Was ist neu

Spuren in der Welt

Mitglied
Beitritt
05.07.2020
Beiträge
233
Zuletzt bearbeitet:

Spuren in der Welt

Am Vormittag kühlte es ab. Auch das Donnern der Kanonen ertönte nun seltener und irgendwann verstummte es ganz. Als Regen einsetzte, spannte Van Leeven eine Plane. Zusammen kauerten sie darunter und behielten die Straße im Blick. Ein steter Strom schweigender Männer stolperte durch den Schlamm. Vor einer Woche hätten sie sich versteckt halten müssen, doch dieser zerschossene Haufen scherte sich nun nicht mehr um sie. Nur vereinzelt warf man ihnen kurze Blicke zu, während der Tross vorbeizog.
„Sieh sie dir an“, sagte Van Leeven und schüttelte den Kopf. „Mehr tot als lebendig.“ Mit seiner schwieligen Pranke winkte er den Soldaten. Niemand erwiderte den Gruß. Durch eine Zahnlücke spuckte er aus. Auf der linken Seite fehlten ihm alle seine Zähne. Deshalb klang es immer ein wenig verwaschen, wenn er sprach. Das Lid seines Auges hing herab und der Junge vermutete, dass ihn irgendwann mal ein heftiger Schlag oder vielleicht der Tritt eines Pferdes erwischt und die Knochen von Kiefer und Augenhöhle zertrümmert haben musste. Gefragt hatte er nie. Sein Blick fiel auf das Medaillon, das Van Leeven um den Hals trug. Nur für einen winzigen Moment wagte er es zu betrachten. Dann zwang er sich, zur Straße hinüberzusehen. Sein Mund war trocken und er konnte spüren, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Van Leeven hatte seinen Blick bemerkt. Wortlos verstaute er die Kette unter seinem Hemd.
Gegen Nachmittag entkorkte er eine Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Als er sie dem Jungen hinhielt, schüttelte der den Kopf.
„Trink!“, sagte Van Leeven, doch der Junge rührte sich nicht. Van Leeven steckte den Korken zurück in die Flasche, überprüfte den Verschluss mit dem Daumen und legte sie neben sich auf den Boden. Dann wandte er sich dem Jungen zu und verpasste ihm eine Ohrfeige.
„Du willst ein Mann sein?“, fragte er. „Echte Männer tun, was man ihnen sagt.“ Er zog seinen zerschlissenen Zylinder über die Augen und lehnte sich zurück.
„Nach Einbruch der Dunkelheit brechen wir auf. Weck mich, wenn es so weit ist.“

Sie hatten Tücher um ihre Laternen gewickelt und hielten sich abseits der Straße. Van Leeven ging durch das hüfthohe Gras voran. Seine Gestalt zeichnete sich gegen das Mondlicht ab und erschien dem Jungen wie die eines Giganten. Der Regen hatte aufgehört und am Horizont blitzte Wetterleuchten, das die aufgetürmten Wolkenberge und die Felder in blaues Licht tauchte. Eine leichte Brise strich über die Gräser und Sträucher und der Junge hörte ein ständiges Flüstern. Einmal blieb er stehen, um zu lauschen. Doch da war nichts mehr.
Die Spuren der vergangenen Tage waren mittlerweile kaum zu übersehen. Stiefel, zerrissene Kleidung, leere Dosen und anderer Unrat lagen herum. Vereinzelt sahen sie tote Pferde und einmal ein ganzes Gespann, das vom Weg abgekommen sein musste. Mehrere Tiere lagen unter den zerbrochenen Teilen des Wagens, im Schein ihrer Laternen zeichneten sich die zackigen Enden offen gebrochener Knochen ab und der Junge sah, dass es im aufgedunsenen Leib eines Pferdes vor Maden wimmelte.
Süßlicher Geruch erfüllte die Luft. Selbst durch den Stoff der Tücher, die sie vor ihre Münder und Nasen gebunden hatten, nahmen sie den Gestank wahr. Die Landschaft hatte sich verändert. Überall lag zersplittertes Holz, ragten zerschossene Stümpfe von Bäumen wie dürre Finger in Richtung des Himmels. Auf einem Hügel blieben sie stehen. Vor ihnen tat sich eine breite Ebene auf. Das größte Feld, auf dem er je war. Der Junge ahnte, dass es Tausende sein mussten, die dort unten lagen.
Auf dem Weg hinunter rutschte er in einer Pfütze aus und wäre hingefallen, wenn Van Leeven nicht seine Schulter gepackt hätte.
„Pass auf!“, fuhr er ihn leise an und deutete auf die Klinge eines Bajonetts, die aus einem blutigen Haufen Leiber vor ihnen ragte.
„Schneid dich nicht an so einem Ding. Ich hab Männer gesehen, denen der Arm bis hinauf zur Schulter abgefault ist.“

Um sie herum war der Tod. Vereinzelt hörte man Schreie, Flüche, ab und an einen Schuss. Der Junge sah verdrehte Körper. Dutzende, Hunderte. Einige wirkten im Licht der Laterne, als würden sie schlafen. Andere waren kaum mehr als ein Haufen Fleisch, Blut und Knochen. Manche lagen hier seit drei Tagen. Drei Tage, in denen Hitze, Regen und die Ratten ihr Übriges getan hatten.
„Uhren, Ringe, Münzen“, flüsterte Van Leeven. Er pochte mit dem Finger an seinen Unterkiefer. „Kontrollier auch die Münder. Und geh bloß nicht zu weit weg. Wir sind nicht die Einzigen, die hier rumschleichen.“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Feldes, auf dem ein halbes Dutzend kleiner Lichter herumirrte.
„Von denen würd kein einziger zögern, dir für ne Taschenuhr deine kleine Kehle aufzuschlitzen.“

Der Junge stellte seine Laterne auf den Boden und ging in die Knie.
„Fang unten an und arbeite dich dann nach oben“, hatte Van Leeven ihm oft erklärt. Der Mann vor ihm hatte die Augen geschlossen. Im Schein des Lichts sah es beinahe so aus, als ob er entschieden hätte, sich für einen Moment auszuruhen. Der Junge kontrollierte die Stiefel. Darin fand er nichts. Dann tastete er die Hosenbeine von unten nach oben ab, durchsuchte behutsam die linke, dann die rechte Tasche des Anoraks und knöpfte schließlich die Bluse des Toten auf. Im Innenfutter konnte er etwas erfühlen. Er griff danach und förderte vorsichtig einige Bögen eng beschriebenen Papiers hervor. Das Weiß hatte sich rötlichbraun verfärbt. Der Junge sah, dass eine Kugel den Toten unterhalb der Brust erwischt hatte. Er steckte den mit getrocknetem Blut beschmierten Brief zurück.
Neben sich hörte er, wie Van Leeven sich an Körpern zu schaffen machte. Er hörte das Knirschen, wenn er Zähne aus Mündern brach. Mit einem Mal überfiel ihn der Gestank mit einer solchen Wucht, dass ihm war, als wäre er gegen eine Wand aus Fäulnis und Verwesung gelaufen. Er begann zu würgen, nestelte hastig an dem Tuch vor seinem Gesicht herum und spuckte Galle und Speichel vor sich auf den Boden. Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen seine Wangen herab. Seine Nase protestierte und er musste erneut würgen. Als er fertig war, wischte er sich den Mund mit dem Ärmel ab und tastete sich im fahlen Licht der Laterne weiter vorwärts. An den Handgelenken fand er keine Uhr und als er die Finger vergeblich nach Ringen absuchte, bemerkte er, dass sich die Haut bereits an mehreren Stellen bläulich verfärbt hatte. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie seltsam kalt sich die Haut verstorbener Menschen anfühlte und schnell ließ er die Hand los. Einen Augenblick hielt er inne, bevor er zitternd die Lippen der Leiche spreizte und den Mund öffnete, um nachzusehen, ob sich Goldzähne darin befanden. Als er die kalten Lippen wieder losließ, sah es aus, als würde der Tote grinsen. Dann begann er mit ihm zu sprechen. Und der Junge hörte zu.

„Ist was anderes als bei nem Schwein oder nem Hasen“, sagte Van Leeven und blickte ins Feuer. Es war spät, doch der Junge zwang sich wachzubleiben. Im Dunkeln wollte er nicht eine Minute mehr schlafen. Wenn er die Augen schloss, konnte er sie hören.
„Wie alt bist du? Vierzehn? Fünfzehn? Nun, ich war nicht viel älter beim ersten Mal. Und ich habs auch damals nicht gern gemacht, das kannst du mir glauben. Diese Kerle. Haben alle nen verdammt zu großes Maul, wenn du mich fragst.“
Van Leeven machte eine Pause und nahm einen tiefen, beinahe trotzigen Schluck. Leise und so, als spräche er nur zu sich, fuhr er fort.
„Als mir damals das warme Blut von diesem Hundesohn über die Klinge und die Hand lief, wars so, als ob die Zeit für uns stehen geblieben wäre. Für nen Moment gabs nur noch ihn und mich auf der Welt. Wir blickten uns an und ich sah ihn sterben. Man sagt, wenn dir jemand dabei in die Augen sieht, bleibt das Bild von dir für immer darin stehen. Wenn auch sonst nicht viel von einem zurückbleibt, so kann ein Mann seine Spuren in der Welt hinterlassen. Schuld vergeht niemals.“ Van Leeven sah in die Flammen.
„Dieser Idiot hätte uns sein Zeug einfach geben sollen. Aber stattdessen macht er Faxen. Er wollte es so. War ja auch schon halb tot, so wie der aussah. Hätte es keine Stunde mehr gemacht, sag ich dir. Im Grunde wars besser so.“
Van Leeven spielte an dem Medaillon herum.
„Hat mich an dich erinnert. Dieselbe Angst in den Augen, dasselbe zögerliche Wesen ...“
„Du musst es zurückgeben“, unterbrach ihn der Junge. Van Leeven stutzte.
„Was hast du gesagt?“, fragte er ungläubig und beugte sich nach vorne.
„Es gehört dir nicht.“, wiederholte der Junge, diesmal etwas lauter. „Du musst das Medaillon ablegen. Sie haben es zu mir gesagt. Sie haben gesagt, dass sie mich nicht in Ruhe lassen, bis wir es zurückgegeben haben. Bis wir alles zurückgegeben haben. Sie sagen, dass wir sonst verloren sind, dass sie unsere Seelen holen werden. Sie sagen, dass wir Schuld auf uns geladen haben. Sie sagen … sagen, dass sie mich zwingen werden ...“
Van Leeven begann laut und lange zu lachen.
„Meine Güte, Junge. Ich hab ja nicht geahnt, dass ichs hier mit nem kleinen Jesuiten zu tun hab! Unsere Seelen? Sag, hast du dich in letzter Zeit mal umgesehen?“
Van Leeven schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus seiner Flasche.
„Du musst lernen, dir zu nehmen, was du haben willst. Sonst tuts wer anders. Wenn du das noch immer nicht begriffen hast ...“
„Bitte!“, sagte der Junge leise.
Van Leeven schwieg. Nur das Knacken einiger Holzscheite und das Zirpen der Grillen im Gras war zu hören.
„Du wirst vergehen in dieser Welt“, sagte er nach einiger Zeit. Er sagte es ohne Hohn und ohne Freude. „Bis zum Morgen kannst du bleiben, danach scherst du dich weg. Ich kann dich nicht mehr gebrauchen.“
„Bitte“, flüsterte der Junge noch einmal und Tränen liefen ihm über das Gesicht. Irgendwann stand er auf und stolperte wortlos in die Dunkelheit davon.

Zwei Tage später kam Van Leeven mit einem Fisch in der einen und seinem Jagdmesser in der anderen Hand aus dem Fluss gewatet. Da sah er den Jungen am Ufer. Schmutzig und zitternd stand er zwischen ein paar Sträuchern. Van Leeven blickte ihm ins Gesicht. Er erkannte die Furcht in den Augen. Ohne den Blick von seinem Revolver abzuwenden, mit dem der Junge auf ihn zielte, spuckte er ins Wasser. Mit der Hand, in der er den Fisch hielt, deutete Van Leeven in die Richtung einer einfachen Reuse, die er aus Steinen errichtet hatte. Er sagte etwas, doch der Junge verstand ihn nicht. Dann machte er eine schnelle Bewegung. Da drückte der Junge ab. Der erste Schuss verfehlte Van Leeven und ließ das Wasser hinter ihm aufspritzen. Aber der zweite erwischte ihn im Bauch oberhalb des Nabels. Der dritte traf ihn direkt ins Herz. Van Leeven schnappte grunzend nach Luft, machte zwei stolpernde Schritte und brach am Ufer zusammen. Noch lange stand der Junge da. Die Waffe so fest zwischen seinen Fingern, dass es wehtat. Er wartete darauf, dass Van Leeven wieder aufstehen, zu ihm herüberkommen und ihm seine großen Hände um den Hals legen würde. Doch Van Leeven rührte sich nicht. Er blieb einfach liegen. Irgendwann ließ der Junge die Waffe sinken.

