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Sterben verboten

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03.07.2017
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Sterben verboten

Bürgermeisterin Hilde stemmte die Arme auf das Rednerpult. Die Schultern des Jacketts standen hoch und an den Handgelenken kam die weiße Bluse zum Vorschein. Ihr Blick glitt über die Reihen, die gefüllt waren mit den wichtigsten Bürgern von Eilandsruh, und nach und nach ließ dieser Blick alle verstummen. Erst dann kam die Bürgermeisterin auf den eigentlichen Grund dieser Versammlung zu sprechen.
„Der Friedhof ist voll“, sagte sie und wartete.
Ewald, der Schreiner, kaute hektisch auf einem Stück Holz, hielt sich die Wange, als sich ein Splitter ins Fleisch schob. Rabenkrächzen drang durch den Raum, als Irmel auf ihrem Stuhl umherrutschte und ihr Begleiter Schwierigkeiten bekam, sich auf der Schulter zu halten.
Dann fasste sich die Schmiedin Else ein Herz. Sie stand auf, stemmte die Hände in die Seite. „Was soll das heißen? Wie kann ein Friedhof voll sein?“
Zustimmendes Gemurmel erklang und Hilde nickte. Sie winkte den Friedhofswärter heran, räumte den Platz am Pult. „Wärst du so nett, den anderen zu berichten, was du heute erlebt hast?“
Der Mann blinzelte, fuhr sich durch die fettigen Haare. „Ich wollte das Grab ausheben, ihr wisst schon, für den Karl, den armen, ganz schön breit und lang war der, da muss auch das Grab breit und lang sein. Ich schaufele also und schaufele und denke nicht viel, das muss man ja auch eigentlich nicht dabei, und als ich mich aufrichte und Licht in das Loch fällt, da schaut sie mich an.“ Erde rieselte auf das Pult, als der Wärter seine Hände knetete.
Ewald spuckte das Holzstück auf den Boden und rief: „Wer?“
„Na, die Mechthild.“
„Welche Mechthild?“, fragte Irmel. Der Rabe verlieh der Frage seiner Herrin mit einem Aufflattern Nachdruck.
„Etwa die Metzenhausen Mechthild?“ Else stand schon wieder, hatte die Daumen in die Träger ihrer Lederschürze gehakt. „Die ist seit über fünfzehn Jahren tot!“
Der Wärter starrte auf das Pult, schob den Dreck zu einem Häufchen zusammen. „Doch, doch, sie wars. Vielleicht etwas schlanker als früher, aber sonst noch recht ansehnlich.“
„Aber wie kann das sein?“
Er schaute zu Hilde und trat zurück in den Schatten, wo man ihn in seiner dunklen Kleidung kaum noch erkannte. Die Bürgermeisterin wandte sich an die Dorfgemeinschaft. „Der Boden ist wohl zu feucht, konserviert anstatt zu zersetzen.“
„Das heißt, unsere Lieben liegen alle unter der Erde und sehen aus, als wären sie erst gestern begraben worden?“ Ewald rotzte auf den Boden, diesmal ohne Holz.
„Das ist anzunehmen. Wendel hat noch weitere alte Gräber überprüft und leider sind sie alle noch belegt. Wir haben also keinen Platz für neue Leichen.“
Else stapfte aufgebracht hin und her, schnaufte wie der Blasebalg, mit dem sie ihren Ofen anfeuerte. Ewald brach ein Stück aus der Stuhllehne und haute einen Eckzahn in das Holz. Der Rabe flog quer durch den Raum, Irmel stolperte wimmernd hinterher.
Hilde klopfte mit der flachen Hand mehrmals auf das Pult. „Jetzt beruhigt euch!“
Als alle wieder auf ihren Plätzen saßen, fragte Else: „Was bedeutet das nun? Können wir den Friedhof vergrößern?“
„Darüber habe ich mir bereits den Kopf zerbrochen. Im Norden macht es der Permafrost unmöglich, den Boden zu bearbeiten. Im Osten liegt das Moor, da hätten wir ähnliche Probleme wie jetzt schon und uns kämen die Toten in ein paar Jahren wieder hoch. Südlich stehen die ersten Häuser des Dorfes direkt am Zaun des Friedhofs.“
„Was ist mit dem Wald im Westen? Holzen wir den ab!“, rief Ewald.
Hilde schüttelte den Kopf. „Naturschutzgebiet.“
Ewald grummelte etwas Unverständliches in seinen Rauschebart und klopfte sich mit dem Holz gegen die Zähne. „Dann verbrennen wir sie. Die Leichen.“
Irmel schrie auf, sackte zusammen und rutschte vom Stuhl. Else hockte sich neben sie und fächerte ihr Luft zu. „Ewald, du bist sensibel wie ein Stück Holz. Du weißt, dass wir hier so etwas nicht tun.“
„Es sollen ja nur Tote verbrannt werden. Da muss sich die Frau Hexe nicht direkt ins Höschen machen.“
„Du alter ...“
„Hört auf damit!“, sagte Hilde. „Ich habe bereits eine Lösung.“
Alle schwiegen und schauten erwartungsvoll zu der Bürgermeisterin, sogar der Rabe hopste ein Stück näher.
„Sterben ist ab sofort verboten.“
Ewald verschränkte die Arme, lehnte sich zurück. „Und das kannst du einfach so bestimmen?“
„Ich mache hier die Gesetze, also ja.“
„Find ich beschissen.“ Die raue Stimme kam aus der letzten Reihe, und alle drehten sich um, denn von dort kam sonst nie etwas. Burk, der Mörder des Dorfes, hatte sich auf seinem Stuhl nach vorne gelehnt, die Ellbogen lagen auf den Oberschenkeln und er betrachtete den Boden, als hätte er mit all dem nichts zu tun.
Else schaute zu Hilde und verzog den Mund. „Stimmt, für Burk ist das wirklich blöd, er hat dann gar nichts mehr zu tun.“
Irmel war wieder bei sich, saß aber sicherheitshalber noch auf dem Boden. „Und was ist mit meinem Gift? Das kauft dann auch keiner mehr“, sagte sie und richtete ihren Dutt.
Hilde fuhr sich durch die Haare. „Ja, einige müssen umschulen. Dafür finde ich eine Lösung, gebt mir ein paar Tage Zeit.“ Sie ignorierte Burks abwertendes Schnaufen. „Mein Entschluss steht fest. In Eilandsruh wird nicht mehr gestorben.“

