Mädchen? Ich glaube, ich denke in Schubladen und bin jetzt neugierig auf Deine Aufklärung. Es stört nur meinen Film, den Lesegenuss nicht wirklich, lass Dich als von den vielen kleinen Meckereien nicht irritieren, ich habe ein Lächeln im Gesicht.

Mein Gedanke war eine junge Frau, so in meinem Alter. Vielleicht noch keine "ganze" Erwachsene, aber auch kein reines Kind mehr.

Ein wunderbares Bild, etwas schräg, aber ich mag es. Allerdings würde ich gefühlsmäßig zu "herauf" tendieren, sie erzählt und sie kommen zu ihr.

Habs angepasst, danke.

Hier sagst Du doch ziemlich deutlich, das der Tot schon länger her ist. Finde ich gut! Und zu meiner Verwirrung, dass sie ein er ist?

Hoppla, das war so nicht gewollt. Geändert.

Das irritiert mich. Der Papa sieht doch nur eine Gestalt/Mann/ Person. Das es ein Toter - der Tot, der Fährmann ist, entgeht ihm doch, oder? Das würde ich hier anders darstellen, deutlicher!

Wie meinst du das genau? Der Vater sieht ja gar nicht, wen er da vor sich hat. Er sieht ihn, weil er im Gegensatz zum Geist körperlich da ist, aber er versteht seine Bedeutung nicht.

Ich verstehe das Kind? Aber warum lautet die Antwort des Todes so? Ich habe die Verabschiedung nicht gesehen und zumindest das Kind braucht mehr, um loszulassen. Das reicht für mich nicht, warten wir mal, was andere sagen, vielleicht überlese ich ja auch etwas entscheidendes.

Der Vater hat mit seinem Kind bereits abgeschlossen. Er hat ein neues; nur das Mädchen sitzt noch vor seiner Haustür und kann nicht loslassen. Der Gedanke war, dass das Wissen, nicht so vermisst zu werden wie man selbst es tut, beim Loslassen hilft. Dass man als Einzige noch klammert, während andere bereits weiter sind. Aber war vielleicht nicht gut genug verpackt.

Gefühlt, ist mir das zu deutlich, Du hast gut vorgearbeitet, vielleicht nur als angerissenen Gedanken "Was kommt dann?" oder ähnlich

Ja, es ist schon sehr deutlich, das stimmt. Da möchte ich auch gerne warten, ob und was noch angemerkt wird.

Ach Meuvind, ich mag die Geschichte sehr, mich hat nicht mal die eigentlich unnütze Nummerierung gestört. Die ist dem Bezug zu Schubert geschuldet, oder?

Jap, ist sie. Es soll ja eine ganze Reise werden, wenn auch mit 24 ermogelten Strophen :D daher die Struktur.

Ich muss jetzt aufhören, noch einen Komm schaffe ich heute nicht mehr. Danke für deine Gedanken, witch, und den ersten Eindruck. Jetzt hab ich schon mal einen groben Eindruck, wie es um den Text steht.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Lieber @MRG ,

hab mich tierisch über deinen Kommentar gefreut. Dann wollen wir mal.

Ich hatte beim Lesen Gänsehaut und ich bin erstaunt von deinem Copywrite. Meiner Einschätzung nach hast du die Innenwelt meiner beiden Protagonisten aufgenommen und zu etwas Neuem geformt. Das finde ich absolut bemerkenswert. Ich weiß nicht, ob ich das in den Text hineininterpretiere oder ob du das wirklich so geplant hast. Jedenfalls ist das hier mein Verständnis deines Copywrites:

Freut mich, dass das so ankam :D tatsächlich hab ich einen Teil deiner Interpretation geplant, nicht alles. Ich wollte den Konflikt deines Studenten, besonders im Bezug auf den Verlust der Vaterfigur, zusammenpacken mit den Motiven der Winterreise. Ich habe gemerkt, dass der Verlust des Vaters hin zu einer neuen Familie ein Ding ist, dass in deinen Geschichten öfter vorkommt. Lustigerweise sind meine Eltern ebenfalls getrennt (und der Vater weg), aber ich hab damit andere Erfahrungen gemacht. Ich bin heute sogar unglaublich froh, dass die Dinge so gelaufen sind. Manchmal ist das Umschauen und Überlegen ganz gut, um wieder nach vorne zu blicken.
Auf deinen Komponisten im Rollstuhl wollte ich gar nicht zu sehr eingehen, aber witzigerweise ähnen sich seine Erfahrungen. Das liegt glaube ich daran, dass sein Konflikt um Resilienz und Aufgeben oder Weitermachen auch ganz zentral in der Winterreise ist, und da ich mich dort bedient hab, ist das Motiv mit rübergerutscht.

Hier wieder die Betonung, dass er sich dem Tod gegenübersieht. Es geht hier um die existenzielle Frage, ob er sich dem Tod, der Verzweiflung hingibt oder weitermacht. So habe ich das zumindest gelesen im Hinblick auf die Winterreise.

Ja, eigentlich ist das Bild ziemlich platt, aber gerade deswegen funktioniert es. Die Frage nach dem Akzeptieren ist ja recht zentral in der Winterreise, ist gleichzeitig aber ein Motiv, dass du ebenfalls benutzt. Während es in der Winterreise aber mau wird, gelingt bei dir dem Komponisten der Sprung. Bei mir ist die Sache ein wenig anders; die Prota. ist bereits tot. An ihrer Lage kann sich recht wenig verändern, die Dinge sind, wie sie sind. Erst mit dem Akzeptieren kommt der nächste Schritt.

Ah, das ist eine meiner Lieblingsstellen. Wovon ich in meinen Geschichten träume ist hier in einem Satz zusammengefasst.

Danke :herz: da musste ich so breit grinsen, dass meine Wangen weh tun.

Hier ist für mich der Lebenswille, der ja auch zentral in der Winterreise ist.

Das war witzigerweise eher Zufall, aber es passt. Beide sehnen sich ja eigentlich nicht nach dem Fortgehen, sondern erstmal nach einer Verbesserung der Situation, nach einer Rückkehr zum Status Quo. Erst als das nicht klappt, wird der Tote bzw. der Leiermann eine Option.

Hier der Bezug zu der Einsamkeit und dem Vater, der sich eine neue Familie gesucht hat. Diese Verzweiflung kommt extrem gut rüber, zumindest war das für mich der Fall. Die Geschichte hat etwas von einem Fiebertraum, hat diesen mystischen Charakter. Ach, großartig das zu lesen.

Ich glaube manchmal, mit Fiebertraum kann man den Großteil meiner Geschichten beschreiben :D.

Ja, das trifft genau den Schmerz des jungen Studenten. Er ist irrelevant, hat eigentlich keinen Platz mehr im Herzen seines Vaters.

Jap, und so ein Schmerz kann total zerfressen. Ich hatte immer einen guten Draht zu meinem Vater (was vor allem von meinem Vater aus ging), aber hab gesehen, wie meine Schwester da dran zu leiden hat. Manchen Vätern fällt das nicht einmal auf, dann kannst du sie damit auch nicht konfrontieren, weil sie das Grundproblem nicht einmal erkennen.

Das wird dann hier noch einmal verstärkt, der Vater läuft durch ihn hindurch, sieht ihn nicht einmal mehr.

Ich wollte viel mit Bildern arbeiten, weil die manchmal besser sprechen als Worte. Das war so eine Stelle.

Finde es übrigens bemerkenswert, dass du hier das Make-up verwendest hast. Denn genau das ist ja auch eine Facette des jungen Studenten. Er will jemand sein, der er nicht ist, er will cool sein und verstellt sich damit ja zumindest am Anfang der Geschichte.

Ja, genau. Meistens ist das ja keine Entscheidung. Es gibt Menschen, die sind so charakterstark, in deren Nähe adaptiert man irgendwie, verhält sich wie sie. Das ist gar nichts, was man aktiv entscheidet, das passiert einfach. Ich hab aber festgestellt, dass ich am glücklichsten bin, wenn ich versuche, mich nicht zu verstellen. Das kann super anstrengend sein (gerade mit Menschen um dich, deren Meinung du nicht teilst), aber es ist auch schön, wenn es klappt. Weil man gemerkt hat; meine Persönlichkeit passt hier hin und basta.

In gewisser Weise schaffst du etwas, was ich mit meiner Geschichte probiert habe: Du zeigst diesen Schmerz auf unter dem beide Protagonisten leiden. Der eine sieht sich dem Tod und einer existentiellen Krise gegenüber, der andere fühlt sich innerlich leer und von seinem Vater verlassen.

Ich finde es schön, dass du das so siehst :lol: tatsächlich hatte ich nur das letzte geplant, aber jetzt, wo du mich mit der Nase drauf stößt, sehe ich es auch. Schön zu sehen, wenn man in seinen eigenen Texten noch sowas findet.

Für mich ist das eine bereichernde Erfahrung gewesen, deine Sichtweise auf meine Geschichte zu lesen, weil es mir zeigt, wie jemand anderes das ausdrückt, was ich versucht habe. Vielen Dank dafür, freue mich gerade doppelt, dass du mich gecopywritten hast!