Im Lager packte er etwas Proviant zusammen, legte es in seine Decke und schnürte alles zusammen. Den Revolver steckte er in seinen Hosenbund und er fand auch eine Packung mit Patronen, die er einsteckte. Den Beutel mit dem Schmuck und dem eingeschmolzenen Gold ließ er, wo er war. Von Zeit zu Zeit sah er sich um, jedes Mal überzeugt, das Gesicht Van Leevens zu erblicken.
Bevor er aufbrach, ging er noch einmal zum Fluss zurück. Van Leeven lag in einer Pfütze Blut. Fliegen krabbelten auf seinem nackten Rücken herum. Mit dem Revolver in der Hand beugte sich der Junge zu ihm herunter und nahm ihm das Medaillon ab. Schwer wog es in seiner Hand, bevor er es in den Fluss warf. Vorsichtig drehte er den Kopf Van Leevens zu sich herum. Er zögerte nur kurz, bevor er ihm in die Augen sah.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus

Vorneweg mal eine Frage: Gehört das Teil auch zu deinem Freimann-Zyklus? Ich habe so den Eindruck nach dem Lesen. Also die Stimmung ist sehr ähnlich: Düster, trostlos, brutal, blutig. Gefällt mir gut. Für mich ist der Text eher ein Stimmungsbild, als was anderes. Eine Handlung ist kaum vorhanden, Konflikt und Entwicklung sind aber ansatzweise da. Versteh mich nicht falsch, hat mich nicht gestört. Die Geschichte ist angenehm kurz, aber sie wird bisschen getrübt von Füllwörtern und hie und da könnten die Beschreibungen präziser sein. Ich finde, gerade zu Beginn verlierst Du dich etwas zu fest im Umfeld des Schlachtfelds. Also das nützt sich irgendwann bisschen ab, auch weil Du teilweise Wiederholungen drin hast, habe das unten mal versucht aufzuschlüsseln. Insgesamt hat mir die Story aber ein nettes Lesevergnügen beschert.

Paar Anmerkungen/Vorschläge direkt am Text (Achtung Korinthenkackerei):

Am Vormittag kühlte es ab. Auch [D]as Donnern der Kanonen erklang nun seltener und irgendwann verstummte es schließlich ganz.
Warum dieses 'auch'? Das impliziert für mich, dass vorher ebenfalls von einem Geräusch hätte die Rede sein müssen. Ist es aber nicht, es geht ums Wetter bzw. um die Temperatur im ersten Satz. Also weg mit dem 'auch', finde ich. Dann das Wörtchen 'nun', das dient zur Zeitangabe, schon klar, aber es ist auch irgendwo ein Füllwort, zumindest in diesem Satz unnötig. Vor allem hast Du es ein paar Sätze später nochmal drin. Dasselbe mit 'schliesslich': Würde ich killen.

Zusammen kauerten sich der Junge und er darunter und behielten die Straße im Blick.
Könnte etwas kompakter formuliert werden. Ich hoffe, Du erlaubst einen Vorschlag: Der Junge und er kauerten sich darunter und behielten die Straße im Blick. 'Zusammen' ist unnötig, weil 'der Junge und er' bereits enthält, dass sie das gemeinsam machen.

Auch [D]as Lid seines Auges hing herab und der Junge vermutete, dass ihn irgendwann mal ein heftiger Schlag oder vielleicht sogar der Tritt eines Pferdes erwischt und die Knochen seines Kiefers und der Augenhöhle zertrümmert haben musste.
Wieder ein Satzbeginn mit 'auch', obwohl es vorher um die Sprechweise von Van Leeven ging. Also das ist wahrscheinlich nicht falsch, aber ich finde es unnötig. Der Satz ist etwas behäbig, fällt raus zum Rest bisher, der mir doch kompakter formuliert erschien. Da stecken wieder paar Füllwörter drin, vielleicht hast Du die gesetzt wegen des Rhythmus, aber ich glaube, der würde ohne die nicht verloren gehen. Vielleicht könnte man auch zwei Sätze aus diesem Ding machen.

Nur für einen winzigen Moment wagte er[KOMMA] es zu betrachten.
Bin nicht so der Experte, was Kommas anbelangt, müsste aber wohl eines hin, so rein nach Gefühl.

Dann zwang er sich mit aller Kraft, wieder zur Straße herüberzusehen.
'herüberzusehen' klingt für mich nicht korrekt, es müsste 'hinüberzusehen' lauten.

„Trink“, sagte Van Leeven, doch der Junge rührte sich noch immer nicht.
Könnte man ebenfalls streichen. Mir fällt bisher eine ziemliche Dichte an Füllwörtern auf, würde den Text vielleicht nochmal durchgehen und hie und da bisschen entschlacken. Ich schreib einfach mal weiter auf, was mir diesbezüglich so ins Auge fällt.

Van Leeven begann zu lächeln.
Wieso nicht einfach: Van Leeven lächelte.? 'begann zu lächeln' finde ich einen seltsamen Ausdruck. Entweder man lächelt, oder nicht. Oder wie soll ich mir den Beginn eines Lächelns vorstellen?

Er steckte den Korken zurück in die Flasche, überprüfte den Verschluss mit dem Daumen und legte sie neben sich auf den Boden.
Eine Flasche mit Korken hat doch keinen Verschluss, oder verstehe ich hier was nicht?

Dann wand er sich dem Jungen zu und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige.
'wand' ist die Vergangenheitsform des Verbs 'winden', das passt hier nicht. Es müsste 'wandte' lauten, also im Sinne von sich jemandem zuwenden.

Sie hatten Tücher um ihre Laternen gewickelt, um das Licht abzuschwächen und hielten sich abseits der Straße.
Hier bin ich mir unsicher, ob es das mit dem Licht abschwächen wirklich braucht. Zu welchem Zweck sollten sie sonst Tücher um die Laternen wickeln? Auch habe ich mich gefragt, wie heiss so eine Laterne wird, und ob die Tücher nicht Feuer fangen würden. Aber da kenne ich mich zu wenig aus.

Der Regen hatte aufgehört und am Horizont blitzten Wetterleuchten, die[das] die aufgetürmten Wolkenberge und die Felder um sie herum in blaues Licht tauchten.
'blitzte Wetterleuchten', weil das Wetterleuchten. Ansonsten liest es sich so, als gäbe es dort am Horizont Leuchten (wie Laternen), die irgendwas mit dem Wetter zu tun haben. Dann würde ich noch etwas präzisieren: Befinden sich die aufgetürmten Wolkenberge wirklich um sie herum? Eher über ihnen am Himmel, oder? Bei den Feldern passt's, aber nicht bei den Wolken. Einfach 'um sie herum' streichen wäre die einfachste Methode.

Die Spuren der vergangenen Tage waren mittlerweile kaum mehr zu übersehen.
Vielleicht auch diese Stelle verknappen und unnötige Wörter rauskippen: Die Spuren der vergangenen Tage waren nicht zu übersehen.

Vereinzelt sahen sie tote Pferde und einmal sogar ein ganzes Gespann, dass irgendwie vom Weg abgekommen sein musste. Mehrere Tiere lagen unter den zerbrochenen Teilen des Wagens und im Schein ihrer Laternen zeichneten sich die zackigen Enden offen gebrochener Knochen ab.
Dass das Gespann vom Weg abgekommen ist, könntest Du kicken, weil das wird ja sowieso klar, wenn der Wagen zerbrochen ist und mehrere Tiere drunter liegen. Hier stolperte ich etwas über die 'offen gebrochenen Knochen', also ich verstehe schon, was Du sagen willst, die abgebrochenen Knochen stechen halt durch die Haut der Tiere/aus den Kadavern hervor. Aber ich habe das Gefühl, auch hier könnte präzisiert werden, was Du ausdrücken willst.

Van Leeven hob seine Laterne ein wenig höher und der Junge sah, dass es im schrecklich aufgedunsenen Leib eines der Pferde vor Maden wimmelte.
'ein wenig' ist Füllmaterial, meiner Meinung nach. Lass Van Leeven die Laterne doch einfach heben. Das 'schrecklich' braucht es nicht, kommt auch so rüber, dass das kein schöner Anblick ist mit all den Maden. Knapper und schöner wäre: eines der Pferde = eines Pferdes.

Der süßliche Geruch nach Verwesung erfüllte die Luft.
Auch hier verknappen: Süßlicher Verwesungsgeruch erfüllte die Luft.

Selbst durch den Stoff der Tücher hindurch, die sie vor ihre Münder gebunden hatten, nahmen sie den widerlichen Gestank wahr.
'widerlich' ist hier unnötig, Verwesungsgeruch dürfte immer widerlich sein. Den Satz könnte man etwas umstellen, um ihn geschmeidiger zu machen, vielleicht sowas: Selbst durch die vor ihre Münder gebundenen Tücher nahmen sie den Gestank wahr. Frage: Warum haben sie die Tücher nicht auch über ihre Nasen gezogen, wenn's da so widerlich stinkt? ;)

Auch die Landschaft hatte sich verändert.
Dir gefallen Sätze, die mit 'auch' beginnen? :D Vorher ging's um den Verwesungsgeruch, wieso also der neue Satz mit diesem Wort beginnen? Ich finde es einfach unpassend, verspreche aber, es fortan nicht mehr anzumerken, damit ich Dir damit nicht auf den Wecker gehe :p

Überall lag zersplittertes Holz, ragten zerschossene Stümpfe von Bäumen wie dürre Finger in Richtung des Himmels.
Eigentlich ein schönes Bild, aber ich beisse mich etwas an den 'Stümpfen' in Verbindung mit den 'dürren Fingern'. Baumstümpfe sind für mich nicht so hoch bzw. lang wie Finger, sondern das sind wirklich nur noch Stümpfe, die knapp über dem Boden enden. Der Vergleich passt also nicht direkt, aber ich hab auf die Schnelle keinen Alternativvorschlag parat ... Ich würde aber nochmal bisschen an dem Bild werkeln, um es stimmiger zu machen.

Vor ihnen tat sich eine breite Ebene auf.
Knapper: Vor ihnen lag eine breite Ebene.

Um sie herum war der Tod.
Du hast jetzt einiges an Zeit aufgewendet, um dem Leser genau das klar zu machen. Das wirkt hier wie eine unnötige Wiederholung und schwächt das Vorhergegangene ab. Ich würde es rausnehmen. Allgemein habe ich zu Beginn dieses Abschnitts den Eindruck, Du wiederholst dich zu oft. Denn es geht direkt weiter mit den Leichenbergen ... Die Bilder des Schlachtfelds, die Du erweckst, sind stimmig und ich kann die gut sehen, aber es nützt sich mit der Zeit halt auch ab.

Andere waren kaum noch mehr als ein Haufen Fleisch, Blut und Knochen.
Füllwort streichen. Könnte auch weiter verknappt werden: Andere waren kaum mehr als Blut und Knochen.

Manche lagen hier bereits seit drei Tagen.
Woher weiss der Erzähler das so genau? Weil vor drei Tagen die Schlacht begann? Oder ging sie vor drei Tagen zu Ende? Dann könnten die aber auch bereits länger liegen. Hat mich etwas irritiert, diese genaue Zeitangabe.

Im Schein des Lichts sah es beinahe so aus, als ob er entschieden hätte, sich hier an diesem Ort für einen Moment auszuruhen.
Wieder ein Füllwort. Bei diesem Satz hatte ich das Gefühl, den vorher schon gelesen zu haben. Naja, nicht ganz, aber doch sehr ähnlich, zu Beginn des letzten Abschnitts:
Einige wirkten im Licht der Laterne, als würden sie schlafen.
Ausruhen und schlafen ist nicht genau dasselbe, aber ich würde versuchen, die beiden Stellen etwas zu variieren.

Das Haar über der Oberlippe war nicht viel mehr als ein dunkler Flaum und hatte wenig mit ausgewachsenem Bartwuchs zu tun.
Streichen. Das ein Flaum nix mit einem ausgewachsenen Bartwuchs zu tun hat, ist klar.

Dann tastete er die Hosenbeine von unten nach oben ab, durchsuchte behutsam die linke, dann die rechte Tasche des Anoraks und knöpfte schließlich die Bluse des Toten auf.
Weg damit, es bläht den Satz nur noch weiter auf.

Er griff danach und förderte vorsichtig einige Bögen eng beschriebenen Papiers hervor.
Der Satz holpert etwas, finde ich. Vor allem auch wegen dem 'hervorfördern'. Ginge vielleicht besser so: Er griff danach und zog vorsichtig einige Bögen eng beschriebenes Papier hervor. Einige Bögen Papier, deshalb imo 'einige Bögen eng beschriebenes Papier'.

Neben sich konnte er hörte, wie Van Leeven sich an den Toten zu schaffen machte.
Neben sich hörte er, wie Van Leeven sich an den Toten zu schaffen machte.

Er hörte das Knirschen, wenn Van Leeven Zähne aus Mündern brach.
Mit was bricht er die denn raus? Mit 'ner Beisszange? Würde ich vielleicht noch hinschreiben, würde die Brutalität, das Verrohte der Szene, noch eindrücklicher machen.

Mit einem Mal überfiel ihn ein Gestank mit einer solchen Wucht, dass ihm war, als wäre er gegen eine Wand aus Fäulnis und Verwesung gelaufen.
Ein Gestank überfiel ihn, mit solcher Wucht, als wäre er gegen eine Wand aus Fäulnis und Verwesung gelaufen.

Er begann zu würgen, nestelte hastig an dem Tuch vor seinem Gesicht herum und spuckte Galle und Speichel vor sich auf den Boden.
Er würgte, nestelte an dem Tuch vor seinem Gesicht herum [...]

Tränen stiegen ihm in die Augen und liefen seine Wangen herab.
Kleines, unbedeutendes Detail: 'hinab' finde ich schöner als 'herab'.

Als er schließlich fertig war, wischte er sich den Mund mit dem Ärmel ab und tastete sich im fahlen Licht der Laterne weiter vorwärts.
Füllworte.