Im Dorf war es dunkel und still. Der Kerzenschein, der sich durch die Schlitze der Fensterläden drängte, reichte nicht aus, um den Weg zu erleuchten. Aber Burks Augen waren gut, auch in der Nacht, das machte ihn so erfolgreich.
In dem kleinen Vorgarten roch es nach Rosmarin und Lavendel. Burk pochte gegen die Holztür. Es dauerte einen Moment, dann öffnete Irmel. Ihre Augen waren groß. Es befanden sich mehr Haare außerhalb ihres Dutts als darin. Dieses zerstreute Weib wusste nichts mit ihren Kräften anzufangen.
„Kann ich rein?“, fragte er.
Irmel zuckte zusammen. „Sicher. Natürlich.“
Im Kamin glommen die Reste eines Feuers. Auf dem Tisch stand ein Stövchen mit einer Kanne, daneben eine Tasse.
„Möchtest du auch etwas? Basilikumtee.“
Burk hob eine Augenbraue.
„Der ist gut für die Nerven.“
„Nee, danke, ich bin gleich wieder weg.“ Burk setzte sich. Irmel nahm ihm gegenüber Platz und legte ihre Hände um die Tasse.
„Da hat uns die Hilde ja ’nen ganz schönen Mist beschert“, sagte Burk.
„Ich glaube, ich muss das erstmal verarbeiten. Wie soll es jetzt weitergehen? Was hat das zu bedeuten? Ich kann mir noch gar nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Ich ...“ Irmel fuhr sich durchs Haar und eine weitere Strähne löste sich. Nachdem sie einen großen Schluck ihres Tees getrunken hatte, seufzte sie schwer.
Burk sprang schnell ein, nicht dass die Frau sich noch ins Heulen redete. „Wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Wir haben auch Rechte. Man kann uns nicht einfach unsere Jobs kaputt machen.“
Die Augen der Hexe glänzten. „Wie meinst du das? Sie ist unsere Bürgermeisterin.“
„Eben, sie ist Bürgermeisterin und nicht die Alleinherrscherin.“
Irmel schüttelte den Kopf. „Aber was können wir schon tun?“
Beide Hände flach auf den Tisch gelegt lehnte sich Burk zu Irmel. „Wir müssen uns zusammenschließen. Wir sagen unsere Meinung! Und zur Not sorgen wir dafür, dass ein neuer Bürgermeister gewählt wird!“
Die Hexe drückte ihren Rücken durch. „Nein! Wie kannst du so etwas sagen? Wir mögen Hilde.“
„Irmel, das hat doch nichts mit Mögen oder Nicht-Mögen zu tun! Es geht um die Gemeinschaft, und was das Beste für sie ist.“
„Nein. Nein, das finde ich nicht gut.“ Ihr Kopf wackelte hin und her. „Ich werde schon über die Runden kommen. Meine Tränke und Heilsalben verkaufen sich auch, ich muss mich vielleicht etwas anders ausrichten, das wird schon gehen.“
Burk grunzte nur. Er hätte sich denken können, dass diese Memme von Hexe sich lieber zurückziehen würde, als zu kämpfen. Dann musste er eben selbst einen Weg finden. Als Einzelkämpfer war er sowieso am stärksten.