Danke :D ein schöneres Lob hätte ich nicht bekommen können. Genau, was ich wollte. Mir hat es Spaß gemacht. Wollte eigentlich erst den Konstrukteur copywriten, aber Winterrreise kannte ich schon aus der Challenge und mochte den Text. Und ich hab mal für die Monster-WG einen Typen namens Paul Charon, den Fährmann, entwickelt, der à la Privatdetektiv nach Geistern sucht und ihnen über den Jordan hilft, und das mochte ich so sehr, dass ich ihn mit deiner Winterreise zusammengegossen habe.

Danke dir und Alles Liebe!
Meuvind


Lieber @Friedrichard

danke für deinen Kommentar. Die Flusen habe ich alle übernommen, außer Make-up. Habs mal gegoogelt, es gibt gefühlt ein Dutzend Arten, es zu schreiben. Hab auch nicht wirklich eine einzige "richtige" Version gefunden. Deswegen lasse ich es erstmal stehen. Vielleicht ändert es sich ja mit neuen Kommentaren noch.

fehlt nur der Höllenhund

Ich hab einen kleinen Hund drin, der muss für heute reichen :D.

Danke für deine Zeit! Liebe Grüße
Meuvind

 

Die Flusen habe ich alle übernommen, außer Make-up. Habs mal gegoogelt, es gibt gefühlt ein Dutzend Arten, es zu schreiben.
Lass das nicht Herrn Duden wissen!

Und schon gar nicht die drei Frauen der Duden-Redaktion, die für das "amtliche" Deutsch zuständig sind in Zusammenarbeit mit dem Institut für deutsche Sprache (Mannheim). "Douglas" - der Verein der schönen Düfte - aus Spaß hab ich auch mal geguhgelt und das Ergebnis ist so wenig maßgeblich wie die Geschäftsheinis, die in der Tür "Open" hängen haben. Dann gehste darein und fragst ahnungslos auf niederländisch ("Dutch"), ob sie Holländisch sprächen ...

Nee, geht in Ordnung, davon wird kein Schiff untergehn!

Friedel

 

Lieber @Meuvind ,

interessant, unkonventionell, gewagt, magisch, kryptisch sind die Attribute, die sich mir spontan zu deiner Copy-Geschichte aufdrängen. Die Unterteilung in Miniabschnitte (Strophen) ist der Knaller, hat zwar keinen Mehrwert, außer dass man nicht in der Zeile verrutschen kann, :lol: ist aber eine originelle und kesse Entscheidung und stört mich kein bisschen.

Die Erinnerung an die Challenge-Beiträge ist ja noch frisch – das Original von @MRG hab ich noch deutlich vor Augen – und so war mir anfänglich nicht wirklich klar, was deine Kopie mit dem Hörsaal, dem Mann im Rollstuhl und dem Studenten zu haben könnte. Aber als der Vater ins Spiel kam, später mit dem kleineren Geschwisterchen auftauchte, fiel der Groschen.

Der Fährmann hat mich an die griechische Mythologie denken lassen, an den Fluss Styx, den Hund habe ich mit dem Bewacher des Hades in Verbindung gebracht und dann hab ich den Interpretations-Turbo angeworfen. Natürlich lässt dein Text einige Auslegungen zu. Mein Favorit: Du zeigst die Prota in ihrer Todessehnsucht. Sie fühlt sich vom Vater vergessen, zurückgewiesen, ungeliebt. Im Teenageralter Grund genug über Suizid nachzudenken.

Noch ein paar Kleinigkeiten:

1. Auf der anderen Straßenseite steht ein Toter. Ein Mann, schätze ich, oder zumindest der Körper eines solchen; groß, breites Kreuz, lange Schuhe.
Wie muss ich mir lange Schuhe vorstellen? Siebenmeilenstiefel? Kenne nur den Ausdruck lange Füße.

2. Im vollständig bandagierten Gesicht trägt der Tote eine verspiegelte Sonnenbrille und Kopfhörer, dazu ein durchnässter, mitternachtsblauer Mantel, dessen Spitzen ihm um die Knie flattern.
Silberne Knöpfe halten den Stoff straff am Körper.
... mitternachtsblauer Mantel, dessen Schöße um die Knie flatterten. Wenn dir das Wort zu antiquiert erscheint, obwohl es gut zu der Art Text passt, dann Säume oder Saum, aber bitte keine Spitzen

5. Rinnsale bilden sich, stürzen sich gemeinsam die Straße hinunter. Rotes Make-up treibt mit. Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das Innerste übrig ist. Nur das, was nicht gehen kann.
Hier: ganz klar die Todessehnsucht. Mag ich besonders, die Stelle.
Was meinst du zu Rinnsale vereinen sich? Da schließt sich das gemeinsame Stürzen super an.

7. An einem Metallpfahl hat Papas Nachbar seine Bulldogge angekettet; Alarmanlagen kosten Geld, Hunde nur Futter.
Der Tote macht einen Schritt auf die Straße. Kein Laut löst sich aus dem Maul der Bulldogge; sie zerrt an der Kette, kauert sich dann auf den Boden, still und heimlich, als wünschte sie, darin zu versinken.
Frage: Ist kauern das treffende Verb? Schmiegt sich an den Boden?
Du hast hier wohl nicht an einen Zerberus gedacht, sonst wäre das Tier nicht so eingeschüchtert? :)

8. „Wer bist du?“
„Ein … Fährmann.“
„Wenn es so weiter regnet, könnte ich einen gebrauchen“, sage ich.
Ich glaube, unter den Bandagen schmunzelt der Tote.
Super! Galgenhumor, der Autor, nicht der Tote.

10. Der Tote und ich warten zusammen. Er setzt sich auf die Türschwelle neben mich. So lange zu warten macht einsam, da ist jede Gesellschaft willkommen.
Je länger ich mit ihm sitze, desto mehr glaube ich, dass genau das seine Aufgabe ist.
Das tut weh, lieber den Tod als Gesellschafter als einsam zu sein.

„Du hast dich verirrt.“
Ich schaue meinem Make-Up nach, das zwischen den Pflastersteinen verläuft. Ich kann mich nicht verirrt haben, denke ich; ich hab ja gar kein Ziel.
Mag ich! Jetzt wird’s grenzwertig philosophisch.

13. Papa verirrt sich nicht. Um halb zwei ändert sich das Prasseln der Regentropfen; statt des harten Geräuschs von Stein schlägt das Wasser weich auf, wie Finger auf eine Trommel.
Vier verhüllte Beine eilen die Straße herauf; zwei lange, zwei kurze. Ich höre sie unter dem Regenmantel kichern. Es schnürt mir die Kehle zu.
Vielleicht ist das ja Absicht von dir, aber die kichernden Beine wollen gar nicht zu der melancholischen Stimmung passen, die du mit dieser Strophe erzeugst.

14. Der Regenmantel stoppt. Jemand bückt sich; ein Arm bricht durch den Stoff, wirft ihn zurück.
Sorry, begreife ich nicht. Wer oder was wirft wen oder was zurück?

Es ist Papa, in der Hand ein Schlüssel; die Haarsträhnen kleben an der Stirn. Ihm ist ein Bart gewachsen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.
Er wirkt so alt, so stark im Regen.
Wie der Vater einer anderen.
Macht schon sehr betroffen.

15. „Papa?“ Ich stehe auf.
Er bleibt stehen; sein Blick fällt auf das Make-up, das ihm gegen die Stiefel schwappt.
Die Doppelung Absicht? Sie nähern sich an?

Unsere Blicke treffen sich.

16. „Papa. Ich bin es.“
Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Sein Blick hält stand.
Ich strecke die Hand nach ihm aus; Regentropfen fallen durch meine Finger, platzen unter meinen Schuhen auf dem Straßenpflaster auf. So viel ist schon abgetragen; ich bin nicht mehr als meine eigene Erinnerung.

Starke Stelle!
Die 17. auch!

Ich schaue in den Himmel. Ich wünschte, ich könnte noch einmal den Regen auf meiner Haut spüren.
„Da, wo wir hingegehen, gibt es da Regen?“, frage ich.
Da hat sich die Silbe ge hineingemogelt.

„Den gibt es überall.
„Dann lass uns los.“
Wir folgen dem Make-up. Der Tote singt ein wortloses Lied. Zu unseren Füßen fließt der Regen dahin. Bald gräbt sich das Wasser in die Rillen zwischen den Pflastersteinen, spült Sand und Erde mit sich;
Würde ich eventuell noch mal überdenken, ist ja eigentlich kein Regen mehr, das Wasser auf dem Boden: fließen Bäche, strömen Flüsse oder im Singular. Bei so knappen Texten stechen Wortwiederholungen besonders ins Auge. Aua!

Auch die Häufung „Toter“ (22 ohne Gewähr) ist es extrem. Würde an der einen oder anderen Stelle wirklich nach Alternativen suchen, "er" oder wenn es sich anbietet „Begleiter“ vllt.

24. Der Tote setzt einen Fuß auf das Wasser und streckt die Hand nach mir aus. „Bist du bereit?“
Ich nicke; Wind zieht auf, peitscht wellenlos an uns vorbei.
Ich nehme seine Hand.
Regentropfen fallen mir auf die Haut.
Ah, jetzt, nachdem die Prota die Hand ergriffen hat, sich also für den Tod entschieden hat, kann sie den Regen wieder auf ihrer Haut spüren. Denn wenige Zeilen vorher das:
Ich wünschte, ich könnte noch einmal den Regen auf meiner Haut spüren.
Ist das ein Zeichen, dass die Prota doch leben will? Würde dann meiner Leseart überhaupt noch zutreffen? Ich bin unschlüssig.

Durch die Deutungsvielfalt machst du deine Geschichte - um mal im Feuchtigkeitsgehalt zu bleiben - wasserdicht, also auch ein bisschen unangreifbar für inhaltliche Kritik. Du kannst ja immer ganz locker behaupten, dass der Leser einem Missverständnis aufgesessen ist und deine Intention eine andere war.
Trotzdem oder gerade deshalb hat mir die Geschichte gut gefallen. Ich war überrascht, wie wenig Worte du nötig hast, um eine besondere melancholische Grundstimmung zu erzeugen.

Und was ganz besonders wichtig ist: Mit ihr konntest du deiner Fantasie mal wieder so richtig Auslauf gönnen, nicht wahr. :thumbsup:

Einen fantastischen Sonntag und liebe Grüße
peregrina

 

Hallo @Meuvind

so recht weiß ich nicht, was ich von dem Text halten soll. Er bezieht sich ja nicht nur auf die Vorlage von @MRG sondern auch auf Schuberts Winterreise.

Wozu aber die Einteilung in 24 Abschnitte? Sie lehnt sich vage an die Schubert'schen Liedern an, aber der Protagonist ist nun ein Mädchen, die einzelnen Motive der Urfassung werden angedeutet, ohne zum Beispiel die Musik selbst aufzunehmen.
Das klingt dann sehr dekoriert, da fände ich es besser, die Einteilung einfach wegzulassen oder den Text wie ein Programmheft, eine Art Libretto zur Musik umzugestalten. Die Idee mag gut sein, aber zuendegedacht ist sie mMn nicht.

Was gut gelingt: der romantische Ton, der zur Musik und zur Vorlage passt, sprachlich fein!

Paar Stellen:

Ein Mann, schätze ich, oder zumindest der Körper eines solchen; groß, breites Kreuz, lange Schuhe.
wozu eigentlich die Ich-Perpektive?
Seine Stimme geht im Orchester aufplatzender Wassertropfen unter; vielleicht ist er auch stumm.
Schuberts Vorlage: Gefrorene Tränen, auch ein schönes Bild
Ich mag den Regen, er macht mich rein, trägt mich Schicht für Schicht ab, bis nur noch das Innerste übrig ist.
gefällt mir, die Stelle
Alarmanlagen kosten Geld, Hunde nur Futter.
mm, das ist so eine Binse, die passt nicht zum Duktus des Textes finde ich
Ich schaue meinem Make-Up nach, das zwischen den Pflastersteinen verläuft. Ich kann mich nicht verirrt haben, denke ich; ich hab ja gar kein Ziel.
Er bleibt stehen; sein Blick fällt auf das Make-up, das ihm gegen die Stiefel schwappt. Langsam hebt er den Kopf; ich folge seinen Augen. Dicke, rote Farbe quillt durch den Türspalt, fließt die Treppenstufen hinunter, mündet im Regen.
starkes Bild, das mit dem Make-Up

Liebe Grüße und einen regenzarten Sonntag
Isegrims

 

Liebe @Fliege ,

tut mir leid, dass das so lange gedauert hat, aber das Wetter ist einfach zu schön. In den letzten zwei Wochen hab ich sämtliche meiner Pflichten vernachlässigt, mich in die Sonne gelegt und das allmähliche Lockdown-Ende genossen. Also keine Sorge, dass ihr mir nicht weniger wichtig wärt: ich hab einfach alles kürzer geschaltet.

Jetzt haben mich die blöden Pollen aber wieder ins Haus gescheucht, also wieder an PC. Dann wollen wir mal.

Als ich den Text gestern gelesen hab, dachte ich toller Copy-Ansatz, denn für mich bezog sich dein Text auf diese Stelle von @MRG s Original.

Ja, genau die Stelle habe ich auch gemeint. Das zusammen mit dem Grundgedanken (oder zumindest einer Interpretation) sind dann die beiden Stützpfeiler, die ich nehmen wollte. Finde es schön, dass das so klar erkannt wird.