An den Handgelenken fand er keine Uhr und als er die Finger vergeblich nach Ringen absuchte, bemerkte er, dass sich die Haut bereits an mehreren Stellen bläulich verfärbt hatte.
Das mit der Uhr hat mich rauskatapultiert. Sucht der tatsächlich nach Uhren? Also ich weiss ja nicht, wann die Geschichte genau spielt, aber das ist mindestens hundertdreissig Jahre her, oder? Es gab damals schon Armbanduhren, die wurden offenbar so um 1810 erfunden. Aber die Dinger waren doch den Reichen und Schönen vorbehalten. Ein Soldat, der in den Krieg zog, der nahm doch seine Uhr - wenn er denn eben überhaupt eine besessen hatte - nicht mit in den Kampf?! Oder wurde da die Zivilbevölkerung niedergeschlachtet, dann könnte ich das eher verstehen.

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie seltsam kalt sich die Haut verstorbener Menschen anfühlt[e] und schnell [er] ließ er die Hand los.
Zeitform. Füllwörter streichen.

Im Dunkeln wollte er nicht eine Minute mehr schlafen.
Füllwort.

Wenn er die Augen schloss, konnte er sie hören.
Wenn er die Augen schloss, hörte er sie.

Haben alle nen verdammt zu großes Maul, wenn du mich fragst.
'ein verdammt zu grosses Maul' klingt seltsam, kann aber auch Dialekt sein, den ich nicht kenne oder 'ne eigene Erfindung. Bin ich aber drübergestolpert.

Van Leeven machte eine Pause und nahm einen tiefen, beinahe trotzigen Schluck.
Was ist ein beinahe trotziger Schluck?

Van Leeven machte eine Pause und sah in die Flammen.
Das mit der Pause hast Du schon kurz davor drinnen. Würde einfach schreiben: Van Leeven sah in die Flammen. Das enthält bereits, dass er eine Pause macht bzw. seine Rede unterbricht.

Mit der Hand spielte Van Leeven an dem Medaillon herum.
an dem = am. 'Mit der Hand' könnte ebenfalls gestrichen werden, mit was soll der sonst am Medaillon rumspielen? Mit den Füssen? :D Scherz. Also: Van Leeven spielte am Medaillon herum.

„Du musst es zurückgeben.“, unterbrach ihn der Junge.
Der Punkt steht am Ende des Satzes, der zweite Teil gehört ebenfalls dazu, also Punkt nach 'zurückgeben' streichen.

„Es gehört dir nicht.“, wiederholte der Junge[KOMMA] diesmal lauter.
Hier dasselbe.

Van Leeven begann laut und lange zu lachen.
Wieder das mit dem 'beginnen'. Weg damit. Van Leeven lachte laut und lange.

Van Leeven schüttelte mit dem Kopf.
Van Leeven schüttelte den Kopf. Allgemein schüttelt Van Leeven hier recht viel den Kopf und lacht ziemlich viel. Würde das bisschen reduzieren.

Das Knacken einiger Holzscheite im Feuer und das Zirpen der Grillen im Gras war zu hören.
Könnte schöner und knackiger (höhö) formuliert werden. Vielleicht so: Im Feuer knackten Holzscheite und sie hörten das Zirpen der Grillen im Gras.

Zwei Tage später kam Van Leeven mit einem Fisch in der einen und seinem Jagdmesser in der anderen Hand aus dem Fluss gewatet.
Zwei Tage später watete Van Leeven mit einem Fisch in der einen und seinem Jagdmesser in der anderen Hand aus dem Fluss.

Da sah er den Jungen am Ufer. Schmutzig und zitternd stand er da.
Zweimal 'da'. Auch in diesem Abschnitt dann noch öfter dieses Wörtchen. Reduzieren. Er sah den Jungen. Schmutzig und zitternd stand er am Ufer.

Dann begann er zu grinsen und schüttelte mit dem Kopf.
Begann ... Er grinste und schüttelte den Kopf. Wie oben bereits angemerkt: Van Leeven scheint diese beiden Dinge sehr verinnerlicht zu haben und sich hauptsächlich dadurch auszudrücken: Grinsen und Kopfschütteln.

Da drückte der Junge ab.
Der Junge drückte ab.

Aber der zweite erwischte ihn im Bauch oberhalb des Nabels.
Der zweite erwischte ihn am Bauch oberhalb des Nabels.

Im Lager packte er etwas Proviant, legte es in seine Decke und schnürte alles zusammen.
Das Packen beinhaltet bereits, dass er den Proviant in eine Decke wickelt und die dann zusammenschnürt. Würde das etwas anders schreiben, etwa so: Im Lager legte er etwas Proviant auf seine Decke und schnürte alles zu einem Bündel zusammen.

Den Revolver steckte er in seinen Hosenbund und er fand auch eine Packung mit Patronen, die er einsteckte.
Füllwörter killen. steckte, einsteckte. Könnte vielleicht auch noch eliminiert werden, diese WW.

Den Beutel mit dem Schmuck und dem eingeschmolzenem Gold ließ er, wo er war.
dem eingeschmolzenen Gold

Der Junge zögerte nur kurz, bevor er ihm in die Augen sah.
Funktioniert das mit dem Bild in den Augen hinterlassen auch, wenn der Andere schon tot ist? Dachte, das funzt nur im Moment des Sterbens.

Ich hoffe, Du nimmst mir meine frühmorgendliche Zitateschlacht nicht übel. Der Text gefällt mir! Er erweckt stimmungsvolle Bilder, die leider etwas in einem Salat unnötiger Wörter und teilweise etwas schiefen und unpräzisen Beschreibungen untergehen. Nichtsdestotrotz habe ich den Text sehr gerne gelesen und bin gespannt, was noch von Dir kommt.

So long,
d-m

 

Hallo @deserted-monkey

danke für deine Anmerkungen! Sind viele gute Hinweise dabei :)

Vorneweg mal eine Frage: Gehört das Teil auch zu deinem Freimann-Zyklus?
Haha, ich verstehe die Frage. Schon wieder düster, dunkel und brutal. Soll ich dir was sagen? Eigentlich reicht es mir selbst damit sogar ein wenig ... Ich versuche, bei meinem nächsten Text mal ein wenig auf die Bremse zu drücken, was das angeht. Aber die Geschichte hatte ich noch in dieser Stimmung und wollte mal austesten, wie das so wirkt. Aber ja, auch die Themen: der Tod, Schuld, Stimmen aus der Zwischenwelt usw. könnte wohl auch gut beim Freimann passieren. Dazu habe ich aber einen anderen Text in Mache ;)

Für mich ist der Text eher ein Stimmungsbild, als was anderes. Eine Handlung ist kaum vorhanden, Konflikt und Entwicklung sind aber ansatzweise da.
Verstehe, was du meinst. Ursprünglich war der Text wesentlich länger und auch die Geschichte hatte deutlich mehr Handlung. Das war aber überfrachtet und dann habe ich ziemlich runtergekürzt. Und dann war ich mir unsicher, ob das überhaupt noch geht und wollte es austesten. Dass du zumindest eine grobe Handlung erkennen konntest, spricht ja dafür, dass es ansatzweise geklappt hat.

Warum dieses 'auch'? Das impliziert für mich, dass vorher ebenfalls von einem Geräusch hätte die Rede sein müssen. Ist es aber nicht, es geht ums Wetter bzw. um die Temperatur im ersten Satz.
Das auch impliziert, zumindest wollte ich das implizieren, dass es schon lange (seit drei Tagen) donnert. Die Schlacht tobt nämlich auch schon mehrer Tage. Die beiden warten ja nur ab, bis es vorbei ist und sie mit ihrer Arbeit beginnen können.

Dann das Wörtchen 'nun', das dient zur Zeitangabe, schon klar, aber es ist auch irgendwo ein Füllwort, zumindest in diesem Satz unnötig. Vor allem hast Du es ein paar Sätze später nochmal drin. Dasselbe mit 'schliesslich': Würde ich killen.
Gekauft!

'herüberzusehen' klingt für mich nicht korrekt, es müsste 'hinüberzusehen' lauten.
Mmh, ich glaube eigentlich, dass es das so schon gibt ...

Wieso nicht einfach: Van Leeven lächelte.? 'begann zu lächeln' finde ich einen seltsamen Ausdruck. Entweder man lächelt, oder nicht. Oder wie soll ich mir den Beginn eines Lächelns vorstellen?
Hast einen Punkt. Werde ich ändern.

Eine Flasche mit Korken hat doch keinen Verschluss, oder verstehe ich hier was nicht?
Tja, vielleicht umständlich formuliert. Also der Korken ist ja der Verschluss. Und den überprüft er eben. Prüft also, ob der richtig sitzt.

'wand' ist die Vergangenheitsform des Verbs 'winden', das passt hier nicht. Es müsste 'wandte' lauten, also im Sinne von sich jemandem zuwenden.
Guter Punkt. Werde ich ändern.

Hier bin ich mir unsicher, ob es das mit dem Licht abschwächen wirklich braucht. Zu welchem Zweck sollten sie sonst Tücher um die Laternen wickeln? Auch habe ich mich gefragt, wie heiss so eine Laterne wird, und ob die Tücher nicht Feuer fangen würden. Aber da kenne ich mich zu wenig aus.
Tja, gute Frage. Ich glaube aber, dass die Hitze nicht so ansteigt, dass das Feuer fängt. Aber ein Experte bin ich nicht. Ich lass es mal so stehen, auch weil ich glaube, dass es die Erklärung schon braucht.

'blitzte Wetterleuchten', weil das Wetterleuchten. Ansonsten liest es sich so, als gäbe es dort am Horizont Leuchten (wie Laternen), die irgendwas mit dem Wetter zu tun haben. Dann würde ich noch etwas präzisieren: Befinden sich die aufgetürmten Wolkenberge wirklich um sie herum? Eher über ihnen am Himmel, oder? Bei den Feldern passt's, aber nicht bei den Wolken. Einfach 'um sie herum' streichen wäre die einfachste Methode.
Uff, heißt es wirklich das Wetterleuchten? Ich dachte, es gibt die Wetterleuchten? So wie die Blitze? Aber dann ändere ich das. Um sie herum steiche ich auch.
'ein wenig' ist Füllmaterial, meiner Meinung nach. Lass Van Leeven die Laterne doch einfach heben. Das 'schrecklich' braucht es nicht, kommt auch so rüber, dass das kein schöner Anblick ist mit all den Maden. Knapper und schöner wäre: eines der Pferde = eines Pferdes.
Gekauft!

Ausruhen und schlafen ist nicht genau dasselbe, aber ich würde versuchen, die beiden Stellen etwas zu variieren.
Stimmt. Ich nehme einen der Sätze raus, denke ich.

Streichen. Das ein Flaum nix mit einem ausgewachsenen Bartwuchs zu tun hat, ist klar.
Gekauft.

Mit was bricht er die denn raus? Mit 'ner Beisszange? Würde ich vielleicht noch hinschreiben, würde die Brutalität, das Verrohte der Szene, noch eindrücklicher machen.
Das wollte ich eigentlich vermeiden, weil ich das Gefühl hatte, ohnehin schon dick aufzutragen und die Szene auch nicht noch länger machen wollte.

Das mit der Uhr hat mich rauskatapultiert. Sucht der tatsächlich nach Uhren? Also ich weiss ja nicht, wann die Geschichte genau spielt, aber das ist mindestens hundertdreissig Jahre her, oder? Es gab damals schon Armbanduhren, die wurden offenbar so um 1810 erfunden. Aber die Dinger waren doch den Reichen und Schönen vorbehalten. Ein Soldat, der in den Krieg zog, der nahm doch seine Uhr - wenn er denn eben überhaupt eine besessen hatte - nicht mit in den Kampf?! Oder wurde da die Zivilbevölkerung niedergeschlachtet, dann könnte ich das eher verstehen.
Mmh, glaub Taschenuhren gab es schon etwas verbreiteter und waren nicht nur den Reichen vorbehalten. Aber ich mache mir da noch mal Gedanken. Danke für den Hinweis!

'ein verdammt zu grosses Maul' klingt seltsam, kann aber auch Dialekt sein, den ich nicht kenne oder 'ne eigene Erfindung. Bin ich aber drübergestolpert.
Jep, soll der Dialekt sein.

Was ist ein beinahe trotziger Schluck?
Gute Frag. Aber was ist ein trotziger Schluck :) Spaß beiseite, ich schau mal, ob ichs rausnehme.

Das mit der Pause hast Du schon kurz davor drinnen. Würde einfach schreiben: Van Leeven sah in die Flammen. Das enthält bereits, dass er eine Pause macht bzw. seine Rede unterbricht.
Gekauft.

an dem = am. 'Mit der Hand' könnte ebenfalls gestrichen werden, mit was soll der sonst am Medaillon rumspielen? Mit den Füssen? :D Scherz. Also: Van Leeven spielte am Medaillon herum.
Stimmt.

Könnte schöner und knackiger (höhö) formuliert werden. Vielleicht so: Im Feuer knackten Holzscheite und sie hörten das Zirpen der Grillen im Gras.
hehe :)

Zweimal 'da'. Auch in diesem Abschnitt dann noch öfter dieses Wörtchen. Reduzieren. Er sah den Jungen. Schmutzig und zitternd stand er am Ufer.
Ich formuliere es um.

Begann ... Er grinste und schüttelte den Kopf. Wie oben bereits angemerkt: Van Leeven scheint diese beiden Dinge sehr verinnerlicht zu haben und sich hauptsächlich dadurch auszudrücken: Grinsen und Kopfschütteln.
Ja, hast recht. Ein wenig zu inflationär benutzt

dem eingeschmolzenen Gold
guter Punkt!