Bei Morgengrauen öffnete Burk die Eichentruhe vor seinem Bett und griff nach der Ledermappe. Darunter kam eine Armbrust zum Vorschein, aber die hatte er noch nie gemocht, zu unsicher, zu unpersönlich.
Auf dem Küchentisch rollte er die Mappe aus, in den meisten Steckfächern befanden sich Dolche, jeder hatte seine eigenen speziellen Fähigkeiten. Doch heute griff er zu der Ahle mit dem langen, dünnen Metallstift. Es schien ihm angebracht, ein Blutbad zu vermeiden.
Burk warf sich seinen Mantel über und machte sich auf den Weg in den Wald. Dort gab es einen Trampelpfad, die schnellste Verbindung zwischen Nord und Süd und der kürzeste Weg von Hildes Haus zu der Kaffeerösterei. Ohne Koffein konnte die Bürgermeisterin keinen Tag beginnen. Und auch nicht ohne einen Kuss der Rösterin. Burk seufzte. Sein Job wurde langweilig, wenn Leute so durchschaubar waren. Er setzte sich auf den Stamm eines umgestürzten Baums und wartete.
Als die Sonne den Nebel auf dem Waldboden vertrieben hatte, stand er auf und ging mit gerunzelter Stirn zurück ins Dorf. Dort kam ihm Hilde mit rosigen Wangen und einer Keramiktasse voller Kaffee entgegen.
„Guten Morgen, Burk! So früh schon unterwegs?“
Burk grummelte, ohne etwas zu sagen.
„Ist grad nicht einfach. Aber wir werden eine Lösung finden“, sagte Hilde und klopfte ihm auf die Schulter.
„Da bin ich mir sicher“, presste Burk hervor.
„Dann arbeite ich besser mal weiter.“
Mit federnden Schritten ging Hilde davon und Burk war froh, dass ihre volle Tasse sie davon abhielt, ihn durch Hüpfen noch mehr zu verhöhnen.

Der Stall roch noch immer nach Pferdemist, obwohl er schon seit Jahren nicht mehr genutzt wurde. Burk stand sich neben dem heruntergekommenen Bau die Beine in den Bauch. Er wusste, heute war Pokerabend und der fand immer bei Else in der Schmiede statt. Hilde trank dort einige Gläser Wein und stolperte danach an dem Stall vorbei nach Hause. Sie würde schon tot sein, bevor sie Burk bemerkte.
Er hörte unregelmäßige Schritte, ein Lallen. „Weisd du ...“
Burk erstarrte. War dort jemand bei ihr? Er sah Hilde näher torkeln, erst nur ihren Umriss. Dann konnte er im Mondschein erkennen, dass die Bürgermeisterin eine Diskussion mit ihrem ausgestreckten Zeigefinger führte.
„Weisd du, beim Poger spielt man nich’ seine Karden!“ Sie blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Man spielt seine Gegna!“ Sie nickte und stapfte weiter.
Burk wartete, bis sie an ihm vorbeigetorkelt war. Die Ahle lag sicher in seiner Hand. Die Stelle hinter dem Ohr musste er genau treffen, sonst wäre Hilde nachher nur irre oder gelähmt. Es sollte schnell gehen, er war kein Unmensch.
Außer ihnen war niemand zu sehen. Mit sicheren Schritten setzte er sich in Bewegung. Sein Fuß verfing sich, er knallte der Länge nach auf den Boden und mit einem Uff drang die Luft aus seiner Lunge.
Burk brauchte einige Sekunden, bis er sich aufsetzen konnte. Er rieb sich Arme und Kinn, aber am meisten schmerzte sein Stolz. Er war hingefallen. Während eines Attentats. Das hatte er noch nie erlebt.
Vielleicht hatte er die Bürgermeisterin und ihr Verbot unterschätzt. Wer weiß, welche Mächte aktiviert worden waren, um zu verhindern, dass jemand starb. Mächtige Mächte mussten das sein, wenn sie sogar einen Burk aufhalten konnten.
Neben seinen Füßen lag ein Ziegelstein, herausgebrochen aus diesem schäbigen Unterstand für Gäule, die längst zu Wurst verarbeitet worden waren. Er fluchte, raffte sich auf.
Hilde war in der Nacht verschwunden.

