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Telefonterror

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06.06.2005
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Telefonterror

Es ist Mitte Juli, die Sonne brennt heiss und ungesund vom Himmel. Auf dem Mini-Balkon ihrer Dreizimmerwohnung liegt Sabine im Liegestuhl. In einem Bikini, den sie aus gutem Grund nur zu Hause anzieht. Sie liest einen dieser Frauenromane in denen die Hauptprotagonistin knapp über Dreissig, Kunsthändlerin oder Antiquitätenladenbesitzerin ist, täglich mit ihrer Mutter telefoniert und von den Männern wahlweise enttäuscht, verletzt, hintergangen oder ausgenutzt wurde.

Sabine ist bereits etwas rot im Dekolleté, was sie jedoch nicht bemerkt, denn sie ist gerade bei einer dieser heissen Liebesszenen angelangt, die sie jeweils mehrmals hintereinander durchliest. Heute kommt es aber nicht dazu, denn beim zweiten Durchlesen hallt aus der Wohnung das Klingeln des Telefons. Sabine legt ihr Buch mit einem tiefen Seufzer beiseite und geht an den Apparat. „Sabine Fischer.“ Aus der Leitung kommt nur leises Knacken. „Hallo? Ist jemand dran?“ Keine Antwort. „Ist da wer?“ Sabine wird langsam ärgerlich. Gerade als sie auflegen will, hört sie eine laute, resolute Stimme; „Sabine? Sind Sie das?“ Sabine hat die Stimme noch nie gehört. „Hier Sabine Fischer. Wer ist am Apparat?“ „Hier ist Catherine Blanchard. Was wollen Sie?“ Sabine überlegt kurz. „Wie? Was ich will? Sie haben doch mich angerufen!“ „Wer, ich?“ tönt es aus der Leitung, „Nein, ich kenne Sie ja nicht einmal!“ Sabine runzelt die Stirn. „Sie haben gefragt, ob ich Sabine sei und ich sagte ‚ja‘. Also, was möchten Sie?“ „Sagen Sie dem Putzmann, er brauche gar nicht mehr wiederzukommen! Ich will den nicht mehr sehen. Und besorgen Sie sich endlich ein Telefon!“ Dann wurde die Leitung unterbrochen. Sabine steht in ihrem Wohnzimmer, das Telefon in der Hand und versteht gar nichts. Sie legt nachdenklich den Hörer auf die Gabel. Was war denn das für eine Verrückte? Die hat sich sicher verwählt, oder? Sie setzt sich auf die Sofalehne und überlegt, ob sie – mal von ihrer Mutter abgesehen - irgendwelche verrückten Frauen kannte. Auf die Schnelle kommt ihr keine in den Sinn. Während sie noch in Gedanken versunken dasitzt, klingelt erneut das Telefon. Sie äugt zum Apparat. Nach dem dritten Klingeln geht sie widerwillig ran. „Fischer.“ Es knackt in der Leitung. Dann: „Na Also! Blanchard hier.“ Sabine weiss nicht recht, was sie sagen soll. Also schweigt sie erst mal und wartet ab. Aus der Leitung kommen laute Atemgeräusche. ‚Eine Perverse!‘ schiesst es Sabine durch den Kopf, doch da meldet sich die Anruferin wieder zu Wort. „Was wollen Sie von mir? Hören Sie endlich auf mich zu belästigen!“ Sabine seufzt und ruft dann in den Hörer; „Sie haben mich angerufen!“ „Ja, ja, das sagen sie alle! Denken Sie an den Putzmann, das ist wichtig!“ Und dann hängt sie auf. Sabine ist wütend. Was war das nur für eine verrückte Tante? Ruft hier an und erzählt wirres Zeug? Sie wollte die Telefonnummer zurückverfolgen, konnte aber nicht, da die Nummer vom Anrufer unterdrückt wurde. Sabine zieht sich einen Bademantel über und startet den Laptop. Sie holt sich eine Tasse Tee aus der Küche und macht sich daran, im Online-Telefonbuch nach Catherine Blanchard zu suchen. Sie wird fündig. Catherine Blanchard, Alpenfrieden 12, Walldorf. Nun gut. Wie Du mir, so ich Dir. Sie geht zum Telefon und tippt die Nummer ein. Es läutet. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Sabine bleibt hartnäckig. Nach dem elften Klingeln gibt sie schliesslich auf. ‚Nicht mein Tag‘ sagt sie sich, schaltet den Laptop aus, geht raus auf den Balkon und legt sich in den Liegestuhl. Sie verscheucht die Gedanken an die Anrufe und schlägt ihr Buch auf.