Funktioniert das mit dem Bild in den Augen hinterlassen auch, wenn der Andere schon tot ist? Dachte, das funzt nur im Moment des Sterbens.
Tja, das ist ja ein wenig so die Grundfrage des Textes. Funktioniert das denn überhaupt? Oder hat Van Leeven vielleicht einfach nur Müll erzählt? Dass man nur durch Schuld Spuren in der Welt hinterlässt? Oder ist das halt seine (durch viel Scheiße erlebte Färbung der Sicht?)
Und selbst wenn das nicht funktioniert? Sieht der Junge dann vielleicht trotzdem was in den Augen? Weil es für IHN eben funktioniert? Weil er die Schuld spürt, die er auf sich geladen hat?

Ich hoffe, Du nimmst mir meine frühmorgendliche Zitateschlacht nicht übel. Der Text gefällt mir! Er erweckt stimmungsvolle Bilder, die leider etwas in einem Salat unnötiger Wörter und teilweise etwas schiefen und unpräzisen Beschreibungen untergehen. Nichtsdestotrotz habe ich den Text sehr gerne gelesen und bin gespannt, was noch von Dir kommt.
Überhaupt nicht :) Da sind viele gute Punkte und Hinweise drin! Danke dir dafür

Viele Grüße
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus,

du erzählst die Geschichte von Van Leeven und einem Jungen, die nach einer Schlacht Leichen fleddern. Van Leeven scheint dem Jungen übergeordnet zu sein, gibt ihm Befehle und weist ihn in das Leichenfleddern ein. Dabei spricht einer der Toten zu dem Jungen und erwähnt das Medaillon von Van Leevens, das dem Jungen bereits zuvor Angst gemacht hat. Als der Junge das Van Leeven mitteilt, lacht der nur und verstößt den Jungen. Als Konsequenz erschießt der Junge Van Leeven, um das Medaillon zurückzugeben.

Was dir gut gelingt, ist die Atmosphäre zu erzeugen. Ab und an hat es mich in Teilen an Olmsteads "Der Glanzrappe" erinnert oder auch an McCarthys "Die Straße", ich weiß nicht, ob du das auch im Kopf hattest, aber das war so eine meiner ersten Assoziationen. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich mich selbst momentan mit den Werken befasse.

Ansonsten war ich auch besonders von den Dialogen von Van Leeven angetan, das klingt eigen und da schwingt auch zwischen den Zeilen durch, dass er mehr Macht hat als der Junge und einiges auf sich selbst hält. Sehr gelungen.

Der größte Schwachpunkt der Geschichte ist das Medaillon. Was ist das genau? Warum hat das so eine Macht? Außerdem hat es mich total rausgeworfen, dass der Tote auf einmal sprechen kann. Die ganze Story ist so realistisch angelegt und das kam dann so plötzlich, ich hab da auch eine kurze Pause gemacht und bin erst später wieder in die Geschichte eingestiegen.

Ich gehe im Detail auf meinen Leseeindruck ein:

Auch das Donnern der Kanonen erklang nun seltener und irgendwann verstummte es schließlich ganz.
Guter Einstieg mit den sensorischen Details, habe direkt ein abschwellendes Geräusch und dann die bedrückende Stille im Ohr. Hat mir gefallen.

„Sieh sie dir an“, sagte Van Leeven und schüttelte den Kopf. „Mehr tot als lebendig.“
Lese hier im Subtext: "Guck mal, wie grausam der Krieg ist", heraus und ja, das kaufe ich.

Mit seiner schwieligen Pranke winkte er den Soldaten zu. Niemand erwiderte den Gruß. Durch eine Zahnlücke spuckte er aus. Auf der linken Seite fehlten ihm beinahe alle seine Zähne. Deshalb klang es immer ein wenig verwaschen, wenn er sprach. Auch das Lid seines Auges hing herab und der Junge vermutete, dass ihn irgendwann mal ein heftiger Schlag oder vielleicht sogar der Tritt eines Pferdes erwischt und die Knochen seines Kiefers und der Augenhöhle zertrümmert haben musste. Gefragt hatte er nie.
Hier wusste ich nicht so genau, wem ich als Leser denn jetzt eigentlich folge. Erst kommt mir Van Leeven wie der Prota vor, aber dann dreht es sich zu dem Jungen. Mich hat das verwirrt.

ein Blick fiel auf das goldene Medaillon, das Van Leeven um den Hals trug. Nur für einen winzigen Moment wagte er es zu betrachten. Dann zwang er sich mit aller Kraft, wieder zur Straße herüberzusehen. Sein Mund war trocken und er konnte spüren, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug. Van Leeven hatte seinen Blick bemerkt. Ohne ein Wort verstaute er die Kette unter seinem Hemd.
Hier kommt das Versprechen, dass das Medaillon zentral für die Geschichte sein wird, aber du beantwortest nie die Frage, warum das so mächtig ist, warum er das unbedingt zurückgeben muss. Diese zentrale Information will ich aber als Leser haben und fehlt mir daher auch am Ende.

Gegen Nachmittag entkorkte Van Leeven eine Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Als er sie dem Jungen hinhielt, schüttelte der mit dem Kopf.
„Trink“, sagte Van Leeven, doch der Junge rührte sich noch immer nicht. Van Leeven begann zu lächeln. Er steckte den Korken zurück in die Flasche, überprüfte den Verschluss mit dem Daumen und legte sie neben sich auf den Boden. Dann wand er sich dem Jungen zu und verpasste ihm eine heftige Ohrfeige.
Hier wird die Machtdynamik zwischen den beiden etabliert: Van Leeven ist dominant, gibt den Ton an, schlägt den Jungen sogar und dieser lässt sich das gefallen. Hier ist aber nichts von dem rebellischen Geist des Jungen angelegt und auch nicht, dass er Van Leeven später erschießen wird. Ich hätte eher gedacht, dass er solche Angst vor ihm hat, dass er alles andere macht außer in einen direkten Konflikt mit Van Leeven zu gehen. Ich kaufe auch nicht, dass er den Mut hat, Van Leeven zu erschießen.

Der süßliche Geruch nach Verwesung erfüllte die Luft. Selbst durch den Stoff der Tücher hindurch, die sie vor ihre Münder gebunden hatten, nahmen sie den widerlichen Gestank wahr. Auch die Landschaft hatte sich verändert. Überall lag zersplittertes Holz, ragten zerschossene Stümpfe von Bäumen wie dürre Finger in Richtung des Himmels.
Schönes Worldbuilding, die Atmosphäre ist dir gut gelungen.

„Schneid dich nicht an so einem Ding. Ich hab Männer gesehen, denen der Arm glatt bis hinauf zur Schulter abgefault ist.“
Starker Dialog, das kommt mir sehr indivuell vor und passt zum Charakter: Er ist mit allen Wassern gewaschen, hat einiges gesehen und weiß sich selbst zu helfen.

„Fang unten an und arbeite dich dann nach oben“, hatte Van Leeven ihm oft genug erklärt.
Wieder die Machtdynamik: Van Leeven ist sein Herr.

Ihm drehte sich der Magen um.
Das ist ein Klischee, würde ich streichen, hat der Text gar nicht nötig.

Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie seltsam kalt sich die Haut verstorbener Menschen anfühlt und schnell ließ er die Hand los. Einen Augenblick hielt er inne, bevor er zitternd die Lippen der Leiche spreizte und den Mund öffnete, um nachzusehen, ob sich Goldzähne darin befanden. Als er die kalten Lippen wieder losließ, sah es aus, als würde der Tote grinsen. Dann begann er mit ihm zu sprechen. Und der Junge hörte zu.
Das ist bis hierhin sehr realistisch geschildert, auch die kalte Haut der Toten fand ich überzeugend, daher hat es mich so rausgekickt, dass der Tote auf einmal spricht. Das ist für mich im Vorfeld so nicht zu erwarten und hat mich stolpern lassen.

„Dieser Idiot hätte uns sein Zeug einfach geben sollen. Aber stattdessen macht er Faxen. Er wollte es so. War ja auch schon halb tot, so wie der aussah. Hätte es keine Stunde mehr gemacht, sag ich dir. Im Grunde wars besser so.“
Starker Dialog!

„Du musst es zurückgeben.“, unterbrach ihn der Junge. Van Leeven stutzte.
„Was hast du gesagt?“, fragte er ungläubig und beugte sich nach vorne.
„Es gehört dir nicht.“, wiederholte der Junge diesmal lauter. „Du musst das Medaillon ablegen. Sie haben es zu mir gesagt. Sie haben gesagt, dass sie mich nicht in Ruhe lassen, bis wir es zurückgegeben haben. Bis wir alles zurückgegeben haben. Sie sagen, dass wir sonst beide verloren sind, dass sie unsere Seelen holen werden. Sie sagen, dass wir Schuld auf uns geladen haben. Sie sagen … sagen, dass sie mich ansonsten zwingen werden ...“
Hier flacht der Dialog dann stark ab, es ist nicht klar, warum das Medaillon so wichtig ist und die Reaktion von Van Leeven ist ja auch, dass er lacht. Ich glaube auch einfach nicht, dass der Junge sich das so getraut hätte. Er ist mir im Vorfeld dafür viel zu unterwürfig und gehorsam gezeichnet.

Da sah er den Jungen am Ufer. Schmutzig und zitternd stand er da. Van Leeven blickte ihm ins Gesicht. Er erkannte die Furcht in seinen Augen. Ohne den Blick von seinem Revolver abzuwenden, mit dem der Junge auf ihn zielte, spuckte er ins Wasser. Dann begann er zu grinsen und schüttelte mit dem Kopf. Mit der Hand, in der er den Fisch hielt, deutete Van Leeven in die Richtung einer einfachen Reuse, die er aus Steinen errichtet hatte. Er sagte etwas, doch der Junge verstand ihn nicht. Plötzlich machte Van Leeven eine schnelle Bewegung und kam auf ihn zu. Da drückte der Junge ab.
Das kam mir nicht realistisch vor und passte für mich nicht in die Charakterzeichnung des mächtigen und erfahrenen Van Leeven und dem grünen Jungen, der sich schlagen lässt.

Mit dem Revolver in der Hand beugte sich der Junge zu ihm herunter und nahm ihm das Medaillon ab. Schwer wog es in seiner Hand, bevor er es in den Fluss warf.
Und was genau hatte es jetzt mit dem Medaillon auf sich? Das ist in meinen Augen die zentrale Frage, die unbeantwortet bleibt.

Insgesamt habe ich den Text allerdings gerne gelesen, sprachlich gut umgesetzt, viele spezifische Details, die mich reingezogen haben. Nur bei dem Plot hatte ich ein Fragezeichen.

Beste Grüße
MRG

 
Zuletzt bearbeitet:

Sei gegrüßt @MRG und vielen Dank dir für deinen Kommentar!

Was dir gut gelingt, ist die Atmosphäre zu erzeugen. Ab und an hat es mich in Teilen an Olmsteads "Der Glanzrappe" erinnert oder auch an McCarthys "Die Straße", ich weiß nicht, ob du das auch im Kopf hattest, aber das war so eine meiner ersten Assoziationen. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich mich selbst momentan mit den Werken befasse.
Das freut mich natürlich! Den Glanzrappen habe ich mal gelesen und hab das Buch sehr eindrücklich in Erinnerung. Ja, wenn ich so drüber nachdenke, verstehe ich, dass du da vlt. eine gewisse Ähnlichkeit erkennen konntest. Die Straße kenne ich nur als Film. Und trotz der guten Kritiken war mir der immer ein wenig zuuu düster. Kannst du das Buch empfehlen?
Ansonsten war ich auch besonders von den Dialogen von Van Leeven angetan, das klingt eigen und da schwingt auch zwischen den Zeilen durch, dass er mehr Macht hat als der Junge und einiges auf sich selbst hält. Sehr gelungen.
Auch das freut mich :)
Der größte Schwachpunkt der Geschichte ist das Medaillon. Was ist das genau? Warum hat das so eine Macht?
Tja, was soll ich sagen. Erwischt. Zielgenau hast du den Schwachpunkt benannt, den auch ich sehe. Das Medaillon. Ich hatte in meinem letzten Kommentar geschrieben, dass der ursprüngliche Text auf deutlich mehr Seiten ausgelegt war. Da hätte das Medaillon auch eine deutlich größere (mystisch aufgeladene) Rolle spielen sollen. Aber es war zu überfrachtete, bzw. habe ich es nicht gut hinbekommen. Daher ist das dann rausgeflogen. Das Medaillon ist geblieben als Symbol dafür, dass der Junge mit dem, was sie tun und vor allem getan haben, zunehmend nicht klar kommt. Es ist ja nicht nur so, dass sie Leichen fleddern, sondern sogar so, dass Van Leeven ab und an sogar dabei irgendwelche Verletzten umbringt, um sich deren Hab und Gut zu krallen.
Außerdem hat es mich total rausgeworfen, dass der Tote auf einmal sprechen kann. Die ganze Story ist so realistisch angelegt und das kam dann so plötzlich, ich hab da auch eine kurze Pause gemacht und bin erst später wieder in die Geschichte eingestiegen.
Tja, eigentlich wollte ich es hier dem Leser überlassen, wie ernst er diese Szene nimmt. Klar, kann natürlich sein, dass der Tote tatsächlich zu dem Jungen spricht. Kann aber auch genauso gut sein, dass der traumatisierte 15-Jährige sich das in Anbetracht der Szenerie einbildet. Deswegen fand ich das jetzt im Grunde nicht zuu abgespacet. Aber ich kann verstehen, wenn es dich rauswirft, weil du es als komplett gegeben hinnimmst und es sich dann mit dem sonstigen Geschehen beißt. Andererseits wollte ich schon vorher ein wenig andeuten, dass der Junge nicht mehr so ganz rund läuft bzw. nervlich ein wenig angespannt ist. Das Flüstern, das er hört wo sie aufbrechen zum Beispiel. Vlt. muss ich das noch ein wenig deutlicher machen. Ich werde mir da mal Gedanken machen.