Burk grummelte auf dem Weg nach Hause. Die Holztür stieß er so fest auf, dass sie innen an die Wand knallte. Er ließ sie offen stehen, griff zur Ledermappe und nahm einen gebogenen Dolch heraus. Seine Knöchel stachen hervor, als sich die Finger um den verzierten Griff krallten. Blutbad hin oder her, jetzt ging er auf Nummer sicher.
Auf dem Weg zu Hildes Haus begegnete ihm niemand. Ihre Tür war nicht verschlossen, in Eilandsruh kannte man sich. Hildes Schnarchen drang vom Schlafzimmer bis zu ihm und Burk war angesichts der Lautstärke beeindruckt. Aber es war keine Zeit für Gefühlsduselei.
Im Schlafzimmer lag die Bürgermeisterin angezogen auf dem Bett, der linke Fuß stand noch auf dem Boden. Sie schlief tief und fest. Der Alkohol war des Mörders bester Gehilfe.
Burk stach ihr das Messer direkt ins Herz. Als hätte sie sich erschreckt, erwachte Hilde, zog scharf die Luft ein. Sie schaute ihn mit starren Augen an. „Idiot“, flüsterte sie und verlor das Bewusstsein. Unter ihr sickerte das Blut durch den Leinenstoff, tropfte auf den Boden.
Burk wischte die Klinge an der Bettdecke ab und setzte sich auf einen Hocker. Nach einer Weile prüfte er den Puls und fand keinen. Er grunzte. „Von wegen, sterben ist verboten.“
Als er vors Haus trat, dämmerte es bereits.
Ein paar Meter entfernt stand Else mit einem Sack Kohle auf dem Rücken. Sie starrte Burk an, starrte auf den Dolch in seiner Hand. Der Sack polterte auf den Boden und Else stapfte heran.
„Das kann nicht dein Ernst sein! Sag mir, dass es nicht das ist, wonach es aussieht.“ Sie wartete keine Antwort ab, sondern stürmte an ihm vorbei ins Haus. „Hilde?“
Burk zählte. Eins, zwo, drei ...
„Burk!“ Elses Stimme überschlug sich.
Der Mörder ging zurück ins Schlafzimmer. Else hatte mal wieder die Hände in die Seite gestemmt, eine Zornesfalte durchzog ihre Stirn, und wenn Burk ein paar Jahre jünger gewesen wäre, hätte er bestimmt Angst bekommen.
„Else, es ging nicht anders. Ihre Idee war einfach beschissen. Sterben verboten.“ Er lachte ohne Freude.
„Du reagierst über. Wie immer.“
„Ich tue wenigstens was, anstatt mich meinem Schicksal zu ergeben. Auch andere im Dorf waren unzufrieden.“
Else rieb sich das Gesicht, hinterließ Kohlenstaub an der Stirn. „Ja, die Lösung war mehr als unglücklich.“ Sie schaute auf Hilde. Eine schwarze Schweißperle kroch über Elses Schläfe. „Aber traurig ist es schon. Die arme Hilde.“
Die Bürgermeisterin zuckte.
Else fuhr zusammen. „Hilde?“
Ein Beben fuhr durch den Körper der Bürgermeisterin. Sie bäumte sich auf, krampfte sich zusammen und ein Knurren kroch aus ihrer Kehle.
Else ging einen Schritt zurück. „Was ist hier los?“
Burk starrte auf sein Opfer. Gänsehaut kroch ihm über den Rücken. Dieses verdammte Weib war tot gewesen. „Ich weiß es nicht.“
Schreie, vermischt mit gutturalen Lauten, drangen aus Hilde und ihr Kampf mit sich selbst wurde immer heftiger, der Kopf knallte gegen das Bettgestell, die Füße polterten gegen die Wand.
„Wir müssen ihr helfen!“, sagte Else und rührte sich keinen Zentimeter, sondern starrte weiter auf die Bürgermeisterin. Burk griff Elses Arm, zog sie aus dem Schlafzimmer und verschloss die Tür hinter sich.
„Burk! Was soll das? Wir können sie jetzt nicht alleine lassen. Sie braucht uns.“
„Bist du wahnsinnig?!“ Burk raufte sich die Haare. Ohne ihn würde dieses Dorf untergehen. „Sie verwandelt sich.“
„Verwandeln? In was?“
„Keine Ahnung. Aber ich vermute, es wird keine Fee, die ihren Glitzerstaub über uns verteilt.“
„Ich hole Hilfe“, sagte Else und lief hinaus.