Ja, doch. Ich bleibe dabei. Da ist ein inneres Kind gestorben, was abgeholt wird.

Finde ich interessant, denn trotz der gleichen Stelle interpretierst du das anders. Oder nicht anders, eher ähnlich. Mein Gedanke war da die Resilienz, die auch MRG angesprochen hat. Manchmal muss man im Leben eben weiterziehen, ansonsten geht man nur kaputt. Das ist hier ja nichts anderes: das Mädchen ist bereits tot, nur noch ein Geist, und wenn sie nicht weiterzieht, findet sie auch keinen Frieden. Der Gedanke an das "tote Kind" als Metaher ist gar nicht weit, der stammt ja sogar direkt aus MRGs Text. Also eigentlich total offensichtlich, aber mich hat es trotzdem überrascht. Fand es schön, wie du draufgekommen bist.

Schönes Bild. Ich weiß aber nicht, was es zu bedeuten hat. Könnte jetzt die Farbe rot mit der Liebe gleich setzen, die in diesem Haus wohnt, aber warum quillt sie dann heraus und löst sich auf. Ich verwerfe den Gedanken wieder.

Ne, wollte es eher als Blut. Ein Hinweis, dass da ein Toter im Haus liegen könnte. Der Vater steht vor der Tür, sieht das Rot und in seinem Kopf gehen Gedanken rum; erst, wenn er die Haustür aufmacht, sieht er, dass es nur Farbe ist. Das Bild ist insgesamt aber einfach nicht rund, das haben jetzt schon mehrere angemerkt. Werde es also auf jeden Fall ersetzen, vielleicht sogar ganz rausnehmen.

Ihr Fassade ist abgewaschen. Alles, worauf sie ihre Hoffnungen baute fort. Sie hat Gewissheit bekommen und könnte jetzt den Schmerz zulassen, akzeptieren, sich neu sortieren. Das steckt für mich in der Frage nach dem Regen.

Ja, so war er gedacht. In der Winterreise hat das Wetter ja auch immer eine Bedeutung: die Wetterfahne auf dem Haus zittert und flattert, das Leben ist turbulent. Oder so. Schnee fällt und verwischt Spuren. So hab ich den Regen auch eben eingebaut.

So, jetzt haste noch ne Lesart dazu. Immer gut, wenn Texte das machen und können. Ich finde die Idee total schön und sooooo traurig. Irgendwie ein typischer Meuvind und doch so anders, als die Texte, die ich bisher von Dir gelesen habe. Ach, all die armen Kinder da draußen ...:cry:

Tja, kann dir auch nicht sagen, wie das entstanden ist. Manche Texte schreiben sich irgendwie von selbst und ein paar Wochen später schaut man sie sich an und denkt sich: Das ist von mir?
Ich hab deine Geschichte übrigens direkt gelesen, nachdem du sie hochgeladen hast, aber keinen Kommentar geschafft. Ich möchte erst alle unter meiner Geschichte abarbeiten, dann schaue ich mal nach einem Gegenbesuch.

Liebe Grüße
Meuvind

Hallo @wieselmaus ,

freut mich, dass du vorbeigeschaut hast. Ich bin mir bewusst, dass der Text, naja, anders ist. Umso schöner, dass du ihm etwas abgewinnen kannst.

Das innere Kind, ein Begriff aus der Psychotherapie, ebenso wie Resilienz, was das Thema von @MRG ist, und schließlich Winterreise, der berühmte Liederzyklus von Schubert und seinem genialen Texter Wilhelm Müller.

Witzigerweise hatte ich das innere Kind gar nicht so sehr im Kopf. Viel mehr das Ablösen eines Kinds von seinem alten Leben, vielleicht einem Elternteil. Aufbrechen. Das innere Kind wie Fliege es interpretiert hat war gar nicht gewollt, aber passt ganz gut.

ch glaube jetzt, bei deinem Text hat dir der alte Leiermann die Feder geführt, von der ersten bis zur letzten Strophe deines Prosalieds.
(Siehste, jetzt verführtst du mich sogar zu einer Wortschöpfung.:). Wenn das kein Erfolg ist ...)

:D

Dass Schubert zu meinen Lieblingskomponisten zählt, muss ich wohl nicht eigens erwähnen. Vor vielen Jahren habe ich Schuberts Lieder (dilettantisch) am Klavier gespielt und dazu gesungen. Aber Gänsehaut gibt es immer noch, wenn unser Männerchor im Städtle "Am Brunnen vor dem Tore " singt.

Ich wusste es nicht :lol:. Es ist interessant zu sehen, wie und wer mit welchen Künstlern vertraut ist. Schubert war mir ein Begriff, weil ich den damals im Musikabi hatte, zusammen mit Kirchenmusik und Jazz, glaube ich. Daher kanne ich die Winterreise bereits, als MRG seine Challengegeschichte geschrieben hat.


Danke dir für deinen Besuch!

Liebe Grüße
Meuvind


Liebe @Maedy ,

cool, dass du nen Kommentar zurückgelassen hast. Die Flusen übernehme ich gleich direkt im Anschluss, deswegen gehe ich nicht auf alle ein.

Ungewöhnlicher Aufbau.
Dichte Darstellung.
Drückt auf die Tränendrüse. :crying:
Zusammengefasst:
Das ist einfach großartig! :D

Freut mich :lol: war mir sehr unsicher, wie das wohl ankommt. Ist ganz anders als Texte, die ich bisher geschrieben hab.

Und dabei kritisiere ich doch so gerne ... und dann so etwas.

Ja ha, heute nicht :dagegen:.

Ein bisschen erinnerte mich das stellenweise an diesen Film mit Mark Wahlberg, ich glaube „In meinem Himmel“ oder so hieß der In deutscher Übersetzung.

Hab ich noch nie von gehört. Ich muss aber auch zugeben, dass ich sehr wenige Filme sehe. Was mich grundlegend interessiert, sind Geschichten, und im Vergleich zu Büchern sind die in Filmen meist einfach schlecht.

Außerdem habe ich mich gefragt, wenn sie da schon so lange sitzt, warum der Vater nicht öfters vorbeigekommen ist.

Das ist eine verdammt gute Frage, auf die ich gerade keine Antwort habe. Da sollte ich mir dringend was überlegen.

Also, ich habe das sehr gerne gelesen. Aber beim nächsten Mal lässt Du mir mehr Angriffsfläche, gell?

Versprochen :D.

Liebe Grüße
Meuvind

 

Hallo @Meuvind,

hier hast du ein Copywrite abgeliefert, wo ich Schwierigkeiten habe, den Bezug zum Original zu sehen. Ich vermute, wie in der Winterreise der Prota dem Vortragenden folgen wollte, will hier die Prota dem Fährmann folgen.

Seltsamerweise wirkt der Text auf mich wie ein Gedicht in Geschichtenform, auch wenn das keinen Sinn ergibt. Wegen den Abschnitten aus jeweils 4 kurzen Zeilen, irgendwie auch wegen der Knappheit. Das ist ... interessant. Ich habe die Zusammenfassung von Schuberts Winterreise nur überflogen und erkenne den Leiermann im Fährmann wieder. Bestimmt kann sich jemand einen Spaß daraus machen, die Parallelen zwischen den Werken zu analysieren.

Knappheit beispielsweise, da gesagt wird, der Mann wäre tot, aber er bewegt sich und eigentlich deutet nichts darauf hin. Ist er ein Zombie, ein Geist, eine Mumie? Es wird erst im Laufe der Geschichte klar, dass es der Fährmann ist. Ich hoffe, der Junge hat zwei Münzen dabei. ;)

Die Prota ist ein Geist, der keine Ruhe findet. Der Vater hat nun einen Bart, es ist viel Zeit vergangen, er hat eine neue Tochter und die Prota schon lange vergessen. Als sie das einsieht, kann sie sich endlich innerlich lösen.

Eine Kleinigkeit:

Ich mag den Regen, er macht mich rein
"machen" drückt so viel und so wenig aus, vielleicht wäre "wäscht" hier treffender.

Wie gesagt, ich finde es sehr interessant, eine Strophenform strukturmäßig als Geschichte abzubilden. Jemand, der das Werk von Schubert kennt, würde wohl einen besonderen Reiz hier erkennen, doch auch sonst fand ich die Geschichte unterhaltsam dadurch, dass am Anfang unklar ist, was dort überhaupt passiert, es sich aber nach und nach enthüllt.

Viele Grüße
Jellyfish

 

Lieber @Peeperkorn ,

dein Kommentar ist jetzt fast schon ein Monat alt. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich erst jetzt wieder einen Blick draufwerfe. Nach knapp 1,5 Jahren Lockdown hab ich von Computern die Schnauze voll. Mein ganzes Studium ist online, und schönes Wetter war auch noch ... wenn ich ehrlich bin, hatte ich schlicht keinen Bock.

Kann es sein, dass es in dieser Geschichte regnet? :D

Wie bist du draufgekommen? :D Ja, ein wenig over the top. Regen und Regen und Regen.

