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Spieltrieb

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09.12.2016
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Spieltrieb

Paul erinnerte sich lückenhaft an die letzten Tage. Sein Redakteur hatte ihn nach New York geschickt, um einen Artikel über diese Mordserie zu schreiben. Was war dann geschehen?
Er setzte sich im Bett auf und zog die Decke enger um den schmächtigen Körper. Regenwolken verdeckten den Novemberhimmel, durchs geschlossene Fenster drang kein Laut. Paul griff nach dem Pappbecher mit Wasser auf dem Nachttisch, leerte ihn in einem Zug, aber der pelzige Geschmack im Mund blieb.
Da war diese Frau gewesen. Kinnlanges, schwarzes Haar, dicht wie eine Perücke, schneeweiße Haut. Paul lächelte schwach, merkte, dass er ins Schwärmen geriet und streckte den Rücken durch. Bloß keine Gefühlsduselei. Er musste sichergehen, dass nichts passiert war, was er nicht wollte.

Gleich am Flughafen war er ihr begegnet. Er saß in einem dieser Schnellrestaurants und beobachtete, wie sie in ihren Stöckelschuhen auf und ab lief und den Trolley hinter sich herzog. Sie schien wohlhabend zu sein, das graue Kostüm war bestimmt nicht billig gewesen. Suchend blickte sie über die Köpfe der Leute hinweg.
Nach einer Weile blieb sie stehen, um sich die Lippen nachzuziehen. Zögernd erhob er sich, wusste genau, was er sagen würde. Das hatte bisher immer gezogen. Er wich einer Gruppe Rednecks aus, die zu fünft einen Gepäckwagen schob und laut sang.
„Mam“, begann er, „ich ...“ Im selben Moment spürte er etwas Schweres gegen seinen rechten Arm prallen, geriet aus dem Gleichgewicht, wurde gegen die Frau gestoßen. Ihr Taschenspiegel fiel herunter, und bevor Paul einen klaren Gedanken fassen konnte, fuhr sie herum. Quer über ihrer Wange sah er einen roten Strich, der wie eine Kriegsbemalung aussah.
Die Rednecks lachten, einer half seinem Freund vom Boden auf und verpasste ihm eine Kopfnuss. Gröhlend zogen sie weiter.
„Ich ... Ich bitte vielmals um Entschuldigung“, sagte Paul, während er sich die Hosenbeine abklopfte. Sie sah ihn an, als wäre nichts passiert. Ihr Blick war unschuldig und gleichzeitig auf eine seltsame Art neutral, wie gemalt wirkten die großen, dunklen Augen. Paul musste sofort an das Buch denken, mit dem er als Junge unter dem Ahornbaum gesessen und mit nackten Zehen im Sand gegraben hatte. Sein Herz klopfte laut, wenn er es auf einer bestimmten Seite aufschlug. Da war es. Schneewittchen. Derselbe unschuldige Blick, als könne nichts auf der Welt ihr etwas anhaben. Er schaffte es immer wieder, sich davonzuschleichen und sie anzuschauen, ohne dass die Alte ihn entdeckte.

„Paul Anders.“
Sie gab ihm die Hand, stellte sich aber nicht vor. Paul ging in die Knie, um den Spiegel aufzuheben. Das Glas war zerbrochen, und als die Frau hineinsah, wusste Paul, dass ihr Gesicht in tausend Teile zerfiel.
Der zerbrochene Spiegel verschwand in ihrer Handtasche, dann lächelte sie und sagte: „Ich dachte schon, Sie kommen nie.“
Paul sah sie fragend an. Statt einer Antwort ließ sie ihren Koffer stehen und stöckelte Richtung Damentoilette. Er zog die Stirn kraus. Kannte sie ihn? In seinem Kopf lief alles durcheinander. Er stellte sich vor einen Zeitungskiosk, trat von einem Bein auf das andere, überflog die Schlagzeilen. Überall nur Mord und Totschlag. Aber seine Reportage würde mehr hergeben, der Täter wurde seit zehn Jahren gesucht, und jetzt standen sie kurz davor, ihn zu fassen. Wenn er die Story lieferte, würde er endlich seine Beförderung bekommen.
Die Frau kam mit entschlossenem Gesicht in die Flughalle zurück. Sie blieb vor der Toilettentür stehen und telefonierte. Paul sah auf die Uhr. Die Hände waren so nass, dass er sie mehrmals an der Jeans abwischen musste. Selten war ihm eine Frau begegnet, die genau wie in dem Buch aussah. Die anderen hatten ihr ähnlich gesehen, die letzte sogar sehr, aber sie war perfekt. Wieder sah er auf die Uhr. Im Hotelzimmer wartete eine Menge Arbeit auf ihn, und er musste den Gedanken an das Buch aus dem Kopf bekommen. Wie es im Laufe der Jahre immer mehr zerfledderte, die roten Lippen verblassten, das schwarze Haar abstumpfte, der Deckel fehlte. Warum brauchte sie so lange?
Endlich klappte sie das Telefon zu und kam zu ihm. Er schnappte sich ihren Koffer und zog ihn neben seinem eigenen hinter sich her. Das Spiel fing an, ihm zu gefallen. Eine Inspiration für seine nächste Kolumne. Mit wem verwechselte sie ihn? Einem Blind Date? Einem Freund von demjenigen, der sie eigentlich abholen sollte, aber verhindert war? Es konnte sich auch um einen Job handeln.
„In der Nähe von meinem Hotel soll es ein sehr nettes, chinesisches Restaurant geben“, sagte er. „Wenn Sie keine anderen Verpflichtungen haben, würde ich Sie gerne zum Essen einladen. Als Entschädigung für den kaputten Spiegel.“
„Das ist wirklich nicht nötig“, beeilte sie sich zu sagen und senkte den Blick. „Aber ich nehme trotzdem gerne an.“

Der Himmel war grau, als sie ins Freie traten, die Luft roch nach Regen. Paul steuerte auf ein Taxi zu, ließ den Fahrer das Gepäck im Kofferraum verstauen, hielt der Frau die Tür zur Rückbank auf und setzte sich neben sie.
Während der Fahrt durch den Newark-Tunnel sah sie aus dem Fenster. Später flogen Menschen und Gebäude an ihr vorbei, aber sie schien sie gar nicht wahrzunehmen. Paul fragte sich, ob sie die Tropfen zählte, die in immer kürzeren Abständen auf der Scheibe landeten. Der Fahrer schaltete die Scheibenwischer ein.

Es war bereits dunkel, als der Wagen in eine Seitenstraße bog, durch eine große Pfütze glitt und direkt vor dem Restaurant hielt. Über dem Eingang blinkten chinesische Schriftzeichen. Endlich wandte die Frau sich Paul mit einem sanften Lächeln zu. Ihre Augen glitzerten.


An das Abendessen konnte Paul sich zunächst nicht erinnern. Für ihn hatte diese Frau gleich nach der Taxifahrt hier auf dem Bett gesessen. Der Akt verlief routiniert, sie quiekte ein paarmal, aber außer sich geriet sie nicht. Dann musste er eingeschlafen sein.
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und sah sich hastig um. Kein Schrank, kein Stuhl, kein Spiegel, nur der Nachttisch mit dem leeren Wasserbecher und dem Hoteltelefon. Er griff nach dem Hörer und tippte die Nummer, die auf dem Gehäuse stand. Der Zimmerservice sollte ihm etwas zu trinken bringen.

Als es klopfte, torkelte Paul schlaftrunken zur Tür, aber der Page war bereits eingetreten. Er trug einen roten Gegenstand in der Hand, etwa so groß wie ein Sofakissen. Mehr konnte Paul ohne Brille nicht erkennen.
„Herr Anders, Sie sollen doch nicht aufstehen“, sagte der Page betont ruhig und in perfektem Deutsch. Er blieb seitlich vor dem Nachttisch stehen, dann legte er den Gegenstand aufs Bett. Paul rieb sich die Augen. Das Buch. Aber als er darauf zuging, erkannte er ein rotes Plastikarztköfferchen für Kinder. Genau wie das, das er damals im Gebüsch neben dem Ahornbaum gefunden hatte. Die Alte hatte ihn grün und blau geschlagen, als sie es herausfand. „Du! Sollst! Lernen!“, hatte sie geschrien. Immer und immer wieder. Dann hatte sie ihn zu den Schulbüchern gezerrt.
Paul fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Er musste sich konzentrieren. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Zumal das weiße Kreuz auf dem Koffer größer zu werden schien. Es sah jetzt wie eine längliche Schale aus. Und in seinem Kopf brüllte immer noch die Alte: „Du! Sollst! Lernen!“ Bis er merkte, dass er selbst es war, der schrie.
Der Page nahm jetzt etwas aus der Schale und kam auf Paul zu. Aus der Nähe erkannte er eine Spritze in der Hand des Mannes.
„Was wollen Sie von mir?“, schrie Paul, sprang zur anderen Seite des Bettes, riss das Kopfkissen hoch und warf es nach dem Pagen. Es landete auf dem Boden. Der Page griff nach dem Telefonhörer.
„Hallo? Ja, hallo, hier ist Quermann, Station 11c“, hörte Paul ihn mit kehliger Stimme telefonieren. „Patient beginnt die Kissenschlacht. Bitte um Verstärkung.“

Er hatte den Satz kaum beendet, als zwei Männer in grauen Kitteln hereinstürmten. Sie packten Paul und drückten ihn auf die Matratze. Er spürte ein Ziepen im Oberarm, wollte schreien, aber eine Hand presste ihm den Mund zu. Paul versuchte zu treten, wand den Oberkörper in alle Richtungen und tatsächlich - sie ließen ihn los.
Nun war auch die Frau wieder da. Sie war noch weißer als zuvor, und ihr Lächeln war noch sanfter.
„Wo kommen Sie denn her?“, fragte Paul. Als er sich umblickte, waren die Männer verschwunden.
„Aber ich bin doch gar nicht weggewesen.“
Paul wurde schwindelig. Wie weiß sie war. Noch nie hatte er einen Menschen mit so weißer Haut gesehen.

Sie fanden einen kleinen Tisch in der Ecke, er bestellte die Acht. Chop Suey mit Reis. Die Frau wollte nur einen Salat.
„Die Beerdigung ist morgen um zwei“, sagte sie.
Er zuckte zusammen. Sie wusste davon. Sicher hatte man sie auf dieselbe Story angesetzt.
Er sah vor sich auf das pinkfarbene Tischtuch, krallte die Finger im Schoß ineinander und hatte die Tote genau vor Augen, in einem gläsernen Sarg, das schwarze Haar wie ein Fächer um das weiße Gesicht drappiert, ein kleiner Schnitt quer über der Kehle.
„Ich werde da sein“, sagte er.
Die Augen der Frau schienen ihn zu verschlingen. Hoffentlich geriet er jetzt nicht außer Kontrolle. Wie konnte er einen kühlen Kopf bewahren, wenn sie ihn so ansah?
Ihr Handy vibrierte auf dem Tisch. Sie warf einen kurzen Blick auf das Display, entschuldigte sich und ging mit dem Telefon vor die Tür. Wieder brauchte sie lange. Paul trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Das Lokal füllte sich. Zwei Herren in grauen Anzügen nickten ihm kurz zu und nahmen am Nebentisch Platz.
Als sie zurückkam, zupfte sie sich die Haare zurecht. Da waren ein paar helle Strähnen an den Schläfen, die ihm vorher nicht aufgefallen waren. Noch bevor er Zeit fand, darüber nachzudenken, lächelte sie ihm warm zu, setzte sich wieder, in Zeitlupe, wie ihm schien, legte die Hand auf seinen Unterarm. Ihm wurde heiß. Er lockerte seinen Schlips. Sie beugte sich etwas vor und sprach leiser.
„Cecile war meine beste Freundin. Aber sie war einfach zu leichtsinnig. Wir waren alle hinter der Story her, aber sie musste ja unbedingt alles alleine machen.“
Paul sah, dass ihre Hand leicht zitterte, als sie nach dem Glas Mineralwasser vor sich auf dem Tisch griff, trank und sich die Lippen mit der roten Serviette abtupfte.
„Mein Beileid“, sagte er.
Jetzt hatte sie sich wieder im Griff, blickte ihm fest in die Augen. Da war etwas Unzüchtiges in ihrem Blick, das konnte er genau erkennen. Die Alte hatte ihm immer wieder gesagt, dass etwas Verdorbenes in Schneewittchens Augen lauere, genau wie es auch in dieser Frau schlummerte, da war sich Paul ganz sicher. Hatte sie ihn mit dem Fuß unter dem Tisch berührt? Abermals begannen seine Hände zu schwitzen.

Der Akt verlief routiniert. Die Frau quiekte ein paarmal, aber außer sich geriet sie nicht. Paul konnte sich nicht erklären, warum. Er hatte sie in den Apfel beißen sehen, kauen, schlucken. Endlich atmete sie hastiger, rang nach Luft. Draußen ertönte die Sirene eines Krankenwagens. Die Tür wurde eingetreten, und ehe Paul wusste, wie ihm geschah, erkannte er einen grauen Anzugärmel, der sich um seinen Hals legte, ihn nach hinten zog und fest umklammert hielt. Er spürte ein Ziepen im Oberarm. Dann musste er eingeschlafen sein.