Als Else wiederkam, klirrte eine Eisenkette mit Halsfessel an der Schulter, in der Hand schwang sie ihren Schmiedehammer. Bei ihr war Ewald mitsamt seiner Spaltaxt und er sah aus, als könne er sich kaum zurückhalten, sie irgendwo hineinzuschlagen.
Im Schlafzimmer war es ruhiger geworden. Statt der Schreie drangen nur noch ein Schnaufen und das Knarzen des Holzbodens nach draußen.
Ewald rotzte geräuschvoll auf den Boden. „Und was erwartet uns?“
„Es ist wahrscheinlich gefährlich und nicht gerade freundlich. Lasst euch nicht verwirren, falls das Vieh Ähnlichkeiten mit Hilde hat.“
Else schluckte und wog den Hammer in ihren Händen.
„Ich öffne die Tür“, sagte Burk. Die drei Dorfkrieger warteten mit erhobenen Waffen und angespannten Muskeln. Schritte. Ein Schatten glitt über die Dielen. Dann trat Hilde aus dem Schlafzimmer, lächelte und sagte: „Hallo zusammen, gibt’s was zu feiern oder warum tanzt ihr alle hier an?“
Ewald brüllte, riss die Axt hoch und warf sie, wie ein Zirkusartist seine Messer auf die Zielscheibe. Die Axt sirrte durch den Raum, drehte sich mehrmals um sich selbst und blieb dann mit der Schneide in Hildes Stirn stecken. Die schaute erstaunt und fiel stocksteif nach hinten, knallte auf den Boden. Die Axt vibrierte durch den Aufschlag, kippte aus der Wunde und landete klappernd auf den Dielen.
Der Schreiner schlug die Hände aneinander und war sichtlich zufrieden mit seiner Tat, als Else ihn anblaffte. „Du Irrer! Kannst du deine Axt nicht einmal bei dir behalten?“
„Was willst du von mir? Du sagtest, hier gibt’s ein Monster und ich habe es getötet.“
„Das war kein Monster, das war Hilde!“
Ewald setzte sich auf einen Stuhl und kratzte sich am Kopf. „Aber der Burk meinte doch ...“
„Der Burk hat anscheinend keine Ahnung“, sagte Else, und ihr Fuß trommelte auf den Boden, wie der eines nervösen Kaninchens.
Burk hob die Schultern. „Also damit konnte nun wirklich keiner rechnen. Außerdem hat sich das Problem eh gleich erledigt. Die zuckt schon wieder.“
Ein paar Minuten später sprang Hilde auf die Füße. Die Wunde an der Stirn war verschwunden. Sie schaute auf die Axt am Boden, sah das Blut auf ihrem Oberteil. „Habt ihr mich umgebracht?“
„Ich bin unschuldig“, sagte Else und wenigstens Ewald blickte beschämt zu Boden.
Burk schnaufte. „Hätten wir uns ja sparen können.“
Hilde stieß ihm mit dem Ellbogen in die Seite. „Ich habe doch gesagt, es wird nicht mehr gestorben.“ Die Bürgermeisterin streckte und dehnte sich. „Schaut mich nicht an wie der Ochs den Berg. Mir geht’s gut. Kein Kater, mein lädiertes Knie schmerzt das erste Mal seit Monaten nicht mehr, ich fühl mich wie neugeboren.“
Burk verschränkte die Arme. Morden war auch nicht mehr das, was es mal war.

