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The way of the Wiesel
The Way Of The Wiesel
Am Ende eines langen Zweiges im Baumdiagramm der hundeartigen Karnivoren findet sich ein wahrlich gerissener Räuber, das Hermelin. Es ist auf diesem Ast des Diagramms beileibe nicht der einzige skrupellose Killer. In seiner Familie gibt es neben ihm noch so manchen üblen Zeitgenossen mehr. Vor allem sein Großonkel, der Honigdachs, hat aufgrund seiner Furchtlosigkeit und Aggressivität internationale Berühmtheit erlangt. Doch von diesem dreisten und feisten, aufbrausenden und berechenbar brutalen Artgenossen ist zumindest dieses eine Hermelin, um das es sich hier dreht, weit entfernt.
Das Hermelin ist klein, nur drei Viertel Pfund bringt es auf die Waage. Es ist schnell, blitzartig bewegt es sich von A nach B. Es ist leise, das erzählerische Geräusch seiner Bewegung kennt keine Vokale. Und es ist zu guter Letzt vor allem eins, extrem. Sein Gemüt kennt lediglich zwei Modi körperlicher Aktivität, Chillen und Terror. Zwischen diesen Zuständen wechselt es in einer Tour hin und her. Die Frequenz der Gemütszustandswechsel übersteigt bisweilen die Fähigkeit des Hermelins einzelne Gedankengänge voneinander zu separieren, beziehungsweise zu Ende zu denken. Daher passiert es regelmäßig, dass das Hermelin erst nach erfolgter körperlicher Aktion seiner selbst, geistig darauf zu reagieren vermag.
Hermelin: “Hände hoch, Mörchenfresser, sonst..”
PENG!
Eiskalt streckt das Hermelin mit seinem Colt Peacemaker ein Kaninchen nieder. Der Mörchenfresser kippt vornüber in den Schlamm. Seine Brille rutscht ihm von der Nase.
Hermelin: ”..knallts!”
Überrascht senkt das Hermelin den rauchenden Colt. Es nickt wissend, dreht den Colt einige Male um die Abzugskralle im Kreis und lässt ihn anschließend geschmeidig in das Halfter an seiner Hüfte gleiten. Es zieht die Oberlippe hoch und entblößt weiße, sehr spitze Reißzähne.
Hermelin: “Well, well.”
Rechtlich gesehen gilt das Hermelin als geisteskrank, genau genommen als unerkannt geisteskrank. Das hat vor allem in Bezug auf die Haftbarkeit des Hermelins so seine Vorteile, da es aufgrund dieser Tatsache nicht für seine vorschnellen Taten belangt werden kann. Allerdings, und dieses allerdings ist leider nicht ganz unerheblich, gilt dieses eine Hermelin in den hiesigen Breiten des zoologischen Rechtsstaats im Gegenzug als vogelfrei. Aktuell ist sogar ein Kopfgeld auf den braunen Banditen mit dem cremefarbenen Bauchfell ausgesetzt. Einhundert Tropfen Gold gibt es für denjenigen, der das Hermelin tot oder lebendig den exekutiven Organen der feudalen Fauna übergibt.
Der Gesuchte selbst ist diesbezüglich indifferent. Je nach Gemütszustand ist er entweder stolz auf seine Gesetzlosigkeit oder er läuft Amok. Tendenziell häufiger erlebt man Letzteres. Ungerichtete Gewaltakte samt monumentalen Kollateralschäden entsprechen einfach mehr dem leicht hitzköpfigen Charakter des Hermelins. Dieser wiederum entspringt naturgemäß seinem adrenalingeschwängerten Metabolismus. Es ist folglich quod erat demonstrandum unschuldig und lediglich das Opfer seiner Triebe. So drückt sich das Hermelin selbst gerne aus und unterstreicht die Beweisführung stets mit einem klackernden Kichern.
Meistens, ja eigentlich immer, nicken diejenigen, denen das Hermelin diesen Bullshit aufgetischt hat, eifrig zustimmend. Nicht weil sie ihm wirklich zustimmen, sondern weil sie der maschinengewehrartigen Kadenz seines Wort-Outputs nicht in dem Maße folgen können um in dem Haufen Mist überhaupt irgendeinen Sinn zu erkennen. Und wenn doch, so stimmen sie der irrationalen Argumentation lieber schnell zu, als das sie dem hohen, schmerzvoll anzuhörenden Singsang des Hermelins noch weiter zuhören müssen. Es bedarf nicht vieler Worte des Hermelins bis einem das Blut in den Adern gefriert, sich alle Haare am Körper aufstellen und es eiskalt den Rücken hinunterläuft.
„LIFE IS DEDICATION“ – The Hermelin
Just gerade erwacht das Hermelin in seinem Bau. Es reckt sich und streckt sich und putzt sich das im Schlaf zerzauste Fell. Einen Moment guckt es verpeilt aus dem Fenster und versucht zu begreifen. Dann schüttelt es das „what the fuck happened“ mit einer Frequenz nahe dem Ultraschall von sich ab, trinkt einen Schluck und geht an die Arbeit. Das Hermelin folgt einem geheimen Masterplan der über allem schwebt, was es war, ist und sein wird. Die Verfolgung des Plans unterteilt sich in zwei Kategorien, on the job und off the job. Es sei angemerkt, dass Hermelin hat keinen Job, zumindest keinen richtigen. Es ist nicht so, dass es sich nicht als Angestellter im Betrieb der grandes mères versucht hätte, aber letztendlich musste es sich eingestehen, dass es mit einer ihm übergeordneten Autorität nicht klar kommt. Auch Kreativität ist nicht seine Stärke. Seine Stärke ist der Ehrgeiz, die Verbissenheit mit der es einen Plan verfolgt, DEN Plan. Sein Dienstherr ist folglich niemand anderer als es selbst. Es bezeichnet sich daher auch gern als freier Unternehmer, versteht sich aber mehr als ONE-MAN-ARMY. Das passt perfekt zum Masterplan und hat zudem den Vorteil, dass es nicht erst auf den Feierabend warten muss bis es das machen kann, was es machen will, was es gerne macht, wozu es geboren wurde es zu tun.
Entsprechend seiner Devise versteht das Hermelin alles was es im Rahmen seiner Zielverfolgung unternimmt als sinnvolle Arbeit. Es arbeitet also quasi immer, sobald es aus seinem leidlich notwendigen, komatösen Schlaf erwacht. Das klingt nach einem faulen Hund? Weit gefehlt! Nur selten zeigt das Hermelin in freier Wildbahn Zeichen entspannter Faulenzerei. Das Hermelin träumt nicht, es ist auf Zack. Es zieht zu nächtlicher Stunde von Spelunke zu Spelunke und stiftet Unruhe. Nicht wie pöbelnde Saufbolde. Nicht wie seine Ahnen die sich noch mit Fäusten rauften, bissen und mit Krallen bearbeiteten. Nein, Unruhe stiften, das ist mehr als rohe Gewalt. Es ist Einflussnahme! Es ist Meinungsbildung und -vertretung. Es ist die physische Präsenz des Gegensätzlichen, des ungewollten Ungeliebten. Es ist Disput und Diskussion und ja auch hin und wieder etwas oder etwas mehr animalische Auseinandersetzung auf Basis niederer Instinkte. Aber nicht aus Jux und Tollerei! Nicht zum Vergnügen oder aus Niedertracht! Nein wenn, dann allein zur Befriedigung essentieller Bedürfnisse. Da wäre allem voran sein Hunger auf rohes, blutiges Fleisch, von am liebsten nicht allzu altem Geschmeiß mit langen Ohren. Mord, sozusagen, als notwendiges Übel zur Bewahrung des somatischen Status Quo. Leben, durch Leben nehmen. Ein Procedere das zunehmend in Verruf gerät. Es gilt selbst dem nicht mehr als minder-gebildeten Proletariat als reichlich überholt zu Genusszwecken anderen Lebewesen Leid zuzufügen. Aber ist es wirklich barbarisch, einen leckeren Wiederkäuer zu zerhacken und mit Salat und Gurken zwischen Brot zu stecken?
Damit nicht genug, meint der Volksmund neuerdings, dass mittlerweile nun wirklich jeder noch so weit hinter dem Mond Lebende mitbekommen haben müsste, das laut neuesten Erkenntnissen, gerade das rohe, rote Fleisch als krebserregend entlarvt wurde. Kein Wunder also, dass es in der heutigen aufgeklärten Zeit für die Generation 2.0, der Generation next und 28 Days after, schier undenkbar, ja fast schon unnatürlich erscheint, es zu verzehren. Deshalb gehen sie für ihre Überzeugung auf die Straße, verlangen ein generelles Verbot des Fleischverzehrs und tragen T-Shirts mit dem Aufdruck: MEAT IS MURDER! Nicht gerade unglücklich ist das Hermelin darüber, dass gerade diejenigen, die diese oder ähnlich geartete Parolen am lautesten proklamieren, ganz vorzüglich schmecken, irgendwie exotisch.
Es ist Mittag. Die Sonne brennt auf das ausgedörrte Land hinab. Die feigen Killerhasen verschanzen sich vor der Hitze in ihren Löchern. Instinktiv weiß das Hermelin das zu dieser Tageszeit nichts zu holen ist. Deshalb widmet sich das Hermelin während dieser Stunden den sozialen Medien. Der Stream-Chat ist live dabei. Die Stimmung ist erregt. Das Hermelin führt den digitalen Mob an. Es durchforstet Foren und Blogs, Tubes und Chats und trollt zu jedem noch so harmlosen Thema das die Karnickel meinen im Web breittreten zu müssen.