Hier wird die Machtdynamik zwischen den beiden etabliert: Van Leeven ist dominant, gibt den Ton an, schlägt den Jungen sogar und dieser lässt sich das gefallen. Hier ist aber nichts von dem rebellischen Geist des Jungen angelegt und auch nicht, dass er Van Leeven später erschießen wird. Ich hätte eher gedacht, dass er solche Angst vor ihm hat, dass er alles andere macht außer in einen direkten Konflikt mit Van Leeven zu gehen. Ich kaufe auch nicht, dass er den Mut hat, Van Leeven zu erschießen.
Hier flacht der Dialog dann stark ab, es ist nicht klar, warum das Medaillon so wichtig ist und die Reaktion von Van Leeven ist ja auch, dass er lacht. Ich glaube auch einfach nicht, dass der Junge sich das so getraut hätte. Er ist mir im Vorfeld dafür viel zu unterwürfig und gehorsam gezeichnet.
Das kam mir nicht realistisch vor und passte für mich nicht in die Charakterzeichnung des mächtigen und erfahrenen Van Leeven und dem grünen Jungen, der sich schlagen lässt.
Richtig ist, dass Van Leeven den Ton angibt. Der Junge macht schon das, was Van Leeven ihm sagt. Aber eben nur bis zu dem Punkt, wo etwas Mächtigeres erscheint. In diesem Sinne die Toten, die (zumindest meint der Junge, das zu hören) zu ihm sprechen und ihm drohen, dass, wenn er nicht dafür sorgt, dass Van Leeven das Medaillon zurückgibt, sie beide verloren sind und seine Seele nehmen. Wenn er abwägen muss zwischen einer Tracht Prügel (Van Leeven) oder der Rache übermächtiger Toter? Die Argumente haben eindeutig die Toten auf ihrer Seite. Der Junge ist ja auch verzweifelt und will nicht tun, was er schließlich doch tut. Er bittet Van Leeven das Medaillon zurückzugeben. Er will ihm auch sagen, dass die Toten ihn sonst zwingen werden Van Leeven zu töten.
Sie sagen … sagen, dass sie mich zwingen werden ...“
Aber Van Leeven hört ihm nicht zu. Als der Junge bemerkt, dass das alles nichts bringt, geht er um später den Willen der Toten zu erfüllen.

Und was genau hatte es jetzt mit dem Medaillon auf sich? Das ist in meinen Augen die zentrale Frage, die unbeantwortet bleibt.
Im Grunde ist es das Symbol der Schuld. Der Junge meint zwar, durch den Mord an Van Leeven der Rache der Toten entgangen zu sein (er gibt sozusagen das Medaillon den Toten zurück) aber hat sich natürlich die Schuld eines Mordes aufgebürdet. Und wer weiß, vielleicht löst der Geist Van Leevens ja die bisherigen Toten ab und verfolgt von nun an den Jungen?

Danke für deinen Kommentar!
Viele Grüße
Habentus

 

Hallo, nun habe ich deine Version des Schreckens gelesen. Ein starker Text, finde ich.
Mittendrin die Pointe, wer diese Leute sind, ein seltsamer Moment danach, der schockt, und ein feines Ende.

Am Vormittag kühlte es ab. Auch das Donnern der Kanonen erklang nun seltener und irgendwann verstummte es ganz.
Wieso 'auch'? Der kühlende Vormittag macht doch keinen Lärm, oder?

„Sieh sie dir an“, sagte Van Leeven und schüttelte den Kopf. „Mehr tot als lebendig.“
Ja, okay, allerdings ist das mehr tot als lebendig ziemlich bekannt. Also kann es natürlich auch so stehen bleiben. Er könnte natürlich auch was anderes sagen, woran man besser hängen bleibt. "Die sind auch bald tot."

„Trink“, sagte Van Leeven, doch der Junge rührte sich nicht. Van Leeven steckte den Korken zurück in die Flasche, überprüfte den Verschluss mit dem Daumen und legte sie neben sich auf den Boden. Dann wandte er sich dem Jungen zu und verpasste ihm eine Ohrfeige.
„Du willst ein Mann sein?“, fragte er. „Echte Männer tun, was man ihnen sagt.“ Er zog seinen zerschlissenen Zylinder über die Augen und lehnte sich zurück.
Das ist ein echter Hinkucker. Echte Männer tun, was man ihnen sagt!? Diese Definition habe ich noch nie gehört, und sie ist so arg falsch und blöde, das nenne ich eine überaus gelungene Persiflage auf ähnliche Szenen in Buch und Film! Genial! einfach umgedreht und hingerotzt!
:thumbsup:

Vereinzelt sahen sie tote Pferde und einmal ein ganzes Gespann, dass vom Weg abgekommen sein musste. Mehrere Tiere lagen unter den zerbrochenen Teilen des Wagens, im Schein ihrer Laternen zeichneten sich die zackigen Enden offen gebrochener Knochen ab und der Junge sah, dass es im aufgedunsenen Leib eines Pferdes vor Maden wimmelte.
Schlimm schrecklich gute Schilderung.

„Von denen würd kein einziger zögern, dir für ne Taschenuhr deine kleine Kehle aufzuschlitzen.“
Passt das zur Figur, dass er deine kleine Kehle sagt? Bin unsicher. Ich habe eher was unpersönlich- kurzes erwartet, wie Von denen schlitzt dich jeder für ne Taschenuhr ohne zu zögern.

Neben sich konnte er hörte, wie Van Leeven sich an Körpern zu schaffen machte. Er hörte das Knirschen, wenn er Zähne aus Mündern brach.
Joa!

„Du wirst vergehen in dieser Welt“, sagte er nach einiger Zeit. Er sagte es ohne Hohn und ohne Freude. „Bis zum Morgen kannst du bleiben, danach scherst du dich weg. Ich kann dich nicht mehr gebrauchen.“
Du wirst vergehen in dieser Welt? Das sagt er? Hab nicht verstanden, warum er plötzlich so spricht und gleich wieder im alten Jargon.


Er blieb einfach liegen.
Einfach? Klar, ist Alltagsausdruck, kann also weg.

Vorsichtig drehte er den Kopf Van Leevens zu sich herum. Er zögerte nur kurz, bevor er ihm in die Augen sah.
Das ist ein sehr guter Schluss!


Gruß, Flac

 

Hallo @Habentus,

düster, träge, nebulös und doch rhythmisch und unbarmherzig dieses Fleddern, diese Zeit und ihre Typen. Was ich stark fand: ich konnte die Story fast riechen - das passiert nicht oft. Denke, da hast Du gute Worte gewählt, um die Stimmung zu projizieren.
Meine Stolpersteine:

Auch das Donnern der Kanonen erklang nun seltener un
erklingen tun Dinge, die klingen ... ist Kanonendonner nicht eher nur ein Laut? Vielleicht: ... der Kanonen zerriss die Stille nun seltener ...
Dann zwang er sich, zur Straße herüberzusehen
... heißt es nicht hinüber? Von sich weg heißt hin ... zu sich her heißt her ... oder?
Auf dem Weg nach herunter rutschte er in einer Pfütze aus und wäre hingefallen
auch hier: hinunter ... oder: auf dem Weg nach unten ...
„Von denen würd´ kein einziger zögern, dir für `ne Taschenuhr deine kleine Kehle aufzuschlitzen.“
Silben oder Buchstaben verschlucken ... ein Apostroph setzen?
„Es ist was anderes als bei `nem Schwein oder `nem Hasen“
... hier auch?
Haben alle nen verdammt zu großes Maul, wenn du mich fragst.“
`nen ist die Abkürzung von einen ... muss es nicht heißen: ... alle `n verdammt zu großes ...
d lief, wars so,
war´s ...

... taucht noch ein paar Mal auf, aber wenn Du´s absichtlich nicht verwendet hast, - auch gut. Ja, gerne gelesen und eindrucksvoll geschrieben - beste Grüße - Detlev

 

Hi @Habentus,

mir hat deine Geschichte ganz gut gefallen, ich fand sie gut zu lesen und auch inhaltlich ansprechend. Immer mal war mir der Stil allerdings eine Spur zu graphisch, zu deutlich ausgemalt. Ich weiß nicht, ob es verstänlich ist, wenn ich sage, dass das dann in eine Richtung ging, die ich eher mit Fantasy assoziiere? Kann sein, dass das eine private Assoziation ist, dann wäre es eher nicht verständlich. Jedenfalls fand ich das wegen dieser (privaten) Assoziation ein Stück weit für's eintauchen hinderlich, weil die Geschichte ja keine Fantasy-Geschichte ist.

Gut find ich, wie der Mann hier Kontur gewinnt:

Deshalb klang es immer ein wenig verwaschen, wenn er sprach. Das Lid seines Auges hing herab und der Junge vermutete, dass ihn irgendwann mal ein heftiger Schlag oder vielleicht der Tritt eines Pferdes erwischt und die Knochen von Kiefer und Augenhöhle zertrümmert haben musste. Gefragt hatte er nie.

Hier sehe ich einen kleinen Widerspruch:
Nur für einen winzigen Moment wagte er, es zu betrachten. Dann zwang er sich, zur Straße herüberzusehen.
Wenn der Junge aber eh nur für einen winzigen Moment wagte hinzuschauen, dann muss er sich ja nicht zwingen, wieder wegzuschauen. (Übringes versteckt sich hier ein Beispiel für das, was mir zu sehr ausgemalt vorkommt: "winziger Moment" -- wo doch ein Moment eh schon sehr, sehr kurz ist.

Auch etwas viel ist mir das hier:

Süßlicher Verwesungsgeruch erfüllte die Luft.
"Süßlich" könnte weg -- oder "Verwesungs-", beide Male bleibt eine Winzigkeit mehr offen und dem Leser überlassen.

Hier fand ich das Bild zwar schön, aber in der Vorstellung nocht ganz passend:

zerschossene Stümpfe von Bäumen wie dürre Finger
... weil ich bei den Stümpfen die Stämme vor Augen habe. Muss nicht sein, beim Drübernachdenken klingt das Bild nicht falsch, der Stumpf kann ja ohne weiteres da aufhören, wo sich der Baum schon verästelt, und dann sind die Äste die dürren Finger. Du könntest aber "dürre" auch einfach weglassen, dann können die Stümfe, also auch die dickeren, selbst schon die Finger sein.

Hier:

„Fang unten an und arbeite dich dann nach oben“, hatte Van Leeven ihm oft erklärt.
find ich die wörtliche Rede nicht so schön, denn Van Leeven sagt das nicht in dem Moment. Vor allem hat er es oft gesagt, es ist also nicht das eine Ereigis, das der Junge im Ohr hat.

Als der Tote zu sprechen anfängt, war mir nicht sofort klar, wer spricht:

Dann begann er mit ihm zu sprechen.
... obwohl es sich fast unmittelbar klärt:
Und der Junge hörte zu.
Trotzdem in meinen Augen eine kleine Stolperstelle, die man mit klarerem Bezug im ersten Satz glätten könnte.

Auch eine leichte Unklarheit:

Wenn er die Augen schloss, konnte er sie hören.
Sie oder ihn? Natürlich macht "sie" Sinn, aber wär es nicht schöner, den einen Sprecher mehr herauszuheben? Also entweder "konnte er ihn hören" oder vielelicht auch so was wie: "konnte er ihn hören, ihn und die anderen alle"?

Das hier hab ich nicht so ganz verstanden:

Haben alle nen verdammt zu großes Maul, wenn du mich fragst.
Soll das heißen, der Alte hört die auch? So wirkt er aber eher nicht, auch wenn er sich offenbar schuldig fühlt. (Und: "nen Maul" geht nicht, das wäre die Verkürzung von einen Maul)

Hier ist mir noch mal der Zusammenhang nicht ganz klar:

„Als mir damals das warme Blut von diesem Hundesohn
Ich glaub schon, dass ich das richtig einsortiere, der Alte spricht davon, wie er, als er so alt war wie der Junge, einem Sterbenden das Medallion abgenommen hat.
Aber warum spricht er dann von "uns":
„Dieser Idiot hätte uns sein Zeug einfach geben sollen.
"Uns" bringt mich zurück in die Gegenwart: uns, dem Alten und dem Jungen. Dann passt es aber nicht mehr mit der Erzählung zusammen.

Hier redet mir der Junge ein bisschen zu viel:

„Du musst das Medaillon ablegen. Sie haben es zu mir gesagt. Sie haben gesagt, dass sie mich nicht in Ruhe lassen, bis wir es zurückgegeben haben. Bis wir alles zurückgegeben haben. Sie sagen, dass wir sonst verloren sind, dass sie unsere Seelen holen werden. Sie sagen, dass wir Schuld auf uns geladen haben. Sie sagen … sagen, dass sie mich zwingen werden ...“
Ich würde ja gerne erklären können, warum, aber ich weiß es nicht genau. Vielleicht so: Die vielen Worte können Aufgeregtheit veranschaulichen. Das macht schon Sinn. Aber hat er nicht or allem Angst? Es ist ihm unheimlich, redet er da nicht vorsichtiger, zurückhaltender? Muss wohl nicht sein, aber irgendwie kmen mir wengier Worte wirkungsvoller vor.
Es kann aber auch an etwas anderem liegen: Vielleicht würd ich nur die Sätze, in denen er sich auf sich bezieht, rausnehmen wollen. Vor allem der letzte: "sagen, dass sie mich zwingen werden" -- er kennt den Alten doch, das wird den nicht berühren. "Sagen, dass sie uns zwingen werden" hätte zumindest subjektiv eher eine Chance, bei ihm anzukommen.
Vermutlich sehen wir am Ende, wie sie ihn tatsächlich zwingen, als er da mit dem Revolver kommt: Das kommt nicht aus ihm, sondern das sind diese Stimmen. Das ist an sich fpr mich absolut überzeugend. Aber braucht es diesen Hinweis hier unbedingt? (Ich bräuchte ihn jedenfalls nicht, denn mir ist der direkte Bezug erst im Nachhinein aufgefallen, da hatte ich aber die Handlung des Jungen -- also, dass er den Alten erschießt -- schon ohne weiteres auf die Stimmen bezogen.)