Ein paar Tage hörte und sah man nichts von Eilandsruhs Mörder. Er sitze in seiner Hütte und denke nach, sagte man. Das beunruhigte viele mehr, als wenn er mit seinem Dolch durchs Dorf schlich.
Nach einer Woche entschlossen sich Hilde und Else, nach Burk zu schauen. Sie klopften an die Holztür.
Ihnen öffnete ein strahlender Burk. „Schön, dass ihr da seid. Kommt doch rein.“
Else und Hilde schauten sich an. Vorsichtig betraten sie die Hütte, blieben an der Tür stehen. Späne lagen auf dem Tisch und Boden, die Luft roch nach verbranntem Holz.
„Ihr kommt genau richtig! Ich bin gerade fertig.“ Er schnappte sich ein Holzschild, Hammer und Nägel. „Ich hab’s begriffen. Ich muss nicht umschulen, nur etwas neu ausrichten“, sagte er und stapfte an den beiden vorbei nach draußen.
„Soll ich Hilfe holen?“, flüsterte Else Hilde ins Ohr.
Die Bürgermeisterin schüttelte den Kopf. „Geben wir ihm noch einen Moment.“
Burk stand vor dem Haus und die Schläge seines Hammers hallten durch das Dorf. Der Lärm lockte immer mehr Bewohner an, und als er fertig war, hatte sich schon eine kleine Menschentraube gebildet.
Dann trat Burk zur Seite und jeder konnte die Beschriftung des Schildes lesen.

Burks Mordtherapie – Auferstehen leicht gemacht

Kopfschmerzen oder Krätze? Schwindel oder Syphilis?
Pickel oder Pocken?
Lassen Sie sich schnell und sauber von einem erfahrenen Mörder abmurksen.
Sie erwachen wie neugeboren!

 

Hallo NGK,

interessant ist deine Geschichte allemal. Ungewöhnlich, frisch. Aber dennoch hat sie mich nicht gepackt. Zum einen liegt es daran, dass ich die Geschichte nicht einordnen kann, ich verstehe das gefüge nicht, hier ist irgendwie alles und nichts möglich, das macht die ganze Sache etwas beliebig. ich denke, die Geschichte könnte punkten, wenn hier klarere Linien gezogen würden, zwischen ... mja, zwischen was eigentlich? Das phantastische Element und und das humoristische, die sind im Vordergrund, aber mir ist nicht klar, auch welchen Gesetzmäßigkeiten ersteres funktioniert. bei Fantasy ist das immer ein großes Dingen, das Magie-System verständlich rüberzubringen. Und ein bisschen so sehe ich das hier auch. ist schwammig, was geht und was nicht geht.
Naja und das ende ... Da bin ich kein Fan von, da konnte ich mich nicht des Eindruckes erwehren, als hätte ich soeben einen Witz gelesen. Zugegeben, eine sehr gut geschriebenen Witz. Denn das ist etwas, was ich an dem text loben möchte, er ist wirklich sehr sauber und gefällig geschrieben, da sind keine Stolperer drin, nichts, an dem ich hänge geblieben bin. (mal vom Inhalt abgesehen ;) )
Burk (allein schon der Name!) gefällt mir auch, aber auch hier ist mir das irgendwie nicht schlüssig - wie da ein Mörder in dem Dorf ... naja
Die namen der Bürgermeisterin und der Hexe hingegen fand ich nicht so gut gewählt, ich habe sie mal kurz verwechselt.
Joa, so viel von mir. Das viellicht noch:

Bürgermeisterin Hilde stemmte die Arme auf das Rednerpult.
Sie stand auf, stemmte die Hände in die Seite.
ist mir beides zu dicht aufeinander
„Es sollen ja nur Tote verbrannt werden. Da muss sich die Frau Hexe nicht direkt ins Höschen machen.
Die für mich lustigste Stelle

Einen wunderbaren Start ins neue Jahr wünsche ich dir :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind

mich haste erwischt: absurde Splatter-Mittelalter-Parodien lese ich am liebsten. Kreative Ausgangssituation, unterhaltsam geschrieben und liebevolle Charakterzeichnungen. Da stimmt fast alles. Nur das Ende ist mir bisschen zu harmlos. Insgesamt ein schönes Stück. Kleiner Kritikpunkt: Das mit den Untoten und die Zauberei glaube ich unbesehen - aber das hier ist echt Quark: „Der Boden ist wohl zu feucht, konserviert anstatt zu zersetzen.“ (!)

Schönen Gruß
Kellerkind

 

Endspurt! Da plätschern ja doch noch ein paar Kommentare ein. Wahnsinn was bei so einer Challenge alles zusammenkommt. So viel Arbeit und so viele Gedanken. :herz:

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Hallo @weltenläufer,

interessant ist deine Geschichte allemal. Ungewöhnlich, frisch.
Das ist super. Ich versuche immer irgendetwas ein klein wenig anders zu machen.

Aber dennoch hat sie mich nicht gepackt. Zum einen liegt es daran, dass ich die Geschichte nicht einordnen kann, ich verstehe das gefüge nicht, hier ist irgendwie alles und nichts möglich, das macht die ganze Sache etwas beliebig.
Ich merke, es gibt zwei Gruppen. Die einen Leser haben Spaß an meiner Geschichte, lassen sich auf das Absurde ein und hinterfragen nicht. Bei der zweite Gruppe gibt es dann Punkte, bei denen das Gehirn aktiviert wird, das sagt: Das ist doch absurd/ unlogisch. Und wenn man einmal anfängt zu grübeln, isses vorbei mit dem Lesespaß. Das soll auf keinen Fall deine Art zu lesen kritisieren, aber ich glaube, dass meine Geschichte einfach für manche funktioniert und für manche nicht.

aber mir ist nicht klar, auch welchen Gesetzmäßigkeiten ersteres funktioniert.
Klar, Fantasy braucht Gesetze, und auch eine Kurzgeschichte muss in sich stimmig sein. Ich habe mir erlaubt in dieser Geschichte etwas laxer mit diesen Gesetzmäßigkeiten umzugehen, denn die Bürger von Eilandsruh verstehen auch nicht alles was da abgeht. Ich glaube, dass das in so einem kurzem Text funktionieren kann. Ein Roman auf dieser Basis würde wohl bald in sich zusammenpurzeln.

Da bin ich kein Fan von, da konnte ich mich nicht des Eindruckes erwehren, als hätte ich soeben einen Witz gelesen. Zugegeben, eine sehr gut geschriebenen Witz.
Ja, das Ende ... Vorher war es ganz anders. Da wurde noch mehr gemeckert. ;) Irgendwie musste ich das Ganze zu Ende bringen und es sollte im Gegensatz zu dem ersten Ende eben nicht actionslastig werden.

Denn das ist etwas, was ich an dem text loben möchte, er ist wirklich sehr sauber und gefällig geschrieben, da sind keine Stolperer drin, nichts, an dem ich hänge geblieben bin.
Super, das ist doch auch was.

Die namen der Bürgermeisterin und der Hexe hingegen fand ich nicht so gut gewählt, ich habe sie mal kurz verwechselt.
Das ist natürlich nicht so gut. Hab da mehrmals was geändert und versucht drauf zu achten, dass sich die Namen nicht so sehr ähneln. Es war eh mein erster Versuch mit viel Personal. Werde da in Zukunft weiter drauf achten, aber jetzt sind Hilde und Irmel Hilde und Irmel. Das kann ich nicht mehr ändern.

ist mir beides zu dicht aufeinander
Echt? Das sind fünfzehn Zeilen. Krass, dass dir so was auffällt. Ich lass es mal so, so nen Adlerblick hat sonst bestimmt keiner. ;)

Einen wunderbaren Start ins neue Jahr wünsche ich dir
Vielen Dank, das wünsche ich dir auch.

Danke für deinen Besuch und deine Meinung. Hat mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,
NGK


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Hi @Kellerkind,

mich haste erwischt: absurde Splatter-Mittelalter-Parodien lese ich am liebsten.
Yeah. :D

Kreative Ausgangssituation, unterhaltsam geschrieben und liebevolle Charakterzeichnungen. Da stimmt fast alles. Nur das Ende ist mir bisschen zu harmlos.
Vielen Dank, freut mich, dass es dir gefällt. Das Ende fiel mir tatsächlich schwer, vorher war es anders und aus Hilde wurde ein leichenfressender Ghul ... Ich habe versucht ohne zu viel Action auszukommen und musste irgendwie zum Ende kommen. Es war nicht so leicht, diese absurde Ausgangssitutation wieder zu fassen zu kriegen. Aber ich denke man merkt dem Ende noch etwas an, dass ich es erzwingen musste. Vielleicht habe ich irgendwann einen Geistesblitz für das perfekte Ende.

aber das hier ist echt Quark: „Der Boden ist wohl zu feucht, konserviert anstatt zu zersetzen.“
Ich hab mir das nicht ausgedacht. Google mal Wachsleichen. ;)

Vielen Dank für deinen positiven Kommentar.

