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Spiegel
Ich kann dich nicht hören.
Deine leise Stimme dringt nicht bis hierher, wo mir von jeder glänzenden Fläche mein eigenes Gesicht entgegenblickt, tausendfach gebrochen.
Wären wir im Märchen, so könnte ich einen der Spiegel durchschreiten, ganz gleich welchen, es wäre nur ein Schritt. Ich gelangte in das fremde Land voller Abenteuer und Geheimnisse, worin du auf mich wartest, und in dem die Gesetze nicht gelten, die mich dazu zwingen, rastlos das Rad zu drehen der immer gleichen Inszenierungen.
Ich bin in Drachenblut gebadet, und nicht einmal ein Lindenblatt fand je den Weg zu meiner nackten Haut. So bin ich unverwundbar geworden und brauche keine Hand, die mich streichelte in der Nacht.
Einmal, im Bade, riebst du mit beiden Händen über dein nasses Gesicht und spürtest dabei das meine. Da hast du dein Leben in meine Hände gelegt.
Ich trete durch den Spiegel und mache dich lebendig.