Die Sonne steht bereits tief am Himmel und Sabine ist mit dem Buch auf dem Bauch eingeschlafen. Ihr Dekolleté ist dunkelrot und brennt. Von diesem Brennen ist sie aufgewacht. Das Buch hat sie fast fertig gelesen. Es endet sowieso wie alle diese Bücher mit einer geplanten Hochzeit, das weiss Sabine jetzt schon. Sie erhebt sich von ihrem Liegestuhl und geht in die Wohnung, um die Sonnencrème zu suchen. Gerade ist sie dabei, sich ihren verbrannten Ausschnitt einzucrèmen, als das Telefon klingelt. Da sie gerade keine Hand frei hat und es vermutlich eh wieder diese Verrückte ist beschliesst Sabine, den Anruf zu ignorieren. Doch das Klingeln bricht nicht ab. Nach ewigen Zeiten geht sie ran und meldet sich unfreundlich: „Fischer!“. Catherine Blanchard ist am anderen Ende. Sie wirkt sehr ärgerlich. „Sagen Sie mal, spinnen Sie? Um diese Zeit noch hier anzurufen?“ Sabine erspart es sich, der Frau zu erklären, dass sie, Sabine, angerufen wurde und nicht umgekehrt. Stattdessen spielt sie das Spiel mit: „Ja, Frau Blanchard. Ich wollte mich kurz bei Ihnen erkundigen, ob es...äh... ob das mit dem Putzmann geklappt hat.“ Erst ist es ruhig in der Leitung. Nach ein paar Augenblicken kommt die Antwort: „Woher wissen Sie von meinem Putzmann?“ Sabine schüttelt resigniert den Kopf. So was von durchgeknallt! Catherine Blanchard spricht weiter. „Moment. Bei mir klingelts an der Tür.“ Sabine hört, wie sich die Frau vom Apparat entfernt. Ein Geräusch – vermutlich hat sie die Tür geöffnet. Dann ein Schrei. Sabine schluckte und presste den Hörer stärker an ihr Ohr. Sie hört Schritte näherkommen, dann kracht es und Frau Blanchard keucht atemlos ins Telefon. „Er ist hier! Der Putzmann ist hier! Er hat eine Waffe und....“. Die Leitung ist tot. Oh mein Gott! Sabine hält den Hörer so fest in der Hand, dass die Finger weiss anlaufen. Soll sie die Polizei alarmieren? Nein, die Frau ist so verrückt – vielleicht hat sie das nur vorgespielt. Und doch... Quatsch, der Polizeibeamte würde sie sicher aufs Gröbste auslachen. Er würde dann sagen: ‚jaha! Sie sind der Alten auf den Leim gegangen, ha ha ha!‘ Aber wenn nun wirklich eine tote Catherine Blanchard in ihrer Wohnung in Walldorf liegt? Und sie, Sabine, ist die einzige, die davon weiss? Sie fühlt Hitze in sich hochsteigen und in ihrem Magen kribbelt es. Im Hörer tutet es rhythmisch.

Sabine fasst den Entschluss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Die Frau ist ganz offensichtlich verrückt und sie, Sabine, wird der Sache nun auf den Grund gehen. Die Neugier hat sie gepackt. Vielleicht geht es hier um ein Menschenleben, um ein Kapitalverbrechen! Sie kann immer noch die Polizei alarmieren, wenn sie dort ist und wirklich eine Leiche vorfinden sollte. Sie rennt ins Schlafzimmer, streift sich eine Jeans über, holt das Pfefferspray aus der Unterwäscheschublade, steckt das Handy ein, schnappt sich die Autoschlüssel vom Schlüsselbrett und rauscht los. Im Lift hält sie kurz inne. Was für eine blödsinnige und stupide Idee. Doch dann drückt sie entschlossen auf „Eingang“ und der Lift fährt runter.

Der kleine Fiat tuckert vor sich hin, als Sabine die Quartierstrasse rauf und runter fährt. Alpenfrieden 12. Wo ist das nur? Mittlerweile ist es fast dunkel und Sabine hat eine lange Fahrt hinter sich. Sie fragt sich ein letztes Mal, ob sie nicht doch wieder umkehren und die Sache vergessen soll, da sieht sie es. Alpenfrieden 12. Ein kleines Häuschen mit einer schnuckligen Einfahrt. Sie parkiert den Fiat auf dem Trottoir, läuft die Einfahrt rauf und betätigt den schweren, metallenen Türklopfer. In der Jackentasche hält sie den Pfefferspray mit ihrer Hand umklammert. Man weiss ja nie. Lange hört man gar nichts, dann ein Geräusch. Die Tür geht auf und eine kleine, uralte Frau lacht Sabine ins Gesicht. Sie dreht den Kopf und ruft nach hinten in die Wohnung: „Gewonnen! Ich hab euch ja gesagt, dass sie kommt. Ihr schuldet mir je zehn Mäuse!“ Aus dem Haus hört man eine alte Männerstimme fragen. „Ist sie wenigstens brünett? Dann krieg ich von Franz nämlich einen Fünfer zurück!“ Sabine steht fassungslos unter der Tür und starrt die alte Frau ungläubig an. Kann es denn wirklich sein? Fast 40 Kilometer ist sie gefahren – für sowas? Sie macht mit hochrotem Kopf auf dem Absatz kehrt und rennt die Einfahrt runter zu ihrem Fiat. Beim gehen hört sie noch, wie ein Mann an die Tür kommt: „Jetzt darf ich. Wo hast Du das Telefonbuch, Catherine?“ Sabine startet den Motor und flucht leise. „Verdammte unterbeschäftigte Senioren!“

 

Hallo!

Super Geschichte mit wirklich gelungenem Schluß! Anfangs dachte ich, dass sie mich nicht packen würde. Doch als die Frau am Telefon in Erscheinung tritt, wird es richtig spannend und man will wissen, was hier vor sich geht.
Mein Lob auch für den Erzählstil und die Geschwindigkeit. Nicht zu langsam, nicht zu schnell. Passt genau, um den Leser bei der Stange zu halten.
Weiter so.

 

Hallo Eneri,

schöne Geschichte. Habe ich gerne gelesen. Das Ende war wirklich witzig.

Gruß,
Karendric

PS: Ein paar falsche Tempi bei einigen Verben - da solltest du vielleicht noch mal drüber gehen. Aber das nur am Rande.

 

Hallo Eneri und Willkommen auf KG.de!

Sabine stand in ihrem Wohnzimmer
steht Hatte Karendric schon angemerkt. Auf die Zeitformen achten, bzw. sich auf eine festlegen. ;)

irgendwelche verrückte Frauen kannte
verrückten

Also schweigt sie erstmal
erst mal oder erst einmal

Da sie eh gerade keine Hand frei hat und es vermutlich eh wieder diese Verrückte
Wortwiederholung. Das zweite eh würde ich streichen.

Sie kann immernoch die Polizei alarmieren
immer noch

holt den Pfefferspray
das Spray, oder?

Ich fand die Geschichte ganz nett zu lesen. Allerdings reicht die Schlusspointe, als einzige witzige Stelle nicht aus um mich zum lachen zu bringen. Auch zieht sich der Text stellenweise hin, so dass ich nicht unbedingt den Drang verspürt habe, bis zum Schluß zu lesen. Das Ende ist mE nicht so toll geglückt. Hier hätte dein Prot noch irgendetwas machen können, anstatt die Flucht zu ergreifen. Auf die Zeitform solltest du achten.
Also: alles in allem ganz nett zu lesen. Für eine Humor-KG allerdings zu schwach auf den Rippen.