Ich denke, da kann man entschlacken, so Sachen wie "ruft er durch den Regen" braucht es nicht, das bietet keinen Mehrwert.

Ja, da hast du absolut recht. Hab einige Sachen gestrichen, bei vielen bin ich mir noch unsicher, da werde ich schauen.

Aber ich frage mich halt, wie und warum dieser Mann sofort als Toter identifiziert wird.

Das ist eine verdammt gute Frage, die ich mir noch nicht gestellt und auf die ich ehrlich gesagt gar keine Antwort habe.

Ein Mann vs. der Körper eines Mannes? Für mich klingt das gut, macht aber nicht wirklich Sinn.

Die Idee war, dass die Bandagen und die Kleidung ihn ja verhüllen. Was darunter steckt, ist für sich nicht einsichtig, und würde sie bereits gezielt von einem Mann sprechen, wäre das ja ein Wissen, dass sie nicht besitzt. Deswegen so gelöst, wenn du verstehst.

ein wenig geometrisch, breit, lang. Ich finde die Wahl der Adjektive hier nicht optimal.

Ja, hast recht. Breites Kreuz ist mMn. ok, aber die Schuhe habe ich angepasst.

Wieder etwas unentschlossen. Viele Worte. Zumindest das "die Lippen stoppen nicht" würde ich streichen.

Gestrichen.

Das kommt ein wenig aus dem Nichts. Ich weiss nichts über die erzählende Instanz und dann gleich so was. Das Abtragen erschliesst sich ja dann später. Aber weshalb: "macht mich rein"? Ich habe danach nach Schmutz oder Schuld oder so etwas gesucht, bin aber nicht fündig geworden.

Der Gedanke war Seele und Körper. Der Regen "trägt" den Körper ab und ab, zurück bleibt die Seele bzw. der Geist. Das war das Bild, aber ich glaube, rein ist das falsche Wort, weil es gleichzeitig ne bewertende Instanz hat. Der Körper ist ja nichts schlechtes. Ich brauche ein neues Wort, ohne aber dabei das generelle Bild zu ändern.

Futter kostet auf die Dauer deutlich mehr Geld als eine Alaramanalage

Gestrichen.

Ich dachte, er steht bereits im Regen?

Auch gestrichen.

Zwischen "Verschwinde!" und diesem kleinen Scherz ist sehr wenig Zeit vergangen. Ich empfand die Reaktion insgesamt als nicht so stringent.

Guter Punkt. Ich möchte nicht viel Platz drauf verschwenden, den beiden Zeit zu geben, deswegen wird es bei ein paar Dialogzeilen bleiben, aber die müssen anders. Sie muss ihn von Anfang an weniger mehr Willkommen heißen.

Der Satz ist syntaktisch kaputt.

Richtig, habe es korrigiert.

Bewusst diese eher widersprüchlichen Adjektive?

Ja. Ich finde, alt und stark können durchaus Hand in Hand gehen. Manche alte Männer haben mMn. nen Gesichtsausdruck wie Granit. Klar, der Körper wird schwächer, aber mir geht es eher um die geistige Haltung. Ich finde, wenn Menschen "stark" wirken, nicht wegen Muskeln oder anderem, sondern weil sie eine schwierige Situation meistern, gibt ihnen das auch eine Aura von Stärke.

müsste es nicht heissen: einer anderen?

Korrigiert.

Für meinen Geschmack müsste man mehr über die Erzählerin erfahren, das hätte mir glaub geholfen, den Fuss in den Text zu kriegen. Die Beschreibungen und die Begegnung an sich gibt für mich etwas zu wenig her, damit der Text sich tief in mein Gedächtnis eingraben könnte.

Ja, du hast Recht. Besondere Persönlichkeiten haben die beiden nicht. Ehrlich gesagt ging es mir aber um zwei Dinge, von denen ich glaube, das der Text sie halbwegs gut geliefert hat: Atmosphäre und diese Möglichkeit, Verbindungen zwischen der Winterreise und MRGs Text zu ziehen. Ich hatte bisher den Eindruck, dass er sehr gerne interpretiert, und darüber bin ich dann eher eingestiegen. Also mehr Querverweise auf die Winterreise und seinen Text als eine tiefgründige Erzählerin (wobei das eigentlich kein Widerspruch ist, also vielleicht rede ich mir es auch einfach nur schön. Vermutlich letzteres).

Vielen Dank dir für deine Gedanken. Da war wieder eine Menge guter Sachen bei.

Liebe Grüße
Meuvind

 

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