Zuletzt bearbeitet: 25.12.2018
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Hey ho @Chai,

ich muss ja sagen: Der Schluss gefällt mir jetzt weniger gut ...
Als Schneewittchen sagt: "Ich bin doch gar nicht weg gewesen" ist damit eigentlich klar, dass Wirklichkeit und Traum verschwimmen. Ich für meinen Teil bin damit ja ganz zufrieden, und ich will dann eigentlich gar nicht mehr genau wissen, ob das Codewort wirklich gesprochen worden ist oder schon Teil der Rekonstruktion aus verschobener Wahrnehmung. Oder richtiger: Ich hab's lieber, wenn du mir die Möglichkeit lässt, dass so zu sehen.
Wollt ich nur sagen.
(Andere Möglichkeiten, die Geschichte zu sehen, verschweige ich jetzt aber lieber, weil du ja deine Deutung schon bekannt gemacht hast. Jedenfalls: Offener hat es mir besser gefallen.)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @Chai

eine Geschichte nach meinem Geschmack. :thumbsup:

Ich mag die surrealistischen Filme von David Lynch und fühle mich hier gut aufgehoben.

Ich habe die Kommentare nicht gelesen. Kann sein, dass da etwas doppelt kommt ...

Ihr Blick war unschuldig, aber etwas Verdorbenes lauerte in den großen, dunklen Augen, da war sich Paul ganz sicher. Seine Hände begannen zu schwitzen.
Sex and Crime.

„Sie ... Sie sehen wie Schneewittchen aus“, stammelte er, bevor er in die Knie ging, um den Spiegel aufzuheben. Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.
Sie bedankte sich knapp, murmelte etwas von Unprofessionalität, weil er sie so lange warten ließ und stöckelte Richtung Damentoilette.
Ihr Gesicht zerfiel ...
Mensch, was ist mit dem Typen los?

Später flogen Menschen und Gebäude an ihr vorbei, aber sie schien sie gar nicht wahrzunehmen. Paul fragte sich, ob sie die Tropfen zählte, die in immer kürzeren Abständen auf der Scheibe landeten. Der Fahrer schaltete die Scheibenwischer ein.
Sehr tolle Formulierungen.

Über dem Eingang blinkten chinesische Schriftzeichen.
Das könnte weg. Dass am Chinarestaurant keine kyrillischen Zechen hängen, dürfte allen klar sein. Obwohl, das wäre doch was!

und erkannte ein rotes Plastikarztköfferchen für Kinder.
Sex and Crime and Children Toys.
Eine verrückte Mischung. Aber das macht die Geschichte gerade aus.

Der Page öffnete den Koffer und zog wenige Augenblicke später ein Medikament in eine Spritze auf.
Toll!

„Hallo? Ja, hallo, hier ist Quermann, Station 11c“ , hörte
Leerzeichen zu viel.

„Wo kommst du denn her?“, fragte Paul. Als er sich umblickte, waren die Weißkittel verschwunden.
„Aber ich bin doch gar nicht weggewesen.“
Unter Pauls Füßen begann sich der Boden zu drehen. Wie weiß sie war. Noch nie hatte er einen Menschen mit so weißer Haut gesehen. Sie schien fast durchsichtig zu sein.
Ja, so dreht sich der Boden unter seinen Füßen und anschließend dreht sich die ganze Geschichte noch mal.

Habe ich gerne gelesen.
Gerne mehr davon.

Schönen Abend und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hey @Isegrims,
auch du bist wieder dabei. Freut mich sehr!

die Geschichte erinnert mich ein wenig an diese vertrackten David-Lynch-Filme, in denen nicht recht unterschieden wird zwischen Traum und Wirklichkeit, eine märchenhafte Dystopie des Realen gezeigt wird. Was mir zwar gut gefällt, andererseits aber verschließt sich mir meistens auf Anhieb der Sinn, die zweite Ebene, die über die Bildhaftigkeit hinausgeht.
Märchenhafte Dystopie trifft es sehr gut. Ja, ich wollte Traum und Wirklichkeit ineinanderfließen lassen, dem Leser die Möglichkeit geben, den Text durch Stimmung und Bilder intuitiv über ein diffuses Gefühl zu erfassen, das nicht in erster Linie über den Kopf auf die eine wahre Lösung abzielt, sondern mehrere Ebenen in Betracht zieht. Ich weiß, dass das eine Gradwanderung ist.
Und obwohl ich ein großer Lynch-Fan bin, das ist wohl nicht schwer zu erraten, hatte ich ursprünglich nicht vorgehabt, alles so zu verschlüsseln, dass man gar nicht mehr durchsteigt. Hatte gehofft, dass es zwar nicht ganz eindeutig, letztendlich aber verständlich ist, wenn man Lust hat, sich mit dieser Art von Texten zu beschäftigen.
Nachdem ich die Geschichte überarbeitet habe, ist - zumindest für mich :hmm: - der rote Faden sehr viel deutlicher, aber ich zähle ja nicht, denn ich weiß ja eh Bescheid. Die eine wahre Lösung gibt es aber nach wie vor nicht.

Insofern finde ich den Text einerseits erstaunlich, andererseits bleiben ein paar Vorbehalte zurück, was nicht bedeuten soll, dass ich ihn nicht mochte. :Pfeif:
Völlig verständlich! Und die Vorbehalte helfen mir natürlich auch, herauszufinden, wo ich wirklich noch deutlicher werden könnte, um die Interpretationen nicht allzu beliebig werden zu lassen. Denn das war, wie gesagt, nicht beabsichtigt. Dass du den Text erstaunlich findest, nehme ich mal als Kompliment mit und freue mich drüber. :gelb:
Hierzu:

Ihr Taschenspiegel fiel herunter, sie fuhr herum und Paul sah einen roten Strich quer über ihrer Wange, der wie eine Kriegsbemalung aussah.

sagst du:

wozu der rote Strich dient, keine Ahnung.
Vorher wird gesagt, dass sie sich die Lippen nachzieht. Und um es mit RinaWus Worten zu sagen: Es haut ihr den Lippenstift durchs Gesicht.

Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.

hübsch, wie da auf das Märchen verwiesen wird.
:thumbsup:
Danke dir. Aber das zerfallende Gesicht hat auch noch eine andere Bedeutung. Der Spiegel ist kaputt. Das benutzt Paul kurz darauf als Vorwand, um sie zum Essen einzuladen.

Paul fragte sich, ob sie die Tropfen zählte, die in immer kürzeren Abständen auf der Scheibe landeten.

auch das ein schönes Bild
Darüber freue ich mich.

Wie weiß sie war. Noch nie hatte er einen Menschen mit so weißer Haut gesehen. Sie schien fast durchsichtig zu sein.

mm, das finde ich unpräzise: je weißer desto dichter, strahlender aber nicht durchsichtiger erscheint etwas
Darüber denke ich nach.

Sie warf einen kurzen Blick auf das Display, entschuldigte sich und ging mit dem Telefon vor die Tür. Wieder brauchte sie lange.

warum wieder?
Sie war ja auch schon sehr lange auf dem Flughafenklo.

Der Akt verlief routiniert. Schneewittchen quiekte ein paarmal, aber in Ekstase geriet sie nicht. Paul konnte sich nicht erklären, warum. Er hielt inne, weil er ein Geräusch vor der Tür hörte. Im nächsten Moment erkannte er einen grauen Anzugärmel, der sich um seinen Hals legte. Dann musste er eingeschlafen sein.

mm ist natürlich nicht so schön … Als sie im Restaurant waren, hatten sich zwei Herren in grauen Anzügen an den Nebentisch gesetzt. Man könnte also vermuten, dass Schneewittchen Paul geködert hat, damit die Anzugherren ihn auf frischer Tat ertappen.
Auch hier wollte ich die Interpretation etwas flexibler halten. Bei Akt könnte man vermuten, sie hätten
Sex, es kann aber auch der Mord-Akt sein. Und dass er eingeschlafen sein musste, wäre eben auch so interpretierbar, dass er betäubt wurde. Ich hätte auch schreiben können: Dann wurde es schwarz um ihn, wollte es aber nicht ganz so deutlich machen. :Pfeif:

Tja, schwierig. Nicht nur für dich. Für fast alle, und für mich natürlich auch. Was gar nicht mal so schlecht ist, denn so lerne ich, mit schwierigen Texten zu arbeiten. Man will sich ja entwickeln. ;)

Jedenfalls danke ich dir sehr für deinen Leseeindruck.

Diffushormonige Grüße zurück von Chai

Hey @erdbeerschorsch,
hat mir gut getan, nochmal ein zweites Feedback von dir zu bekommen. Dank dir dafür. Zumal du ja einer der wenigen Leser warst, die nicht nach einer eindeutigen Lösung gesucht, sondern den Text so gelesen haben, wie ich es beabsichtigt hatte. Nun sagst du aber:

Der Schluss gefällt mir jetzt weniger gut ...
Als Schneewittchen sagt: "Ich bin doch gar nicht weg gewesen" ist damit eigentlich klar, dass Wirklichkeit und Traum verschwimmen. Ich für meinen Teil bin damit ja ganz zufrieden, und ich will dann eigentlich gar nicht mehr genau wissen, ob das Codewort wirklich gesprochen worden ist oder schon Teil der Rekonstruktion aus verschobener Wahrnehmung. Oder richtiger: Ich hab's lieber, wenn du mir die Möglichkeit lässt, dass so zu sehen.
Ja, so hatte ich mir das anfangs auch gedacht. Aber dann sind zu viele über das Codewort gestolpert, und ich habe gedacht, ich müsste das wohl deutlicher machen. Habe gerade nochmal an Isegrims geschrieben, dass ich ursprünglich schon einen roten Faden wollte, der aber mehrdeutig interpretierbar sein sollte. Dass jeder sich seine eigene Story dazu denkt, war nicht beabsichtigt.
Das ist natürlich bei dieser Art von Text ganz besonders schwierig, weil sich der Leser auf eine ganz andere Art darauf einlassen muss als bei sogenannten normalen
Texten. Für mich als Autorin - und meinem ersten Text dieser Art - ist es jetzt unheimlich schwer, zu unterscheiden, was hier wirklich unter Geschmack fällt und wo ich tatsächlich Butter bei die Fische geben müsste, um den Text zwar nicht allzu einfach und nach wie vor mehrdeutig interpretierbar zu gestalten, aber auch nicht zu beliebig. Aber … ich bleib dran. :thumbsup:

Ein schönes Wochenende dir!

Liebe Grüße,
Chai

Hallo @Bea Milana,
auch über deinen Besuch hab ich mich gefreut.

puh, was für eine knifflige, aber interessante Geschichte! Da kann man sich ja die Zähne dran ausbeißen! Es ist vor allem eine Crime-Story, bei der sich der Leser die Vorgeschichte erschließen muss.
:thumbsup: Genau so sollte es sein! Allerdings sollte von den Zähnen am Schluss noch was übrig sein … :D

Wenn ich mir die Kommentare durchlese, fällt mir auf, dass sich die meisten Leser deshalb die Zähne ausbeißen, weil es keine klare, eindeutige Lösung, sondern immer noch Möglichkeiten zum Interpretieren gibt. Die Story als solche haben die meisten - und auch du - relativ schnell erfasst, ( bloß die Codewort-Situation hat viele irritiert, aber die habe ich jetzt etwas deutlicher gemacht )nur kann sie eben aus verschiedenen Perspektiven gelesen werden, es ist nicht nur eine Lösung möglich.
Deine drei Interpretationen treffen also alle zu. Es ist eine Crimestory, Schneewittchen arbeitet als Lockvogel und das

Warum er dann allerdings später in einer Klinik „versorgt“ wird, habe ich nicht verstanden. Da gibt es eine zu große Lücke
führt zu deiner zweiten Interpretation. Paul wird gefasst und landet in einem Krankenhaus. Ob er schizophren ist und sich alles nur eingebildet hat, will ich jetzt mal offen lassen. Das könnte natürlich auch sein, wäre aber zu weit hergeholt, denn dann wäre es ja fast egal, von welcher Art von Geschichte er verfolgt würde.
Meine Intention war, dass er gefasst und mit Medikamenten ruhig gestellt wurde, seine Taten ihn in diffusen Räuschen/Träumen heimsuchen, wobei sich reales Geschehen mit seiner Phantasie vermischt. Mir ging es bei diesen Erinnerungen deshalb nicht darum, ob alles exakt so passiert ist - nicht mal, ob Schneewittchen eine bestimmte Person ist, die er mal getroffen hat, sie könnte sich auch aus mehreren Frauen zusammensetzen, die er umgebracht hat. Real ist nur der Rahmen. Mörder, Lockvogel, Verhaftung, Krankenhaus.
Ich wollte gerade, dass der Leser die Story aus mehreren Perspektiven betrachten kann. Pauls Sicht also genau so wahr sein kann wie das, was wirklich passiert ist.

Das Quieken beim Sex würde ich als Todesquieken deuten.
Ich auch. Allerdings wird nicht gesagt, ob sie tatsächlich Sex hatten oder ob hier der Mordakt gemeint ist. Und ob Schneewittchen tatsächlich stirbt. Ihm fällt ja auf, dass sie nicht in Ekstase geriet, also um ihr Leben kämpft. Er wollte sie mit einem Apfel vergiften, um deine Frage nach dem Apfel zu beantworten.

"Sie ist vergiftet worden. Mit einem Apfel. Wie in diesem Kindermärchen. Schneewittchen und die sieben Zwerge.

Das wirkt auf mich, als wolltest du etwas erklären, nur was?

Dadurch, dass die grauen Herren Paul außer Gefecht setzen, könnte es also sein, dass Schneewittchen zwar in den Apfel gebissen, ihn aber nicht hinuntergeschluckt und somit ihren Todeskampf nur vorgetäuscht hat.

Das Codewort könnte auf ein verabredetes Wort aus einem Datingportal stammen. Aber das muss man sich zusammenreimen. Der Zufall mit dem Anrempeln am Flughafen würde nicht passen.
Nee, das würde nicht passen, da hast du recht. In der ersten Version sollte Schneewittchen von einem Mann abgeholt werden, und derjenige, der sie abholen sollte, sollte sich mit dem Codewort zu erkennen geben. Dass Paul mit seinem Schneewittchen-Kram dazwischenpfuscht, sollte Verwirrung auf beiden Seiten auslösen. Aber die Story ist eh schon sehr verwirrend. Also habe ich das mit dem Abholen gelassen und versucht, deutlicher zu machen, dass Schneewittchen als Lockvogel arbeitet, also sofort ahnt, wer Paul ist und ihn in die Falle tappen lässt. Um ihn in dem Glauben zu lassen, sie wüsste es nicht, (und sie so schnell mit ihm mitgeht), erzählt sie ihm, er wäre der Mann, auf den sie gewartet hat.

