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Stille

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25.06.2007
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Stille

Ich sitze vor dem Fernseher und schaue den Bildern zu, von denen ich verlange, dass sie aus mir einen überlebensfähigen Menschen machen. Einen Menschen, der im Kampf des Schauspiels um die Vorherrschaft innerhalb seiner Brüder die besten Voraussetzungen hat zu bestehen. Doch überstehe ich nicht mal die Werbepause ohne einem dringenden Bedürfnis nachzugehen, das mich wieder daran erinnert, wie menschlich, allzumenschlich ich eigentlich bin. Zurück am Gerät und den Blick auf die Menschheit werfend, beginne ich langsam zu begreifen, dass der fragmentarische Ausschnitt meines Lebens auf der Toilette nicht an die Realität des im Fernsehen gezeigten Schicksals eines sterbenden Soldaten im Irak-Krieg reicht. Mein Leben war zu kurz, um es im Fernsehen zu zeigen! Wie kann ich ihm Bedeutung beimessen ohne mich dabei selbst aufzuessen? Fressen und gefressen werden zeigt mir mein bester Freund. Er spricht in vielen verschiedenen Sprachen, er läuft mir nicht davon, wenn ich von ihm verlange, eine Gute-Nacht-Geschichte zu erzählen. Er hält mich immer auf den neuesten Stand der Entwicklung unserer Geschichte. Und: ach, ich entdecke immer neue Facetten an ihm. Letztens referierte er sogar über Adorno, über Nietzsche und sprach mit mir über feministische Propaganda. Wozu noch auf die Uni gehen, wozu sich eine Bumsfreundin suchen, wenn er auch das besser draufhat als alles andere, was mir bisher widerfahren ist?

Heute stehe ich auf dem Altar, neben mir ein Fernseher von der Marke "Schneider". Ein Leben lang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Ein Moment, der mir den Glauben an die katholische Kirche und ihren Zweck wieder zurück gibt. Hing ich doch noch vor Jahren ungläubig vor der Glotze meiner Eltern und sah mir Käse und Trash im Fernsehen an, etwas, das meinen atheistischen nicht-Glauben an die Welt nur noch verstärkte und meine Lethargie mit vielen Rosen verzierte. Doch jetzt hat die Kirche, das Leben, seine Interpretation wieder einen Sinn für mich. Ich kann es einordnen in das Weltbild eines postmodernen Technokraten; Kirche, Jesus, ich liebe euch und ich will mich mit euch verbinden! VOX hat mir gezeigt, zu was ihr alles imstande seid. So sprich mein liebster Schneider. Willst du diesen Herren neben dir zum Mann nehmen? Ihm die Treue schwören und stets an seiner Seite bleiben?

Stille.

Ich musste natürlich vorgesorgt haben, jetzt war ich jedoch für einen Moment voller Sorge. Schnell hatte ich ihm den notwendigen Stromanschluss verpasst. Warum auch nicht? Niemand hat heutzutage noch die Kraft und den Mut in solchen Situationen die richtigen Worte zu sagen, ohne von ärztlicher Hilfe oder seinem Rechtsanwalt begleitet zu werden. Meine Liebe braucht da eben eine Dose für ihren Stecker. Nichts Ungewöhnliches.

Ich zappe und zappe, aber nirgendwo läuft das passende Programm. Mein Schneider hat für diesen Moment offenbar nicht die passenden Worte parat. Welcher Teufel versucht mir hier ins Handwerk meiner Liebe zu pfuschen? Da wurde ich nun endlich fündig und was passiert - der letzte Moment einer ehelichen Verbindung, er wird durch Unvorhersehbarkeit unterbunden. Nicht mal das Fernsehprogramm verrät mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit. So ging ich dann wieder nach hause, schloss ihn an seiner gewohnten Dose an und lauschte seinen Worten. Ohne Bestimmung und ohne Zwang sprach er wieder zu mir, ich zu ihm und wir waren glücklich bis an unser Lebensende.

 

Hej Alternatief,

Da ist einer, der fernsieht und zunächst noch zwischen Bildern und Fernseher unterscheidet. Die Bilder sollen ihm ...hm, Kraft geben, ja?
Dann geht er Pipi machen und anschließend stellte er fest, dass so eine Belanglosigkeit wie pinkeln eher kraftlos wirkt, angesichts der Bilder, Informationen und Realitäten die über den Bildschirm flimmern.