Liebe Grüße,
NGK


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HI @Manlio,

schön, dass du auch noch vorbeischaust.

Die Idee, etwas völlig Natürliches einfach zu verbieten, weil es aufgrund der Gegebenheiten "nicht mehr möglich" ist, klingt spannend. Leider verschenkst du, so wie du die Geschichte konzipierst, viel Potenzial.
Schade, dass dir die Umsetzung nicht so zusagt.

Das erste Problem ist der Gegenstand des Verbots. Gestorben wird ohnehin, da erscheint ein Verbot sinnlos und zu phantastisch. Viel interessanter wäre es, z.B. Essen, Schlafen o.ä. aus absurden Beweggründen zu verbieten.
Diese Idee „Sterben verboten“ war als erstes da. Es gibt tatsächlich Orte auf der Welt , in denen es dieses Gesetz gibt. Ich wollte dazu eine Geschichte schreiben und habe mich gefragt, was man mit so einem Gebot wohl erreichen will. Und die Konsequenzen konnte wohl auch in Eilandsruh keiner so richtig absehen.

du konzentrierst dich auf den Konflikt zwischen Burk und Hilde.
Eigentlich konzentriere ich mich auf Burk. Für ihn hat das Verbot die größte Auswirkung, deswegen wird er besonders aktiv.

Das hat mich ein wenig aus der Geschichte rausgeschmissen. Was soll das sein, der Mörder des Dorfes? Auftragskiller? "Mörder des Dorfes" klingt ungefähr so sinnvoll wie "Schwimmer des Dorfes" ...
Das ist echt verrückt, und auch sehr interessant für mich. Weil es einfach zwei Meinungen dazu gibt. „Das ist so bekloppt, dass es schon wieder geil ist.“ Oder „Wie doof ist das denn? Macht ja gar keinen Sinn.“ Du gehörst zur zweiten Gruppe, das ist schade, aber wenn ich die Punkte ändern würde, die du kritisierst, wäre es nicht mehr meine Geschichte.

Klingen im Setting komisch.
Das ist eben wieder dieses Absurde. :silly:

Danke für deine Meinung und liebe Grüße,
NGK

 

Hi @Manlio,

ich stehe zu meiner Meinung: Die Probleme deiner Geschichte liegen in der Grundidee und im ersten Abschnitt.
Das ist ja auch dein gutes Recht. Und ich verstehe auch, dass die Geschichte für manche einfach nicht funktioniert. Für andere tut sie das aber sehr wohl. Eine Lösung die allen gefällt, wird man wie immer nicht finden.

Da das Verbot die gewöhnlichen Dorfbewohner kalt lässt, brauchst du einen "Mörder", der sich in seinem Treiben gestört fühlt. Ich frage mich, warum die Berufsbezeichnung so schwammig bleibt, denn das ist es, was du meinst, einen Auftragskiller.
Ich finde, das Wort „Auftragskiller“ verleiht dem ganzen eine Schärfe, die ich dort nicht haben möchte. Das ist mir auch viel zu logisch. Natürlich ist Mörder bei uns kein richtiger Beruf, in Eilandsruh aber schon, genauso wie Hexe.

Burk bleibt ein Kunstgriff, um einen Konflikt einzubauen, den es realiter gar nicht gibt.
Ja, da kann ich dir nur zustimmen. Ich habe diese Geschichte nicht geschrieben, um irgendwelche realen Probleme zu besprechen oder anzukreiden. Ich möchte unterhalten und das ist mir glaube ich, ganz gut gelungen.
Würde ich den Text mit Logik bearbeiten, käme ein ganz anderer Text raus. Ein ernsterer, düsterer, eine Richtung in die ich mit dieser Geschichte nicht gehen will.

Brauchst du das wirklich?
Die Stellen, die dich so stören, kamen bei anderen Lesern gerade gut an. Sie machen den Charme des Textes aus. Um diese Leser zu erreichen brauche ich es also, ja.

Danke fürs erneute Kommentieren und liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @ragu,

ich wusste nicht wie unterhaltsam Fantasy sein kann. Vielen Dank für die fesselnde humorige Beschreibung.

Dann hast du wohl bisher immer die falschen phantastischen Geschichten gelesen. :p

Freut mich sehr, dass du hergefunden hast und dir meine Geschichte gefallen hat!

Liebe Grüße,
NGK

 

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