Und schließlich eine kleine Spitzfindigkeit:

dass ichs hier mit nem kleinen Jesuiten zu tun hab!
"Jesuit" ist zwiespältig. Jesuiten haben nicht zu jeder Zeit den Ruf, besonders prinzipientreu oder moralisch zu sein. "Jesuit" könnte (damals) auch ein Schipfwort sein mit der Bedeutung Opportunist, oberflächlich frömmelnder Intrigant oder dergleichen. Es besteht eine gewisse (geringe?) Gefahr, das einen Moment lang misszuverstehen.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo @FlicFlac und danke dir für deinen Kommentar!

in starker Text, finde ich.
Mittendrin die Pointe, wer diese Leute sind, ein seltsamer Moment danach, der schockt, und ein feines Ende.
Ich war mir, was Ton und Inhalt angeht, unsicher und wollte deshalb ausprobieren, wie er wirkt. Das er dir gefällt freut mich daher sehr!

Wieso 'auch'? Der kühlende Vormittag macht doch keinen Lärm, oder?
Tja, das wurde schon mal angemerkt. Vielleicht wollte ich damit eine Veränderung andeuten? Weil die Tage vorher ja die Schlacht getobt hat und diese nun zu Ende geht. Ich mach mir da noch mal meine Gedanken.

Diese Definition habe ich noch nie gehört, und sie ist so arg falsch und blöde, das nenne ich eine überaus gelungene Persiflage auf ähnliche Szenen in Buch und Film! Genial! einfach umgedreht und hingerotzt!
Freut mich, dass es wirkt :)

Du wirst vergehen in dieser Welt? Das sagt er? Hab nicht verstanden, warum er plötzlich so spricht und gleich wieder im alten Jargon.
Ich wollte hier andeuten, dass das Ganze auch dem harten Van Leeven nahe geht. Und weil er mit seinem Auslachen nicht weiter kommt, wird er im nächsten Moment ernst (Und schickt dann auch deshalb den Jungen weg. Auch weil er ihm unheimlich wird und weil die Situation ihm unangenehm wird). Zum anderen glaubt er aber auch wirklich daran, dass der Junge mit seiner "weichen" Art nicht überstehen kann. Da er ja per se kein völlig emotionsloses Wesen ist, tut ihm das ein wenig leid. Das alles sollte dieser Satz ausdrücken, haha. Vielleich bisschen zu ambitioniert. Ich mach mir da noch mal Gedanken.

Hallo @Detlev und auch dir vielen Dank für deinen Kommentar!

Was ich stark fand: ich konnte die Story fast riechen - das passiert nicht oft.
Ein großes Kompliment, wie ich finde. Das gibt Mut!
erklingen tun Dinge, die klingen ... ist Kanonendonner nicht eher nur ein Laut? Vielleicht: ... der Kanonen zerriss die Stille nun seltener ...
Mmh, aber ist ein Klang nicht zuerst eine neutrale Beschreibung? Ich habs jetzt mal umgeändert in ertönt, weiß aber nicht, ob mir das wirklich gefällt. Ich lasse es mal wirken.
auch hier: hinunter ... oder: auf dem Weg nach unten ...
Tja, vermutlich hast du recht. Da hab ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Ich ändere es um.


Hallo @erdbeerschorsch

Ich weiß nicht, ob es verstänlich ist, wenn ich sage, dass das dann in eine Richtung ging, die ich eher mit Fantasy assoziiere?
Aber das muss ja kein Problem sein, oder? Also ich habe den Text jetzt gar nicht so gernremäßig eng gefasst. Aber auch @MRG hatte ja schon so etwas Ähnliches angemerkt. Ich finde, dass es hier euch Lesern überlassen bleiben kann, wie ihr das Ganze lest und wahrnehmt. Je nach Lesart ist es möglich, dass alles ganz genauso passiert (Geister, Stimmen der Toten, Fluch usw. So war der Text ja tatsächlich auch ursprünglich mehr konzipiert). Also eine fantasiereiche Variante.
Oder aber, dass das alles NUR im Kopf des Jungen passiert. Die Auswirkungen sind am Ende jedenfalls dieselben.
Aber es stimmt, die Sprache ist mitunter vielleicht ein wenig ausufernd und blumig geraten. Das war schon gewünscht. Eigentlich sollte das Ganze noch mehr einen märchenhaften Touch bekommen. Das habe ich dann irgendwann geändert. Aber ja, ein wenig von diesem Ton steckt wohl noch drin.

Wenn der Junge aber eh nur für einen winzigen Moment wagte hinzuschauen, dann muss er sich ja nicht zwingen, wieder wegzuschauen.
Mmh, ich finde das eigentlich passend. Das Medaillon fängt seinen Blick ein (Autounfall usw.). Daher muss er sich zwingen, wieder wegzusehen. Gleichzeitig will er aber ja eigentlich gar nicht hinsehen. Daher wagt er es nur kurz. Eine Zwischenlösung sozusagen ;)

"Süßlich" könnte weg -- oder "Verwesungs-", beide Male bleibt eine Winzigkeit mehr offen und dem Leser überlassen.
Gekauft.

... weil ich bei den Stümpfen die Stämme vor Augen habe. Muss nicht sein, beim Drübernachdenken klingt das Bild nicht falsch, der Stumpf kann ja ohne weiteres da aufhören, wo sich der Baum schon verästelt, und dann sind die Äste die dürren Finger. Du könntest aber "dürre" auch einfach weglassen, dann können die Stümfe, also auch die dickeren, selbst schon die Finger sein.
Wurde schon mal angemerkt. Ich war als Kind um die Jahrtausendwende mal im Schwarzwald unterwegs. Kurz zuvor hat der Sturm Lothar wirklich große Schäden angerichtet und die Bäume wie Streichhölzer abgeknickt. Das waren dann keine großen, dicken Stümpfe mehr, sondern kleine, zersplitterte Reste. Und tatsächlich hatten die was von dürren Fingern. Zumindest in meiner kindlichen Erinnerung.

Soll das heißen, der Alte hört die auch? So wirkt er aber eher nicht, auch wenn er sich offenbar schuldig fühlt. (Und: "nen Maul" geht nicht, das wäre die Verkürzung von einen Maul)
Nee, Van Leeven hört nichts. Er redet davon, dass er früher auch schon gemordet hat. Und dass manchmal der Grund dafür war, dass ihm wer blöd kam (zu großes Maul). Vor ein paar Tagen war es dann so, dass ein Verletzter sein Medaillon nicht rausrücken wollte (also wieder: zu großes Maul) und Van Leeven ihn ermordet hat. Der Junge war da dabei und das war sehr einschneidend und der Auslöser für alles Spätere.
"Uns" bringt mich zurück in die Gegenwart: uns, dem Alten und dem Jungen. Dann passt es aber nicht mehr mit der Erzählung zusammen.
Es geht hier um verschiedene Dinge, von denen Van Leeven spricht. Er spricht von seinem ersten Mord UND von dem Mord, den er mit dem Jungen zusammen vor ein paar Tagen beim Leichenfleddern begangen hat. Er ist betrunken und spricht ja eigentlich auch eher mit sich selbst. Deshalb ist da nicht eine völlige Stringenz drin.

Vermutlich sehen wir am Ende, wie sie ihn tatsächlich zwingen, als er da mit dem Revolver kommt: Das kommt nicht aus ihm, sondern das sind diese Stimmen. Das ist an sich fpr mich absolut überzeugend. Aber braucht es diesen Hinweis hier unbedingt?
Ich hatte das erst draußen, dachte dann aber schon, dass es sonst nicht so richtig klar wird, warum er denn jetzt Van Leeven erschießt. Ich überlege mir da noch mal, werde es aber vermutlich drin lassen.

"Jesuit" ist zwiespältig. Jesuiten haben nicht zu jeder Zeit den Ruf, besonders prinzipientreu oder moralisch zu sein. "Jesuit" könnte (damals) auch ein Schipfwort sein mit der Bedeutung Opportunist, oberflächlich frömmelnder Intrigant oder dergleichen. Es besteht eine gewisse (geringe?) Gefahr, das einen Moment lang misszuverstehen.
Das wusste ich nicht. Aber dann passt es ja umso besser. Denn der Junge handelt ja eben nicht moralisch einwandfrei, sondern ist ja auch schon seit einiger Zeit mit Van Leeven unterwegs.

Euch allen vielen Dank für eure Kommentare und ein schönes Wochenende!
Habentus

 

Ich wollte hier andeuten, dass das Ganze auch dem harten Van Leeven nahe geht.
Ja, das ist in Ordnung, ich meinte nur die Ausdrucksweise: 'vergehen' und 'in dieser Welt".
Wenn er sagen würde: "So gehst du hier bald unter, Junge" oder so was, wäre das eher die Art, wie er sonst spricht.

Tja, das wurde schon mal angemerkt. Vielleicht wollte ich damit eine Veränderung andeuten? Weil die Tage vorher ja die Schlacht getobt hat und diese nun zu Ende geht.
Ja, hier geht es nur um das Wort 'auch'. Entweder weg oder an anderer Position?
-> Das Donnern der Kanonen ertönte nun auch seltener und irgendwann verstummte es.

 

Hallo @Habentus,

hab ich gerne gelesen, deinen Text. Hat sich für mich auch gleich ein bisschen ... heimisch angefühlt, ein bisschen wie die die Welt, die ich mir selbst beim Schreiben manchmal zusammenspinne - eine, die sich nicht genau verorten lässt, wo, zu welcher Zeit spielt das? Egal.

Mir gefällt die Atmosphäre, die du durch die Beschreibung der Szenerie erzeugst, hier zum Beispiel:

Der Regen hatte aufgehört und am Horizont blitzte Wetterleuchten, das die aufgetürmten Wolkenberge und die Felder in blaues Licht tauchte. Eine leichte Brise strich über die Gräser und Sträucher und der Junge hörte ein ständiges Flüstern.

Das ist nicht das erste Wetterleuchten, sind nicht die ersten Wolkenberge, von denen ich lese, aber irgendwie funktioniert das bei mir immer wieder. Da schadet es natürlich auch nicht, dass deine Schreibe so schön fließt, gibt wenig, woran ich hängen geblieben bin. Hier nur ein paar Kleinigkeiten:

Mit einem Mal überfiel ihn ein Gestank mit einer solchen Wucht,

ein, ein, ein, das zweite würde ich weglassen und stattdessen ein "der" draus machen, also "der Gestank"

Sie haben es zu mir gesagt.

Finde ich ein bisschen ungelenk, die Formulierung, da gäbe es bestimmt eine schönere Alternative.

Ohne den Blick von seinem Revolver abzuwenden, mit dem der Junge auf ihn zielte, spuckte er ins Wasser.

von seinem Revolver, mit dem der Junge auf ihn zielte ... Also van Leevens Revolver? Das habe ich vielleicht überlesen. Dann habe ich es vielleicht aber auch deshalb überlesen, weil es keine große Rolle spielt, wem der Revolver gehört, also entweder würde ich das dann ausarbeiten - Oh mein Gott, er killt mich mit meinem eigenen Revolver! -, oder es weglassen und eben schreiben: Ohne den Blick von DEM Revolver abzuwenden.

Er wartete darauf, dass Van Leeven wieder aufstehen, zu ihm herüberkommen und seine großen Hände um seinen Hals legen würde.

würde ein seine weglassen, "und ihm seine großen Hände um den Hals legen würde" zum Beispiel

Van Leeven lag in einer Pfütze Blut und Fliegen krabbelten auf seinem nackten Rücken herum.

Das habe ich mal exemplarisch rausgezogen. Ich habe da gelesen: Van Leeven lag in einer Pfütze Blut und Fliegen. Und dann halt bemerkt, dass das nicht aufgeht. Kann man machen und ich kann mir gut vorstellen, dass ich das selbst genauso gemacht hätte, so ein "und" ist nämlich manchmal ein viel schönerer Bogenschlag, eine viel schönere Brücke als ein Komma oder gar ein Punkt, wenn man es fließen lassen will. Aber: Ich hatte bei deinem Text öfter mal den Eindruck, dass der Autor diesen schönen Brücken sehr gerne hat. Einen Minitick zu gern vielleicht. Nicht, weil es nicht funktioniert, nicht gut klingt, eher, weil es durch die Häufigkeit halt zu einem eindeutigen Stilmittel des Autors wird - und den Autor will ich ja eigentlich gar nicht vor Augen haben, wenn ich mich da mit den Protagonisten durch das Schlachtfeld kämpfe. Aber, das sag ich lieber noch mal dazu, vielleicht wäre mir das an einem anderen Tag nicht aufgefallen, vielleicht fällt es von tausend Lesern auch nur mir auf, weil ich da selbst beim Schreiben besonders drauf achte, deshalb überprüf das unbedingt noch mal für dich selbst, statt jetzt irgendwelche unds zu streichen.