Was dazu führt, dass er schließlich mit dem Fernseher vorm Traualtar landet (dann kommt dieser FÜRCHTERLICHE SATZ, der vielleicht nur sagen will: "Ich hatte natürlich vorgesorgt.") und es stellt sich heraus, dass der Fernseher zwar vieles kann, aber an einem einfachen "Ja" scheitert.

Mensch und Fernseher kümmert das wenig. Ende.

Konsequent dargestelltes Verhalten eines eingefleischten (Fernseh)Konsumenten.
Als Geschichte etwas mager.

Viele Grüße
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Moin Alternaiv,

Nimm mal folgende Sätze raus:

"Nicht mal das Fernsehprogramm verrät mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit. So ging ich dann wieder nach hause, schloss ihn an seiner gewohnten Dose an und lauschte seinen Worten. Ohne Bestimmung und ohne Zwang sprach er wieder zu mir, ich zu ihm und wir waren glücklich bis an unser Lebensende"

- das märchenhafte schwächt die Geschichte, der Eklat, der Moment, wo der Fernseher versagt, ist ein besserer Schluß.

Und: man wird nicht auf dem Altar getraut, sondern davor, oder ist das bei Katholiken anders?

Noch ein bißchen die Spannung zum Schluß ansteigen lassen, sonst gut.

Gruß Set

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Alternatief,

Da ist einer, der fernsieht und zunächst noch zwischen Bildern und Fernseher unterscheidet. Die Bilder sollen ihm ...hm, Kraft geben, ja?
Dann geht er Pipi machen und anschließend stellte er fest, dass so eine Belanglosigkeit wie pinkeln eher kraftlos wirkt, angesichts der Bilder, Informationen und Realitäten die über den Bildschirm flimmern.

Was dazu führt, dass er schließlich mit dem Fernseher vorm Traualtar landet (dann kommt dieser FÜRCHTERLICHE SATZ, der vielleicht nur sagen will: "Ich hatte natürlich vorgesorgt.") und es stellt sich heraus, dass der Fernseher zwar vieles kann, aber an einem einfachen "Ja" scheitert.

Mensch und Fernseher kümmert das wenig. Ende.

Konsequent dargestelltes Verhalten eines eingefleischten (Fernseh)Konsumenten.
Als Geschichte etwas mager.

Viele Grüße
Ane


Hallo,

ja, die Geschichte könnte man in der Tat als etwas mager bewerten. Ich hab sie so geschrieben, dass sie etwas Interpretationsfreiraum auf die darin stattgefundenen Geschehnisse lässt und dabei weniger auf die Handlung geachtet. Ich weiß allerdings nicht, was an diesem einen Satz fürchterlich sein soll; er soll übrigens das Gegenteil dessen aussagen, was du vermutest. :) Und ich glaube auch, das kommt eindeutig rüber?

Moin Alternaiv,

Nimm mal folgende Sätze raus:

"Nicht mal das Fernsehprogramm verrät mir die richtigen Worte zur richtigen Zeit. So ging ich dann wieder nach hause, schloss ihn an seiner gewohnten Dose an und lauschte seinen Worten. Ohne Bestimmung und ohne Zwang sprach er wieder zu mir, ich zu ihm und wir waren glücklich bis an unser Lebensende"

- das märchenhafte schwächt die Geschichte, der Eklat, der Moment, wo der Fernseher versagt, ist ein besserer Schluß.

Und: man wird nicht auf dem Altar getraut, sondern davor, oder ist das bei Katholiken anders?

Noch ein bißchen die Spannung zum Schluß ansteigen lassen, sonst gut.

Gruß Set


Hallo und danke,

ich werde die Geschichte evtl. nochmal überarbeiten und einen alternati(ef)ven Schluss mit gesteigerten Spannungsbogen konstruieren. :) Aber im Moment hat das eigentlich seine Absicht, dass es so endet.

 

Hej,

er soll übrigens das Gegenteil dessen aussagen, was du vermutest.

Ich musste natürlich vorgesorgt haben = Ich hatte natürlich nicht vorgesorgt

Verstehe ich Dich so richtig?

Das mit dem Interpretationsfreiraum sehe ich umgekehrt.
Wenn ich mit beiden Füßen auf dem festen Boden stehe und die Gegenstände um mich her klar erkennen kann, kann ich sehr viel besser darüber urteilen, welche Richtung ich einschlagen möchte. Umgekehrt bietet eine nebelige undeutliche Umgebung kaum die Möglichkeit zu urteilen, zu wählen und zu entscheiden.

und dabei weniger auf die Handlung geachtet
Das kenne ich. Aber worauf sollte man bei einer Kurzgeschichte wohl sonst achten? :)

Viele Grüße
Ane

 

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