Regenwolken verdeckten den Novemberhimmel.

Hat es eine Bedeutung für die Story, ob es November ist? Ich vermute nein. Ich vermute schmückendes Beiwerk des Erzählers, das hier unnötig ist. Daher empfehle ich schlicht und einfach das schöne Wort „Himmel“
Na ja … Der Monat November spielt jetzt keine eindeutige Rolle in der Geschichte, das stimmt. Die Jahreszeit aber schon. Die trägt zur Stimmung bei. Ein regnerischer, wolkenverhangener Sommertag löst bei mir ganz andere Assoziationen aus als der herannahende Winter. Von daher lasse ich es so.

Da dies ja eine Rückblende (sein Versuch einer Erinnerung) ist, würde ich diese mit PQP einleiten, dann mit Prät. weitermachen: Er hatte sie am Flughafen getroffen. Oder: Er war ihr am Flughafen begegnet.
Mist, das hatte ich gerade auf TeddyMarias Anraten geändert. Aber mir kommt PQP hier auch richtiger vor, deshalb hatte ich es ja anfangs so. Und treffen und begegnen sind zwei Dinge, das stimmt. Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

Hm, damit er sehen kann, was sie sehen kann, müsste er direkt hinter stehen oder auf den Spiegel heruntergucken. Du hast hier mMn. ein kleines Perspektivproblem (aus ihrer Sicht auf den Spiegel). Ich habe lange darüber nachgedacht, was du mit den zerbrochenen Teilen andeuten möchtest, vllt. den Tod? Ist schwierig.
Ja, das mit der Perspektive hat barnhelm auch schon angesprochen. Ich wollte, dass er ihr dabei zusieht, aber das scheint sich problematisch zu gestalten. Mal sehen, wie ich das drehen kann.
Die zerbrochenen Teile haben eigentlich eine ganz einfache Bedeutung. Der Spiegel ist ja heruntergefallen, also zerbrochen. Das Glas ist so gesprungen, dass ihr Gesicht im wahrsten Sinne beim Hineinblicken in tausend Teile zerfällt. Ich wollte es nur etwas poetischer formulieren, weil ich ja auch die Märchenelemente einbauen wollte.

Die anderen hatten ihr ähnlich gesehen, die letzte sogar sehr, aber sie war perfekt.

Für mich ist das der Schlüsselsatz, der mich zu Annahme I oder III (s.o.) führt. Feststeht: Er hungert nach ihrem Erscheinen.
Ganz genau.

An das Abendessen konnte Paul sich nicht mehr erinnern.

Aha. Später dann aber doch ... Wie geht das zusammen? Wenn du schreibst: "Er konnte sich erst (oder anfangs oder ähnl.) nicht erinnern", hast du das Problem umschifft.
Erst dachte ich, dass das auch zu undurchsichtig wäre, aber jetzt verstehe ich, was du meinst. Klar, er erinnert sich dann ja. Werde das noch deutlicher machen, danke dir.

Der Page öffnete den Koffer und zog wenige Augenblicke später ein Medikament in eine Spritze auf.

"Wenige Augenblicke später" ist unnötig, weil logisch.
Okay.

Quermann find ich gut. Leerzeichen zuviel. „Kehlig“ ist unwichtig. Der „Page“ ist ein Profi, oder nicht? „etwas aufgeregt“ wirkt ziemlich harmlos.
Kehlig finde ich jetzt nicht so unwichtig. Da bekommt man einen Eindruck, wie der Mann spricht.
Etwas aufgeregt könnte man auch ironisch lesen, abgeklärt. Leerzeichen wird gefüllt.

„Der“ ist Perspektive von außen, es muss „er“ heißen (personal)!
Hab schon so viel "er". Mal schauen, was ich da noch machen kann.

Da waren ein paar helle Strähnen an ihren Schläfen, die ihm vorher nicht aufgefallen waren.

Vorher zupft sie sich die Haare zurecht. Und sie ist ein Lockvogel, der möglichst wie Schneewittchen aussehen will. Dazu ist evtl. eine kleine Verkleidung nötig ;).

Einen roten Faden erkenne ich trotzdem nicht, tut mir leid.
:confused:
Einen vielleicht nicht, aber dafür drei, die wunderbar ineinanderfließen. :)

Mich persönlich würde das Frauenbild dieses Mannes interessieren. Er schwebt ja zwischen Verehrung und Verachtung, also ambivalent, aber vllt. habe ich das nicht in deinem Sinne gesehen.
Ganz genau so. Er schwebt zwischen Verehrung und Verachtung. Also von einem Extrem ins andere. Habe schon anderen Kommentatoren etwas zu Pauls Weltbild geschrieben. Wenn du Lust und Zeit hast, kannst du ja mal ein wenig herumscrollen. Aber genau diese zwei Extreme machen einen großen Teil von Pauls Zerrissenheit aus.

Dass du gut schreiben udn erzählen kannst, weißt du ja hoffentlich! :thumbsup:
Danke dir.

Also, liebe Bea ich gehe jetzt mal wiederholt davon aus, dass das Problem der Story für die meisten darin liegt, dass eben nicht nur eine Interpretation möglich ist und nicht so sehr daran, dass die Geschichte insgesamt keinen Sinn ergibt. Denn deine Interpretation(en) treffen (fast) ins Schwarze. Gut, das eine oder andere Detail fügt man ja immer hinzu, aber warum bei so einer schlüssigen Interpretation kein roter Faden erkennbar ist, verstehe ich nicht. Aber wie gesagt, gibt halt mehrere Deutungsmöglichkeiten.

Vielen lieben Dank für deine Mühe und viele Grüße,
Chai

 
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Liebe Chai,

ist schon paar Tage her, da ich deine Geschichte las und ich hab eine Handvoll der Kommentare überflogen, daher denk ich, am hilfreichsten ist für dich so ein live-Leseeindruck, der jetzt nicht mehr live ist, sondern mehr aus der Erinnerung heraus. Ich kann aber schon mal vorab sagen, das ich sehr überrascht war, als der Text zu Ende war, dass ich sowohl die "Mördergeschichte" für mich identifiziert hatte, als auch die eines psychisch kranken Menschens, der in die Schneewittchenfantasie verfällt, sobald er seine Droge bekommen hat. Ich habe sozusagen zwei Paralellgeschichten gelesen, sie am Ende dann auch noch verknotet, so nach dem Motto, erst war er Mörder, jetzt ist er in der Forensische Psychiatrie.


Er setzte sich im Bett auf und zog die Decke enger um den schmächtigen Körper. ...
Da war diese Frau gewesen. Er lächelte schwach. Sie hatte ausgesehen wie Schneewittchen. Das Haar so schwarz wie Ebenholz, die Haut so weiß wie Schnee ... Paul merkte, dass er ins Schwärmen geriet und streckte den Rücken durch. Bloß keine Gefühlsduselei. Er musste sicher gehen, dass nichts passiert war, was er nicht wollte.
Gleich am Flughafen traf er sie.
Hier hatte ich paar Probleme mich in Ort und Zeit zurechtzufinden. Er sitzt im Bett - wo? - New York? - Hotel, anscheinend allein. Ach nee, da gab es noch eine Frau, wo ist die jetzt? War die bei im ihm Hotel oder hat er sie nur irgendwo gesehen? Ich weiß, du beantwortest im weiteren Verlauf all diese Fragen, und Frage wecken ja auch Neugier, aber hier war ich bisschen überfordert. Und auch wegen der zeitlichen Orientierung würde ich den Flughafenabschnitt im PPQ beginnen, und auch einen Absatz machen. Weil Bett sitzen/Hotel= Prät., d.h. Flughafen im PPQ.

Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.
Als Metapher für den zerbrochenen Spiegel oder einfach so? Mir sagt der Satz nichts.

Jetzt beim zweiten Lesen erkennt man natürlich viel besser und deutlicher die Hinweise im Text. Und ganz ehrlich, ich würde hier:

Sie bedankte sich knapp, murmelte etwas von Unprofessionalität, weil er sie so lange warten ließ und stöckelte Richtung Damentoilette. Paul sah ihr nach und zog die Stirn kraus. Wusste sie irgendetwas? Oder hielt sie ihn für jemand anderen?
bisschen mehr draufeingehen. Vielleicht sogar direkter Dialog, weil man da sonst so drüberweg liest und ich habe mich dann gewundert, dass sie so schnell mit ihm ins Taxi steigt. Ich würde den Leser bisschen mehr an die Hand nehmen und es nicht "versteckt-offen" lassen, ob sie ihn verwechselt, sondern es ganz klar herausarbeiten.

An das Abendessen konnte Paul sich nicht mehr erinnern. Für ihn hatte diese Frau gleich nach der Taxifahrt hier auf dem Bett gesessen. Der Akt verlief routiniert, Schneewittchen quiekte ein paarmal, aber in Ekstase geriet sie nicht. Dann musste er eingeschlafen sein.
Schneewittchen quiekte ein paarmal - fand ich megaccol :D

Er blieb seitlich vor dem Nachttisch stehen, dann legte er den Gegenstand aufs Bett. Paul rieb sich die Augen und erkannte ein rotes Plastikarztköfferchen für Kinder. Er trat einen Schritt zurück.
Hier glitt das Ganze für mich in Richtung Seltsam - ich dachte, jetzt wirds ne völlig abgedrehte Geschichte, ich mochte das sogar sehr, sehr gern, bis ich später bemerkte, ach ne, wir sind in der Klapse, aber da kommt ja wohl niemand mit 'nem Kinderarztkoffer. Also, du verlangst dem Leser ja eh schon eine Menge ab, und da jetzt noch falsche Fährten zusätzlicher Art finde/fand ich schwierig. Und ich schätze, auf solchen Stationen hat man die Spritze schon fertig am Mann/an Frau.

Sie sah ihn forschend an. „Nein, ich bin wegen des Trauerfalls hier. Aber das wissen Sie doch."
Wenn sie ermittelt, sagt sie da echt Trauerfall? Also, ich habe in ihr keine Ermittlerin erkannt, Verwechselung ja, aber halt keine mit der Ermittlerin. Was allerdings ein schöner Twist ist, um so mehr schade, wenn man es nicht erkennt.

„Es ist wegen meiner Freundin Cecile“, begann sie. „Sie ist einer grauenhaften Mordserie zum Opfer gefallen, sie ...“
Okay, also ideswegen ist mir der Gedanke gar nicht gekommen. Weil sie es ihm hier auch noch erklärt. Wenn sie aber doch vorher sagt, er wüsste - warum tut sie es dann? Warum wird sie da nicht eher mißtrauisch? Die Fragen wurden bestimmt alle schon gestellt, ich werde gleich nach den Antworten suchen ;).

„Ich bin froh, dass ich hier mit Ihnen sitze. Wissen Sie, als Sie mir am Flughafen sagten, ich sehe wie Schneewittchen aus, wusste ich gleich, dass Sie es sind. Man hatte mir versichert, dass der Herr, der mich abholen wird, sich mit dem Codewort Schneewittchen zu erkennen gibt.“ Sie schluckte, lächelte tapfer und fuhr fort: „Es ist schön, wie Sie daraus ein so nettes Kompliment gemacht haben. Sie sind ein echter Gentleman.“
Okay. Du brauchst die Dialoge um die Infos an den Leser zu bringen, und genau so liest sich das. Vielleicht wäre hier aber eine zweite Perspektive das bessere Mittel der Wahl. Er erzählt, sie erzählt ... - aber er muss ja für sich erzählen ... ach, was weiß denn ich :D.

Der Akt verlief routiniert. Schneewittchen quiekte ein paarmal, aber in Ekstase geriet sie nicht. Paul konnte sich nicht erklären, warum. Er hielt inne, weil er ein Geräusch vor der Tür hörte. Im nächsten Moment erkannte er einen grauen Anzugärmel, der sich um seinen Hals legte. Dann musste er eingeschlafen sein.
Jetzt waren es also die grauen Männer vom Nachbartisch, d.h. er baut die Pfleger schon mit in seine Erinnerung ein, aber das ist schräg, das kommt für mich nicht gut rüber. Ich mein klar, man ist da beim Aufwachen so zwischen Kopfwelt und realer Welt und das mischt sich schräg zusammen - und wo ich es jetzt so schreibe, gefällt es mir von der Idee her doch total gut. Vielleicht sollten die grauen Männer auch eine Spritze dabeihaben, keine Ahnung, wie man ein bisschen, ganz zart nur, nachpinseln könnte, damit sich die Kreise verbinden, die du ziehst.

Ich mag die Geschichte, gerade in ihrer Komplexität, trotzdem könnte sie bisschen mehr Leserführung für meinen Geschmack vertragen. Schon allein das Zeitending am Anfang. Aber die Idee finde ich wirklich hübsch. Und ich bin ein Fan vom quiekenden Schneewittchen, auch wenn sie dabei stirbt, was nun gar nicht schön ist, aber ich hatte meine Freude dran!

Beste Grüße, Fliege

Nachtrag: Lese gerade, dir ist gar nicht wichtig, dass jeder Leser alles bis ins letzte Detail auspuzzlet, finde ich gut, aber ihm die Möglichkeit dazu zu bieten, fände ich noch besser. Ich schätze, man muss sich auch so schon eine Menge Zeit und Lust ans Bein binden, wenn man es denn mag, und die Leute sollten belohnt werden, alle anderen haben eh ne schräge Unterhaltung, und das werden wohl die meisten sein. Vielleicht nicht hier im Forum, aber der Ottonormalleser schon.