Lila Häschen: "Hallo Leute! Heute präsentiere ich euch mein neuestes Rezept für den Sommer: Löwenzahn-Heidekraut-Kompott. Klingt das nicht lecker?"
Hermelin: "Gegenvorschlag: Hasenbraten"
Lila Häschen: "Haha, sehr witzig du Idiot."
Hermelin: "Alternativ: Schmorbraten vom Lila Karnickel, am Spieß gebraten oder fettarm im eigenen Saft gegart"
Willi Widder: "Du kranker Psychopath. Du hast wohl nichts Besseres zu tun als hier deine schlechten Sprüche zu klopfen. Verpiss Dich!"
Lila Häschen: "Echt jetzt, get a life!"
Hermelin: "Herbivoren Schlachterplatte"
Der Chat grölt. Die Spenden erreichen ein neues Allzeithoch. Zeit Schluss zu machen, schließlich setzt die Dämmerung schon ein. Es ist Zeit wieder los zu ziehen um den Akt der Unruhestiftung als dedizierte Form der Weltverbesserung erneut zu praktizieren. Ach ja, und das Loch im Magen mit leckerer Hasenkeule zu füllen. Das Hermelin pirscht im Zwielicht durch den Wald, stiehlt sich über Wiesen und Felder und stellt sich der überall lauernden Bedrohung durch die zahllosen Jünger des King of Fuck, El’Rabbit de Continuamente Caliente.
Eben jener, männliche Vertreter vom Aste der hasenartigen Herbivoren, ist der heimliche Herrscher über die Fauna und der Antagonist des Hermelins. Hinter einer Fassade aus Niedlichkeit und dem medienwirksamen, augenscheinlich harmlosen Mümmeln, versteckt er die in ihm beheimatete, gnadenlose und unbändige Geilheit. In gebeugter Fresshaltung weiß der gewaltige Rammler von seiner hinter vorgehaltener Pfote propagierten Direktive zur vollständigen Verdrängung aller fleischfressenden Rassen durch hyperexponentielle Vermehrung seines Gleichen abzulenken. Ob eine solche überhaupt existiert sei dahingestellt. Ob eine solche funktioniert? Fakt! Während die Rassen vom herrlichen Baume der Karnivoren stets weniger werden, entwickelt sich die Gesellschaft der Pflanzenfresser in geradezu angsteinflößendem Maß exponentiell. Wie? Easy peasy, eben ein paar Vertreter der eigenen Art mit irgendeiner Krätze infizieren, Hasenseuche, Kanickelpest oder weiß der Geier was es sonst so gibt und ab mit den armen Schweinen auf die Wiese. Da kommt auch schon der smarte Prädator daher, sieht, riecht, versteht aber nicht, frisst den Dreck und zack, tot.
Deshalb, so hat das Hermelin für sich beschlossen, wird es sein Leben dem Widerstand gegen den apokalyptischen Frieden widmen. Schritt 1 hierbei: Ein gewisser weißer Riese muss das Zeitliche segnen. Der globale Warlord der Herbivoren ist jedoch wahrlich ein Riese mit der vielfachen Körpermasse des Hermelins. Der Colt Peacemaker, des Hermelins bevorzugtes Mittel zur Futterbeschaffung und Meinungsvertretung, kommt für diesen Job folglich nicht in Frage. Es muss etwas mit mehr Durchschlagskraft sein, etwas Drastisches.
Kurz vor der Morgendämmerung hat das Hermelin einen Geistesblitz. Seine schmalen Lippen ziehen sich hinauf bis fast zu den kleinen süßen Puschelohren. Seine Messerscharfen weißen Zähne blitzen auf. Das Hermelin reibt sich die Pfoten und starrt in weite Ferne. Ein heiseres Klackern steigt aus der Tiefe seines filigranen Körpers auf. Dann zischt es davon, hektisch und ohne Vokale. Es sprintet über Wiesen und Felder zurück in seinen Bau. Mit einem weiten Satz schießt es den Eingangstunnel hinab, prescht durch die Stube, vorbei an abgenagten Hasenknochen, übervollen Aschenbechern und leeren Schnapseicheln. Es schlüpft durch die Tür zur Schlafkammer mit dem weichen Moos und dem runden Fenster. Hier kann es gelingen, hier wird es gelingen. Hier, wo es nach Hermelin und Frieden riecht und auch ein bisschen wie damals bei Mama, hat es auf einmal ein Déjà-vu, einen kurzen Moment der vollkommenen Erkenntnis. Dann ist es bereits eingeschlafen.
Such is the way of the Wiesel.