Gruß

 

Moin eneri,

Willkommen auf KG.de

Deine Geschichte fand ich insgesamt ganz nett.
Der Anfang, also bis "Die steht bereits rot am Himmel" war schön absurd (wenn mir die Idee auch irgendwoher bekannt vorkommt). Danach ließ das Ganze aber arg nach fand ich. Klar, du versuchst, Spannung zu erzeugen. Aber aus irgendeinem Grund hat das bei mir nicht geklappt. Es war einfach klar, daß da niemand gestorben ist. Spannend fand ich den zweiten Abschnitt also nicht, lustig - da du dich auf Spannung konzentiert hast - hier leider auch nicht.
Das Ende bzw die Auflösung hat mir dann wieder gefallen.

Zwei stilistische Anmerkungen:
Zum Einen würde ich dich bitten, bei wörtlicher Rede immer eine neue Zeile zu beginnen, wenn jemand neues spricht. Liest sich einfach schön.
Und zum anderen ist mir aufgefallen, daß deine Sätze sehr oft mit "Sabine" bzw "sie" anfangen. Liest sich in Kurzform in etwa so: Sabine tut. Sie geht. Sie macht. Sie geht. Sabine macht.
Da könntest du vielleicht deine Satzstrukturen etwas abwechslungsreicher gestalten.

 

Vielen Dank allen für's Durchlesen, die Meinungen und die Kritiken zum Text. Ich werde mein Début auf KG.de für's Erste nicht mehr ändern und einfach mal so stehen lassen. Aber ich werde bald was Neues ausprobieren - unter Berücksichtigung Eurer Tipps.

Greetz & Thanx
Eneri

PS: der Spray... das kann ich erklären: in meinem Kanton ist das Spray männlich - daher der Spray... aber ich hab's geändert.

 

Gääähn...war was?
Ah, ja, diese GEschichte.
Nun ja.
Das Ende ist nicht so der Hammer.
Am Anfang wird so voll die Psychogeschichte aufgebaut (jedes Mal, wenn das Telefon klingelt und Sabine hin geht könnte man die Psycho - Musik abspielen lassen, wenns ein Film wär).
Aber des Ende ist dann total schwach und war mE auch eigentlich klar.
Und ich komme aus BaWü und hätte auch "[...] den Spray" gesagt.

 

Hi Eneri!

Für den Einstieg nicht schlecht, die Geschichte. Sicher, von einem Profi würde man mehr erwarten, aber noch hast du - zumindest was mich betrifft - eine gewisse "Schonfrist" ;).
Der "Humor"-Aspekt kommt tatsächlich erst im letzten Absatz heraus, dafür hat die Pointe etwas Befreiendes, Schadenfrohes, vielleicht gerade weil du anfangs so sehr auf Spannung gesetzt hast.
Das ist dann natürlich auch ein zweischneidiges Schwert: Manchem Leser kann es erscheinen, als wüsste deine Geschichte nicht so richtig, was sie sein will - Spannungs- oder Humorgeschichte? Es hängt alles davon ab, ob der Leser den Übergang von einer Stimmung in die andere als harmonisch oder als störenden Bruch empfindet.
In diesem Fall sind die Rezeptionen, wie du siehst, durchaus unterschiedlich.

Auch wenn du keine Änderungen mehr vornehmen wolltest: Einen eindeutig übersehenen Fehler solltest du noch korrigieren:

Sie wollte die Telefonnummer zurückverfolgen, konnte aber nicht, da die Nummer vom Anrufer unterdrückt wurde.

Ähem! Wie war das mit den Zeitformen?
Da keiner Anstoß an dieser Stelle genommen hat, nehme ich an, dass alle wissen, wie eine Nummer "vom Anrufer unterdrückt" werden kann. Ich bin leider technisch zu unbedarft, um mir darunter was vorstellen zu können. Kannst du mich aufklären? :shy:

Ciao, Megabjörnie

 

Hi Megabjörnie

Jawoll, ich kläre auf; wenn ich jemanden anfrufe und nicht will, dass dieser meine Nummer sieht, kann ich das "unterdrücken", indem ich mein Telefon so einstelle. Natürlich kann dann auch niemand zurückrufen, da die Nummer nirgends gespeichert wurde... is klar?

Ansonsten danke ich für Deine Meinung und die "Schonfrist" ;-)

 

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