Ja. Inhaltlich überlege ich noch, ob mir vielleicht mehr Insight gefallen hätte, mehr Blick in den Kopf des Jungen, ein bisschen mehr Nähe. Da gibt es ja die Szene, als der Tote/die Toten zu ihm sprechen ... Die ist dann aber auch superschnell wieder vorbei. Sie wird dann wieder aufgegriffen im Gespräch mit van Leeven, da erzählt er, was ihm widerfahren ist, aber nur kurz, klar, macht auch Sinn, van Leeven ist nicht der Kerl, bei dem man zu ausschweifend wird, der sagt ihm ja quasi auch: Halts Maul, dein Gelaber interessiert mich nicht. Na und dann verschwindet der Junge und es kommt zum Showdown. Aber dazwischen ... Irgendwo dazwischen geht ja die eigentlich spannende Wandlung vonstatten, der "Junge" steht seinen "Mann". Du hast dich dazu entschieden, das auf die Weise zu zeigen, die ich jetzt lesen kann, am Ende sieht er ihm sogar noch in die Augen ... zögert nur kurz ... ist also wirklich sehr entschlossen, obwohl er ja eigentlich eingeschüchtert war von dem Typ.
Jetzt überlege ich, was mir hier fehlt, denn ja, mir fehlt etwas ... Vielleicht war der Junge vor seiner Wandlung zu blass, als dass sie mich jetzt sonderlich beeindruckt? Vielleicht hätte ich mir gewünscht, dass im entscheidenden Moment nicht weggeschwenkt wird, dass ich wirklich spüren kann, wie er in diesem Moment reift, also nicht nur sehe a) Angsthase - Cut - b) entschlossener Typ? Vielleicht hätte van Leeven noch ein kleiner Pinselstrich gutgetan, ein bisschen mehr Komplexität, wenn er nicht nur der grobe Kerl wäre sondern man ahnt, dass die Situation auch ihn belastet ... Nur Überlegungen meinerseits, sehr vage, ich kaufe aber auch deine Version.

Denn wie schon erwähnt habe ich den Text sehr gerne gelesen, deshalb vielen Dank dafür!

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

„Du willst ein Mann sein?“, fragte er. „Echte Männer tun, was man ihnen sagt.“
Ha, das hab ich schon gern, Befehlsempfänger und räudige Hunde zum Ideal des Bildes vom Manne zu erheben!,

lieber oder doch besser, böser @Habentus,

les gerad’ mal wieder über den Dreißigjährigen Krieg, der ja für Mitteleuropa eine ähnliche Wirkung entfaltete wie lange zuvor der Hundertjährige Krieg westlich des Rheines und wie dieser setzte er sich eigentlich aus mehreren Kriegen zusammen mit Ruhephasen und dann wieder Marodeuren, dass ich getrost den Zeitraum 1914 bis ‘45 … naja, Du ahnst es …

Das eigentlich interessante ist nach der männlichen Sicht vom (Simpl), pardon Grimmelshausen bis Golo Mann nun mal Ricarda Huch herhalten muss, also das erste Mal, dass eine Frau das Wort führt. Mal schauen, wie sich die weibliche Geschichtsschreibung (in einem doppelten Sinne) von der der Knaben unterscheidet.

Warum erzähl ich das?

Weil mir so leicht fällt, den „Freimann“ als Vorgänger dieses neuen Gemetzels einzuordnen.

Nun, vllt. schon alles gesagt und doch find ich noch ein gehöriges Schlachtfeld der Zeichen vor -
in der Reihenfolge des Auftritts:

Nur für einen winzigen Moment wagte er, es zu betrachten.
Komma weg – es zerschlägt das komplexe zwostellige Prädikat „zu betrachten wagen“

(leuchtet vllt. einfacher bei einem bisschen Möbelrücken ein, wenn Satzsubjekt und -objekt die Stellung wechseln:
Es zu betrachten wagte er nur für einen winzigen Moment.)

Gegen Nachmittag entkorkte er eine Flasche und nahm einen tiefen Schluck. Als er sie dem Jungen hinhielt, schüttelte der mit dem Kopf.
Warum so umständlich, wenn er schlicht „den Kopf schüttelte“?
Ohne gings ja gar nicht - aber erwähnenswert wäre vllt., wenn er mit den Ohren wackelte ...

„Trink“, sagte Van Leeven, …
klingt doch auch wieder nach mehr als einer bloßen Aussage! Oder?!

Hier

„Bitte“, sagte der Junge leise.
schreit es schon geradezu nach „!“

„Nach Einbruch der Dunkelheit brechen wir auf. Weck mich, wenn es soweit ist.“
Was sucht dort die Konjunktion „soweit“?, wo eine unbestimmte Distanz „so fern“ und/oder „so weit“ gemeint ist, soweit ich weiß.

Aber es folgt ein kleiner Supergau der schreibenden Zunft, wenn das und dass verwechselt werden - und keiner merkts

Vereinzelt sahen sie tote Pferde und einmal ein ganzes Gespann, das[...] vom Weg abgekommen sein musste.

Das Gewese
Das größte Feld, auf dem er je gewesen waren.
ist an sich entbehrlich

Einige wirkten im Licht der Laterne, als würden sie schlafen.
Nix falsch, aber trau Dich, den Konjunktiv ohne würde-Konstruktion zu verwenden, denn dass da der Konj. II stat des Prät, steht, verrät dem aufmerksamen Leser schon das „als“ mit dem verschwiegenen „ob“!

Hier stritten zwei Varianten um den Sieg

Neben sich konnte er hörte, wie Van Leeven sich an Körpern zu schaffen machte.
Um was zu hören muss man schon was hören können ...

Es war spät, doch der Junge zwang sich, wachzubleiben.
Komma weg!, s. o., kompl. Prädikat „wach bleiben sich zwingen“

Kann man Gemetzel "gern" lesen?
Sagen wir mal so: Nicht ungern gelesen vom

Friedel
(der zwar den Frieden scheinbar vor der Endung trägt, tatsächlich aber hat der fridel der hochmittelalterlichen Dichtkunst eine ganz andere Bedeutung, die Du bei dem von der Vogelweide "unter den linden" entschlüsseln kannst ...

 

Hallo @Bas und @Friedrichard es tut mir furchtbar leid, dass ich bisher noch nicht auf eure Kommentare geantwortet habe. Bei mir brennt gelinde gesagt gerade die Hütte, weshalb ich leider bisher noch nicht dazu gekommen bin, euch zu antworten. Das hole ich aber auf jeden Fall nach, sobald ich die Zeit habe!

Danke euch auf jeden Fall für Zeit und Kommentar!

Viele Grüße
Habentus

 

Hallo Habentus,

ich sehe bei Deinem Text ein Problem mit dem Inhalt bzw. mit dem Plot der Geschichte. Vom Szenario her überzeugt mich das Ganze, es beschreibt die erbarmungslose Realität im Umfeld des Krieges, die Entmenschlichung, den Zivilisationsverlust. Das finde ich gut getroffen. Was aber nicht funktioniert ist der Plot:

Eine Gruppe von Leichenfledderern zieht den Schlachten hinterher und plündert die toten Soldaten. Ihr Anführer ist van Leeven und mit dabei ist ein Junge. Zwischen dem Jungen und van Leeven kommt es zu einem Konflikt.

Doch da genau ist das Problem des Textes, finde ich. Der Junge hat den Eindruck, dass einer der Toten mit ihm spricht. Das ist in solch einer Extremsituation nachvollziehbar. Der Junge scheint nun nach dem Gespräch mit dem Toten inhaltlich für die Sichtweise zu stehen, dass die Leichenfledderei ein barbarischer Akt ist und die Toten etwas Besseres verdienen, als von van Leeven und seinen Leuten ausgeplündert zu werden. Der Junge fordert die Rückgabe eines Medaillons, dass van Leeven einem der Toten abgenommen hat.

Doch dieser Konflikt wirkt merkwürdig konstruiert, wie eine typische Autorenphantasie, die versucht ein ethisches Dilemma in ein Bild zu verpacken. Der Knackpunkt dabei ist meiner Ansicht nach die Unpersönlichkeit des Konflikts. Der Junge handelt wie ideologiegetrieben. Er hat die »Eingebung«, also das Gespräch mit dem Toten, dass Leichenfleddern unrecht ist und wird anschließend zum Vollstrecker der Gerechtigkeit, indem er den Schurken niederschießt.

Aber das wirkt an den Haaren herbeigezogen. Es wäre viel glaubhafter, wenn der Protagonist aus direkt menschlich nachvollziehbaren Gründen handeln würde, z.B. weil er starke Emotionen wie Angst, Ekel, Hass oder Mitgefühl empfindet. Aber diese Hilfskonstruktion mit dem Totengespräch verpasst die Chance auf eine realistische Motivation und degradiert den Jungen zu einem Irren, der auf Lebende losgeht, weil es ihm die Toten eingflüstert haben.

Ich glaube, wenn Du an dieser Schraube drehst, würde eine viel glaubwürdigere Geschichte dabei herauskommen.

Gruß Achillus

 

Hallo @Bas, @Friedrichard und @Achillus

nach einer gefühlten Ewigkeit gebe ich ein Lebenszeichen von mir. Vorher war es mir nicht möglich. Nun will ich zunächst einmal auf eure Kommentare eingehen. Nachdem ich erst mal den Text lesen und mich wieder gedanklich hereinbegeben musste, haha. It´s been a while.
Also der Reihe nach:

Hallo @Bas und danke dir für deinen Kommentar!

Also van Leevens Revolver? Das habe ich vielleicht überlesen.
Yes, genau. Ich dachte mir, dass es einfach passt, dass Van Leeven einen Revolver hat. Dass ich das also nicht extra erklären muss. Aber vielleicht muss ich mir das auch noch mal überlegen.

Mir gefällt die Atmosphäre, die du durch die Beschreibung der Szenerie erzeugst
Danke! Ich muss sagen, dass ich nach erneutem Lesen sehr unzufrieden mit dem jetzigen Zustand des Textes bin :/ @Achillus hat ja ein paar Punkte angemerkt, die sich mir mittlerweile völlig offenbaren. Ich gehe demnächst mal gesondert auf diesen Kommentar ein.
Der Plot trägt nicht. Mehr noch, er wirkt aufgezwungen, so, als ob ich den drübergestülpt hätte, um eine blumige Sprache aufzuziehen. Und ja, so war es wahrscheinlich auch. Aber das ist vielleicht die falsche Reihenfolge und sicherlich der Punkt, an dem der Text scheitert.
Was ich aber sagen muss, ist, dass mir dir die Atmosphäre an 1-2 Stellen selbst gut gefällt. Dein Kommentar gibt mir dahingehend Sicherheit. Danke dafür!

Einen Minitick zu gern vielleicht. Nicht, weil es nicht funktioniert, nicht gut klingt, eher, weil es durch die Häufigkeit halt zu einem eindeutigen Stilmittel des Autors wird - und den Autor will ich ja eigentlich gar nicht vor Augen haben, wenn ich mich da mit den Protagonisten durch das Schlachtfeld kämpfe.
Ja, ich sehe, was du meinst. Ich habe diese Stelle geändert und werde auch noch mal durch den ganzen Text gehen und ggf. entzerren.

Da gibt es ja die Szene, als der Tote/die Toten zu ihm sprechen ... Die ist dann aber auch superschnell wieder vorbei.
Ehrlich gesagt fand ich eben diese Stelle gut. Weil es so plötzlich kommt, weil es rätselhaft bleibt, was die den jetzt von dem Jungen wollen und überhaupt, ob das geschieht oder eben einfach eine Folge der traumatischen Erfahrungen des Jungen sind. Ich wollte das nicht auswalzen und dem so diese Rätselhaftigkeit nehmen. Es kann aber natürlich genauso gut sein, dass das alles vorgeschobene Gründe sind und ich mich einfach nicht der Aufgabe stellen wollte, das vernünftig in Text zu gießen, haha. Ich überlege mir das noch mal.

Halts Maul, dein Gelaber interessiert mich nicht.
Mmh, das will er ja eigentlich nicht sagen. Er nimmt das Gerede von dem Jungen zunächst nicht ernst, dann aber schon und leitet für sich ja einfach Schwäche ab. Deswegen scheucht er den Jungen ja dann auch weg. Aber es interessiert ihn dahingehend schon und er nimmt das Gesagte ja schon auch ein Stück weit ernst.

Irgendwo dazwischen geht ja die eigentlich spannende Wandlung vonstatten, der "Junge" steht seinen "Mann
Mmh, das tut er ja im Grunde nicht. Er ist (seiner Denke nach) ja gezwungen zu tun, was er tut. Nicht weil er das anstrebt oder eben besonders hart ist. Dass er dann eine gewisse Kaltblütiglkeit entwickelt, ist eher eine Folge vom inneren Zwang. Aber ja, es kommt nicht genug raus. Mmh, ich überlege mir das mal.

Vielleicht war der Junge vor seiner Wandlung zu blass, als dass sie mich jetzt sonderlich beeindruckt?
Das auf jeden Fall. Denke, dass der Text daran krankt, dass der Junge zu blass und der Plot zu undurchsichtig und nicht konsequent genug bleiben.

Vielleicht hätte van Leeven noch ein kleiner Pinselstrich gutgetan, ein bisschen mehr Komplexität
Ja, sicherlich. Ich denke, dass ich da irgendwie nicht den richtigen Abschluss beim Schreiben gefunden habe. Der Text war einfach nicht richtig fertig (Plot und Charaktere) und ich hab den reingestellt, weil ich dachte, dass 1-2 Formulierungen, die mir gefallen habe, ausreichen.

