Was ist neu
Mitglied
Beitritt
24.02.2005
Beiträge
171
Zuletzt bearbeitet:
Anmerkungen zum Text

Bitte nur breit lesen!

Supermao

Thailand, das einst für Elefanten, Pad Thai und spirituelle Retreats bekannt war, hatte sich neu erfunden und hiess für viele nur noch Highland.
Die Kiffer der Welt, Aussteiger, ausgebrannte Techies und pensionierte DJs strömten in Scharen herbei, nachdem die Regierung einen juristischen U-Turn hingelegt hatte: jahrzehntelang wurde der Besitz des Teufelskrauts mit der Todesstrafe geahndet - nun hatte man die harte Droge über Nacht zur Heilpflanze erklärt. Die Kräuterhexen sprangen wie entfesselt vom Scheiterhaufen und schwangen sich auf ihre Besen.

Weedshops schossen wie Pilze aus dem Boden und das Land des Lächelns wurde täglich breiter. Kiffer aus aller Welt rollten sich mit roten Augen ihren grünen Teppich aus und flogen ungebremst der tropischen Sonne entgegen.

Dann kam SUPERMAO.

Manche sagten, die Cannabissorte sei von einem verbannten chinesischen Botaniker erschaffen worden, der in einem Baum lebte und Geckos Propaganda zuflüsterte. Andere schworen, es sei auf natürliche Weise gewachsen, nachdem eine Mao-Bibel aus Versehen in einen Hydrokulturtank gefallen war.

Aber was zählte, war nicht der Ursprung, sondern die Wirkung.

SUPERMAO schlug ein wie kein anderes Gras zuvor.

Nicht mellow, nicht introspektiv. Kein albernes Kichern. Kein Fressflash. Kein endloses Netflix-Glotzen. Es machte dich nicht nur high – es machte dich kollektiv high. Du wolltest nicht mehr alleine sein. Du wolltest dich organisieren. Du wolltest dein Essen, deine Gefühle und deine Hausschuhe teilen. Du wolltest marschieren.

Vorhang auf für Jürgen, einen Ex-Deutschen aus Franken. Er hatte den dauerhaften Stirnrunzler eines Mannes, der Vegetarier hasst und Mitgefühl für Heuchelei hält. Er lebte seit Jahren in Thailand – genauso verbittert wie sonnenverbrannt. Er sprach nur das Nötigste - und zwar zu seinem Schäferhund Gunther. Der war wenigstens loyal. Ausserdem hatter er ein besseres Gespür für emotionale Grenzen als jeder Mensch, dem Jürgen je begegnet war.

Jeden Morgen saß der Fünfzigjährige in der hintersten Ecke seines Stamm-Weedshops „The Elevator“ - mit einem Gesicht wie aus Stacheldrahtzaun. Leider fehlte ihm das nötige Kleingeld, sonst hätte er sich “Lasst mich in Ruhe!” in altdeutschen Lettern auf seine Stirn tätowiert, am besten noch auf Englisch und Thai, sodass es endlich jeder checkte.

Dann, an einem schicksalhaften Freitag, drang SUPERMAO in seine Lungen. Drei Züge, die sein Leben veränderten.

Kurz vor dem vierten Zug lächelte Jürgen bereits.
Beim fünften wandte er sich an die französischen Kiffer am Nebentisch an und sagte: „Ich habe eigentlich gar nichts gegen Schwule.“
Beim sechsten Zug stand er auf, um eine Rede über die prekären Zustände der Nürnberger Fahrradwege zu halten – doch dann geschah etwas Seltsames.

Er öffnete den Mund –
und heraus kam Mandarin.
Der Sing-Sang erinnerte an einen südchinesischen Akzent – um genau zu sein klang er wie Mao persönlich. Das Seltsamste?


Die Franzosen antworteten ihm. Mit dem gleichen Akzent.

Natürlich sprach keiner von ihnen je zuvor Mandarin, geschweige denn irgendeine Fremdsprache. Doch unter dem Einfluss von SUPERMAO floss das Chinesiche aus ihren Kehlen, als hielten sie gerade eine Rede auf dem Pekinger Parteitag.

Plötzlich standen sie unisono auf und begannen zu marschieren.

Jürgen, sein Schäferhund Gunter sowie ein Dutzend bekiffte Aussteiger machten sich auf den Weg Richtung Bangkok. Das Ziel? Ein friedlicher Umsturz der Monarchie natürlich. Nicht aus Hass, sondern aus einem überwältigenden Gefühl gemeinsamer Bestimmung – das Supermao strömte wie Weihwasser durch die Gehirnwindungen und mit jedem Joint wuchs die marxistische Vibeseligkeit.

Als sie Chinatown erreichten, führte Jürgen bereits eine Hundertschaft von Genossen an. Sie inhalierten das Supermao synchron und sangen deutsche Heimatlieder - auf Mandarin natürlich. Die chinesische Community in Bangkok begrüßte sie verwundert, aber freundlich und bot Dumplings und kommunistische Banner an. Jürgen und seine Jünger marschierten euphorisch durch die Mittagshitze.


Sie verteilten Haschkekse an Passanten und streunende Katzen.

Einer verschenkte seine Schuhe – und gleich danach die gesamte Straße, die sie mittlerweile blockiert hatten.

Kurz darauf wurden sie natürlich verhaftet.

Im Gefängnis ließ die Wirkung langsam nach.
Zuerst verschwand das Mandarin.
Dann das Lächeln.
Dann das Kollektiv.

Am nächsten Morgen saß Jürgen mit einem Gesicht aus Granit in der Ausnüchterungszelle.

„Scheiße,“ zischte er. „Ich glaube, ich habe meinen Hummus geteilt.“

 

Aber was zählte, war nicht der Ursprung, sondern die Wirkung. SUPERMAO schlug ein wie kein anderes Gras zuvor.
Die Einleitung fand ich zu lang, zumindest zum Kraut. Das muss ja an sich bewiesen werden und bisher klingt es fast wie bei einem Ansager.

Vorhang auf für Jürgen, einen Ex-Deutschen aus Franken. Er hatte den dauerhaften Stirnrunzler eines Mannes, der Vegetarier hasst und Mitgefühl für Heuchelei hält.
Dann kam er... Ja, aber du magst ihn nicht besonders, oder? Man kann unsympathische Charaktere schreiben und ihnen mehr Raum zur Entfaltung geben. Jürgen gleicht hier eher einem (Stereo)typ. Der erste Satz passt auch nicht ganz zum Text, würde ich sagen. Darüber lachen kann ich auch nicht.
„Scheiße,“ zischte er. „Ich glaube, ich habe meinen Hummus geteilt.“
Das mit dem Hummus habe ich nicht verstanden. Möchte er andeuten, dass jemand anderes schuld am Rausch ist?

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom