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Tapezieren
Ich muss Papier kleben
Meine Arme sind nur 75 cm lang.
Aber nein, ich muss ja unbedingt 3 Meter lange gepresste Zellulosestreifen, die ich vorher mit einem Schleim, der den Gedanken an eine Samenspende aufkommen lässt, eingeweicht habe, und sich nun wie ein Gummituch verhält, über Kopf auf einem schmalen trapezförmig aufgestellten Aluminiumgestell möglichst noch parallel zu den anderen Bahnen (so man sie denn schon dahin gebracht hat) auf eine mehr oder weniger ebene Oberfläche bringen.
Das klappt natürlich nicht sofort. Der aktuelle Streifen bleibt aber wenigstens erst mal haften.
Na Kunststück, habe ich doch die Zieloberfläche vorher mit dem o. g. Schleim präpariert. Man sollte aber die anderen Bahnen misstrauisch beobachten. Die haben ein verblüffendes Eigenleben.
Jetzt heißt es runtersteigen, wenn man nicht schon vorher danebentretend die „große Stufe“ genommen hat, und schaut sich das Meisterwerk an.
Es sieht hervorragend aus (also Mist).
Wenigstens die Richtung stimmt (Norden und Süden).
Anfang und Ende passen (wer sagt aber eigentlich, wo Anfang und Ende sind?).
Aber da bilden sich gerade große Beulen (oder sagt man Blasen oder auch Blubber)?
Macht nichts.
Ran an das eine Ende und die Bahn wieder herunter ziehen.
Aber nicht zu weit.
Denn hinter dir lauern noch mindestens 2 Meter davon, die nur darauf warten, sich mit einem schmatzenden Geräusch von der Decke sich lösend auf dein Haupt und deine Schultern zu legen.
Der Anfang liegt nun in deiner Hand.
Beeile dich, das Ding wieder an die Haftfläche zu bekommen. Hier kann man schon ernsthaft den endgültigen Standort festlegen.
Wenn du dich jetzt umdrehst, um den restlichen Teil zu fixieren wundere dich nicht. Er könnte schon, auch ohne dein Zutun und schmatzenden Geräusches, vor dir leise schaukelnd und nach unten sinkend auf eine weitere Behandlung warten.
Jetzt bist du dran.
Nimm deine Bürste, Rolle, rechte Hand oder was du sonst noch hast, stoppe den Niedergang und bringe den Aufschwung und gleich in die richtige Position, denn das ist das zweite Ende der Fahnenstange.
Hast du das Ungetüm endlich an der Decke, kannst du mit einem Kantenroller oder Fingernagel den Rest erledigen. Denn es ist kein Ungetüm mehr. Nur noch ein schlapper 3 Meter langer schleimig aufgeweichter Zellulosestreifen. Der nun hoffentlich endlich an der Fläche klebt, wo er hin sollte.
Und jetzt kümmere dich um die Blasen und Blubber. Du wirst dich wundern, wie dieses Zeug nachwachsen kann. Gerade links und rechts totgehauen, wächst doch mitten in der Mitte wieder so ein Vieh.
Verzweifle nicht, auch ein Zelluloseschleim sagt einmal: „Ich lege mich jetzt fest.“
Es ist eigentlich eine endlose Geschichte.
Ich habe ein Ende gefunden.
Drehe dich abends einfach um.
Lass doch deine beklebten Flächen einfach vor sich hindümpeln.
Und am nächsten Tag schau die Wand an (die mühsam angeklebte):
„Schön sieht sie aus. Sie gefällt mir. Ich bin’s zufrieden. Wo ist die nächste?“