 

Lieber @GoMusic,

eine Geschichte nach meinem Geschmack. :thumbsup:
Yay! Das haut mich natürlich aus den Socken, lieber GoMusic, zumal du ja mit meinen anderen Geschichten nicht viel anfangen konntest, und ich erst etwas skeptisch war, als ich deinen Namen las, muss ich zugeben. Freut mich deshalb umso mehr!

Ihr Gesicht zerfiel ...
Mensch, was ist mit dem Typen los?
Über die Stelle sind so einige gestolpert. Ihr Gesicht zerfiel, weil der Spiegel beim Herunterfallen kaputtgegangen ist. Nur noch Splitter. Von daher zerfällt ihr Gesicht, wenn sie hineinblickt. Und es ist natürlich auch ein Verweis auf Schneewittchens Nicht-Existenz.

Später flogen Menschen und Gebäude an ihr vorbei, aber sie schien sie gar nicht wahrzunehmen. Paul fragte sich, ob sie die Tropfen zählte, die in immer kürzeren Abständen auf der Scheibe landeten. Der Fahrer schaltete die Scheibenwischer ein.

Sehr tolle Formulierungen.
Danke dir sehr!

Über dem Eingang blinkten chinesische Schriftzeichen.

Das könnte weg
Könnte es. Aber ich mag das Bild.

"Hallo? Ja, hallo, hier ist Quermann, Station 11c" , hörte ...

Leerzeichen zu viel.
ist weg.

Habe ich gerne gelesen.
Gerne mehr davon.
Danke für den tollen Kommentar. Allerdings werde ich zunächst erstmal wieder zu den Indien-Geschichten zurückkehren, also - nichts für dich. :D

Viele Grüße und ein schönes Restwochenende wünscht Chai

 

Hey @Fliege,
super, dass du wieder dabei bist. Und natürlich auch, dass du die Geschichte mochtest, gerade in ihrer Komplexität. :)

Er sitzt im Bett - wo? - New York? - Hotel, anscheinend allein. Ach nee, da gab es noch eine Frau, wo ist die jetzt? War die bei im ihm Hotel oder hat er sie nur irgendwo gesehen? Ich weiß, du beantwortest im weiteren Verlauf all diese Fragen, und Frage wecken ja auch Neugier, aber hier war ich bisschen überfordert.
Kann ich verstehen. Mit dem Satz: Sein Redakteur hatte ihn nach New York geschickt, wollte ich vage andeuten, wo er sich zu befinden glaubt. Habe gerade überlegt, ob ich noch ein paar mehr Details einstreuen sollte, um den Leser in dem Glauben zu bestätigen. Aber das würde dann nicht mehr zum Verlauf der Geschichte passen. Die Frau … ja, das ist mir beim Schreiben auch schon in den Sinn gekommen, dass man sich da fragen könnte, wo die jetzt ist. Aber er erinnert sich ja nur Schritt für Schritt, kommt also erst später darauf, dass er sie mitgenommen hat.

Gleich am Flughafen traf er sie.

Und auch wegen der zeitlichen Orientierung würde ich den Flughafenabschnitt im PPQ beginnen, und auch einen Absatz machen.
Ist schon erledigt.

Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.

Als Metapher für den zerbrochenen Spiegel oder einfach so? Mir sagt der Satz nichts.
Beides. Aber nicht einfach so, sondern weil das Glas gesplittert ist.

Sie bedankte sich knapp, murmelte etwas von Unprofessionalität, weil er sie so lange warten ließ und stöckelte Richtung Damentoilette. Paul zog die Stirn kraus. Wusste sie irgendwas? Oder hielt sie ihn für jemand anderen?

bisschen mehr draufeingehen. Vielleicht sogar direkter Dialog, weil man da sonst so drüberweg liest und ich habe mich dann gewundert, dass sie so schnell mit ihm ins Taxi steigt.
Okay, hier liegt offenbar der Hase im Pfeffer. Werde das noch deutlicher machen, bzw. eine Dialogszene entwickeln, damit das klarer wird. Dank dir.

Schneewittchen quiekte ein paarmal - fand ich megaccol :D
Jepp. Ich auch. :D

Paul rieb sich die Augen und erkannte ein rotes Plastikarztköfferchen für Kinder.

. Also, du verlangst dem Leser ja eh schon eine Menge ab, und da jetzt noch falsche Fährten zusätzlicher Art finde/fand ich schwierig. Und ich schätze, auf solchen Stationen hat man die Spritze schon fertig am Mann/an Frau.
Ja, das verwirrt noch mehr, da hast du recht. Werde klarer herausarbeiten, dass nur Paul das Arztköfferchen sieht.

Wenn sie ermittelt, sagt sie da echt Trauerfall? Also, ich habe in ihr keine Ermittlerin erkannt, Verwechselung ja, aber halt keine mit der Ermittlerin. Was allerdings ein schöner Twist ist, um so mehr schade, wenn man es nicht erkennt.
Auch das werde ich noch deutlicher machen. Trauerfall sagt sie, weil sie Paul ja in dem Glauben lassen will, sie wäre nur irgendeines seiner Schneewittchen-Opfer, braucht also einen Grund, warum sie nach New York kommt. Dadurch, dass sie ihn so bohrend ansieht, wollte ich andeuten, dass sie nun endgültig weiß, dass er der Schneewittchen-Mörder ist. Gleich darauf geht sie ja raus, um zu telefonieren, und dann kommen die grauen Herren, die mit ihr zusammenarbeiten. Hach, es ist schon schwierig, herauszufinden, wo man am besten weglässt und wo nicht …

"Es ist wegen meiner Freundin Cecile", begann sie. "Sie ist einer grauenhaften Mordserie zum Opfer gefallen, sie …"

Okay, also ideswegen ist mir der Gedanke gar nicht gekommen. Weil sie es ihm hier auch noch erklärt. Wenn sie aber doch vorher sagt, er wüsste - warum tut sie es dann? Warum wird sie da nicht eher mißtrauisch? Die Fragen wurden bestimmt alle schon gestellt, ich werde gleich nach den Antworten suchen ;).
Weil er ihr ja erzählt, er wüsste zwar im Groben, worum es ginge, aber eben nicht im Detail. Und sie ist so nervös, weil sie ja wirklich ihre Freundin rächen will. Aber ich merke gerade, dass das wohl auch zu viel ist und zu sehr von der Ermittlerrolle ablenkt. Ob die Geschichte mit der Freundin nun wahr ist oder nicht, spielt ja eh keine Rolle für den weiteren Verlauf, nur, dass sie ihn damit ködert.

Jetzt waren es also die grauen Männer vom Nachbartisch, d.h. er baut die Pfleger schon mit in seine Erinnerung ein, aber das ist schräg, das kommt für mich nicht gut rüber.
Nee, nicht die Pfleger. Die Männer, die ihn am Schluss überführen. :shy:

und wo ich es jetzt so schreibe, gefällt es mir von der Idee her doch total gut.
:lol:

Ich schätze, man muss sich auch so schon eine Menge Zeit und Lust ans Bein binden, wenn man es denn mag, und die Leute sollten belohnt werden, alle anderen haben eh ne schräge Unterhaltung, und das werden wohl die meisten sein. Vielleicht nicht hier im Forum, aber der Ottonormalleser schon.
Ich bleib dran.

Hab vielen Dank, liebe Fliege und 'ne schöne Woche!

Beste Grüße zurück von Chai

 

Schneewittchen ... New York ... Ist das wirklich eine @Chai?

Wie du ja sicher schon hier und da bemerkt hast, bin ich ein Fan von deinen Geschichten, und deshalb hätte ich eigentlich nichts lieber getan als loszulesen und mich wegzuträumen. Aber - blödes Aber - das fiel mir hier leider nicht ganz leicht. Nicht wegen des Inhalts, sondern wegen der Form, da gab es nämlich einiges, was mich kurz innhalten ließ, Zeug, bei dem ich dachte: Ginge das nicht besser, eleganter? Bevor ich mich also auf die eigentliche Geschichte einlassen kann, etwas Textkram. Kennst das ja - nimm dir, was du für sinnvoll hältst und klopp den Rest in die Tonne.

Er musste sicher gehen

"sichergehen", wenn ich mich nicht irre

Gleich am Flughafen war er ihr begegnet. Sie schien versetzt worden zu sein, denn sie wartete über eine Stunde.

Das empfinde ich als nicht ganz rund, kann gar nicht genau erklären, woran es liegt. Aber ich habe da etwas erwartet wie: "... denn er beobachtete sie fast eine Stunde lang dabei, wie sie nervös ..." - das macht, was sie halt macht:

wie sie auf ihren Stöckelschuhen auf und ab lief

Vielleicht "in ihren Stöckelschuhen"? Ein auf weniger.

Suchend blickte sie über die Köpfe der Leute.

Vielleicht: "... über die Köpfe der Leute hinweg"?

Er schlich von hinten an sie heran und rempelte sie wie zufällig an.

"... an sie heran und ... wie zufällig an" - da könnte man etwas am Klang feilen, finde ich, vielleicht "vorsichtig näherte er sich ihr und rempelte sie dann wie zufällig an", oder was schöneres, einfach, um diesen dreifachen "an"-Klang zu verbannen.

sie fuhr herum und Paul sah einen roten Strich quer über ihrer Wange, der wie eine Kriegsbemalung aussah.

Auch hier hatte ich den Eindruck, dass das irgendwie eleganter ginge, vielleicht würde es schon reichen, das "eine" vor der Kriegsbemalung wegzulassen. Oder ... na, vielleicht fällt dir was ein.

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung“, sagte Paul mit einem schiefen Lächeln.

Hier wird Paul von dir zum Leben erweckt, hier spricht er das erste Mal. Und dann spricht er wie ein Knigge-Roboter oder so, ich hätte mir da einen nachhaltigeren Ersteindruck gewünscht. "Verzeihung, Ma'am", fällt mir da spontan ein. So sprechen diese New-York-Menschenwesen doch, oder? Zumindest im Kino.

Sie bedankte sich knapp, murmelte etwas von Unprofessionalität, weil er sie so lange warten ließ

Fände hier: "... weil er sie so lange warten gelassen hat" stimmiger, sie wartet ja jetzt nicht mehr, also abgeschlossen.

Er stellte sich vor einen Zeitungskiosk

Ich, in meinem regional verdorbenen Matschdeutsch, hätte hier "Er stellte sich vor ein Zeitungskiosk" geschrieben. Keine Ahnung, was jetzt richtig ist, aber vielleicht wäre "das Zeitungskiosk" ja sowieso die schönere Alternative?

„In der Nähe von meinem Hotel soll ein sehr nettes, chinesisches Restaurant sein“, sagte er. „Wenn Sie keine anderen Verpflichtungen haben, würde ich Sie gerne zum Essen einladen. Als Entschädigung für den kaputten Spiegel.“
„Das ist wirklich nicht nötig.“ Sie senkte den Kopf. „Aber ich nehme trotzdem gerne an.“

Zwei Sachen hier: Erstens empfinde ich "Da soll ein nettes Hotel sein" etwas plumpdeutsch, besser gefiele mir: "Da soll es ein nettes Hotel geben". Zweitens: "Wenn sie keine anderen Verpflichtungen haben, würde ich Sie gerne zum Essen einladen." Paul nimmt langsam Gestalt an vor meinem inneren Auge: Ein überkorrekter Gentleman, oder eben: Ein Kniggeroboter. Die Art und Weise wie er spricht, die erscheint mir nicht echt, nicht menschlich genug.
Wenn er dieser gestriegelte Kerl sein soll, dann passt das, aber zu Anfang des Textes hatte ich noch einen anderen Eindruck von ihm, da erschien er mir etwas unsicher (in seiner Verliebtheit).
Hätte er also etwas gesagt wie - ich übertreibe jetzt -: "Eine Märchenbuchschönheit, wie Sie eine Sind, Ma'am, hat hier, in New York, in der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten, sicher andere Pläne als mit einem Flegel wie mir zum Essen zu gehen, aber ... Wenn ich sie vielleicht trotzdem bitten dürfte? Und wenn es nur ein Kaffee ist, aber bitte, geben sie mir die Möglichkeit, Sie auf diese Weise für den zerbrochenen Spiegel zu entschädigen!" ... Blödsinn. Was schreib ich denn hier, als ob das jetzt menschlicher ist ... Worauf ich aber hinauswill: Ich hätte es schön gefunden, wenn im Gesagten ein bisschen Persönlichkeit durchscheint, wie in meinem Beispiel hier eben: Unterwürfiger Um-den-Fingerwickler.

hielt Schneewittchen die Tür zur hinteren Sitzbank auf und setzte sich neben sie.

Einfacher (und geläufiger) wäre hier: "zur Rückbank"

... Schneewittchen quiekte ein paarmal ...

Ich frage mich, warum sie gerade quieken muss. "Der Akt verlief routiniert, Schneewittchen stöhnte leise in sein Ohr, als es ihm kam und sie sich an ihn klammerte, aber in Ekstase geriet sie nicht" oder etwas in der Art hätte mehr Klasse, finde ich, gäbe diesem - wenn auch ekstasefreien - Akt zumindest einen Minispritzer Erotik - oder zumindest keinen Schweinepferchgeruch.

Sie fanden einen kleinen Tisch in der Ecke, und er bestellte die Acht.

Würde mich hier für und oder Komma entscheiden.

Du merkst, ich habe mir Mühe gegeben, deutlich zu formulieren, dass das meine Empfindungen sind und du da gut und gerne ganz anders darüber denken darfst :shy: Aber vielleicht habe ich dich ja auf das ein oder andere hingestoßen, was du ähnlich siehst.

Atmosphärisch mag ich die Geschichte, und obwohl du ja gar nicht so sehr auf das Setting, New York, eingegangen bist, habe ich mich trotzdem wieder ein bisschen wie Kevin gefühlt oder wie der Bub ausm Roggenfänger.

Aber - da ist es wieder - inhaltlich ... ich weiß nicht ... Ich bin nicht ganz hinterhergekommen irgendwie. Das Kennenlernen am Flughafen, das hatte ich klasse vor Augen und dann die Taxifahrt und ... dann kam der Sex ... und dann die Episode mit dem Quermann, die hat mich voll rausgerissen irgendwie, ich hab echt nicht verstanden, was da vor sich geht. Auch im weiteren Verlauf nicht. Und dann die Sache mit dem Serienkiller und ... Möglicherweise habe ich zu unaufmerksam gelesen, gut möglich, dass ich mich zu sehr mit den Kleinigkeiten aufgehalten habe und die Geschichte deshalb gar keine Chance hatte, ihre volle Wirkung zu entfalten. Aber so, wie ich sie gelesen habe, konnte ich sie einfach nicht nachvollziehen, ich konnte die Fäden nicht zusammenführen.

Und ein Problem, was jetzt dazukommt, sind die Charaktere. Es tut mir weh, das zu sagen, vor allem, weil ich ja weiß, wie gut du, insbesondere auch in Kommentaren, mit den Menschen in Geschichten bist, so auf ... Textempathieebene. Aber: Die lassen mich kalt. Schneewittchen ist diese mystische Frau, ein Mittel zum Zweck, aber ihre Persönlichkeit zu ergründen war mir nicht möglich. Und Paul ... auch der erscheint mir nicht sehr tief gezeichnet, ich sehe ihn nicht vor mir. Er hat offensichtlich irgendeinen Psychoknacks, aber ... Keine Ahnung.

Also: Es war toll, mal wieder an einen besonderen Ort entführt zu werden, den ich nicht jeden Tag zu sehen bekomme, scheint also doch eine Chai zu sein :shy: Und möglicherweise ist da gerade ein grandios gestrickter Plot an mir vorbeigegangen, wahrscheinlich werde ich demnächst einfach noch mal mit etwas Abstand zurückkommen und vielleicht sehe ich dann ja, was es mit alldem auf sich hat.

Auch wenn es nicht so wirken mag: Gerne gelesen, gerne damit auseinandergesetzt.

Bas

 

Hey@Bas,
wie schön, von dir zu hören. Auch, wenn ich diesmal nicht ganz so gut dabei weggekommen bin.

Schneewittchen ... New York ... Ist das wirklich eine Chai?@Chai?
Tja, da staunste … Is eine, wenn auch mal eine ganz andere. :D

Ich zäume mal das Pferd von hinten auf, bevor ich zum Textkram komme.


Aber so, wie ich sie gelesen habe, konnte ich sie einfach nicht nachvollziehen, ich konnte die Fäden nicht zusammenführen.
Tja, damit scheinen viele ein Problem zu haben. Die Erstfassung war noch verwirrender. :lol:. Nee, also, is schwierig, die Geschichte ist sehr abstrakt, die reale Welt vermischt sich mit der Traumwelt, von daher ist die Handlung nicht stringent, sondern lädt zum Interpretieren ein und hat offenbar noch immer einige Lücken, wenn ich mir die Komms so anschaue. Du bist nicht der Erste, der die Fäden nicht zusammengekriegt hat.

Schneewittchen ist diese mystische Frau, ein Mittel zum Zweck, aber ihre Persönlichkeit zu ergründen war mir nicht möglich. Und Paul ... auch der erscheint mir nicht sehr tief gezeichnet, ich sehe ihn nicht vor mir. Er hat offensichtlich irgendeinen Psychoknacks, aber ... Keine Ahnung.
Das war - zumindest bei Schneewittchen - auch so beabsichtigt, dass ihre Persönlichkeit unergründlich und verschwommen bleibt, weil sie nämlich gar nicht existiert. Während ich das hier schreibe, merke ich, wie bescheuert das klingt, aber is so. Schneewittchen ist nur eine Phantasiegestalt von Paul, deshalb wollte ich sie etwas in der Schwebe halten.
Und Paul - Schwärmerei gepaart mit seiner Steifheit sollen seinen gestörten Charakter zeigen. Aber ist alles nicht ganz einfach, und auch für mich spannend, wie kontrovers die Geschichte hier aufgenommen wird.

Atmosphärisch mag ich die Geschichte, und obwohl du ja gar nicht so sehr auf das Setting, New York, eingegangen bist, habe ich mich trotzdem wieder ein bisschen wie Kevin gefühlt oder wie der Bub ausm Roggenfänger.
Das ist schön. Wobei - Kevin? Den hätte ich in dieser Geschichte jetzt gar nicht vermutet ...

Du merkst, ich habe mir Mühe gegeben, deutlich zu formulieren, dass das meine Empfindungen sind und du da gut und gerne ganz anders darüber denken darfst :shy:
Das weiß ich doch, lieber Bas.

er musste sicher gehen

"sichergehen", wenn ich mich nicht irre
Ja, dieses ewige zusammen und auseinander … Bin da immer noch (das schreibe ich zumindest nicht mehr zusammen) nicht hinter die Regeln gestiegen und vertrau dir da jetzt einfach mal.

Gleich am Flughafen war er ihr begegnet. Sie schien versetzt worden zu sein, denn sie wartete über eine Stunde.

Das empfinde ich als nicht ganz rund, kann gar nicht genau erklären, woran es liegt. Aber ich habe da etwas erwartet wie: "... denn er beobachtete sie fast eine Stunde lang dabei, wie sie nervös ..." - das macht, was sie halt macht:
Ich denke, du hättest es gerne etwas ausgeschmückter. Aber ich habe es bewusst sehr trocken gehalten, die Art zu erzählen sollte auch einen Einblick in Pauls Weltsicht vermitteln.

Vielleicht "in ihren Stöckelschuhen"? Ein auf weniger.
Ja, klingt besser. Dank dir.

Vielleicht: "... über die Köpfe der Leute hinweg"?
Auch hier.

"... an sie heran und ... wie zufällig an" - da könnte man etwas am Klang feilen, finde ich, vielleicht "vorsichtig näherte er sich ihr und rempelte sie dann wie zufällig an", oder was schöneres, einfach, um diesen dreifachen "an"-Klang zu verbannen.
Denke ich mal drüber nach.

Sie fuhr herum, und Paul sah einen roten Strich quer über ihrer Wange, der wie eine Kriegsbemalung aussah.

Auch hier hatte ich den Eindruck, dass das irgendwie eleganter ginge, vielleicht würde es schon reichen, das "eine" vor der Kriegsbemalung wegzulassen. Oder ... na, vielleicht fällt dir was ein.
Bin da noch am Abwägen.

Hier wird Paul von dir zum Leben erweckt, hier spricht er das erste Mal. Und dann spricht er wie ein Knigge-Roboter
Knigge-Roboter :lol: geil! Aber genau das ist er! Ein Roboter, manchmal mit Knigge-Elementen.

Fände hier: "... weil er sie so lange warten gelassen hat" stimmiger, sie wartet ja jetzt nicht mehr, also abgeschlossen.
Stimmt.

Ich, in meinem regional verdorbenen Matschdeutsch, hätte hier "Er stellte sich vor ein Zeitungskiosk" geschrieben. Keine Ahnung, was jetzt richtig ist, aber vielleicht wäre "das Zeitungskiosk" ja sowieso die schönere Alternative?
Hm. Vielleicht liege ich da falsch, aber ich habe immer gedacht, es hieße der Kiosk … So wie: Der Laden.

Wenn er dieser gestriegelte Kerl sein soll, dann passt das, aber zu Anfang des Textes hatte ich noch einen anderen Eindruck von ihm, da erschien er mir etwas unsicher (in seiner Verliebtheit).
Er ist beides.

hielt Schneewittchen die Tür zur hinteren Sitzbank auf

Einfacher (und geläufiger) wäre hier: "zur Rückbank"
Isses. Werde ich ändern.

Schneewittchen quiekte ein paarmal

Ich frage mich, warum sie gerade quieken muss. "Der Akt verlief routiniert, Schneewittchen stöhnte leise in sein Ohr, als es ihm kam und sie sich an ihn klammerte, aber in Ekstase geriet sie nicht" oder etwas in der Art hätte mehr Klasse, finde ich, gäbe diesem - wenn auch ekstasefreien - Akt zumindest einen Minispritzer Erotik - oder zumindest keinen Schweinepferchgeruch.
Woher willst du wissen, dass sie Sex haben?:) … Und er sie nicht - na ja, ich will jetzt nicht sagen abschlachtet wie ein Schwein, sie aber zumindest wie ein solches wahrnimmt, zumindest in dem Moment, als er sie umbringt, bzw. hinterher über die Tat sinniert. Sie ist nur eines seiner Opfer.

Würde mich hier für und oder Komma entscheiden.
Ja, klingt besser. Und ein und weniger.

Auch wenn es nicht so wirken mag: Gerne gelesen, gerne damit auseinandergesetzt.
Darüber freue ich mich natürlich. Und meine nächste Indien-Geschichte ist fast fertig, da treffe ich (hoffentlich) wieder mehr deinen Geschmack.

Vielen lieben Dank für deine Mühe und ein schönes Wochenende wünscht Chai

 

Hallo @maria.meerhaba,

Das ist so ein Anfang, das schon ziemlich abgenutzt ist und in jedem zweiten Film vorkommt.
Ich weiß, aber du hast dann ja trotzdem weitergelesen.

Also nein, ihr Blick wird nicht unschuldig sein, schon gar nicht Verdorben, sondern entweder erschrocken oder wütend, oder zumindest verärgert, vor allem, wenn sie schon seit einer Stunde ungeduldig auf und abgeht.
Das ist Pauls Sicht. Er sieht in ihr die perfekte Mischung aus Unschuld und Verdorbenheit. Vielleicht habe ich mich da unklar ausgedrückt, denn eigentlich sieht sie ihn nur an, reagiert nicht wie sogenannte normale Menschen. Die Menschen in der Geschichte verhalten sich ja alle etwas seltsam, damit wollte ich die traumartige Wirkung verdeutlichen.

Wow, wenn ich Sex so beschreiben würde, würde sich mein Mann von mir scheiden lassen :3
Woher weißt du, dass sie Sex hatten? Die Wortwahl soll wieder Pauls Weltsicht verdeutlichen, nicht meine. Und zum Schluss wird dann ja klar, dass mit Akt der Mordakt gemeint ist.

Station 11c, die beiden sind sicherlich Krankenhelfer, routiniert in ihrem Beruf und nicht dumm genug, um ihre Hand auf den Mund eines Patienten zu legen, der sie daraufhin beißen könnte.
Schon klar. Aber das ist eine Seltsam-Geschichte, in der die Handlung teilweise ins alptraumhafte abdriftet, also Pauls Hilflosigkeit der Welt gegenüber zeigen soll. Es marschiert ja auch niemand mit einem Kinderkoffer auf Station oder in Pagenuniform. Außerdem - ich weiß nicht … Wenn mir jemand die Hand fest auf den Mund presst, wird es schwierig, noch zuzubeißen. Und er bekommt dann ja auch gleich die Spritze.

Das ist von Anfang an eindeutig. Das gelingt dir auch. Also ist der Satz hier völlig unnötig, du brauchst den Leser nichts zu erklären.
Da bist du eine der wenigen, die das eindeutig finden. Worüber ich mich natürlich freue. Den Satz habe ich erst später hinzugefügt, weil die meisten Leser es nicht gesehen haben und meinten, ich müsste das verdeutlichen.

Das ist so eine Geschichte, die im Nichts endet, einfach so, die ganzen Informationen, mit denen du mich gefüttert hast, endet in einem letzten Satz, der diese nicht entfalten kann, und ich werde so schlau wie am Anfang, als deine Figur absolut keine Idee hatte.
Das war die Idee dahinter. Am Schluss geht alles wieder von vorne los, Pauls "Alltag" wiederholt sich, man weiß nicht recht, was real war und was nur in seinem Kopf stattfand. Ich habe versucht, über Atmosphäre, Absurdität und Ratlosigkeit das Chaos in Pauls Kopf zu verdeutlichen. Is nich jedermanns Sache, schon klar.

Du baust echt gut Spannung auf. Auch wenn ich über den Anfang gemeckert habe, auch wenn dies und das nicht wirklich einen Sinn für mich machten, du hast es mit der Spannung richtig gut gemacht. Du hast mich zum Weiterlesen gebracht, ohne dass ich mich auch nur für einen Moment gelangweilt habe
Das alles hast du echt gut gemacht und ich hatte dabei meinen Spaß und habe gelesen, ohne wegzuklicken, was in dieser Challenge bislang nur einer weiteren Geschichte gelungen ist.
Das freut mich natürlich riesig! Zumal ich ja weiß, dass du da nicht ganz anspruchslos bist.

Mit dem Ende wirkt es aber so, als wäre dir selbst nichts mehr eingefallen und du hättest einfach die Geschichte mittendrinn zu einem Ende gebracht.
Nee, so war es nicht. Sollte, wie gesagt, auch das Kreisen in Pauls Kopf verdeutlichen. Und es sollte eben nicht eindeutig sein am Ende, sondern Möglichkeiten zum Interpretieren geben. Ich weiß, dass du das hasst. Ist halt nichts für dich, und das ist völlig in Ordnung.

Ich dank dir für deine Mühe und deinen ehrlichen Leseeindruck.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo Chai

Hast du den Text überarbeitet? Ich kann mich erinnern, dass ich beim ersten Lesen nicht so recht durchgestiegen bin, jetzt aber ging es besser, was aber wohl auch daran liegt, dass ich dieses Mal wusste, was du dir dabei gedacht hast.

Ich denke, was die Sache schwierig macht, dass du zwei Vexierspiele drin hast, die auf ganz verschiedenen Ebenen greifen. Zum einen hast du eine Verwechslungsgeschichte, verbunden mit einem Kriminalfall, das erinnert an diese vertrackten Filme, wo der Protagonist in eine Sache reingezogen wird und der Zuschauer erfährt erst nach und nach von der Dimension, die das Ganze hat. Also geheimnisvolle Frauen, geheimnisvolle Treffen etc. Im Zentrum hier das Missverständnis rund um das Codewort, das sich erst am Ende aufklärt. Das ist das eine.

Das andere Vexierspiel ist die Traum/Realität-Geschichte, am deutlichsten zu fassen am Gegensatz zwischen Hotel und Krankenhaus (hier hast du nachgebessert, nicht?). Auch da gibts klassische Vorbilder.

Ich finde beide Vexierspiele gut und lese / sehe die auch gerne. Mich hat deine Kombination ebenfalls an David Lynch erinnert, vor allem an Lost Highway und Mullholland Drive. Am Ende geht da (zumindest bei Mullholland Drive) alles, aber wirklich auch das kleinste Detail auf. Lynch tut ja immer so, als hätte er sich nicht viel überlegt, aber das lässt sich sehr gut in Einzelteile zerlegen. Und ich glaube, das geht auch bei deinem Text auf, ich sehe da jetzt kein Loch.

Aber während Lynch mehr als zwei Stunden hat, um den Zuschauer an diese Vexierspiele zu gewöhnen, zunächst mal an die Sache mit dem Autounfall, ein mögliches Verbrechen, zwielichtige Gestalten, dann so langsam das zweite Vexierspiel - was ist da eigentlich real? - packst du das in einen relativ kurzen Text. Weil es um zwei verschiedene Vexierspiele handelt, denke ich, das Ganze bräuchte mehr Luft. Denn beim ersten Lesen hatte ich wirklich auch grössere Schwierigkeiten, weil ich lange nicht einordnen konnte, was für ein Text das eigentlich ist.

Aber ich finde das alles kein Beinbruch, weil du zeigst, dass du dir komplexe und spannende Szenarien ausdenken kannst. Also vom Anspruch her finde ich den Text gelungen, der getraut sich einiges und ich finde es nicht schlimm, wenn das jetzt nicht so ganz geklappt hat, bezüglich der Verständlichkeit und du am Ende den Lesern einiges erklären musstest.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Gude @Chai,

lesen, scrollen, lesen, scrollen ... Ende? Hm, ok, besser nochmal lesen, das wird hier nicht gleich alles offengelegt :lol:
Das war mein erster Gedanke am Ende, ein zweites Mal lesen und nach den Kommentaren auch noch mal ein drittes Mal auf bestimmte Eckpunkte schauen war dank deiner klaren Sprache und spannenden Erzählung auch problemlos möglich.

Allein die "Lösung" des Knotens scheint für mich nicht gänzlich schlüssig möglich sein. Das muss ja auch nicht unbedingt möglich sein und es ist durchaus spannend, sich die verschiedenen Interpretationen anzuschauen, die der Text produziert hat. Ich könnte da noch ergänzend in den Raum werfen: Er war tatsächlich irgendwann zur falschen Zeit an der falschen Stelle und ist jetzt für die Taten eines anderen in einer klinischen Einrichtung.
Dagegen spricht eine angedeutete Routine, als er versucht zu verschleiern, dass er nicht der ist, den "Schneewittchen" erwartet - kann aber auch nur bedeuten, dass er häufiger Frauen unter "Vortäuschung falscher Tatsachen" erobert.
Und das hier :"Die anderen hatten ihr ähnlich gesehen, die letzte sogar sehr, aber sie war perfekt."
Da wird es dann schon kniffliger, es mit meiner Idee zu vereinbaren, das klingt schon sehr nach seriellem Verhalten. Was aber auch nicht gleich heißen muss, dass er Serienmörder ist. Mir fehlen da Darstellungen über ihn, die nahelegen, dass er tatsächlich einen etwas ver-rückten Verstand hat (wie das z.B. Isegrims bei seiner Annäherung an die Figur Alaska hier in der Challenge macht).

Du hast in einer Antwort geschrieben:

Sie denkt daraufhin, er ist der Mann mit dem Codewort und geht darum gleich mit ihm mit. Es ist also ein Verwirrspiel auf beiden Seiten. Er denkt, sie ist irgendein leichtes Opfer, sie, er ist der Mann, der sie abholen soll. Als er sie fragt, ob sie geschäftlich in der Stadt sei, wird sie stutzig, erzählt von dem Trauerfall und sagt ihm, dass er das doch wisse. Weil sie sich aber damit beruhigt, dass Schneewittchen ja als Codewort vereinbart war, schiebt sie ihre Zweifel zur Seite und beschließt, ihm weiterhin zu vertrauen.
-> Aber im Restaurant geht sie aus der Tür, telefoniert und durch die zeitliche Nähe wird ziemlich eindeutig suggeriert, dass das mit den Männern im grauen Anzügen zusammensteht. Danach hat sie wahrscheinlich Klarheit über den eigentlichen Zusammenhang und wer er in Wirklichkeit sein könnte. Dass sie ihn danach aber auf die Mordserie anspricht, anstatt ihn direkt zu verführen, um ihn dingfest zu machen, erscheint mir da kaum aus ihrer Sicht logisch.
Also vielleicht doch alles Phantasie? Er schiebt Männer in grauen Kitteln zwischenrein, obwohl sie nie da waren oder ...
Puh, ich komme da nicht so recht weiter. Am "einfachsten" erscheint es mir, dass er in der Psychatrie steckt, sich an vereinzelte Szenen erinnert, dabei aber von sich selbst soweit entfremdet, dass er sich seiner Taten nicht mehr bewusst ist (was dann damit kohärent wäre, dass wenige Hinweise auf seine dunkleren Neigungen gegeben werden wie oben geschrieben). Dabei schieben sich manche Sachen durcheinander und ineinander; man kann nicht sagen, ob Schneewittchen ein Mordopfer/Geist ist oder eine Krankenschwester oder schlicht nicht existierte. Das funktioniert, ist aber in der Tat eine "einfache" Erklärung, da man in dieses Gerüst alles reinwerfen kann und es hängen bleibt.
Disclaimer an der Stelle: Das ist jetzt nur meine Lesart! So wie ich es gerade geschrieben habe, klingt es so, als fände ich deinen Text stumpf, das auf keinen Fall! Ich überlege nur, was für mich kohärent ist und komme da *selbst* zurzeit auf keine bessere Erklärung. Also "einfach" bezieht sich hier auf meinen Ansatz, nicht zwangsläufig auf den Text. :sealed:

Jetzt habe ich noch ein paar "Fussel":

Sie schien versetzt worden zu sein, denn sie wartete über eine Stunde.
-> Den Satz würde ich etwas nach hinten verschieben, da es eine Schlussfolgerung aus seiner Beobachtung ist, die erst danach beschrieben wird.

Selten war ihm eine Frau begegnet, die genau wie in seiner Phantasie aussah.
-> Der gute Herr Anders ist aber sehr vereinnahmend. Ich wäre so frei und würde behaupten, dass Schneewittchen nicht nur seine Phantasie ist. :D "eine Frau wie aus der Phantasie" wäre da für mich schlüssiger.

Unter Pauls Füßen begann sich der Boden zu drehen.
-> Ich glaube, hier ist in kleiner Anschlussfehler. Die letzte Lagebeschreibung von Paul war, meine ich, dass er auf die Matratze gepresst wurde. Wenn er auf den Füßen ist, müsste er ja aufgestanden sein. Also entweder müsstest du das schreiben oder schlicht: "Unter Paul begann ..." - was wahrscheinlich ist, wenn er fixiert wurde oÄ.

„Es ist wegen meiner Freundin Cecile“, begann sie. „Sie ist einer grauenhaften Mordserie zum Opfer gefallen, sie ...“
-> Er sagt, dass er im Groben weiß, worum es geht, ihm aber die Details fehlen. Sie erklärt daraufhin alles von Anfang an. Das ist zwar nett für uns Leser :D aber ich fände ich es hier stimmiger, wenn sie gleich sagen würde: "Es war ein Apfel, er war vergiftet ..." usw. (Ich denke auch, das mit dem Serienmord ergibt sich dann).
Je nachdem, welche Lesart stark gemacht werden soll (s.o.), könnte man über den Absatz an sich noch nachdenken. Falls sie nach dem Telefongespräch mit ihren Kollegen mehr weiß, sollte sie ja fast das Thema wechseln und der Leser müsste sich selbst einiges dazu denken. Wäre vielleicht anspruchsvoll, müsste man ausprobieren. Aber ein "plötzlicher" Themenwechsel könnte den Leser (für mich) stimmiger dahin führen, dass es sich hierbei um die Szene handelt, in der er erwischt wird.


Soweit viele Gedanken, denen sich hoffentlich einigermaßen folgen lässt. Ich hoffe mein in Anfängen verschnupftes Gehirn war noch nicht zu träge für klare Worte :lol:

Liebe Grüße und frohe Weihnachten!
Vulkangestein

P.S.: Fast vergessen, das Hauptfazit: Es hat sehr viel Spaß gemacht, über den Text nachzugrübeln. Also auf jeden Fall gelungen!

 
Zuletzt bearbeitet:

„Sie ... Sie sehen wie Schneewittchen aus“, stammelte er, bevor er in die Knie ging, um den Spiegel aufzuheben. Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.

Hey Paul,

wir Jungs müssen zusammenhalten, jetzt wo der Spiegel an einem Reportagen Märchenerzähler zu zerspringen droht und Deine ganze Branche in Mitleidenschaft zieht (der Kerl hat ja nicht nur für den Spiegel gearbeitet, frag mal die Süddeutsche … Aber hier in Deinem Fall, kannstu auch Chai von erzählen, denn in der Wochenendausgabe der WAZ (22. Dez. 2018, S. WKARR1 [„Geld & Karriere] hat eine Teresa Schomburg mit der Wirtschaftspsychologin Petra Jagow über Märchen und die Arbeitswelt gesprochen („Und wenn sie nicht gestorben sind …“) und die gute Frau sagt auf die Frage, welches Märchen „besonders typisch“ für Frauen sei „Das Schneewittchen“, Menschen mit einem „ungeheuren Rückmeldungsbedarf, die sich ständig spiegeln und mit anderen vergleichen müssen“, weil sie sehr hohe Ansprüche (gleich welcher Art) an sich selbst stellen.

Zuerst hab ich geglaubt, da muss Frau J. Schneeflittchen mit der Stief- (oder doch) Schwiegermutter verwechselt haben. Aber nein, sie meint tatsächlich das Schneewittchen, wie wir es von den Brüdeern Grimm und nicht etwa von Ludwig Bechstein kennen. Denn die „Lösung“ findet sich dann im Stolpern der/des Sargträger/s, das den Kloß (und sei‘s ein vergifteter Apfel) aus dem Hals löst.

Frau J. überträgt‘s dann auf die (weibl.) Arbeitswelt: „Probier doch einfach mal aus, ohne alle zu fragen, und höre mehr nach innen, was für dich stimmt.“ Was für Frauensleute zutrifft, passt auch auf alle andern Geschlechter.

Und dann denk ich nach über Deinen Auftrag, über NY, pardon, nicht Neil Young, sondern über Empire State zu berichten (der Inbegriff dessen, was an Wolken oder besser, dem Himmel kratzt, Größenwahn mit eben dem Building als Symbol – da kann die arabische Halbinsel noch so hoch stapeln. Vllt. hängt das auch mit meinem Hang zu den 500 Nations zusammen, in dem Fall zu den Mohawks, einem Stamm der Irokesen, der als schwindelfrei gilt (weil Mohawks gar nicht daran denken, dass sie abstürzen könnten), die vor allem eins sind: Großartige Brückenbauer.

Also, träum nicht, Jung, red nicht nur mit Madam, sondern auch mit den Jungs, die Dich da malträtieren. Dass Onkel Trump Dich da raushole, kannstu vergessen. Mach denen klar, dass Du keine Gefahr bist, weder ein Killer und schon gar nicht eine Neuauflage von 9/11 vorhast, sondern schlicht über einen besonderen Fall von Art déco berichten wolltest.

Und denk daran: Selbst aus Haar sind schon Weggesperrte wieder rausgekommen.

Und Du hast ja schon Kontakt jenseits der Mauern – bis nach Vorderindien.

Wie hastu überhaupt geschafft, das Dossier an die ferne Chai zu bringen?

Das ist wichtig für die Sicherheit unserer Herberge.

Nun aber ab in die Zelle! Genug geplaudert, viertes Kerzken an und

schöne Tage diese Tage aus der Anstalt an Chai!

Freatle

 

Hey @Peeperkorn,
wie schön, dass du auch vorbeigeschaut hast. Und noch schöner, wenn ich lese:

Peeperkorn schrieb:
Und ich glaube, das geht auch bei deinem Text auf, ich sehe da jetzt kein Loch.
Das beruhigt mich ungemein.

Peeperkorn schrieb:
Hast du den Text überarbeitet? Ich kann mich erinnern, dass ich beim ersten Lesen nicht so recht durchgestiegen bin, jetzt aber ging es besser, was aber wohl auch daran liegt, dass ich dieses Mal wusste, was du dir dabei gedacht hast.
Ja, ich habe immer mal wieder am Text gearbeitet, ausgeschmückt, nachgebessert, raus- und wieder reingenommen, versucht, die Dinge etwas deutlicher zu machen. Und selbst, wenn der Text "nur" deshalb verständlicher auf dich wirken sollte, weil du wusstest, was ich mir dabei gedacht habe, ist das ja schon mal was. Denn immerhin scheinen meine Erklärungen für dich Sinn zu ergeben, und das erleichtert mich sehr.

Peeperkorn schrieb:
Aber während Lynch mehr als zwei Stunden hat, um den Zuschauer an diese Vexierspiele zu gewöhnen, packst du das in einen relativ kurzen Text.
Da ist sicherlich was dran, zumal die Originalfassung tatsächlich nur eineinhalb Seiten lang war. Und jetzt sind es auch nur drei oder so. Bestimmt wäre es spannender, den Leser langsamer einzulullen, ihn vielleicht ein wenig an seiner eigenen Wahrnehmung zweifeln zu lassen, bevor es dann völlig absurd wird. In der Kürze könnte es auf manchen tatsächlich so wirken, als hätte man ihm eine Droge verabreicht, die er eigentlich gar nicht nehmen wollte und jetzt stolpert er ziemlich desorientiert durch die Gegend. Falls ich wieder mal eine Geschichte dieser Art schreiben sollte, werde ich mir da mehr Zeit lassen. In dieser hier fällt es mir allerdings schwer, da noch Länge reinzubringen. Ich glaube, ich müsste dann die ganze Geschichte nochmal neu schreiben und völlig anders aufziehen. So wie sie jetzt ist, ist sie für mich erstmal abgeschlossen (in ihrer Länge), aber ich behalte deine Anregung auf alle Fälle für zukünftige Geschichten im Hinterkopf und danke dir.

Peeperkorn schrieb:
... am deutlichsten zu fassen am Gegensatz zwischen Hotel und Krankenhaus (hier hast du nachgebessert, nicht?).
Nee, ausgerechnet da ist alles noch so wie vorher. :) Vielleicht liegt es daran, dass ich am Rest herumgefeilt habe und sich die Szene deshalb besser ins Gesamtbild fügt.

Peeperkorn schrieb:
Also vom Anspruch her finde ich den Text gelungen, der getraut sich einiges und ich finde es nicht schlimm, wenn das jetzt nicht so ganz geklappt hat bezüglich der Verständlichkeit und du am Ende den Lesern einiges erklären musstest.
:kuss:
Das ist wirklich ein tolles Lob. Danke dir ganz herzlich dafür!

Mit einer Kritik, die mich so nach vorne bringt, werde ich sicherlich ein frohes Weihnachtsfest haben und wünsche dir ein ebensolches, lieber Peeperkorn.

Vielen Dank und liebe Grüße,
Chai

 

Hey Chai,


das wird ein kurzer Komm.
Ich mag deinen Text, schlucke, das Seltsame an ihm, kann aber auch verstehen, dass sich einige Kommentare an dem/ den Vexierspiel/ en stören.

Prima, dass du die Backroundgeschichte so detailliert im Kopf hast, so fällt das Plotten leichter, auch und gerade bei Seltsamtexten, die auf Reduktion setzen, denke ich. Hier macht sie dir aber mMn das (Autoren-)Leben unheimlich schwer. All das, was du dir ausgedacht hast, in eine Kurzgeschichte zu packen, ohne auszuerzählen, ist schon 'ne Nummer. Vielleicht too much an Aufgabenstellung.
Mich würde zudem interessieren, wie detailliert du im Vorfeld die Figuren entwickelt hast. Wenn ich wetten wollte, würde ich sagen, diese hast du ein wenig vernachlässigt. Vielleicht liege ich aber daneben mit der Annahme.

Anstatt den Text an den Rahmen anzupassen (spätestens während der Überarbeitung), würde ich erst mal den Rahmen überdenken.

Real ist nur der Rahmen. Mörder, Lockvogel, Verhaftung, Krankenhaus.
Folgender Rahmen: Mörder-Opfer-Verhaftung-Krankenhaus, würde einiges an Komplexität herausnehmen, meine ich; die Codewortsache bsp. Der Rahmen wäre leichter zu füllen, manche Lücken würden erst gar nicht entstehen - gibt ja eh schon genug davon :), was ich ja auch gut finde.

Was willst du erzählen? Ist die Überführungsabsicht wichtig für dich? Die Perspektive/ wirre Wahrnehmung des Killers? Die Crime-Elemente? Das Rätselhafte?
Wo liegt dein Schwerpunkt? Hast du einen, um den sich alles dreht?
Ich sehe ihn jedenfalls nicht so deutlich vor mir. Gerade bei so reduzierten, rätselhaften Texten finde ich das aber wichtig.

Ich finde auch den Erzähler überdenkenswert - abhängig vom Fokus könnte ich mir auch einen Ich-Erzähler gut vorstellen - mehr Rollenprosa halt.

Den Text (dann) ins Präsens zu rücken, hätte auch seinen Reiz, meine ich.

Vermutlich hast du dich all das schon gefragt (als Autorin mit deinen überdurchschnittlichen Fähigkeiten), ich werfe es trotzdem in den Raum. Man trifft halt Entscheidungen, muss man. Manchmal finde ich es aber trotzdem hilfreich, wenn von außen nochmals nachgehakt wird. Vielleicht auch du?


Vielen Dank fürs Hochladen!

hell (der frohe Festtage wünscht!)

 

Moin, moin @Chai ,
vierter Versuch, viertes Mal verwirrt, so schwer kann es doch nicht sein, Deiner spannenden Geschichte zu folgen. Ich verstehe es einfach nicht ...
Ich mag Deine Sprache, es ist richtig spannend aufgebaut ich hab auch die nach und nach eingebauten "Hilfestellungen" für die Langsamen gesehen - trotzdem kriege ich es nicht auf die Reihe. Also wird es nur ein Leseeindruck, wahrscheinlich ziemlich unverständlich, und dabei hatte ich gar keinen Glühwein (vielleicht wäre das ein Lösungsansatz ...)

Paul erinnerte sich nur lückenhaft an die letzten Tage. Sein Redakteur hatte ihn nach New York geschickt, um einen Artikel über das Empire State Building zu schreiben.
Den Einstieg fand ich prima (und versuche mich am Ende dran zu erinnern - er lebt also noch und ist nur kurzfristig dort ...

Er musste sichergehen, dass nichts passiert war, was er nicht wollte.
ich werde aufmerksam, es könnte spannend werden

Ihr Blick war unschuldig, aber etwas Verdorbenes lauerte in den großen, dunklen Augen, da war sich Paul ganz sicher.
oh, hört sich interessant an. Was für eine widersprüchliche Beschreibung, neugierig!

um den Spiegel aufzuheben. Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.
Ups, er hebt den Spiegel auf, sie schaut rein - schnelle Perspektivwechsel?

Die anderen hatten ihr ähnlich gesehen, die letzte sogar sehr, aber sie war perfekt.
Den Satz habe ich nach dem viert Lesen endlich auch verstanden, also eindeutig liegt es nicht an Dir, die anderen haben hier, glaube ich, nicht gemosert.

„Das ist wirklich nicht nötig.“ Sie senkte den Kopf. „Aber ich nehme trotzdem gerne an.“
echt jetzt, mit einem völlig Fremden in NY, die hat andere Reiseführer als ich ...

Endlich wandte Schneewittchen sich Paul mit einem sanften Lächeln zu. Ihre Augen glitzerten.
immer noch Klasse widersprüchlich, ich will unbedingt wissen, was los ist

Der Akt verlief routiniert, Schneewittchen quiekte ein paarmal, aber in Ekstase geriet sie nicht. Dann musste er eingeschlafen sein.
klar, beim ersten Mal war ich auch beim Liebesakt. Nicht nur wegen des Wortes, auch komme ich nicht drauf, warum sie bei einem "Übergriff" in Ekstase kommen solle. Naja, und das "danach" einschlafen ist ja irgendwie auch der Klassiker - schöne falsche Fährte, aber auf Mord wäre ich nicht gekommen

„Bitte um Verstärkung. Patient wirkt etwas aufgeregt.“
Hä? Traum, Psychatrie, aber der Anfang, der Anfang sagt doch was ganz anderes ...

Im nächsten Moment erkannte er einen grauen Anzugärmel, der sich um seinen Hals legte. Dann musste er eingeschlafen sein.
Doppel-Hä? Was hat der Anzugträger jetzt gemacht? Okay, ich versuche es die Tage nochmal, das hat was von diesem Logikrätseln: Wenn A das tut, und B. mit C. was hat dann D. geträumt.

Aber eigentlich halbsoschlimm - ich mag Deinen Schreibstil sehr, die Geschichte diesmal wegen mangelndem Verständnis meinerseits weniger.
Eine wunderbare Weihnachtszeit (unter Sonne und Palmen?)
Beste Wünsche
witch

 

Gude @Vulkangestein,
wenn dein Kommentar tatsächlich einem trägen, verschnupften Gehirn entsprungen ist, möchte ich nicht wissen, was du schreibst, wenn du klar im Kopf bist. :DNee, nee, Scherz beiseite, wollte damit nur sagen, dass mir dein Komm in seiner Intensität und Genauigkeit sehr gefallen hat. Vielen lieben Dank dafür.

Vulkangestein schrieb:
Er war tatsächlich zur falschen Zeit an der falschen Stelle und ist jetzt für die Taten eines anderen in einer klinischen Einrichtung.
Nee, so hatte ich mir das nicht gedacht ;)

Vulkangestein schrieb:
kann aber auch nur bedeuten, dass er häufiger Frauen unter "Vortäuschung falscher Tatsachen" erobert.
Ja, so hatte ich mir das gedacht :)

Vulkangestein schrieb:
Mir fehlen da Darstellungen über ihn, die nahelegen, dass er tatsächlich einen etwas ver-rückten Verstand hat
Ich hatte versucht, das über Sprache, Stil und Atmosphäre durchklingen zu lassen, was mir aber wohl nur teilweise gelungen ist, denn um wirklich einzutauchen, hätte der Leser wahrscheinlich mehr Info gebraucht. Du verweist auf Isegrims' Text, und ich verstehe, was du meinst. Über die eine oder andere Rückblende, die Paul in verschiedenen Situationen zeigt, wäre dem Leser sicher mehr über ihn klar geworden. Weil hier aber aus Pauls bruchstückhafter Erinnerungsperspektive erzählt wird und der Text insgesamt wie eine Traumsequenz wirkt, hätte ich hier Schwierigkeiten gehabt derart klare Erinnerungen einzubauen, die dem Leser mehr Informationen über Pauls Charakter liefern, ohne abzuschweifen.
Trotzdem hast du natürlich völlig recht, um die Figur Paul einigermaßen fassen zu können, hätte sich der Text wohl langsamer entfalten müssen. Aus dem einen oder anderen Kommentar konnte ich bereits entnehmen, dass das Thema zu komplex ist, um es in drei Seiten zu quetschen. :Pfeif:

Zu einer meiner Antworten:
Sie denkt daraufhin, er ist der Mann mit dem Codewort und geht darum gleich mit ihm mit ... Als er sie fragt, ob sie geschäftlich in der Stadt sei, wird sie stutzig ... schiebt ihre Zweifel zur Seite und beschließt, ihm weiterhin zu vertrauen ...
schreibst du:

Vulkangestein schrieb:
Aber im Restaurant geht sie aus der Tür, telefoniert und durch die zeitliche Nähe wird ziemlich eindeutig suggeriert, dass das mit den Männern in grauen Anzügen zusammensteht.
Das Telefongespräch und die Männer in den grauen Anzügen habe ich erst bei der Überarbeitung hinzugefügt, also nachdem ich die Antwort geschrieben hatte.

Vulkangestein schrieb:
Dass sie ihn danach aber auf die Mordserie anspricht, anstatt ihn direkt zu verführen, um ihn dingfest zu machen, erscheint mir da kaum aus ihrer Sicht logisch.
Da muss ich mal drüber nachdenken. Ich meine - klar, logischer wäre es gewesen, wo sie ja nun schon Bescheid weiß, ihn gleich abführen zu lassen. Dachte mir, dass es die mystische Atmosphäre vielleicht noch etwas verstärkt, wenn ich die Geschichte mit dem Apfel noch anbringe. Sonst ist es auch so abrupt zu Ende. Aber, wie gesagt, ich lass das mal sacken. Muss mir den Text eh nochmal mit mehr Abstand angucken.

Vulkangestein schrieb:
Am "einfachsten" erscheint es mir, dass er in der Psychiatrie steckt, sich an vereinzelte Szenen erinnert, dabei aber von sich selbst soweit entfremdet, dass er sich seiner Taten nicht mehr bewusst ist.
Ja genau.

Vulkangestein schrieb:
ob Schneewittchen ein Mordopfer/Geist ist oder schlicht nicht existierte ... Das funktioniert, ist aber in der Tat eine "einfache" Erklärung, da man in dieses Gerüst alles reinwerfen kann
Alles nicht. Es geht ja nicht nur darum, dass er mordet, und ob das, was passiert, real ist oder nicht, sondern auch, warum er mordet. Was wiederum damit zu tun hat, dass er Probleme hat, seine Märchenphantasien zuzulassen oder schlicht alles, was mit Kindsein, Emotion und damit verbundenem Kontrollverlust zu tun hat.
Aber ich denke, dass das genau das ist, was du vorher schon angesprochen hast, nämlich, dass der Leser nichts über die Vergangenheit der Figur erfährt, sondern sich in der Kürze alles über Symbole und Atmosphäre zusammenreimen muss. Was sicherlich überfordern kann, zumindest, wenn man sich das Ganze nicht selbst ausgedacht hat und vollkommen logisch findet :shy:

Sie schien versetzt worden zu sein, denn sie wartete über eine Stunde.

Vulkangestein schrieb:
Den Satz würde ich etwas nach hinten verschieben
Der Satz ist mittlerweile raus.

Selten war ihm eine Frau begegnet, die genau wie in seiner Phantasie aussah.

Vulkangestein schrieb:
Ich wäre so frei und würde behaupten, dass Schneewittchen nicht nur seine Phantasie ist.
Allgemein ist sie das natürlich nicht, denn sie ist ja eine Märchenfigur. :D Hier geht es aber speziell um die Vorstellung die er von Schneewittchen hat. In derPhantasie wäre mir hier zu ungenau, denn jeder hat ja eine andere.

Unter Pauls Füßen begann sich der Boden zu drehen.

Vulkangestein schrieb:
Die letzte Lagebeschreibung war, dass er auf die Matratze gepresst wurde.
Ja, da hast du Recht. In meinem Kopf sitzt er bereits neben Schneewittchen, aber das kann der Leser ja nicht wissen. Werde ich korrigieren, danke dir.

Vulkangestein schrieb:
Ich fände hier stimmiger, wenn sie gleich sagen würde, es war ein Apfel, er war vergiftet
Guck ich mir auch nochmal an.

Vulkangestein schrieb:
ein "plötzlicher" Themenwechsel könnte den Leser (für mich) stimmiger dahin führen, dass es sich hierbei um die Szene handelt, in der er erwischt wird.
Das auch.

So, liebes Vulkangestein, da hast du mir schnupfnasig eine Menge Anregungen gegeben, über die ich auf alle Fälle nachdenken werde.
Ich hoffe, du bist wieder ganz gesund und kannst das Weihnachtsfest genießen. Ich wünsche dir jedenfalls ein frohes Fest und bedanke mich herzlich!

Liebe Grüße,
Chai

 

Verehrter Herr Freatle, (@Friedrichard)
es ist mir schleierhaft, wie Sie an meine Adresse gekommen und von meinem Aufenthalt in New York erfahren haben. Als ich heute Morgen erwachte, konnte ich mich nicht an alle Begebenheiten der letzten Tage erinnern, auch nicht, Ihnen begegnet zu sein, aber das mag sich im Laufe der nächsten Stunden ändern.
Ich muss Ihnen aber einiges über mich erzählt haben, denn dass mir Menschen mit dem - wie ich es nenne - Schneewittchen-Syndrom, "mit einem ungeheuren Rückmeldungsbedarf, die sich ständig spiegeln und mit anderen vergleichen müssen" zuwider sind, haben Sie doch nicht aus purem Zufall angesprochen, werter Herr Freatle, das kann ich mir nicht vorstellen.
Was Sie da allerdings von Chai, Haar und den Weggesperrten erzählen, bleibt mir ein Rätsel. Ich kenne keinen Chai und ich bin auch in keiner Anstalt, sondern in einem New Yorker Hotel. Es handelt sich also eventuell um eine Verwechslungsgeschichte Ihrerseits.
Aber wie auch immer - Fakt ist, dass heute Weihnachten ist, und da sollte man sich ja wieder auf so etwas wie Nächstenliebe besinnen. Deshalb wünsche ich Ihnen, lieber Herr Freatle, ein frohes Fest und einen angenehmen Rutsch ins neue Jahr.

Mit freundlichem Gruß,
Paul Anders

 

Hallo Chai, ich bezweifle, dass Schneewittchen von Aussehen und Erscheinung her allgemein im Kopf der Leute so präsent ist, dass irgendjemand auf Idee käme, da einen Vergleich anzustellen. Insbesondere, wenn es ein Mann ist. Ich musste erst mal googeln, um mir ein Bild dieser Märchenfigur zu machen und selbst jetzt sagt sie mir recht wenig.

Mal ehrlich, wer geht denn durch die Welt, sieht eine blasse, dunkelhaarige Frau und sagt: Ah, genau wie Schneewittchen! Das ist doch ziemlich lebensfremd. Auch wissen wohl nur wenige Leute, was Ebenholz überhaupt ist, denn das spielt in unserem Leben überhaupt keine Rolle. Klingt also erst mal nach einer (weiblichen) Autorenphantasie, aber man könnte einwenden, dass Paul eben besonders tickt.

Doch damit bekommt die Geschichte gleich einen Schlag ins Alberne. Ich weiß nicht, ob Du das beabsichtigt hast, aber man muss als Autor immer bedenken, welche Assoziationen man beim Leser freisetzt. Schneewittchen steht nicht allein - wie Du es Dir vielleicht wünschst – für das klassische Märchen, sondern heute eben auch für all den Disney-Mist, der darauf basiert. Es ist sehr schwierig, diese Kitschaspekte zu ignorieren.

Wenn Du Dich also einfach dieser Figur als Chiffre bedienst, holst Du Dir die falschen Gäste ins Haus, außer Du deutest die Figur radikal um. Das ginge im Rahmen einen Horrorstory. Dann wird aus einer Albernheit wieder etwas ernsthaft Bedrohliches. So aber wirkt es kindisch.

So wie das hier:

„Ich bitte vielmals um Entschuldigung“, sagte Paul mit einem schiefen Lächeln. Sie sah ihn nur an. Ihr Blick war unschuldig, aber etwas Verdorbenes lauerte in den großen, dunklen Augen, da war sich Paul ganz sicher. Seine Hände begannen zu schwitzen.
„Sie ... Sie sehen wie Schneewittchen aus“, stammelte er, bevor er in die Knie ging, um den Spiegel aufzuheben. Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.

Schiefes Lächeln, unschuldiger Blick, etwas Verdorbenes lauerte in den großen, dunklen Augen, schwitzende Hände … Sie sehen wie Schneewittchen aus

Das kann man nicht machen, Chai. Das ist aus verschiedenen Gründen nicht gut. Zunächst einmal werden die Reaktionen, wird die Gestik und Mimik der Figuren hier so verstärkt, dass sie ins beinahe Groteske reichen … In den vergangenen Jahrhunderten wurde diese Technik in Theateraufführungen verwendet, um sicherzustellen, dass auch der Zuschauer in der letzten Reihe noch Schmerz, Trauer und Freude einer Figur nachvollziehen kann. Als das Fernsehen seine ersten Schritte machte, spielten viele Schauspieler noch in diesem Theaterstil und wir wundern uns heute, weshalb das in den frühen Filmen alles so übertrieben wirkt …

Diese Passage ist ein Beispiel für das Nicht-Authentische, das ein Problem des Textes ist. So reden Menschen nicht. Es gibt auch nichts Verdorbenes, das im Blick einer Person lauert. Das sind Kitschphantasien. Schnell weg damit.

Grundsätzlich gefällt mir der doppelte Boden des Textes, also dass man das Geschehen auf verschiedene Arten lesen kann. Ich mag auch, dass eine erotische Annäherung der Figuren eine Rolle in dem ganzen Wirrwarr spielt, das macht es spannend. Aber Du solltest hier (oder bei Deiner nächsten Geschichte) dringend die unerwünschten Assoziationen berücksichtigen und alle Albernheiten beseitigen. Dass man eine Frau anrempelt, und die dabei ihren Lippenstift übers Gesicht schmiert, also Chai, wirklich. Das ist Kindergarten. Solche Sachen meine ich.

Ansonsten gern gelesen.

Gruß Achillus

 

Hallo @hell,
auch dir einen recht herzlichen Dank für's Lesen und Kommentieren meines Textes. Du schreibst:

hell schrieb:
Mich würde zudem interessieren, wie detailliert du im Vorfeld die Figuren entwickelt hast.
Na ja, sagen wir mal so ... Auf den Plot habe ich mich mehr konzentriert. :shy:

hell schrieb:
Folgender Rahmen: Mörder-Opfer-Verhaftung-Krankenhaus, würde einiges an Komplexität herausnehmen
Opfer statt Lockvogel. Sicher nähme das einiges an Komplexität heraus, aber dann müsste ich mir auch einen neuen Anfang bzw. Schluss überlegen. Denn dann fragt sich der Leser zwar nicht mehr nach der Bedeutung des Codeworts, aber wahrscheinlich, warum Paul in der Psychiatrie sitzt. Es sei denn, es ist nicht weiter schlimm, wenn das offen bleibt. Das kann ich aber grad nicht beurteilen. Vielleicht mit mehr Abstand.

hell schrieb:
Was willst du erzählen? Ist die Überführungsabsicht wichtig für dich? Die Perspektive/wirre Wahrnehmung des Killers? Die Crime-Elemente? Das Rätselhafte? Wo liegt dein Schwerpunkt?
Der Hauptschwerpunkt liegt für mich in der Perspektive/wirren Wahrnehmung des Killers. Und damit in der Frage: Was ist real? Gibt es so etwas überhaupt oder liegt das grundsätzlich im Auge des Betrachters. Das führt für mich automatisch zum Rätselhaften, das du ansprichst.
Überführungsabsicht und Crime-Elemente spielen natürlich auch eine Rolle, aber der Schwerpunkt liegt, wie gesagt, auf der Wahrnehmung.

hell schrieb:
abhängig vom Fokus könnte ich mir auch einen Ich-Erzähler gut vorstellen.
Es wäre dadurch sicher einfacher, Pauls Persönlichkeit zu erfassen. Ich wollte aber die Distanz im Text. Deinen Vorschlag, den Text ins Präsens zu setzen, muss ich mal ausprobieren und sehen, wie das dann auf mich wirkt.

hell schrieb:
Manchmal finde ich es aber trotzdem hilfreich, wenn von außen nochmals nachgehakt wird. Vielleicht auch du?
Unbedingt. Sonst würde ich ja hier nicht posten :)

Dein Nachhaken hat mich jedenfalls zum Nachdenken angeregt, und ich werde daraufhin den Text (bei Zeiten) nochmal durchgehen.

Vielen lieben Dank, hell, und fröhliche Restweihnachten wünscht Chai


N'Abend @greenwitch,
und vielen Dank für deinen Besuch. Auch, wenn er größtenteils mit einem verbunden war.

greenwitch schrieb:
ich hab auch die nach und nach eingebauten "Hilfestellungen" für die Langsamen gesehen
Das hört sich ja an, als würde ich mit der Stoppuhr neben dir stehen ... Nee, so war das nicht gedacht ... Der Text sollte zwar nicht allzu eindeutig sein, aber grundsätzlich sollte man schon durchsteigen, und langsam ist hier nicht der Leser, sondern es mussten einige Stellen deutlicher herausgearbeitet werden.

Paul erinnerte sich nur lückenhaft an die letzten Tage.

greenwitch schrieb:
Er lebt also noch und ist nur kurzfristig dort.

Ja, er lebt noch. Denkt aber, er ist ganz woanders.

greenwitch schrieb:
Ups, er hebt den Spiegel auf, sie schaut rein - schneller Perspektivwechsel?
Über die Stelle sind so einige gestolpert. Da muss ich mir wohl was überlegen :hmm:

greenwitch schrieb:
Auch komme ich nicht darauf, warum sie bei einem Übergriff in Ekstase kommen sollte.
Ich hatte mir das so gedacht, dass Paul in seinem kranken Hirn ihren Überlebenskampf ( in dem Fall das Ersticken) als Ekstase deutet. Also er, nicht ich, um Missverständnisse zu vermeiden. Weil Ekstase aber euphorisch-positiv besetzt ist, kann ich verstehen, dass das eventuell zu weit hergeholt sein könnte. Und zwar nicht wegen langsam und so, sondern weil meine Idee hier nicht ganz klar wird.

greenwitch schrieb:
Was hat der Anzugträger jetzt gemacht?
Paul von hinten den Arm um den Hals gelegt und ihn dann gleich betäubt.

greenwitch schrieb:
Ich mag deinen Schreibstil sehr.
Da freue ich mich sehr drüber, liebe greenwitch

greenwitch schrieb:
Eine wunderbare Weihnachtszeit ( unter Sonne und Palmen?)
Nee, in Regen und Matsch. Aber trotzdem wunderbar. Ich hoffe, du feierst auch schön.

Liebe Grüße,
Chai

 

Hallo Chai,

seltsam, das trifft es wohl.
Ich bin mir uneins mit der Geschichte. Auf einer Ebene konnte ich sie genießen, auf einer andren Ebene war er mir zu verrätselt. Ich mag es, wenn Geschichten mehrere Lesevarianten zulassen. Aber hier fühle ich mich den Hauch zu viel zurückgelassen, der das Fragezeichen aufkommen lässt. Und das sollte in meinen Augen nicht geschehen. Ich stelle einfach mal die Überlegung in den Raum, ob es dem Text schaden würde, wenn hier etwas mehr Klarheit reingedichtet worden wäre. Ist er der Mörder? Womöglich. Warum er es tut? Steht womöglich auch irgendwo. Bin ich ein dummer Leser? Das steht hier nicht, aber den angesprochenen Hauch zu viel entlässt mich der text mit diesem Gefühl. Des moag i net :devil:
Noch ein bisschen Notizen:

Paul erinnerte sich nur lückenhaft an die letzten Tage
guter Einstieg
um den schmächtigen Körper.
maaa ... Blickt von außen, den es nicht braucht.
Ihr Taschenspiegel fiel herunter, sie fuhr herum und Paul sah einen roten Strich quer über ihrer Wange, der wie eine Kriegsbemalung aussah.
mindestens zwei Sätze draus machen
Seine Hände begannen zu schwitzen.
bin ich drüber gestolpert
Als sie hineinblickte, zerfiel ihr Gesicht in tausend Teile.
hä?
„Was heißt hier, ich soll nicht aufstehen, ich kann ja wohl machen, was ich will.“
ist mir zu plakativ
Der Page öffnete den Koffer und zog ein Medikament in eine Spritze auf.
verspiel doch nicht diesen schönen absurden Moment. Hier würde ich das mehr zelebrieren, was da zum Vorschein kommt
„Hallo? Ja, hallo, hier ist Quermann, Station 11c“, hörte Paul ihn mit kehliger Stimme telefonieren.
das klingt sehr hölzern
wand den Oberkörper

Weihnachtszeit ist Märchenzeit :D

grüßlichst
weltenläufer

 

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