Denn wie schon erwähnt habe ich den Text sehr gerne gelesen, deshalb vielen Dank dafür!
Danke dir!
Wie gesagt sind mir die Schwächen des Textes durch eure Anmerkungen deutlicher geworden. Ich möchte ihn aber nicht als völlig verloren sehen, da mir die Grundstimmung und Van Leeven (ausbaufähig, ich weiß) eigentlich ganz gut gefallen haben. Daher werd ich mir mal überlegen, wie ich das Ding retten oder zumindest so stark umbauen kann, dass es einigermaßen funktioniert.


Hallo @Friedrichard, auch dir danke für deine sehr schön zu lesenden Hinweise auf sprachliche Fehler! Es sind Dinge, die mir beim eigenen Lesen und Schreiben wohl nie auffallen würden. Wenn du sie aber hervorzerrst, schreit es einen ja manchmal an. Also danke dafür!

Weil mir so leicht fällt, den „Freimann“ als Vorgänger dieses neuen Gemetzels einzuordnen.
Ja, das meinten andere auch. Die Stimmung ist ja auch eine ähnliche, aber eigentlich ist der Text unabhängig. Ich denke aber, dass der Freimann irgendwann noch mal auftauchen wird.

Aber es folgt ein kleiner Supergau der schreibenden Zunft, wenn das und dass verwechselt werden - und keiner merkts
Haha, ich ändere es!

Danke euch beiden! @Achillus, ich werde mich deines Kommentars zeitnah annehmen!
Viele Grüße
Habentus

 

Hallo @Achillus nun also auch eine Antwort auf deinen Kommentar! Verzeih die lange Wartezeit. Vermutlich hast du den Text auch nicht mehr präsent. Ich gehe dennoch gern auf deinen Kommentar ein.

Doch dieser Konflikt wirkt merkwürdig konstruiert, wie eine typische Autorenphantasie, die versucht ein ethisches Dilemma in ein Bild zu verpacken. Der Knackpunkt dabei ist meiner Ansicht nach die Unpersönlichkeit des Konflikts.
Ja, das sehe ich mittlerweile auch so. Das Problem des Textes ist der Aufbau des Konflikts. Er funktioniert nicht, packt nicht emotional und ist vermutlich (ebenso wie die Charaktere) nicht ausgearbeitet genug. Aber trotzdem muss ich dir hier zumindest teilweise widersprechen.
Dazu:
Der Junge handelt wie ideologiegetrieben. Er hat die »Eingebung«, also das Gespräch mit dem Toten, dass Leichenfleddern unrecht ist und wird anschließend zum Vollstrecker der Gerechtigkeit, indem er den Schurken niederschießt.
Es ist wohl eine Schwäche des Textes, dass das der Eindruck ist, der bei dir entsteht. Also, dass der Junge ideologiegetrieben handelt. Ganz so plump wollte ich das eigentlich nicht aufziehen. Tatsächlich ging es mir eigentlich darum, zumindest offenzulassen, ob der Junge (aufgrund der Ereignisse) schlicht durchdreht und sich die ganze Sache einbildet, oder ob es tatsächlich etwas Übernatürliches gibt, dass tatsächlich sagt: Moment mal Leute. Das ist aber nicht euer Medaillon. Gib das mal besser zurück, sonst müssen wir eure Seelen fressen ...
Ich glaube, dass mir das einfach missglückt ist, diese beiden Stränge zusammenzuführen. Ursprünglich war der Text noch ein wenig länger und blumiger und hatte noch ein bisschen mehr diesen Grusel-Touch. Ich hatte das rausgenommen, weil ich das irgendwie unpassend fand. Vielleicht war das aber ein Fehler, wenn jetzt nur noch bleibt, dass der Junge wie ferngesteuert im Sinne einer übergeordneten Moral agiert. Denn eine Bewertung wollte ich mir eigentlich sparen.

z.B. weil er starke Emotionen wie Angst, Ekel, Hass oder Mitgefühl empfindet.
Auch hier dachte ich eigentlich, dass ich das aufzeige. Er empfindet ja zumindest an einer Stelle starken Ekel. Und seine Angst äußert er ja auch gegenüber van Leeven.

degradiert den Jungen zu einem Irren, der auf Lebende losgeht, weil es ihm die Toten eingflüstert haben.
Ja, war ja teilweise schon der Plan. Die Toten sprechen zu ihm und (unabhängig, ob imaginiert oder nicht) dadurch wird etwas in Gang gesetzt. Aber das haben andere ja auch angemerkt, dass das nicht gut funktioniert, weil die beiden Charaktere nicht ausgebaut genug sind und vor allem der Junge vermutlich zu distanziert bleibt.

Ich glaube, wenn Du an dieser Schraube drehst, würde eine viel glaubwürdigere Geschichte dabei herauskommen.
Ja, das muss ich mir mal überlegen, wie ich das schaffe. Eventuell muss ich mir überlegen, ob ich vielleicht dieses ganze Medaillon-Ding herausnehme, weil es zu plump daherkommt und den Schwerpunkt des Ganzen verändere.

Danke auf jeden Fall für deinen Kommentar. Ich kann da im Grunde allem Gesagten zustimmen!
Viele Grüße
Habentus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Habentus

Auch an dich ein herzliches Hallo von mir als Neuling!

Deine Geschichte hat einen starken Einstieg, der mich sofort anlockte:

Am Vormittag kühlte es ab. Auch das Donnern der Kanonen ertönte nun seltener und irgendwann verstummte es ganz.

Das verortete ich sofort im 1. Weltkrieg. Vermutlich aufgrund meiner Affinität zu diesem Thema. Es könnte aber natürlich auch kurz davor oder danach spielen. Letzlich spielt das keine Rolle, denn die Gewalt und Perversion war ja überall gleich.

Nach diesem tollen ersten Satz habe ich mich einfach mal in die Geschichte fallen lassen, und wurde nicht enttäuscht. Die Atmosphäre war sehr dicht und der Schreibstil kurzweilig. Beim ersten Lesen bin ich nicht rausgeworfen worden, und hab alles in einem Rutsch auf mich wirken lassen.

Beim zweiten Lesen sind mir dann doch ein paar Dinge aufgefallen.

Ich hatte in meinem letzten Kommentar geschrieben, dass der ursprüngliche Text auf deutlich mehr Seiten ausgelegt war.

Ich finde, das merkt man. Ist jetzt kein großer Kritikpunkt, die Geschichte funktioniert auf jeden Fall auch in der gekürzten Version. Trotzdem hatte ich dass Gefühl, das hier ein wenig Fleisch fehlt.

Dann begann er mit ihm zu sprechen. Und der Junge hörte zu.

„Ist was anderes als bei nem Schwein oder nem Hasen“, sagte Van Leeven und blickte ins Feuer.


Hier bespielsweise fehlen mir einige Szenen. Ich hätte gerne erfahren, wie der Junge mit dieser Situation umgeht. Damit meine ich nicht, dass man alles erklären muss. Im Gegenteil: Gerade weil nicht geklärt wird, ob er sich dass nur einbildet, verstärkt sich die unheimliche Stimmung.

Das Medaillon ist geblieben als Symbol dafür, dass der Junge mit dem, was sie tun und vor allem getan haben, zunehmend nicht klar kommt. Es ist ja nicht nur so, dass sie Leichen fleddern, sondern sogar so, dass Van Leeven ab und an sogar dabei irgendwelche Verletzten umbringt, um sich deren Hab und Gut zu krallen.

Ja, dass habe ich dann auch tatsächlich so verstanden. Ich würde auch das Medaillon nicht raus nehmen. Ob es einfach als Symbol bleibt, oder ob du phantastische Elemente rein bringst, ist Geschmackssache.

Für mich würde beides passen. Es kann ein ernstes AntiKriegs-Stück werden, oder ein Fantasywerk, dass eben in diesem Kriegszenario spielt. Vermischungen sind natürlich immer möglich. Sie können das ganze sogar auf ein ziemlich hohes Level hieven.

Peter Straub kennst du sicherlich. Der hat ja in seinen besten Geschichten auch das Trauma des Vietnam Kriegs mit phantastischen (Horror-)Elementen verbunden.

Aber egal in welche Richtung es gehen soll: Es muss mehr Material rein. Da stimme ich meinen Vorrednern teilweise zu. Der Text ist zu kurz für die Fülle an schweren Themen, die er verarbeitet. Trotzdem liest er sich beim ersten Mal sehr gut und hinterlässt eine bedrückende Stimmung. Aber es steckt halt Potential für etwas viel größeres drin.
Das zeigt sich zum Beispiel in solchen Abschnitten:

Nur für einen winzigen Moment wagte er es zu betrachten. Dann zwang er sich, zur Straße hinüberzusehen.

Eine leichte Brise strich über die Gräser und Sträucher und der Junge hörte ein ständiges Flüstern.

Und geh bloß nicht zu weit weg. Wir sind nicht die Einzigen, die hier rumschleichen.“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Feldes, auf dem ein halbes Dutzend kleiner Lichter herumirrte.


Das ist wirklich toll geschrieben. Die düstere Stimmung des Schlachtfeldes, und das ungute Gefühl, das etwas nicht stimmt, sind hier perfekt eingefangen.

Rechtschreibung und Grammatik waren sehr sauber. Wobei ich voraus schicken muss, dass ich diesbezüglich noch sehr unerfahren bin. Trotzdem habe ich beim zweiten Lesen noch ein paar Sachen gefunden, über die ich gestolpert bin:

Vor nicht mal einer Woche hätten sie sich versteckt halten müssen

Dann wirkt es besser, finde ich. Ansonsten hast du die Atmosphäre ja schon sehr schön verdichtet.

Der Junge stellte seine Laterne auf den Boden und ging in die Knie.

Viele Sujekt/Prädikat Wiederholungen. Vor allem explizit "Der Junge" am Satzanfang. Kann natürlich ein gewolltes Stilmittel sein. Aber irgendwann ist es mir aufgefallen, und dann hat es auch ein wenig die Stimmung gekillt.

Sein Mund war trocken und er konnte spüren, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug.

Die Suche nach dem unverbrauchten Ausdruck ist natürlich schwierig. Und das Rad neu erfinden geht ohnehin nicht. Trotzdem sind das zwei Wendungen, die zumindest ich schon ein paar Mal zu oft gelesen habe.

Seine Gestalt zeichnete sich gegen das Mondlicht ab und erschien dem Jungen wie die eines Giganten.

Finde ich ein bisschen ungelenk. Vielleicht: Seine Gestalt zeichnete sich gegen das Mondlicht ab und erschien ihm wie ein Gigant. Oder den Nebensatz vielleicht ganz weglassen.

Das war es auch schon. Ich werde bestimmt noch mehr von dir lesen und kommentieren. Für düstere Stoffe bin ich immer zu haben, egal ob phantastisch oder realistisch verortet.

Liebe Grüße

 

Hallo @Rainbow Runner und danke auch dir für deinen Kommentar! Entschuldige auch eine etwas verspätete Rückmeldung.

Das verortete ich sofort im 1. Weltkrieg. Vermutlich aufgrund meiner Affinität zu diesem Thema. Es könnte aber natürlich auch kurz davor oder danach spielen. Letzlich spielt das keine Rolle, denn die Gewalt und Perversion war ja überall gleich.
Tatsächlich habe ich noch an eine andere Zeit gedacht. Ich hatte den amerikanischen Bürgerkrieg vor Augen. Aber ja, schlussendlich spielt es keine Rolle.

Ich hätte gerne erfahren, wie der Junge mit dieser Situation umgeht.
Ja, das haben auch andere schon angemerkt und ich bin am Überlegen, was ich damit mache. Grundsätzlich finde ich mittlerweile, dass der ganze Aufbau der Geschichte nicht so richtig trägt. Freut mich zwar, dass du sagst, dass du das mit dem Amulett einigermaßen passend fandest, aber ich denke, dass das zu plump und aufgesetzt wirkt. Daher bin ich am Überlegen, die ganze Geschichte vielleicht noch mal komplett umzubauen. Da wäre dann die Frage, inwieweit sich auch die Rolle des Jungen verändert und wie ich es schaffe, dem Ganzen (wie du sagst) mehr Fleisch verpasse.

Das ist wirklich toll geschrieben. Die düstere Stimmung des Schlachtfeldes, und das ungute Gefühl, das etwas nicht stimmt, sind hier perfekt eingefangen.
Das freut mich sehr, dass du das so empfindest! Danke

Die Suche nach dem unverbrauchten Ausdruck ist natürlich schwierig. Und das Rad neu erfinden geht ohnehin nicht. Trotzdem sind das zwei Wendungen, die zumindest ich schon ein paar Mal zu oft gelesen habe.
Ja, das sehe ich ein. Ich werd mir da was zu überlegen und das wohl rausnehmen. Danke für den Hinweis. Ich habe sowieso oft das Problem, dass ich sozusagen textblind werde und mir dann so etwas selbst gar nicht so wirklich auffällt. Jetzt, wo du es sagst, ist es aber recht deutlich.

Finde ich ein bisschen ungelenk. Vielleicht: Seine Gestalt zeichnete sich gegen das Mondlicht ab und erschien ihm wie ein Gigant. Oder den Nebensatz vielleicht ganz weglassen.
Hier muss ich allerdings widersprechen. Ich fand die Formulierung so eigentlich ganz passend :) aber das ist dann vielleicht auch eine Geschmackssache.

Auf jeden Fall danke für deinen Kommentar!
Bin außerdem gespannt, was du hier bald einstellst!
Viele Grüße
Habentus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom