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Tod den Schafen

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10.09.2016
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Anmerkungen zum Text

Hab ein Angebot bekommen, einen kurzen Text etwa 5000 Zeichen zu veröffentlichen. Viel in dem Format habe ich nicht. Deswegen dachte ich spontan an den "Zocker"-Text, aber irgendwie wollte ich noch eine Alternative haben. Et voilà!

Der Text ist (Stand: 1 Oktober '21) vollständig überarbeitet.

Hab den Text jetzt wieder auf die alte Version zurückgesetzt. Mit kleinen Neuerungen nur (Stand: 3. Oktober '21).

Tod den Schafen

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man. Die Schaugewächshäuser hingegen waren neu und doch ganz dem „gemischten deutschen Stil“ der achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre nachempfunden, wie ein Praktikant, Absolvent eines Freiwilligenjahres oder dergleichen Besuchern stolz und ungefragt zu erklären wusste. Das Bouquet setzte sich zusammen aus Sukkulenten jeder Form, Farbe und Größe. Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichenen Sand gefüllter Pfad schlängelte sich vorbei an Kakteen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot.

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete. Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm. Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen. Jawohl, die Zeit seiner kindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem achtzehnten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden. Scheiß auf Lenné!

Nach weiteren zehn Minuten endlich stießen Sebastian und Gesa Oreschko aus dem Palmenhaus dazu, offenbar, weil sie nach zehn Jahren Freundschaft mit Tillmann Palmen und Sukkulenten noch immer nicht voneinander unterscheiden konnten und das, obwohl einer wie Sebastian für sich beanspruchte, in den großen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen, dem Tod, den er den ‚Schafen‘ wünschte, wortführend zu sein. Vom ‚Großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘. „Wir sind die Saat und sie die Schafe“. Von Semmlitsch, Martin Sellner und dem Briten Collett hingegen sprach Sebastian nie oder nur selten und doch war klar wie Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphern, jenen volksliedgut-deutschen Abgesang auf das in Willkommenskultur ersaufende, gute Deutschland verdankte. So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich aus einem unerfindlichen Grund selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten. So bitter es war: Tillmann musste sich eingestehen, dass er sich ein Leben ohne Freunde schlichtweg nicht vorstellen konnte. Lieber einen Rassisten und Antisemiten und zwei für dessen Ressentiments taubstumme und sowieso gänzlich apolitische Freundinnen als jene Einsamkeit, die ihm blühte – jetzt, da er Lenné mit seinem Tritt nach der Mammillaria endgültig den Laufpass gegeben hatte.

Was Tillmann sich auch unter Denkanstrengungen nie hatte erklären können, war die bedingungslose, nahezu blinde Toleranz Sebastians gegenüber Gesa Oreschkos Wursthaaren und dem Interesse seiner Partnerin – nennen wir sie Thessa – für die geraubte Südseekunst des Rautenstrauch-Joest-Museums. Obwohl sich Letzteres ja durchaus Sebastians Motivlage zuordnen ließ. Nachdem Gesa Oreschko Tillmann ein Hörspiel von und mit Giulia Enders zugesteckt, sie die Förmlichkeiten also hinter sich gebracht hatten, gingen sie mit knirschenden Schritten voran, vorbei an Kakteenlandschaften und durch den künstlich schweren Tropendunst. Wieder einmal war es Zeit für Sebastian.
An sich konnte man das nicht einmal Gedanken nennen, eher waren es Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulen Eiern riechenden Fels geschlagen. Damit jonglierte Sebastian. „Es reicht ja schon der moderate Islamismus“ – „Houellebecq, den magst du doch, Unterwerfung.“ – „Nicht gelesen? Stell dir mal vor …“ Zehn Minuten kreisten sie durch den Kakteenpark wie eine Märklinbahn mit Lok und drei Waggons. In sich bleiben, dachte Tillmann. Aber wo war der Trafostecker?
„Nur ein Beispiel.“ Sebastian deutete auf das mexikanische Beet. „Du brauchst ein Treibhaus, sonst wächst das hier nicht. Nur künstlich eben. Wie gesagt, ich hab nichts gegen die. Aber muss sich ja nicht unbedingt vermischen. Deutschland ist kein Gewächshaus.“
Stumm liefen sie hinter ihm her. Noch immer hielt Thessa Tillmanns Arm umklammert, zerrte regelrecht daran. Gemeinsam knirschten und schwitzten und atmeten sie. Und während Sebastian noch weiter ausführte, was er meinte, über sich, Deutschland und die anderen im Allgemeinen zu wissen, fand Tillmann endlich den Trafostecker.

Mit versteckter Neugier und von der anderen Tischseite aus befragte ihn der Polizist mit dem Fleischergesicht. Warum er seinem besten Freund hinterrücks und heimtückisch einen Igelkaktus ins Gesicht gerammt habe, dem Sebastian in – so wörtlich – völliger Schmerzunempfindlichkeit (die Nadeln bohrten sich ja schließlich auch durch die eigene Hand) das Gesicht ausgekratzt, ihn in Tobsucht gebissen, beschimpft und mit einem schmalen Buch eines rechtsextremen Kleinverlages bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt habe. „Nun“, begann Tillmann und sortierte Szene und Gefühle noch einmal in seiner vor Müdigkeit trägen Erinnerung. Er ahnte, dass es auf das Motiv ankommen würde. Letztlich kam es immer auf das Motiv an. „Ich glaube, dass mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“

 

Hallo @Carlo Zwei! Ich habe deinen kurzen Text sehr gerne gelesen. Hat mich amüsiert und hat mir vor allem auch deshalb Spaß gemacht, weil er gekonnt und elegant geschrieben ist. Danke dir dafür. Ich hatte auf jeden Fall großen Spaß.
Unten noch ein paar Anmerkungen.

Viele Grüße
Habentus

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man.
Ein wie ich finde, guter erster Satz, der mich direkt abgeholt hat :)
debil zur Gewächshausdecke starrend
Ich kann dir nicht sagen, warum aber das Wort debil hat mich gestört. Ist aber vielleicht auch einfach Geschmackssache.
Jawohl, die Zeit seiner frühkindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem fünfzehnten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden.
Wieder einer dieser Sätze, die einfach Spaß machen.
Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘.
Da dachte ich, aha, in diese Richtung geht das also. Spannend. Allerdings ist bei mir dann sogleich die Frage aufgekommen (auch den restlichen Text über), ob sich Teenager wirklich in einem derartigen Ton über so etwas unterhalten? Aber gestört hat es mich auch nicht wirklich.
scharfkantige Klumpen aus einem nach faulenden Eiern riechenden Fels geschlagen.
Tja, diese Formulierung hat für mich nicht funktioniert.
„Houellebecq, den magst du doch, Unterwerfung.“ – „Nicht gelesen? Stell dir mal vor
Auch hier wieder. Lesen Jugendliche in solch einem Alter derartige Bücher? Oder bleiben sie für den Anfang vielleicht eher bei den simplen Propagandabroschüren der IB usw. hängen?
„Nun“, begann Tillmann und sortierte Szene und Gefühle noch einmal in seiner vor Müdigkeit trägen Erinnerung.
Ein guter Schluss und wieder einer dieser Sätze, die elegant daher kommen und einfach passen.

 
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Moin @Carlo Zwei,

hier ist dir ein richtiges Kunststück gelungen. Doch gleich vorweg: Ich finde den Titel nicht gelungen, der hat mich doch wirklich erst etwas abgeschreckt: Meine Assoziationen waren, dass es sich wohl um eine ländliche Geschichte handelt oder es möglicherweise um eine surreale Geschichte geht (ich musste hier an den Schafsmann von Haruki Murakami denken).

Ansonsten finde ich die Geschichte von vorne bis hinten ganz fein durchkomponiert. Der erste Satz ist großartig, die Details und feinen Beobachtungen ermöglichen mir als Leser, mich voll auf die Welt einzulassen und dann noch dieser Humor, ich musste während des Lesens mehrfach grinsen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Text noch stärker ist als "Zocker".

Ich gehe im Detail auf meinen Leseeindruck ein:

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man.
Ich lese gerade das Buch "Elements of the writing craft" (danke an dich @jimmysalaryman für die Empfehlung) und meine da eine Technik wiedererkannt zu haben: Fact to Fiction. Du startest mit einem Fakt bzw. einer Wahrheit. Es ist bekannt, von wem der botanische Garten errichtet worden ist. Der Effekt auf mich als Leser ist, dass ich sofort in der Geschichte bin und dem Erzähler vertraue. Es ist ein ähnlicher Effekt wie bei dem Beispiel aus "Elements of the writing craft". War das so intendiert? Oder lese ich hier zu viel rein, weil ich momentan darauf geprimt bin? Deine Antwort interessiert mich brennend. :D

Das Bouquet setzte sich zusammen aus Sukkulenten jeder Form, Farbe und Größe.
Ich bin über diesen Satz gestolpert. Ich habe nichts gegen präzise Wörter, die ich nachschlagen muss. Ganz im Gegenteil: Sie machen für mich Texte interessant und ich sehe es etwas als Salz in der Suppe; eine Prise macht es köstlich, aber zu viel Salz lässt es ungenießbar werden. Was ich sagen will: Ich würde die beiden Worte "Bouquet" und "Sukkulenten" nicht zusammen in einen so kurzen Satz setzen. Bitte versteh das als subjektiven Leseeindruck und nicht als Vorschlag.

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete.
Bei dem Übergang sehe ich auch noch Verbesserungspotential. Ich finde, dass der Anfang 9/10 ist (kleiner Abzug, weil ich über die beiden, für mich, unbekannten Worte gestolpert bin). Für mich kam es dann etwas plötzlich und abrupt, dass Tillmann das alles hasst, aber ich eigentlich keinen Grund dafür bekomme. Der Fokus wird dann auf die Story gelenkt, was mir nicht fließend genug ist. Es liest sich für mich so, dass es zwei unterschiedliche Teile sind, die zwar verbunden sind, aber ich als Leser kann sehen, wie du diese Teile verbunden hast. Kannst du mit diesem Leseeindruck etwas anfangen?

Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen.
Großartig, wie du diese feine Beobachtung mit einfließen lässt. Das gefällt mir und funktioniert für mich. Es verstärkt den Eindruck, dass ich hier etwas besonderes lese.

offenbar, weil sie nach zehn Jahren Freundschaft mit Tillmann Palmen und Sukkulenten noch immer nicht voneinander unterscheiden konnten und das, obwohl einer wie Sebastian für sich beanspruchte, in den großen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen, dem Tod, den er den ‚Schafen‘ wünschte, wortführend zu sein.
Finde es einerseits geschickt, dass du die Sukkulenten noch einmal aufgreifst; hat bei mir ein Gefühl der Zufriedenheit ausgelöst, weil ich es nachgeschlagen hatte und jetzt eben kannte. Andererseits finde ich die ganze Szene urkomisch und musste grinsen. Ich mag diese Art von Humor. Ich konnte nach diesem Satz dann auch deinen Titel nachempfinden, aber das war eben erst nach dem Lesen.

So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich aus einem unerfindlichen Grund selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten.
Ich finde das echt humorvoll, ich musste wieder Grinsen ... :D

Nachdem Gesa Oreschko Tillmann ein Hörspiel von und mit Giulia Enders zugesteckt, sie die Förmlichkeiten also hinter sich gebracht hatten,
... und dann setzt du noch einen drauf. Wenn mich nicht alles täuscht, dann hat Guilia Enders "Darm mit Charme" geschrieben, haha herrlich! Tja die Förmlichkeiten sind definitiv hinter sich gebracht.

In sich bleiben, dachte Tillmann. Aber wo war der Trafostecker?
Finde es geschickt gemacht, dass du die Emotionen hier in seinem Kopf deutlich machst. Ich finde, dass es Tillmann sympathischer macht. Zudem baust du hier das Finale auf: der Trafostecker ist für mich die Überleitung zum Ende. Du säst hier einen Samen, der später zur Pflanze wird.

Und während Sebastian noch weiter ausführte, was er meinte, über sich, Deutschland und die anderen im Allgemeinen zu wissen, fand Tillmann endlich den Trafostecker.
Hat bei mir Spannung ausgelöst: Was genau ist der Trafostecker? Das will ich jetzt als Leser unbedingt wissen.

Warum er seinem besten Freund hinterrücks und heimtückisch einen Igelkaktus ins Gesicht gerammt habe, dem Sebastian in – so wörtlich – völliger Schmerzunempfindlichkeit (die Nadeln bohrten sich ja schließlich auch durch die eigene Hand) das Gesicht ausgekratzt, ihn in Tobsucht gebissen, beschimpft und mit einem schmalen Buch eines rechtsextremen Kleinverlages bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt habe.
Und wieder ein Volltreffer, Mensch @Carlo Zwei: Ich musste schon wieder grinsen. :D Frage mich, ob du einfach nur meinen Humor komplett getroffen hast oder ob das auch andere als so humorvoll erleben. Da bin ich mal gespannt, auf weitere Einschätzungen.

„Ich glaube, das mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“
Hier stört mich noch etwas. Und zwar diese Generalisierung "mit der Freundschaft", wäre es nicht noch etwas präziser, wenn es "mit unserer Freundschaft" heißen würde?


Insgesamt eine top Story, die meiner Einschätzung nach auch eine Empfehlung verdient hätte. Musste mehrfach Grinsen, war beeindruckt von deiner Präzision und ziehe meinen imaginären Hut.

Beste Grüße
MRG

 
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Moin Carlo!

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man.
Starker Einstiegssatz

Die Schaugewächshäuser hingegen waren neu und doch ganz dem „gemischten deutschen Stil“ der späten achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre nachempfunden, wie ein Praktikant, Absolvent eines Freiwilligenjahres oder dergleichen, Besuchern stolz und ungefragt zu erklären wusste. Das Bouquet setzte sich zusammen aus Sukkulenten jeder Form, Farbe und Größe. Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichenen Sand belegter Pfad schlängelte sich vorbei an Kakteenknospen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot.
Ich mag das sehr. Dieser wissende, perfekt informierte Erzähler. Mich erinnert das, auch im folgenden Abschnitt, an Mishimas Stil. Weiß nicht, ob du ihn gelesen hast oder ob das ein subjektives Empfinden von mir ist, weil ich quasi mit ihm sozialisiert wurde, aber der Ton, die Erzählposition, die Kamerafahrt und das Aufziehen des Textes an der Umgebung, die historisch betrachtet und eingeordnet wird, das alles ist sehr ähnlich. Also nur positiv gemeint - da ist natürlich Carlo drin, was sehr viel wert ist, das nur als Referenz.
Es wäre übrigens witzig, wenn du das echt als Persiflage an Mishima geschrieben hättest. Dein Text geht ja in eine, ja, wie soll ich sagen, antifaschistische Richtung letztendlich, Mishima war ja bekennender Royalist

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete.
Von der Sprache her mag ich diesen Satz sehr gerne.
Ich mag auch das Debakel an diesem Satz, an der Szene. Die Einsamkeit, von der du erzählst. Ich denke, das kennen viele, dass man sich mit Leuten abgibt, die man eigentlich gar nicht leiden kann, die mit ihrem Politikgelaber einen auf den Sack gehen und man ärgert sich immer, wenn man sie getroffen hat, aber man tut es immer wieder

Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten debil zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm.
debil würde ich streichen. Die Szene ist sowieso schon witzig. Man versteht auch, dass sie debil an seinem Arm hängt, weil sie Kaugummi kaut und praktisch glotzend nichts sagt. Weniger wäre hier mMn mehr ;)

Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen. Jawohl, die Zeit seiner frühkindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem fünfzehnten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden. Scheiß auf Lenné!
Das finde ich sehr stark. Dieser Schwenk in seine Kindheit. Das klingt verdammt echt.

Nach weiteren zehn Minuten endlich stießen Sebastian und Gesa Oreschko aus dem Palmenhaus dazu, offenbar, weil sie nach zehn Jahren Freundschaft mit Tillmann Palmen und Sukkulenten noch immer nicht voneinander unterscheiden konnten und das, obwohl einer wie Sebastian für sich beanspruchte, in den großen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen, dem Tod, den er den ‚Schafen‘ wünschte, wortführend zu sein.
Haha

Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘.
Hier hätte ich mir Konkretes gewünscht. Ich sage mal, als Youngster unseren Alters und jünger, weiß man, was das ist, in gewissen Bubbles jedenfalls, aber eigentlich weiß man auch nicht, was es damit auf sich hat. Also, das sind Schlagworte, aber konkretisiert, was Sebastian konkret sagt, fände ich es besser.

Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘.
Ich würde statt "er" "Sebastian" schreiben. Scheiße, ich muss dir etwas gestehen. Ich hatte beim ersten Lesen - es kann auch der späten Stunde geschuldet sein - die beiden Figuren durcheinandergebracht beim Lesen. Ich dachte, Tillmann sei der Rechte und Sebastian der andere. Vllt bringt dir diese Rückmeldung was im Bezug darauf, dass man an kleinen Stellen wie hier die Figurenkonstellation deutlicher machen könnte (so gemeint, dass man anstelle des ein oder anderen "er" den konkreten Namen schreiben könnte). Kann aber auch etwas Persönliches von mir sein, dass ich es durcheinandergebracht habe gestern.

Von Semlitsch, Martin Sellner und dem Briten Collett hingegen sprach Sebastian nie oder nur selten und doch war klar wie Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphern, jenen Volksliedgut-deutschen Abgesang auf das in Willkommenskultur ersaufende, gute Deutschland verdankte.
Würde er nicht "Lichtmesz" anstelle von Semlitsch sagen?

So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich aus einem unerfindlichen Grund selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten. So bitter es war: Tillmann musste sich eingestehen, dass er sich ein Leben ohne Freunde schlichtweg nicht vorstellen konnte. Lieber einen Rassisten und Antisemiten und zwei für dessen Ressentiments taubstumme und sowieso gänzlich apolitische Freundinnen als jene Einsamkeit, die ihm blühte – jetzt, da er Lenné mit seinem Tritt nach der Mammillaria endgültig den Laufpass gegeben hatte.
Das klingt sehr echt. Im Sinne von authentisch - schön!

Was Tillmann sich auch unter Denkanstrengungen nie hatte erklären können, war (...) dem Interesse seiner Partnerin – nennen wir sie Thessa – für die geraubte Südseekunst des Rautenstrauch-Joest-Museums.
Hier ist eine Doppeldeutigkeit. Also ich als Leser frage mich hier, ob das Attribut des Geraubten der Südseekunst von Tillmann oder dem Erzähler kommt? In der jetzigen Form dachte ich zuerst, der Erzähler kategorisiert das als geraubt. Dabei ist es ja Tillmanns Sicht, dass diese Dinge eben geraubt sind, und deswegen verachtet er Thessa. Das kommt hier nicht ganz klar raus, mMn, dass das Attribut des Geraubten von Tillmann kommt.

„Es reicht ja schon der moderate Islamismus“ – „Houellebecq, den magst du doch, Unterwerfung.“ – „Nicht gelesen? Stell dir mal vor …“
Finde ich nicht stark und konkret genug - ich würde sogar sagen, das ist beinahe klischeehaft, wie er spricht. Vllt wäre das 2014 wirklich sehr innovativ und neu, aber heute - ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel - klingt das für mich zu sehr nach "Klischee", zu bekannt.
Wenn du hier etwas konkreter werden würdest und etwas klischeefreies, treffendes nehmen würdest anstelle dieser Aussagen, würde das die Szene stark aufwerten, mMn

In sich bleiben, dachte Tillmann. Aber wo war der Trafostecker?
Nee. Also das ist natürlich meine subjektive Meinung, mein Geschmack, aber auch mein Empfinden von kohärenten Stil oder Klamauk. Für mich ist der Trafostecker zu ulkig. Also, davor war der Text schon witzig, die ganze Konstellation, aber da ist auch das Ernsthaftige im Text, im Geschehen, man weiß, es geht um rechts-links, ich denke, jeder kennt diese Situationen, jeder hat alte Freunde oder aktuelle Freunde, wo man sich politisch nicht einig ist ... also im Grunde zeigst du etwas sehr Aktuelles sehr authentisch, greifst den Zeitgeist, es ist auch schon witzig beschrieben und das passt! Das bringt Leichtigkeit und macht Bock. Aber das Ulkige hier ist mir etwas drüber, es ist jetzt kein Totalschaden, versteh es nicht falsch, eine Feinheit, aber für mich bräuchte es diesen "Schenkelklopfer" im Text nicht, ich finde das eher anstrengend und so auf Effekt gesetzt vom Text, als ob du deinem Text an sich nicht vertrauen würdest ... solche "Schenkelklopfer" sind für mich als Leser auch anstrengend, weil ich richtig merke beim Lesen, wie der Text etwas von mir will, LACHE JETZT, und dann will ich natürlich nicht! :D Aber: Nur meine POV!

„Nur ein Beispiel.“ Sebastian deutete auf das mexikanische Beet. „Du brauchst ein Treibhaus, sonst wächst das hier nicht. Nur künstlich halt. Willkommen in Deutschland. Wie gesagt, ich hab nichts gegen die. Aber muss sich ja nicht unbedingt vermischen. Deutschland ist nun mal eben kein Gewächshaus.“
Den Dialog finde ich noch nicht stark genug, um seiner Position - und zwar den Text zu tragen, die Wut aus Tillmann herauszukitzeln und das Dilemma für den Leser sichtbar zu machen - gerecht zu werden.
Wen meint er mit "die"? Das hab ich nicht ganz geblickt.
Für mich ist Sebastian auch kein Hardcore NPD-Rassist. Hier nimmt für mich der Text eine zu einfache Abkürzung. Ich sehe ihn als Identitären. Identitäre würden so etwas Biologistisches - gemäß ihrer eigenen Ideologie - eher nicht von sich geben. Oder meint Sebastian hier, dass sich Kulturen nicht vermischen sollen?
Hier würde ich noch mal nachlegen, Carlo, an dem Dialog

Mit versteckter Neugier und von der anderen Tischseite aus befragte ihn der Polizist mit dem Fleischergesicht. Warum er seinem besten Freund hinterrücks und heimtückisch einen Igelkaktus ins Gesicht gerammt habe, dem Sebastian in – so wörtlich – völliger Schmerzunempfindlichkeit (die Nadeln bohrten sich ja schließlich auch durch die eigene Hand) das Gesicht ausgekratzt, ihn in Tobsucht gebissen, beschimpft und mit einem schmalen Buch eines rechtsextremen Kleinverlages bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt habe. „Nun“, begann Tillmann und sortierte Szene und Gefühle noch einmal in seiner vor Müdigkeit trägen Erinnerung. Er ahnte, dass es auf das Motiv ankommen würde. Letztlich kam es immer auf das Motiv an. „Ich glaube, das mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“
Das Ende ist nicht meins. Das macht den Text eher zu einer Glosse als einer Kurzprosa. Das ist mir zu sehr Slapstick. Ja, dieses Ende gibt deinem Text einen Bogen, einen Anfang und ein Ende, aber das Ende in seiner jetzigen Form kommt mir übertrieben vor - ich spüre den Autor ein wenig zu viel hinter dieser Szene, der will, dass es jetzt noch mal richtig knallt, und zwar auf eine besonders lustige Art.

Ich fände es in Ordnung, wenn die beiden Freunde in eine Schlägerei o.ä. kämen zum Schluss, das bahnt sich ja an, aber ich kann mir vorstellen, dass ohne den witzigen Tonfall und der Übertreibung am Ende der Text besser funktionieren würde. Wenn Tillmann z.B. Sebastian schlägt, und Sebastian fällt in ein Blumenbeet o.ä. und die beiden schlagen sich. Das wäre doch ein perfektes Ende, wieso braucht es den Witz mit dem Kaktus und das humoristische Element des fleischigen Cops? Wenn du das unulkig schilderst, wird das Fiasko der Szene doch gut deutlich und man kann mitfühlen und versteht, was du sagen möchtest.
Ich finde die Sache mit dem Kaktus auch ein wenig unlogisch. Hat er Meth genommen oder wieso spürt er die Stacheln in seiner Hand nicht? :D Das nehme ich dem Text nicht ab. Da möchte der Text noch mal drüber gehen, noch mal was WOAH-mäßiges zeigen. Auf mich hat das den gegenteiligen Effekt. Wenn du hier das Ulkige abbauen würdest, hättest du den besseren Text, meine Meinung

„Ich glaube, das mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“
Neee Carlo, das als letzter Satz ist furchtbar! :D Das klingt wie aus einem belehrenden Witz oder die Moral von der Geschicht, ganz direkt aus dem Mund einer Figur für den Leser gesagt.

Den Anfang fand ich sau stark, im Mittelteil würde ich die "identitären" Aussagen Sebastians noch konkretisieren und das Ende gefällt mir nicht. Mir gefällt das Glossenhafte und Ulkige nicht daran. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu belehrend oder als ob ich die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte, aber mein Eindruck ist, dass du eine Gabe hast, und zwar witzig und locker zu schreiben, und das Witzige und Lockere kannst du vom Text auf deine Leser überspringen lassen, aber - und das ist mein persönlicher Eindruck, ich kann mich natürlich irren - meiner Meinung nach stimmt die Dosierung hiervon noch nicht ganz, in weiten Teilen des Textes stimmt die Dosis Lockerheit und Witz und an ein paar Stellen haust du zu viel davon rein und dann leidet für mich der Text und die Literarizität, und das finde ich schade, weil hier drin für mich ein starker kurzer Text steckt, der an gewissen Stellen einfach überzuckert wurde.

Mann, ich hoffe, du nimmst mir meine ehrlichen Worte nicht übel. Aber wie gesagt, es ist auch nur meine Meinung und du siehst ja an meinen Vorrednern, dass die jetzige Form deiner Story auch gut ankommt. Your choice!

Beste Grüße
zigga

 

„Du brauchst ein Treibhaus, sonst wächst das hier nicht. Nur künstlich halt. Willkommen in Deutschland. Wie gesagt, ich hab nichts gegen die. Aber muss sich ja nicht unbedingt vermischen. Deutschland ist nun mal eben kein Gewächshaus“,
sagt eigentlich alles zum Ende einer Kindergartenfreundschaft zwischen Tillmann und den O. (wobei mir Kleists Geschichte der O. einfällt und meine Weiterver-/bearbeitung hierorts) am 15. Geburtstag T’s samt der Mythen ums „Erb“gut - wenn man sonst nix zu vererben weiß - und schon der Volksmund für solche Flachköpfe weiß »nicht nur die dümmsten Kälber wählen ihre(n) Metzger selber«,

lieber Carlo,

nicht nur Einwanderung - immer wieder ein heißes Thema und latent immer schon vorhanden, aktuell besondere nicht erst seit den Flüchtlingsbewegungen, sondern bereits seit den 60er Jahren (angeworbene, weil Alice im Wirtschafts[wunderland] Arbeitskräfte brauchte), wie zuvor im Zuge der Industrialisierung mit Arbeitskräften aus dem Osten seit dem 2., dem Kaiserrreich … und dann in den 60ern aus dem Süden, anfangs sogar offen angefeindet (als wären sie zur Siesta hergekommen!) – was natürlich nix bedeuten muss zu der zerbrechenden Kinder(garten?)freundschaft am 15. Geburtstag T.s nach zehn Jahren. Mythen ranken sich ums Erbgut – besonders, wenn man nix anderes, nicht mal einen Funken Verstand zu vererben hat – vor allem aber immer – allein schon durch die zentrale Lage bestimmt – „Durch“wanderungsland. Vorurteile haben ihre Funktion – ohne gäbe es im Verkehr wieder mehr Todesopfer.

Eine winzige Fluse

Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichenen Sand belegter Pfad schlängelte sich vorbei an Kakteenknospen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot.
Besser vllt. mit kleiner Umstellung „glatt gestrichener, sandiger Pfad“

Schönen Abend noch und vor allem Gute Nacht!

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber @Habentus ,

danke für deinen Kommentar, der ging ziemlich gut runter ... :gelb:
Freut mich, dass du das mochtest und als 'elegant' empfindest hehe.

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man.
Ein wie ich finde, guter erster Satz, der mich direkt abgeholt hat

Ja, cool. Das haben auch MRG und Zigga hervorgehoben und ist gut zu wissen, wenn was funktioniert.

debil zur Gewächshausdecke starrend
Ich kann dir nicht sagen, warum aber das Wort debil hat mich gestört. Ist aber vielleicht auch einfach Geschmackssache.

ist raus. Genau dieses Wort hat Zigga auch rausgeschrieben ... Zwei Stimmen gegen ein Wort reichen mir da. Diese Erzählart ist ja auch ganz schön hochgestochen, obwohl das durch den Erzähler (der ja schon irgendwie, zumindest in Teilen identisch mit Tillmann ist) nicht wirklich verbürgt wird. Das ist eine Schwäche, die mir hier in der Erzählhaltung bewusst geworden ist. Eigentlich müsste das so ein abgehalfterter Daniel Kehlmann Charakter sein oder eine Figur von Maxim Biller. Andererseits habe ich die Erzählweise insofern legitimiert, als es auch wirklich ein externer Erzähler sein könnte. Es ist so ein Schweben zwischen interner und externer Sichtweise (und damit meine ich nicht, dass der Erzähler streckenweise ein Personaler Erzähler ist). Wenn man böse ist, kann man sagen, es ist ein bisschen unentschieden.

scharfkantige Klumpen aus einem nach faulenden Eiern riechenden Fels geschlagen.
Tja, diese Formulierung hat für mich nicht funktioniert.

Ja, vielleicht überspannt das etwas den Bogen. Hab noch nix Neues, aber bin dran.


Danke Habentus :) war mir eine Freude!
Carlo

----


Lieber @MRG ,

danke auch dir. Du kommentierst ja derzeit wirklich alles, was ich raushaue (und das bei meinem aktuellen Tempo). Dafür danke ich dir sehr. Deine Kommentare geben mir immer etwas. In diesem Fall freue ich mich einfach, dass es dir gefallen hat, will mir aber auch deine Anmerkungen zu Herzen nehmen.

Doch gleich vorweg: Ich finde den Titel nicht gelungen, der hat mich doch wirklich erst etwas abgeschreckt: Meine Assoziationen waren, dass es sich wohl um eine ländliche Geschichte handelt oder es möglicherweise um eine surreale Geschichte geht (ich musste hier an den Schafsmann von Haruki Murakami denken).

hehe, ja, vielleicht etwas irreleitend. Aber Stopp! "Ländliche Geschichte" und "Murakami's Schafsmann" schrecken dich ab??????? Unabhängig davon, dass ich so etwas nicht im Sinn hatte: Wilde Schafsjagd war mein erstes Lieblingsbuch damals :D:D

Ansonsten finde ich die Geschichte von vorne bis hinten ganz fein durchkomponiert. Der erste Satz ist großartig, die Details und feinen Beobachtungen ermöglichen mir als Leser, mich voll auf die Welt einzulassen und dann noch dieser Humor, ich musste während des Lesens mehrfach grinsen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Text noch stärker ist als "Zocker".

Wow, danke für die Nettigkeiten :gelb:

"Elements of the writing craft"

klingt spannend. Hab eigentlich nicht vor, weitere Ratgeberbücher zu kaufen, aber wenn ich so was dann sehe, kribbelts mir schon immer ein bisschen in den Fingern :lol:

Du startest mit einem Fakt bzw. einer Wahrheit. Es ist bekannt, von wem der botanische Garten errichtet worden ist. Der Effekt auf mich als Leser ist, dass ich sofort in der Geschichte bin und dem Erzähler vertraue. Es ist ein ähnlicher Effekt wie bei dem Beispiel aus "Elements of the writing craft". War das so intendiert? Oder lese ich hier zu viel rein, weil ich momentan darauf geprimt bin? Deine Antwort interessiert mich brennend.

Dann will ich dich nicht weiter warten lassen hehe. Nein. Das hat bei mir einen anderen Hintergrund. Und so wie du das schilderst und durchgezogen hast in deiner neuen Story funktioniert das sicher auch gut. Es gibt aber auch Leute (namentlich Wolf Schneider, der selbsternannte deutsche Stilistikpapst – ist er nicht im Geringsten, finde ich) die genau das Gegenteil behaupten. Fang BLOß NICHT mit Allgemeinplätzen an, mit Binsenweisheiten und dergleichen. Du musst verwirren, erstaunen.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich genau dazwischen bzw. liegt sie wahrscheinlich nicht nur am Nord-, sondern jeweils auch am Südpol. Beides dürfte gut funktionieren, wenn es halbwegs straight durchgezogen ist. Lässt sich ja auch jeweils sehr gut begründen.

Edit: jetzt habe ich ganz verpasst, zu schreiben, welchen Hintergrund es denn nun hat. Ich fand es hier gut, erst mal das Setting einzuführen und auch die Erzählposition erst in einem späteren Absatz zu klären. Ich lese so etwas selbst gerne, weil ich erstens ein gutes Bild vom Settin bekomme und zweitens schon so eine Spannung aufgebaut wird, weil man noch nicht weiß: Ich-Erzähler, Er/Sie? etc.

ch bin über diesen Satz gestolpert. Ich habe nichts gegen präzise Wörter, die ich nachschlagen muss. Ganz im Gegenteil: Sie machen für mich Texte interessant und ich sehe es etwas als Salz in der Suppe; eine Prise macht es köstlich, aber zu viel Salz lässt es ungenießbar werden.
Was ich sagen will: Ich würde die beiden Worte "Bouquet" und "Sukkulenten" nicht zusammen in einen so kurzen Satz setzen. Bitte versteh das als subjektiven Leseeindruck und nicht als Vorschlag.

Ja, da habe ich vielleicht etwas übertrieben. Schaue ich mir nochmal an. Vielleicht fällt mir was Gutes ein.

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete.
Bei dem Übergang sehe ich auch noch Verbesserungspotential. Ich finde, dass der Anfang 9/10 ist (kleiner Abzug, weil ich über die beiden, für mich, unbekannten Worte gestolpert bin). Für mich kam es dann etwas plötzlich und abrupt, dass Tillmann das alles hasst, aber ich eigentlich keinen Grund dafür bekomme.
Der Fokus wird dann auf die Story gelenkt, was mir nicht fließend genug ist. Es liest sich für mich so, dass es zwei unterschiedliche Teile sind, die zwar verbunden sind, aber ich als Leser kann sehen, wie du diese Teile verbunden hast. Kannst du mit diesem Leseeindruck etwas anfangen?

Auch das sehe ich ein. Du hast recht. Das könnte geschmeidiger sein. Es ist ein Cut. Könnte aber genauso gut auch ein Kameraschwenk sein, was zur übrigen 'Eleganz' (Habentus :D) passen würde.

Zudem baust du hier das Finale auf: der Trafostecker ist für mich die Überleitung zum Ende. Du säst hier einen Samen, der später zur Pflanze wird.

@zigga mochte das mit dem Trafostecker ja gar nicht. Fand das so schenkelklopfermäßig. Ich meinte das, um ehrlich zu sein, gar nicht mal so witzig. Was man dem aber vorwerfen könnte, ist diese Überstrapazierung dieser Märklin-Eisenbahn-Metapher. Da muss ich schauen, ob mir eventuell eine passable Abänderung einfällt. Zumal mich dann ein bisschen verunsichert, dass es bei dir so gut funktioniert hat. Aber so sind die Lesarten eben auch persönlich.

„Ich glaube, das mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“
Hier stört mich noch etwas. Und zwar diese Generalisierung "mit der Freundschaft", wäre es nicht noch etwas präziser, wenn es "mit unserer Freundschaft" heißen würde?

Ja, das könnte ich auch nochmal überarbeiten. Ich mag daran, dass es dadurch so etwas wie eine Pointe ist (was Zigga ebenfalls furchtbar findet, was ich auch irgendwo verstehen kann). Es ist halt ein sehr kurzer Text, der sich viel zu erzählen vornimmt.

Insgesamt eine top Story, die meiner Einschätzung nach auch eine Empfehlung verdient hätte. Musste mehrfach Grinsen, war beeindruckt von deiner Präzision und ziehe meinen imaginären Hut.

Noch so ein steiles Kompliment :D tausend Dank. Hat mir den Tag versüßt.

Viele Grüße und hab einen schönen Abend!
Carlo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Carlo Zwei :-)

ja, mir hat dein neuer Text auch sehr gut gefallen. Dieser antiquierte Stil, mit dem du den rechtspopulistischen Ernst entlarvst. Kann ich dir irgendwas mitgeben? Nö. Ich hatte aber Lust auf eine etwas präzisere Textarbeit. Auch zur eigenen Übung. Wortkrieger.de scheint gelegentlich zu einer Inhaltswerkstatt denn Textwerkstatt zu neigen. Ich versuche mit diesem Kommentar, diese Neigung nano-haft zu korrigieren. Kritisch sehe ich aber das Ende. Ich denke, du übertreibst hier etwas. Aber dazu später mehr.

Stellensuche:

Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man. Die Schaugewächshäuser hingegen waren neu und doch ganz dem „gemischten deutschen Stil“ der späten achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre nachempfunden, wie ein Praktikant, Absolvent eines Freiwilligenjahres oder dergleichen, Besuchern stolz und ungefragt zu erklären wusste.
Aus reinem Interesse an den Anführungszeichen: Warum 'Flora', aber "gemischter deutscher Stil"?

"späten achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre" - bedeutet das 1867-1869 und 1877-1879? Vielleicht verwendest du besser zur Reichsgründung oder in der Zeit der Reichsgründung oder im frühen Kaiserreich

"stolz und ungefragt" - könntest eines streichen.

Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichenen Sand belegter Pfad schlängelte sich vorbei an Kakteenknospen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot.
Vlt Prädikat trennen? "schlängelte sich an Kakteenknospem [...] vorbei."

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete.
Hm, denke, du wolltest mit dem Indefinitpronomen einen antiquierten Stil nachahmen. Kann man natürlich kritisieren, denn Tillmann wartet auf Sebastian und Gesa.

"Nun bereits" könnte gestrichen werden.

Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm.
Vlt "Die Gründe/Ursache ihrer Verbindung waren Tillmann nicht bekannt/unbekannt"
Vlt "umklammerte Kaugummi kauend seinen Arm. Sie starrte zur Gewächshausdecke. Gebrochenes Licht fiel auf ihr dummes Gesicht."

Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen. Jawohl, die Zeit seiner frühkindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem fünfzehnten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden. Scheiß auf Lenné!
Vlt "unbemerkt" streichen, dann: "Die Mammillaria beugte sich unter Tillmann Sneaker. Tillman seufzte. Jawohl ..."

Frühkindlich -> er ist fünfzehn, frühkindlich wäre Säuglingsalter, vielleicht reicht ein einfaches "kindlich"

Scheiß auf Lenné!
Voll gut!

Nach weiteren zehn Minuten endlich stießen Sebastian und Gesa Oreschko aus dem Palmenhaus dazu, offenbar, weil sie nach zehn Jahren Freundschaft mit Tillmann Palmen und Sukkulenten noch immer nicht voneinander unterscheiden konnten und das, obwohl einer wie Sebastian für sich beanspruchte, in den großen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen, dem Tod, den er den ‚Schafen‘ wünschte, wortführend zu sein.
Ich denke, ein langer erster Satz zu jedem Absatz passt sehr gut und erzeugt eine 19th-century-feeling. Danach könntest du Adverbien sparsamer einsetzen.

Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘. „Wir sind die Saat und sie die Schafe“. Von Lichtmesz, Martin Sellner und dem Briten Collett hingegen sprach Sebastian nie oder nur selten und doch war klar wie Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphern, jenen Volksliedgut-deutschen Abgesang auf das in Willkommenskultur ersaufende, gute Deutschland verdankte.
"Großer Austausch" oder "großer Austausch"? Ist ja ein Eigennanme.

Vlt "diesem Schuldkult"

"nie oder nur selten", vlt eines streichen?

"volksliedgut-deutschen" oder "Volksliedgut-deutschen"? Bin mir unsicher! Laut Duden müsste es aber "volksliedgut-deutschen" heißen. Glaube ich!

So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich aus einem unerfindlichen Grund selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten
Hier wertest du als Autor "verachtenswürdiger" ... "unerfindlich", ist mir nur aufgefallen.

Loyalität - eigentlich beantwortest du den unerfindlichen Grund mit der Freundschaft zwischen Tillmann und Sebastian.

Vlt statt "überredete" "anhielt"?

Was Tillmann sich auch unter Denkanstrengungen nie hatte erklären können, war die bedingungslose, nahezu blinde Toleranz Sebastians gegenüber Gesa Oreschkos Wursthaaren und dem Interesse seiner Partnerin – nennen wir sie Thessa – für die geraubte Südseekunst des Rautenstrauch-Joest-Museums.
Haha, voll krasses Kinderbürgerbildungstum. Lass mich raten: Thessas Vater Chefarzt auf der Chirurgie und die Eigentumswohnung in Heidelberg ("du sollst ruhig Jura studieren") bereits in der Finanzplanung? *sarkasmus ätzender art*

Wieder einmal war es Zeit für Sebastian.
Hier bestimmt die Zeit, vlt sollte Sebastian bestimmen - drückt Elan, Interesse, Impuls aus.
Kakteenlandschaften und durch den künstlich schweren Tropendunst.
VKF (Vegetationsklimatischer Fehler): Tropendunst suggeriert hohe Luftfeuchtigkeit, Kakteen brauchen niedrige Luftfeuchtigkeit (klinge wie ein Klugsch****, aber die Formulierung Vegetationsklimatischer Fehler gefiel mir so gut!)

An sich konnte man das nicht einmal Gedanken nennen, eher waren es Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulenden Eiern riechenden Fels geschlagen.
Vlt einfach "faulen Senfeiern riechenden Fels"?
Damit jonglierte Sebastian.
Bin mir unsicher, "damit" bezieht sich auf eine Mehrzahl im Vorsatz (Versatzstücke, Gedanken), scheint eher selten benutzt zu werden (Duden bleibt unklar)
Zehn Minuten kreisten sie durch den Kakteenpark wie eine Märklinbahn mit Lok und drei Waggons.
Fantastisches Bild.

*smile*

Andererseits ein sehr friedliche, spielerische und harmlose Metapher für den knallharten politischen Konflikt im Text.

EHP (eisenbahnhistorische Präzisierung): Bei der Märklinlok wird es sich um eine klassische America-Lokomotive handeln.

Wie gesagt, ich hab nichts gegen die.
Apostroph bei hab'.
Gemeinsam knirschten und schwitzten und atmeten sie. Und während Sebastian noch weiter ausführte, was er meinte, über sich, Deutschland und die anderen im Allgemeinen zu wissen, fand Tillmann endlich den Trafostecker.
Hm, so gemeinsam wirken die Figuren nicht, politisch stehen sie 180° gedreht.

Vlt "was er zu glauben meinte, über sich, Deutschland und der restlichen, sehr fernen Welt, fand Tillmann den Ausgang / den Hausmeister. 'Feierabend. Raus hier. Genug botaniert, ihr Gurken.'"

"Trafostrecker" könntest du streichen.

Mit versteckter Neugier und von der anderen Tischseite aus befragte ihn der Polizist mit dem Fleischergesicht. Warum er seinem besten Freund hinterrücks und heimtückisch einen Igelkaktus ins Gesicht gerammt habe, dem Sebastian in – so wörtlich – völliger Schmerzunempfindlichkeit (die Nadeln bohrten sich ja schließlich auch durch die eigene Hand) das Gesicht ausgekratzt, ihn in Tobsucht gebissen, beschimpft und mit einem schmalen Buch eines rechtsextremen Kleinverlages bis zur Besinnungslosigkeit verprügelt habe.

Du könntest das Ende abspecken. Hier übertreibst du etwas, denke ich. Besser wäre eine kleine, elegante Geste, auch passend zum eleganten, antiquierten Stil. Sowas wie "Dass Sebastian ausgerechnet an Tilllmanns Geburtstag unter großem Zufall auf das Prachtexemplar einer sudanesischen Haifischklette fiel - was eine toxikologische Behandlung im Sankt-Rochus-Hospital erforderte - überraschte Tillmann nicht. Seine Sneaker quietschten auf dem Krankenhausboden, in der linken Hand hielt er das ehemalige Geschenk. Im weißen Zimmer schlief der Sebastian. Vorsichtig schritt Tillmann zum Bettende, hob die Bettdecke an, legte das Büchlein zwischen die hornigen Füße, Klumpen wie ein Menschenschwein, nicht ohne an die neue Widmung zu denken: Deutsche Pflanzen beißen nicht."

Aber vlt ist das auch zu albern (diese große Kunst, einen Witz wirklich witzig zu schreiben ist mir gnadenlos abgegangen. Ich denke, der humorvolle Textversuch ist der mutigste von allen. Nie wird es einen un-mutigeren geben. Man kann immer ernst sein, der schlechte Witz tötet den Patienten sozial).

Das war's!

Lg von einer dunkelroten Insel im hellblauen Ozean,
mit gelegentlicher Linksseitenlage,
denn die Lina trägt einen Kieselstein zu ihr
was all jene erzürnt,
die in Linksseitenlage weder schwimmen noch basteln können,
soll'n mal arbeiten gehen! die blaulenzer! so! pfui!
kiroly

 

@Habentus , @MRG , @zigga , @Friedrichard , @kiroly ,

Bevor ich euch, Friedrichard und Kiroly und Zigga ausführlich antworte, ein kurzes Anpingen. Ich habe den Text jetzt einmal vollständig überarbeitet. Habentus und MRG euch pinge ich auch an, weil ihr den Text in seiner alten Form ja besonders mochtet – es wäre natürlich toll, wenn das immer noch der Fall wäre. Sonst müsste ich wahrscheinlich darüber nachdenken, ob ich ihn nur für bestimmte Leute/Lesarten umgeschrieben habe :D Beim Titel jedenfalls, MRG, habe ich auch an deine Forderung gedacht.

Schon mal kurz vorab (eine ergänzende Antwort folgt die Tage!):

@zigga , (auch @kiroly ) vielen Dank für diesen sehr guten, ausführlichen Leseeindruck. Habe dir ja schon geschrieben. Am Dialog und am Schluss habe ich am meisten geschraubt. Ob man so ein Thema wirklich in fünfeinhalbtausend Zeichen tief behandeln kann, bleibt eine offene Frage. Und klar, die Suche nach den treffenden, alles verkörpernden Beobachtungen gestaltet sich denkbar schwierig. Ich habe den ersten Dialogpart jetzt mal ganz gestrichen und den zweiten dialogisch aufgebaut. Ein wenig Klischeegefahr besteht in der Verkürzung vielleicht, aber ich denke, die Form des Streitgesprächs und auch ein Zugeständnis an Intelligenz geben dem ein bisschen mehr Tiefe. Das Ende ist nicht ohne Knalleffekt, aber mit etwas weniger Konfetti schon und vor allem komplett umgestaltet (nach Kirolys Idee).

@kiroly Bevor ich noch auf deine vielen, sehr schönen Einzelhinweise und kirolyischen Bemerkungen im Einzelnen eingehe, nur so viel oder wenig, dass da jetzt (vor allem im Ende) wirklich ein gutes Portiönchen Kiroly mit drinsteckt. Was mich auf die Idee gebracht hat, dass man eigentlich mal so Texte in Ko-Autorschaft schreiben könnte :gelb:
Danke jedenfalls für die Ideen. Bin gespannt, was du zu dem Ende denkst.

@Friedrichard dich habe ich nicht vergessen. Der Fluse ausgerechnet, bin ich aber noch nicht Herr geworden .. habe deinen Gedanken dennoch sehr gern gelauscht und schreibe dir noch ausführlicher etwas dazu.

Vielen Dank und viele Grüße euch allen!

 

Hallo @Carlo Zwei,

ich finde den Text nach wie vor stark, allerdings fand ich die erste Version besser, da fand ich das Ende frischer und irgendwie auch lustiger (das kann allerdings auch wirklich nur an meinem eigenen Lesegeschmack liegen).

Aber Stopp! "Ländliche Geschichte" und "Murakami's Schafsmann" schrecken dich ab??????? Unabhängig davon, dass ich so etwas nicht im Sinn hatte: Wilde Schafsjagd war mein erstes Lieblingsbuch damals :D:D
Bin ein riesen Murakami Fan, hab alles, was es von ihm auf Deutsch gibt, gelesen. Habe aber schnell die Sorge (und die hatte ich bei dem Titel auch), dass es eine Kopie wird.

Wilde Schafsjagd fand ich ganz gut, aber es hat mich nicht so extrem überzeugt. Mir hat am besten 1Q84 Band 1&2 gefallen. :D

Hab eigentlich nicht vor, weitere Ratgeberbücher zu kaufen, aber wenn ich so was dann sehe, kribbelts mir schon immer ein bisschen in den Fingern :lol:
Ist auf jeden Fall nicht so einfach zu lesen, dafür allerdings extrem intensiv und es gibt am Ende immer kleine Übungen, die mich momentan zum Experimentieren inspirieren.

Fang BLOß NICHT mit Allgemeinplätzen an, mit Binsenweisheiten und dergleichen. Du musst verwirren, erstaunen.
Die Wahrheit liegt wahrscheinlich genau dazwischen bzw. liegt sie wahrscheinlich nicht nur am Nord-, sondern jeweils auch am Südpol. Beides dürfte gut funktionieren, wenn es halbwegs straight durchgezogen ist. Lässt sich ja auch jeweils sehr gut begründen.
Ja, es gibt wahrscheinlich nicht die eine Formel, die dafür sorgt, dass ein Text funktioniert oder nicht. Da muss ich mich auch noch drauf einstellen, wichtig ist wohl, dass die Gesamtkomposition stimmt.

Edit: jetzt habe ich ganz verpasst, zu schreiben, welchen Hintergrund es denn nun hat. Ich fand es hier gut, erst mal das Setting einzuführen und auch die Erzählposition erst in einem späteren Absatz zu klären. Ich lese so etwas selbst gerne, weil ich erstens ein gutes Bild vom Settin bekomme und zweitens schon so eine Spannung aufgebaut wird, weil man noch nicht weiß: Ich-Erzähler, Er/Sie? etc.
Kann ich gut nachvollziehen und dir auch die Rückmeldung geben, dass es für mich sehr gut funktioniert hat (wie schon im ersten Kommentar geschildert).

Zumal mich dann ein bisschen verunsichert, dass es bei dir so gut funktioniert hat. Aber so sind die Lesarten eben auch persönlich.
Wahrscheinlich ist das auch der Grund, weshalb ich die erste Version noch etwas stärker fand.

Wünsche dir einen schönen Sonntag und finde cool, dass du auch gerne Murakami liest. :D

Beste Grüße
MRG

 

Yo @zigga ,

nochmal tausend Dank für deinen Kommentar. Kannst du davon nicht mal ein Copywrite machen (wenn Challenge wieder ist) und den dann genau so gestalten :D meine ich ernst. Ich sehe den Text, von dem du sprichst. Und ich habe versucht, da von hier aus hinzukommen. Aber das hat für mich nicht geklappt. Es war dieses Gefühl von: der Text verliert seine Substanz, wird mehr und mehr Gerüst. Ich hasse das :bonk: Ich weiß dann schon immer (oder glaube zu wissen), dass aus dem Text so nix Gutes werden kann. Bzw. wird mir klar, dass der Text wie er ist, einfach nur bei manchen funktioniert und gerade nicht zum Beispiel bei einem Zigga hehe. Wie bei diesem Wörterbörse-Text, den AWM so kitschig und schlimm fand. Genau diesen Eindruck habe ich hier auch. Den, dass ich es nicht geändert kriege. Hast du die überarbeitete Version gelesen? Falls nicht und falls Zeit/Interesse, schicke ich sie dir gerne rum. Da habe ich den Dialog und das Ende abgeändert. Danach war der Text aber irgendwie lasch, gefühlt. Ich glaube, er kann genau nur so, wie du ihn auch beschreibst, als eine leicht platte Glosse funktionieren. Ich finde das an sich auch okay. Es ist nicht: eine schlechte, leicht platte Glosse, sondern eine gute, leicht platte Glosse. Glosse hat immer ein bisschen was Plattes, oder? Ach, weiß auch nicht.

Ich mag das sehr. Dieser wissende, perfekt informierte Erzähler. Mich erinnert das, auch im folgenden Abschnitt, an Mishimas Stil. Weiß nicht, ob du ihn gelesen hast oder ob das ein subjektives Empfinden von mir ist, weil ich quasi mit ihm sozialisiert wurde, aber der Ton, die Erzählposition, die Kamerafahrt und das Aufziehen des Textes an der Umgebung, die historisch betrachtet und eingeordnet wird, das alles ist sehr ähnlich.

In irgendeinem Kommentar (vielleicht vor zwei Jahren) hast du mal erwähnt, dass du Mishima feierst – ich hab das nur still irgendwie mitgelesen, war aber interessiert, bin in die Bücherei und hab mir einen Band mit Kurzgeschichten ausgeliehen und eine gelesen. Hat mir gefallen – trotzdem habe ich nur eine Story verschlungen. Jedenfalls kenne ich Mishima durch dich, auch wenn du davon bisher nix wusstest :D
Es ehrt mich, dass du den Erzählton mit dem so eines Giganten vergleichst. Aber an Mishima habe ich tatsächlich nicht gedacht. Manchmal ist es einfach was Lustvolles in diesem süffisanten Ton zu schreiben, es lädt dann durch die Distanz fast immer zu Humor ein. Ich denke da an Maxim Biller und Daniel Kehlmann, aber auch Kracht (manchmal). Ich habe sowas lange nicht mehr geschrieben, weil es mir oft irgendwie abgehoben erschien und auch weil es natürlich, wenn es gut sein soll, sehr schwierig ist. Aber ich habe auch das Gefühl, dass das für viele eine große Lesefreude darstellt. Und wenn es meinem Ansatz nicht zu arg im Weg steht, warum sollte ich nicht mal wieder so eine Form wagen, habe ich mir gedacht. Die Gefahr ist halt, dass das in der Distanz stecken bleibt. Nun läuft so ein kurzer Text, glaube ich, grundsätzlich nicht Gefahr, irgendwo stecken zu bleiben, so schnell wie er runtererzählt ist; aber aus meiner Distanz ist auch eine Distanz zum Erzählten geworden. Ich finde das hier dennoch durchaus machbar. Trotzdem erscheint es mir auch, dass das allen großen Freunden und Liebhabern des Authentischen missfällt. Vielleicht rede ich mich nur raus und man könnte diesen Dialog und das Ende sehr wohl verlustfrei umschreiben. Mir ist es, zumindest bei einem ersten größeren Versuch, nicht gelungen. Der Meister würde wahrscheinlich sagen: ein Versuch? Bist du wahnsinnig? Nach einhundert weiteren kannst du anfangen zu jammern ...

Es wäre übrigens witzig, wenn du das echt als Persiflage an Mishima geschrieben hättest.

Ja. Ein bisschen nerdig, aber ich wär dabei :D

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete.
Von der Sprache her mag ich diesen Satz sehr gerne.
Ich mag auch das Debakel an diesem Satz, an der Szene. Die Einsamkeit, von der du erzählst. Ich denke, das kennen viele, dass man sich mit Leuten abgibt, die man eigentlich gar nicht leiden kann, die mit ihrem Politikgelaber einen auf den Sack gehen und man ärgert sich immer, wenn man sie getroffen hat, aber man tut es immer wieder

cool, dass du da anknüpfen konntest. Ich denke, das geht auch in klein, also auch bei Leuten, wo es um viel unverfänglichere Sachen geht. Ich weiß jedenfalls aus eigener Erfahrung, dass einen so ziemlich alles an einem Menschen nerven kann. Was mich wiederum gelehrt hat, dass man allen (und sich selbst selbstverständlich auch) Unperfektheiten zugestehen sollte. Aber klar gibt es Grenzen, die überschritten werden können. Und natürlich gibt es Charaktere, die einfach nicht zusammenpassen (obwohl die doch bekanntlich für alle Formen von Liebesbeziehungen prädestiniert sind hehe :D).

Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten debil zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm.
debil würde ich streichen. Die Szene ist sowieso schon witzig. Man versteht auch, dass sie debil an seinem Arm hängt, weil sie Kaugummi kaut und praktisch glotzend nichts sagt. Weniger wäre hier mMn mehr

ich habe jetzt in einer halben Kurzschlussaktion auch das wieder zurückgenommen, obwohl ich es als eine der ersten Sachen geändert hatte. Das ist einfach aus exakt demselben Holz wie das übertriebene Ende. Und wenn das wieder reinkommt, muss dieses 'debil' da auch rein. Ich fürchte, es ist einer dieser Texte, die sich mit hochrotem Kopf aufregen und dabei leider auch übers Ziel hinausschießen. Gerade denke ich irgendwie: das muss so.

Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen. Jawohl, die Zeit seiner frühkindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem fünfzehnten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden. Scheiß auf Lenné!
Das finde ich sehr stark. Dieser Schwenk in seine Kindheit. Das klingt verdammt echt.

Danke dir. Freue mich immer, sowas von dir zu hören :D letztes Mal, wo ich mich ad hoc erinnere, eine Stelle im Twiggy-Text – das wo sie dem Prot von ihren Freunden und der Schimmelmatratze erzählt.

Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘.
Hier hätte ich mir Konkretes gewünscht. Ich sage mal, als Youngster unseren Alters und jünger, weiß man, was das ist, in gewissen Bubbles jedenfalls, aber eigentlich weiß man auch nicht, was es damit auf sich hat. Also, das sind Schlagworte, aber konkretisiert, was Sebastian konkret sagt, fände ich es besser.

Das ist richtig. Und es geht ja eigentlich auch in die Richtung von dem hier:

„Es reicht ja schon der moderate Islamismus“ – „Houellebecq, den magst du doch, Unterwerfung.“ – „Nicht gelesen? Stell dir mal vor …“
Finde ich nicht stark und konkret genug - ich würde sogar sagen, das ist beinahe klischeehaft, wie er spricht. Vllt wäre das 2014 wirklich sehr innovativ und neu, aber heute - ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel - klingt das für mich zu sehr nach "Klischee", zu bekannt.
Wenn du hier etwas konkreter werden würdest und etwas klischeefreies, treffendes nehmen würdest anstelle dieser Aussagen, würde das die Szene stark aufwerten, mMn
In sich bleiben, dachte Tillmann. Aber wo war der Trafostecker?
Nee. Also das ist natürlich meine subjektive Meinung, mein Geschmack, aber auch mein Empfinden von kohärenten Stil oder Klamauk. Für mich ist der Trafostecker zu ulkig.
Das Ende ist nicht meins. Das macht den Text eher zu einer Glosse als einer Kurzprosa.
Das wäre doch ein perfektes Ende, wieso braucht es den Witz mit dem Kaktus und das humoristische Element des fleischigen Cops? Wenn du das unulkig schilderst, wird das Fiasko der Szene doch gut deutlich und man kann mitfühlen und versteht, was du sagen möchtest.
„Ich glaube, das mit der Freundschaft ist einfach nicht das Richtige.“
Neee Carlo, das als letzter Satz ist furchtbar! :D Das klingt wie aus einem belehrenden Witz oder die Moral von der Geschicht, ganz direkt aus dem Mund einer Figur für den Leser gesagt.
„Nur ein Beispiel.“ Sebastian deutete auf das mexikanische Beet. „Du brauchst ein Treibhaus, sonst wächst das hier nicht. Nur künstlich halt. Willkommen in Deutschland. Wie gesagt, ich hab nichts gegen die. Aber muss sich ja nicht unbedingt vermischen. Deutschland ist nun mal eben kein Gewächshaus.“
Den Dialog finde ich noch nicht stark genug, um seiner Position - und zwar den Text zu tragen, die Wut aus Tillmann herauszukitzeln und das Dilemma für den Leser sichtbar zu machen - gerecht zu werden.
Für mich ist Sebastian auch kein Hardcore NPD-Rassist. Hier nimmt für mich der Text eine zu einfache Abkürzung.
Den Anfang fand ich sau stark, im Mittelteil würde ich die "identitären" Aussagen Sebastians noch konkretisieren und das Ende gefällt mir nicht. Mir gefällt das Glossenhafte und Ulkige nicht daran.

Deswegen, denke ich, du solltest den Text umschreiben :p. Dabei hast du ja schon die Story "la dottrina del fascismo" geschrieben (wie das klingt). Ich glaube, dieser Text fleddert auseinander, wenn ich das tue; auch wenn es hinterher sicher der bessere Text wäre – wenn ich ihn denn so geschrieben bekäme. In dieser Form halte ich ihn nicht für einen für diese Art von Änderung gemachten Text. Der ist ja so schon arg verdichtet. So viel anderes ließe das auseinanderbrechen und wenn ich nur stellenweise reingehe, hätte der Text nicht die Kohärenz. Dann müsste ich ihn neu schreiben und gleich so anlegen. Eigentlich schwebte mir auch so etwas vor. Ich hatte ein ganz vages Erzählziel: Tillmann ist mit seiner Freundin Thessa im Gewächshaus und traut sich seinen ‚Freunden‘ einen Spiegel vorzuhalten. – Mehr nicht.
Ich glaube, dass dieser starke Drive, diese Übertreibung sich für mich aus dem Erzählton und dem Humor, der da drin steckt, dieses Übertriebene, dass sich das daraus ergibt; gleich im ersten Satz und Absatz diese eigentlich schon geschmacklose Fülle an Adjektiven und Adverben; erster Satz: ... stramm kampfeslustig.
Ich meine, das ist ja schon drüber. Du sagst Mishima. Aber es ist schon auch einfach quatschig.

Vom ‚großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘.
Ich würde statt "er" "Sebastian" schreiben. Scheiße, ich muss dir etwas gestehen. Ich hatte beim ersten Lesen - es kann auch der späten Stunde geschuldet sein - die beiden Figuren durcheinandergebracht beim Lesen. Ich dachte, Tillmann sei der Rechte und Sebastian der andere.

Da bin ich noch dran. Vielleicht liegt es auch an den Namen. Weil sie so aus sich selbst heraus recht wenig erzählen.

Von Semlitsch, Martin Sellner und dem Briten Collett hingegen sprach Sebastian nie oder nur selten und doch war klar wie Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphern, jenen Volksliedgut-deutschen Abgesang auf das in Willkommenskultur ersaufende, gute Deutschland verdankte.
Würde er nicht "Lichtmesz" anstelle von Semlitsch sagen?

Schon eigentlich. Andererseits nennt er sie hier auch alle bürgerlich. Ist vielleicht so eine Art Konstruktion, mit der schon eher der Text sagt: ist mir egal, dass du dich Lichtmesz nennen willst – oder – deshalb nenne ich dich erst recht nicht so. O, o, o. Wenn der Autor in einer Laune schon so anfängt zu cheaten, ist das eigentlich ein Zeichen, dass man es eher mit einem Plakat, als mit einem Gemälde zu tun hat.

Was Tillmann sich auch unter Denkanstrengungen nie hatte erklären können, war (...) dem Interesse seiner Partnerin – nennen wir sie Thessa – für die geraubte Südseekunst des Rautenstrauch-Joest-Museums.
Hier ist eine Doppeldeutigkeit. Also ich als Leser frage mich hier, ob das Attribut des Geraubten der Südseekunst von Tillmann oder dem Erzähler kommt?

Dieser Erzähler ist schon recht unentschlossen.

So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich aus einem unerfindlichen Grund selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten. So bitter es war: Tillmann musste sich eingestehen, dass er sich ein Leben ohne Freunde schlichtweg nicht vorstellen konnte. Lieber einen Rassisten und Antisemiten und zwei für dessen Ressentiments taubstumme und sowieso gänzlich apolitische Freundinnen als jene Einsamkeit, die ihm blühte – jetzt, da er Lenné mit seinem Tritt nach der Mammillaria endgültig den Laufpass gegeben hatte.
Das klingt sehr echt. Im Sinne von authentisch - schön!

Danke dir!

ber mein Eindruck ist, dass du eine Gabe hast, und zwar witzig und locker zu schreiben, und das Witzige und Lockere kannst du vom Text auf deine Leser überspringen lassen, aber - und das ist mein persönlicher Eindruck, ich kann mich natürlich irren - meiner Meinung nach stimmt die Dosierung hiervon noch nicht ganz, in weiten Teilen des Textes stimmt die Dosis Lockerheit und Witz und an ein paar Stellen haust du zu viel davon rein und dann leidet für mich der Text und die Literarizität, und das finde ich schade, weil hier drin für mich ein starker kurzer Text steckt, der an gewissen Stellen einfach überzuckert wurde.

Danke für die Blumen. Und ja, ich denke, dass du da den Finger in die Wunde legst. Zurückhaltung ist das meist die Antwort. Vielleicht bin ich auch etwas frustriert, dass ich gerade keine Zeit fürs Längere habe und muss das irgendwie in Texten rausknallen :D

Ich danke dir, Zigga, für den wieder mal tollen Kommentar. Hab einen schönen Abend und wir schreiben!
Carlo

 

@Carlo Zwei

Hey! :D Die andere Version hab ich tatsächlich gelesen, aber schick sie mir bitte noch mal. Du könntest die erneute Version auch als Spoiler o.ä. in deinem Kommentar packen, falls noch andere was zu sagen wollen :p

Copywrite - haha. Wenn es das Schicksal so will und ich dich ziehe, mach ich das. Ich hab übrigens nie gesagt, dass ich das alles umsetzen könnte! :D Es ist verdammt tricky.

Trotzdem - oder gerade deswegen (um mal im Sprech deiner Story zu bleiben! :D) - hab ich nach meinem Kommentar noch eine Idee für deinen Dialog gehabt. Ich hoffe, das geht klar, dass ich dir das ausschreibe. Ist nur eine Idee. Ich versuche, das konkreter zu zeigen bzw. zu sagen, was Sebastian sagt, ein wenig "deeper" in der Materie, in der Hoffnung, es wirkt origienell oder noch nicht ganz so oft gehört. Nimm dir mit, was du brauchst. Wenn du ohnehin die ältere Version behalten willst und nicht mehr daran arbeiten willst, ist es auch kein Problem. Jemand anderen eine Story zu "schreiben" ist halt so eine Sache mit einem Gschmäcklä, wie man hier sagt. Es ist und bleibt dein Text mit deiner Vision, ich will nicht auftreten, als ob ich das alles besser könnte. Aber weil du sehr interessiert klangst oder als Inspiration/Ausführung, wie ich Konkreteres meine, haue ich dir den Teil kurz hier rein:

An sich konnte man das nicht einmal Gedanken nennen, eher waren es Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulen Eiern riechenden Fels geschlagen. Damit jonglierte Sebastian. „Es gibt keinen politischen Islam – der Islam an sich ist politisch. Die Kategorisierung in Islam und Islamismus ist eine westliche Erfindung des 20. Jahrhunderts. Der Islam sagt: ad-daula al-islāmīya – Der Islam ist Religion und Staat!“ – „Wieso sind die meisten europäischen Islamexperten islamkritisch?“ Zehn Minuten kreisten sie durch den Kakteenpark wie eine Märklinbahn mit Lok und drei Waggons. In sich bleiben, dachte Tillmann.
„Nur ein Beispiel.“ Sebastian deutete auf das mexikanische Beet. „Gesellschaften sind natürlich gewachsene Biotope. Was uns zusammenschweißt, sind kollektive Erfahrungen. Und die Erkenntnisse, die wir daraus gezogen haben. Nimm Luther, den Dreißigjährigen Krieg, den NS-Staat oder den Mauerfall: Toleranz, starke Bürgerrechte und friedlicher Protest. Dadurch sind wir als Volk, wer wir sind. Auch, wenn wir keine biologisch homogene Rasse sind. Aber jede Migration anderer Werte und kollektiver Erfahrungsschätze sind gesellschaftlicher Sprengstoff. Der uns über kurz oder lang in die Krise stürzen wird.“

Ja witzig, dass du dir was von Mishima gezogen hast. Schreib mir mal, welcher Storyband das war? Tod im Hochsommer ist genial. Ich hab aber auch nicht alles von Mishima gelesen, und viele können auch nichts mit anfangen.

Griasle!
zigga

 

Lieber @Carlo Zwei

Eine kleine Tüte Senf von meiner Seite. (Dass ich bisher nicht kommentiert habe, heisst nicht, dass ich deine Entwicklung nicht weiterhin interessiert mitverfolge.)
Irre ich mich, oder hattest du mal noch eine Version drin, in der du den Dialog ausführlicher gestaltet hast, das Wort "Nazi" kam auch drin vor. Das fand ich eine ziemliche Verschlimmbesserung. Auf der anderen Seite verstehe ich @zigga sehr gut, wenn er meint, das müsste "deeper" sein.
Das Problem liegt meiner Meinung nach auf einer anderen Ebene, nämlich darin, dass ein "realistischer" Dialog - egal, wie genau er gestaltet ist - aus dem Duktus der Erzählung heraussticht und zwar auf eine ästhetisch unangenehme Weise. Der Rest ist so, wie soll ich sagen, eingebettet in Sprache, etwas gewunden, leicht ironisch und witzig und auf alle Fälle sehr elaboriert. Da fällt die Sprache des Dialogs einfach ab, finde ich. Wie wäre es, wenn du den Dialog in indirekte Rese und damit auch in elegantere, raffiniertere Sprache auflöst? Da kannst du auch Zwischenbemerkungen einfügen, mit dem Inhalt spielen, der ansonsten im Dialog eher entblösst und direkt und damit auch etwas plump wirkt. In dieser Form könntest du das Gesagte vielleicht auch inhaltlich etwas ausweiten und vertiefen, so wie es zigga vorschlägt. Nur so eine Idee.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Lieber CarloZwei,
du klingst ja mittlerweile sehr uneinig mit deinem Text. :susp:
Für mich zu Unrecht. Bei mir funktioniert der in der Kürze, mit diesem absurden Ende, auch mit dem Dialog und auch wenn ich die geschmacklichen Gründe, die gegen das Ende sprechen, die vor allem @zigga vorgetragen hat, ganz gut nachvollziehen kann, dazder Schluss funktoniert für mich trotzdem auch oder gerade, weil ich den Kontrast zwischen dem feinen hochgestochenen Geplänkel und Geschnösel vorher und der Kaktuswaffe und der rohen Verdresche erheiternd fand.
Viele Stellen, die ich noch moniert hätte, hast du geglättet. Ich fühle mich, so als Geschichtenverschlingerin, die noch nie besonders bewusst geschrieben hat, ausgesprochen gut unterhalten, also sehr zufrieden.

Eigentlich schwebte mir auch so etwas vor. Ich hatte ein ganz vages Erzählziel: Tillmann ist mit seiner Freundin Thessa im Gewächshaus und traut sich seinen ‚Freunden‘ einen Spiegel vorzuhalten. – Mehr nicht.
Einen Spiegel vorhalten? Naja, er hält ihm einen Kaktus vor und eine ordentliche Verdresche. Das soll ein Spiegel sein? Darunter verstehe ich ja eher den Versuch einer Argumentation oder eines Zeigens, wie man jemanden empfindet und das, was der andere sagt. Dass man sozusagen jemandem endlich mal reinen Wein einschenkt, statt aus Einsamkeitsgründen an einer beschissenen Pseudofreundschaft festzuhalten.
Aber was du als Prämisse hattest, das ist so ziemlich nebensächlich, denn die Geschichte steht ja für sich und hätte ich deine Spiegel-Prämisse nicht gekannt, hätte ich das hier auch nie geschrieben. Von daher vergiss es, ich fand es nur (ähnlich wie die Geschichte selbst) sehr erheiternd.
Ebenso erheiternd finde ich auch den Punkt, dass du deine Geschichte unter die Rubrik "Wir gegen Rassismus" eingestellt hast. Ich hatte mir das eigentlich anders vorgestellt, sich in und mit seinen Geschichten gegen Rassismus aufzustellen, dem Gedanken,
Reflexionsflächen“ zu schaffen, eher argumentativ vielleicht? Nicht grad als pure Gegengewalt? Als Kaktushaue?
Aber vielleicht habe ich diese Rubrik ja auch falsch verstanden. Das antirassistische Fanal, das hier gezeigt wird, Haut den Rechten den Kaktus in die Fresse, hatte ich jedenfalls nicht erwartet. Man lernt nie aus. Okay, ich bin ein wenig ironisch.
Das alles soll nicht gegen deine Geschichte als solche sprechen, die ich ausgesprochen gut und lustig finde, sondern eher gegen die Einordnung in die Rubrik. Für mich ist die Geschichte übrigens sowieso weniger eine Geschichte "Wir gegen Rassismus", sondern eine, die von Freundschaft oder besser falscher Freundschaft und Loyalität handelt und dem Ausbrechen aus diesem System. Und genau so klappt sie ja auch mit diesem wuchtigen, kontrastierenden Ende. Sie hätte ähnlich funktioniert, wenn du einen anderen ideologischen Kontext gewählt hättest als den recht unverblümten Rassismus von Sebastian.
Vielleicht ist das ja auch ein kleiner Kern, warum du und @zigga den Text in Teilen so unterschiedlich beurteilt? Du hast eventuell mehr den Protagonisten, die falsche Freundschaft und das Ausbrechen aus derselben im Kopf, überhaupt ein Ausbrechen aus dem bisherigen Leben, denn der Protagonist haut ja nicht nur Sebastian den Kaktus an den Schädel, sondern killt vorher noch klammheimlich so ein bisschen Gestrüpp, was ja ein Betsandteil seines Lebens war, und der Schmerz, den er sich selbst zufügt, spricht ja auch für den unerwarteten Ausbruch. Und @zigga zielt, wenn ich ihn richtig verstehe, viel stärker die rechten Ressentiments des Gegenspielers betonen und das Ausbrechen daraus eben genau deswegen nicht ins Spaßhafte ziehen.

Wie auch immer, nimm meine Worte keinesfalls als Vorwurf, und noch weniger allzu ernst, ich hab einfach so ein bisschen rumgedacht.
Alles Gute wünscht dir Novak

 

Guten Abend allerseits,

wie schön. Die Geschichte ist hier. Sogar eine andere, als beim ersten Lesen. Das Original offenbar. Für mich persönlich ist der Text hier goldrichtig. Die Bandbreite des Themas umfasst wohl alle Bereiche des Lebens. Auch die Freundschaften. Ich finde, dass sie sogar einen besonderen Anteil haben. Dass sich grundsätzlich Freundschaften zwischen den Menschen auch wieder auflösen können - den Begriff Freundschaft zu definieren, möchte ich allen Leser:innen aber selbst überlassen - kennen wir alle. In der Pubertät doch ganz dicke, dann Ausbildung hier und Studium dort, schon driftet es auseinander. Andere Interessen, neue Leute, lernen, lernen, lernen und keine Zeit mehr, plötzlich ganz woanders nen Job: die Gründe sind vielfältig und für manch Mensch auch schlimm, so eine Erfahrung.

Ich sehe hier einen Charakter, der mir auch schon begegnet ist. Am Ende auch Bitterkeit, Sarkasmus ist enthalten. Das ist erst mal die unmittelbare Reaktion. Die ohne genügenden Abstand. Bei den Menschen, die ich kennengelernt habe und deren Weltbild von extrem und/oder ganz rechts bis zu extrem und/oder ganz links ging, habe ich diese Extreme zu Beginn gar nicht so wahrgenommen. Natürlich auch, weil sie zurückhaltender sind. Viele jedenfalls. Erst mal rantasten. Dann sortiert man Sprüche unter besoffen ein oder Versprecher oder Spaß gemacht, dann zweifelt man an sich (nicht am anderen), dann verdrängt man und hofft, redet auch und merkt nicht, wie man sich dem Kern mehr und mehr nähert.

Und auch an dieser Gabelung gibt es welche, die still sich schleichen, auch mitmachen, weil sie vielleicht gar nicht alleine sein wollen, es nicht können. Und es wird die mit Widerstand geben - der dann auch zu einer Explosion führen kann.

Die Möglichkeiten sind vielfältig und Carlo hat eine von ihnen beschrieben. Er hätte auch eine andere wählen können. Genau so realistisch. Haben die "anderen" schon die Grenze überschritten? Mit Sicherheit. Wann tue ich es dann? Unabhängig von Ideologie, ist es erst mal ein Loslösungs-Prozess der durch das Ideologische dramatisch endet, denn der Prota kämpft auch gegen sich selbst. Hat er die Welt besser gemacht? Vermutlich nicht. Hat er seine Position gegenüber sich klarer gemacht? Auf jeden Fall.

Er hat Stellung bezogen. Sich selbst positioniert. Das ist auch ein Teil des Erwachsenwerdens. Aber wichtig ist die Frage: Wie weit gehe ich mit? Wann ist für mich Schluss? Der Staatsanwalt wird ihm mitteilen, welche Regeln er übertreten hat und wie weiter verfahren wird. Und in seiner weiteren Entwicklung wird er deutlich fühlen, dass er eine Grenze überschritten hat. Es wird Menschen geben, die ihn beklatschen, andere werden ihn hassen. Schon daraus wird wieder Rassistisches, Diskriminierendes erwachsen.

Ich finde beide Versionen gelungen, weil man über beide lange diskutieren kann. Und genau das tun wir ja. Dafür ist dieses Projekt da. Und natürlich für Textarbeit, die Wesensmerkmale durch Komprimierung und Wortwahl, Reduktion und Charakterbildung noch mal intensiviert. Genau das sehe ich hier auch.

Vielen Dank an Euch.

Morphin

 

Guter @zigga ,

ich ziehe die Antwort auf die Antwort jetzt mal vor, weil es ja auch ein Gespräch ist und weil wir ja hier nicht auf dem Amt sind, wo alles der Reihenfolge nach abgearbeitet werden muss (außer in Berlin). Ich habe mich über deinen Vorschlag sehr gefreut und außerdem hat er mir nochmal klar gemacht, dass du den Text hättest schreiben sollen heheh. Entweder du hast das verdammt gut simuliert oder du hast diese Argumentationsketten wirklich schon x-mal so gehört. Jedenfalls bin ich beeindruckt, wenn man das so sagen kann.

Hey! :D Die andere Version hab ich tatsächlich gelesen, aber schick sie mir bitte noch mal. Du könntest die erneute Version auch als Spoiler o.ä. in deinem Kommentar packen, falls noch andere was zu sagen wollen

Gute Idee (ich schäme mich ein bisschen, weil der Dialog so platt auch irgendwie ist – vor allem angesichts deines Vorschlags, der viel mehr zu bieten hat. Ich glaube, Peeperkorn hat das auf den Punkt gebracht, was ich da fühle. Und das ist mir auf jeden Fall einen Versuch wert. Das was du geschrieben hast in indirekter Rede mit kleinen, gemeinen Beobachtungen. Aber jetzt zur alten Version:

Wer Deutschland liebt

Dass Peter-Joseph Lenné den ‚Flora‘ genannten Kölner botanischen Garten einst in stramm kampfeslustigem Preußengeist errichtet hatte, wusste man. Die Schaugewächshäuser hingegen waren neu und doch ganz dem „gemischten deutschen Stil“ der achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre nachempfunden, wie ein Praktikant, Absolvent eines Freiwilligenjahres oder dergleichen, Besuchern stolz und ungefragt zu erklären wusste. Das Bouquet setzte sich zusammen aus Sukkulenten jeder Form, Farbe und Größe. Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichener Sand gefüllter Pfad schlängelte sich an Kakteenknospen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot vorbei.

All das war Tillmann verhasst und verhasst waren ihm Sebastian und Gesa Oreschko, sogenannte ‚gute‘ und vor allem einzige ‚Freunde‘, auf die man nun bereits seit über einer Viertelstunde wartete. Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm. Mit der Sneakerspitze versuchte Tillmann unbemerkt, die magentafarbenen Blüten einer Mammillaria zu kappen. Jawohl, die Zeit seiner kindlichen Pflanzenversessenheit konnte mit diesem, seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag offiziell für beendet erklärt werden. Scheiß auf Lenné!

Nach weiteren zehn Minuten endlich stießen Sebastian und Gesa Oreschko aus dem Palmenhaus dazu, offenbar, weil sie nach Jahren der Freundschaft mit Tillmann Palmen und Sukkulenten noch immer nicht voneinander unterscheiden konnten und das, obwohl einer wie Sebastian für sich beanspruchte, in den großen gesellschaftlichen und kulturellen Fragen, dem Tod, den er den ‚Schafen‘ wünschte, wortführend zu sein. Vom ‚Großen Austausch‘ redete er neuerdings gern, von Renaud Camus und dem ‚Schuldkult‘. „Wir sind die Saat und sie die Schafe“. Von Lichtmesz, Martin Sellner und dem Briten Collett hingegen sprach Sebastian nie oder nur selten und doch war klar wie Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphern, jenen volksliedgut-deutschen Abgesang auf das in Willkommenskultur ersaufende, gute Deutschland verdankte. So durfte Tillmann sich über ein schmales Büchlein mit dem Titel ‚Ethnopluralismus‘ freuen, mit dem er freudig auf Sebastian eingedroschen hätte, wäre da nicht dieser Restfunken verachtenswürdiger Loyalität gewesen, den er sich selbst nicht verbieten konnte und der ihn dazu überredete, seinen Geburtstag mit ebenjenen Menschen auszuhalten. So bitter es war: Tillmann musste sich eingestehen, dass er sich ein Leben ohne Freunde schlichtweg nicht vorstellen konnte. Lieber einen Rassisten und Antisemiten und zwei für dessen Ressentiments taubstumme und sowieso gänzlich unpolitische Freundinnen als jene Einsamkeit, die ihm blühte – jetzt, da er Lenné mit seinem Tritt nach der Mammillaria endgültig den Laufpass gegeben hatte.

Was Tillmann sich auch unter Denkanstrengungen nie hatte erklären können, war die bedingungslose, nahezu blinde Toleranz Sebastians gegenüber Gesa Oreschkos Wursthaaren und dem euphorischem Interesse seiner Partnerin – nennen wir sie Thessa – für die geraubte Südseekunst des Rautenstrauch-Joest-Museums. Obwohl sich Letzteres ja durchaus Sebastians Motivlage zuordnen ließ. Nachdem Gesa Oreschko Tillmann ein Hörspiel von und mit Giulia Enders zugesteckt, sie die Förmlichkeiten also hinter sich gebracht hatten, gingen sie mit knirschenden Schritten voran, durch Kakteenlandschaften und unsichtbare Wände künstlicher Abwärme.
Meistens waren Sebastians Worte Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulen Senfeiern stinkenden Fels geschlagen. Damit jonglierte er und wirkte dabei zugegebenermaßen klüger als Thessa und Gesa Oreschko zusammen. Zehn Minuten kreisten sie durch den Kakteenpark wie eine Märklinbahn mit Lok und drei Waggons. In sich bleiben, dachte Tillmann. 

„Worum geht es in dem Buch?“, fragte er, obwohl er es eigentlich genau wusste. „Interessiert mich das?“

„Ich hoffe.“ – „Wäre jedenfalls schön.“

„Ach so.“ – „Du fändest es schön, wenn ich ein Nazi wäre.“

Thessa und Gesa Oreschko stellten sich tot wie Opossums – jahrelanges Training. 

„Das ist dein Problem – du sagst immer gleich ‚Nazi‘. Lies mal und urteile dann.“

„Ich soll lesen, dass Migranten sich verpissen können. Brauch ich nicht, tut mir leid.“

„Nee. Wer sich nicht assimilieren kann, kann sich verpissen. Wer Deutschland liebt, darf bleiben.“

„Du klingst so furchtbar schlau, Sebastian.“

Sebastian lächelte ein bisschen, aber das hatte nichts zu bedeuten.

Noch immer hielt Thessa Tillmanns Arm umklammert. Auch Gesa Oreschko existierte scheinbar wieder, brabbelte etwas Belangloses, unterbrach sich, um auf das Prachtexemplar eines Kakteenbaums zu zeigen. Stumm knirschten, schwitzten und atmeten sie hintereinander her. Als Sebastian zu einer zweiten Erklärung ansetzte, wie er das eigentlich gemeint hatte, Assimilation, geteilte Werte, historische Identität und Deutschland, da fand Tillmann unerwartet einen Ausgang, der ihm nur noch nie aufgefallen war.

Dass Sebastian an Tilllmanns Geburtstag und nachdem ihn ein Faustschlag von hinten an die Schläfe getroffen hatte, unter großem Zufall und mit dem Gesicht voran auf einen Igelkaktus fiel – was eine schmerzhafte Behandlung im Sankt Vinzenz-Hospital nach sich zog –, überraschte Tillmann nicht. Seine Sneaker quietschten auf dem Krankenhausboden. In der Linken hielt er das Geschenk. Dort im vierunddreißigsten Zimmer lag er, atmete geräuschvoll, schlief vielleicht. Vorsicht lüftete Tillmann die Decke und legte Sebastian das Büchlein mit der neuen Widmung mittig zwischen die hornigen Füße.


Ich hoffe, das geht klar, dass ich dir das ausschreibe.

was heißt hier "geht klar"? :D

An sich konnte man das nicht einmal Gedanken nennen, eher waren es Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulen Eiern riechenden Fels geschlagen. Damit jonglierte Sebastian. „Es gibt keinen politischen Islam – der Islam an sich ist politisch. Die Kategorisierung in Islam und Islamismus ist eine westliche Erfindung des 20. Jahrhunderts. Der Islam sagt: ad-daula al-islāmīya – Der Islam ist Religion und Staat!“ – „Wieso sind die meisten europäischen Islamexperten islamkritisch?“ Zehn Minuten kreisten sie durch den Kakteenpark wie eine Märklinbahn mit Lok und drei Waggons. In sich bleiben, dachte Tillmann.
„Nur ein Beispiel.“ Sebastian deutete auf das mexikanische Beet. „Gesellschaften sind natürlich gewachsene Biotope. Was uns zusammenschweißt, sind kollektive Erfahrungen. Und die Erkenntnisse, die wir daraus gezogen haben. Nimm Luther, den Dreißigjährigen Krieg, den NS-Staat oder den Mauerfall: Toleranz, starke Bürgerrechte und friedlicher Protest. Dadurch sind wir als Volk, wer wir sind. Auch, wenn wir keine biologisch homogene Rasse sind. Aber jede Migration anderer Werte und kollektiver Erfahrungsschätze sind gesellschaftlicher Sprengstoff. Der uns über kurz oder lang in die Krise stürzen wird.“

habe dazu ja schon was geschrieben. Ich finde hier das Gute, wie diese Details so eine Überzeugungskraft aufbauen – das ist genau das, was Identitäre machen und was der Dialog im Text nicht macht, wodurch er eben glossenhaft oder auch leicht propagandistisch wirkt, denke ich – er hat halt einen starken Bonus, weil er erstens was Komisches/Absurdes hat und zweitens weil er moralisch im Recht ist; im Grunde aber auch – und das muss man sich als Kritik gefallen lassen – die Nazi(kaktus)keule schwingt.

Schreib mir mal, welcher Storyband das war? Tod im Hochsommer ist genial.

Genau der :) die erste (ich glaube, gleichnahmige) Story habe ich gelesen. Mir hat es gefallen. Aber es war eine flüchtige literarische Bekanntschaft.

Danke, dass du nochmal (so guten) Input gegeben hast.
Gruß
Carlo


---


Und jetzt

Beatle
nochmal richtig

sagt eigentlich alles zum Ende einer Kindergartenfreundschaft zwischen Tillmann und den O. (wobei mir Kleists Geschichte der O. einfällt und meine Weiterver-/bearbeitung hierorts) am 15. Geburtstag T’s samt der Mythen ums „Erb“gut - wenn man sonst nix zu vererben weiß - und schon der Volksmund für solche Flachköpfe weiß »nicht nur die dümmsten Kälber wählen ihre(n) Metzger selber«,

ins–O.–fern ist es hier keine vermeintlich unbefleckte Empfängnis. Es sei denn, Tillmann ist der Graf, Sebastians Dialogzeile der Bauch von O., Gesa O. selbst und Thessa sicher nicht der Obrist ... in deine Verarbeitung möchte ich nochmal reinschauen

sondern bereits seit den 60er Jahren (angeworbene, weil Alice im Wirtschafts[wunderland] Arbeitskräfte brauchte), wie zuvor im Zuge der Industrialisierung mit Arbeitskräften aus dem Osten seit dem 2., dem Kaiserrreich … und dann in den 60ern aus dem Süden, anfangs sogar offen angefeindet (als wären sie zur Siesta hergekommen!)

Habe neulich so ein Maxim Biller Interview angeschaut (man möge von Maxim Biller halten was man will, ich mag seine Art irgendwie und ich verstehe, wie man seine Art absolut nicht mögen kann; er widerspricht sich selbst, kann auf kaum eine seiner Aussagen festgenagelt werden und hat doch so eine große Leichtigkeit und ein erfrischendes Angebertum, was aber auch mehr wie Fassade für einen unsicheren und cleveren Autor wirkt). Jedenfalls hat er davon gesprochen wie die Kinder-Generation dieser Gastarbeiter mit dem Unverständnis der bedingungslosen Respektlosigkeit der Deutschen gegenüber ihnen, ihren Eltern und vor allem ihren Großeltern (die ihr Leben lang gearbeitet haben) aufwuchsen. Ich denke Biller braut sich das so zusammen, ich denke, so reflektiert ist das nicht und ich bin auch kein Freund dieser kollektiv-psychologischen Großthesen – aber einen Punkt hat er hier schon. Demütigung entspringt einer universellen Sprache.

Ein schmaler, von dreieckigen Pflastersteinchen gesäumter und mit weißem, glatt gestrichenen Sand belegter Pfad schlängelte sich vorbei an Kakteenknospen, ausladenden Blütenkelchen, Palmengewächsen und Araukarien in Knallgrün und Krapprot.
Besser vllt. mit kleiner Umstellung „glatt gestrichener, sandiger Pfad“

Habe das jetzt anders umgehen können (aus einem Vorschlag von Morphin), da muss ich nur belegt in gefüllt ändern, das war so schön einfach :D

Liebe Grüße und danke dir! <3
Carlo

 

Nix zu danken,

Carlo,


& also ich noch mal, wenn ich darf (schon allein wegen diesem oder jenem Verschnitztem wie:)

Ein schmaler, von dreickigen Pflastersteinchen gesäumter ...

… Leberknödelsuppe, wem er all diese windschiefen Metaphen, jenen Volksliedgut-deutschen Abgesang …


(jede Änderung birgt die Gefahr neuen Verschnitztem) womit ich bei der gelungenen, verschmitzten Namenswahl bin, die - ob nun bewusst oder eher zufällig gewählt - wie Faust aufs Auge passt und somit sich getrost in die tiefsten Tiefen teutscher Müthen und Heldensänge einreihen ließe

Tillmann, in ihm steckt bis zur Unkenntlichkeit verborgen in der ersten Silbe ϸiot… (Volk) und mit dem Verlust des teutschen tea-äitsch zum th (selbst das inzwischen gänzlich abgeschliffen und nur noch auf dem Thrönchen ersessen wird, die APOtheke ist ja nur entlehnt) mutiert

Sebastian, der Ehrwürdige, mit der Leidensfähigkeit des Heiligen Basti, dem ähnlich dem Heiligen ein

Igelkaktus ins Gesicht gerammt
wird.

Ich wiederhole mich da gerne: Das Schelmenstück lässt sich auch mehr als 3 x lesen ...

Tschüss

Friedel

 

Weiser @Morphin, du hast es ganz wunderbar erklärt, warum der Text in dieser Rubrik goldrichtig aufgehoben ist, wie auch immer er thematisch oder in den Dialogen gewichtet, also Version A oder B sein mag . Danke dafür.
Übrigens tolle Diskussion, tolle Ideen, tolle mitdenkende und -arbeitende Anteilnahme an einem Text.

 

Lieber @kiroly ,

danke für deine sehr guten Einfälle – ja, das hat Textarbeit angeregt ... Ich habe es ja schon geschrieben. Und erst mal bin ich jetzt doch zur alten Version zurückgekehrt :rolleyes:
Ob ich inkonsequenter geworden bin in der Textarbeit? Das frage ich mich schon, wenn ich so an meine Anfänge hier und im anderen Schreibforum zurückdenke, wo ich Texte teilweise komplett auseinandergeschraubt habe, auch wenn dann manchmal gar nix mehr funktioniert hat. Ich bin ängstlicher geworden, das sicher – hab schon zu viele Texte verschlimmbessert ... insofern bezweifle ich, ob ich deinem Kommentar gerecht geworden bin und nun in meiner Antwort gerecht werden kann. Die alte überarbeitete Version kannst du übrigens noch in meiner Antwort an Zigga nachlesen, dort steckt sie im Spoiler. Ich gehe jetzt erst mal Punkte durch und erkläre zwischendurch nochmal, wie ich vorgegangen und warum ich wieder bei der alten Version bin.

Nö. Ich hatte aber Lust auf eine etwas präzisere Textarbeit. Auch zur eigenen Übung. Wortkrieger.de scheint gelegentlich zu einer Inhaltswerkstatt denn Textwerkstatt zu neigen. Ich versuche mit diesem Kommentar, diese Neigung nano-haft zu korrigieren. Kritisch sehe ich aber das Ende. Ich denke, du übertreibst hier etwas. Aber dazu später mehr.

findest du? Kam mir bisher gar nicht so vor. Aber vielleicht hab ich da auch nen anderen Maßstab :D Textarbeit? Immer her damit!

Aus reinem Interesse an den Anführungszeichen: Warum 'Flora', aber "gemischter deutscher Stil"?

um das noch zu erklären: das eine war als Zitat des Praktikanten gedacht und das andere als eigen Begriff, der ja nochmal hervorgehoben wird, um nicht für einen Frauennamen oder dergleichen gehalten zu werden – bzw. damit der Satz gut lesbar ist. Da zu variieren ist andererseits vielleicht auch übertrieben. Weiß nicht.

"späten achtzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre" - bedeutet das 1867-1869 und 1877-1879? Vielleicht verwendest du besser zur Reichsgründung oder in der Zeit der Reichsgründung oder im frühen Kaiserreich

das ist natürlich unsinnig. Ich glaube, das war eine Flüchtigkeit. Habe das "späten" jetzt einfach gestrichen, ist vielleicht das Einfachste. Mit Epochenbezeichnungen bin ich da gerade noch zaghaft. Kann es nicht so ganz erklären. Da kommt ein starker Fokus rein (auf Kaiser, Gründer); spätes neunzehntes Jh. klingt zu unpräzise. Es ist schon ganz gut so, denke ich.

"stolz und ungefragt" - könntest eines streichen.
"Nun bereits" könnte gestrichen werden.

ich denke, das geht noch als Schwülstigkeit dieses Tonfalls durch. Könnte man schon machen stimmt. Aber da ist für mich keine Dringlichkeit.

Vlt Prädikat trennen? "schlängelte sich an Kakteenknospem [...] vorbei."

habe ich probiert. Aber eigentlich mag ich das auch ganz gerne. Nicht aufs Verb zu enden, sondern aufs Bild und das Verb früh zu klären, damit man als Leser weiß, um welche Handlung/Bewegung es geht.

Seine Partnerin – Tillmann wusste selbst nicht so ganz, wie es zu dieser Verbindung gekommen war – klammerte sich Kaugummi kauend und seit fünf Minuten zur Gewächshausdecke starrend an seinen Arm.
Vlt "Die Gründe/Ursache ihrer Verbindung waren Tillmann nicht bekannt/unbekannt"
Vlt "umklammerte Kaugummi kauend seinen Arm. Sie starrte zur Gewächshausdecke. Gebrochenes Licht fiel auf ihr dummes Gesicht."

ja, das ist nicht so super formuliert. Es flüchtet sich in diese Füllwörter. Andererseits steht dieser Einschub schon so auf tönernden Füßen. Ich fürchte, wenn er zu viel Gewicht bekommt, fällt noch mehr auf, dass er überflüssig ist. Aber ich probiere da nochmal etwas rum.

Frühkindlich -> er ist fünfzehn, frühkindlich wäre Säuglingsalter, vielleicht reicht ein einfaches "kindlich"

geändert. Danke

"volksliedgut-deutschen" oder "Volksliedgut-deutschen"? Bin mir unsicher! Laut Duden müsste es aber "volksliedgut-deutschen" heißen. Glaube ich!

jap, danke :)

"Großer Austausch" oder "großer Austausch"? Ist ja ein Eigennanme.

das auch

Loyalität - eigentlich beantwortest du den unerfindlichen Grund mit der Freundschaft zwischen Tillmann und Sebastian.

wenn man sagt, das Loyalität per se dieser Grund ist. Er fragt ja, warum er sich diese Loyalität nicht verbieten kann.

Vlt statt "überredete" "anhielt"?

ja, da ginge noch was, sehe das auch – "Ausdruck" hätte meine Deutschlehrerin dahintergeschrieben :D. 'Anhielt' ist keine schlechte Idee, überzeugt mich aber noch nicht ganz

Haha, voll krasses Kinderbürgerbildungstum. Lass mich raten: Thessas Vater Chefarzt auf der Chirurgie und die Eigentumswohnung in Heidelberg ("du sollst ruhig Jura studieren") bereits in der Finanzplanung? *sarkasmus ätzender art*

Naja, jedenfalls geht es ihr besser, als sie denkt. Sie hat einen politischen Anstrich, aber das ist es auch. Sie war ein Mal in Georgien, ist extrem vorsichtig und unsicher mit Deutungen und überhaupt in politischen Diskussionen und schnell unter den Tisch geredet.

Wieder einmal war es Zeit für Sebastian.
Hier bestimmt die Zeit, vlt sollte Sebastian bestimmen - drückt Elan, Interesse, Impuls aus.

Ja, das ginge ganz sicher schöner. Aber auch hier habe ich viel ausprobiert. Diese Formulierung flowt immerhin ganz gut. Außerdem klingt da ja auch der verachtende Grundton Sebastians an.

Kakteenlandschaften und durch den künstlich schweren Tropendunst.
VKF (Vegetationsklimatischer Fehler): Tropendunst suggeriert hohe Luftfeuchtigkeit, Kakteen brauchen niedrige Luftfeuchtigkeit (klinge wie ein Klugsch****, aber die Formulierung Vegetationsklimatischer Fehler gefiel mir so gut!)

"VKF" :lol::lol: herrlich. Du hast recht. Ich muss das noch umschreiben, hatte ich auch schon mal (alte Version) – da war es was mit 'Abwärme'. Ich habe mich jetzt gefragt, ob es in einem großen Sukkulentenhaus nicht tatsächlich möglich wäre, dass da zeitweise (bzw. auch je nach Gattung auch abschnittsweise) wirklich Tropendunst schwebt – weil einige Sorten ja auch aus tropischen Klimazonen stammen. Aber du hast schon recht. Es ergibt nicht viel Sinn – VKF

An sich konnte man das nicht einmal Gedanken nennen, eher waren es Versatzstücke, scharfkantige Klumpen aus einem nach faulenden Eiern riechenden Fels geschlagen.
Vlt einfach "faulen Senfeiern riechenden Fels"?

hatte ich so geschrieben. Jetzt ist es erstmal wieder zurück. Warum eigentlich Senfeier :D

EHP (eisenbahnhistorische Präzisierung): Bei der Märklinlok wird es sich um eine klassische America-Lokomotive handeln.

:lol::lol:

Wie gesagt, ich hab nichts gegen die.
Apostroph bei hab'.

ich glaube, man kann sich das schon aussuchen im Dialog. Also entweder mit oder ohne.

Vlt "was er zu glauben meinte, über sich, Deutschland und der restlichen, sehr fernen Welt, fand Tillmann den Ausgang / den Hausmeister. 'Feierabend. Raus hier. Genug botaniert, ihr Gurken.'" "Trafostrecker" könntest du streichen.

ja, war dir das scheinbar auch zu viel mit dem Trafostecker. Ich bin da jetzt erstmal wieder hin zurück, muss das sacken lassen. In der überarbeiteten Version habe ich einen Notausgang draus gemacht. Es war dadurch definitiv weniger überzeichnet. Der Text hat aber insgesamt auch mehr so einen ernsteren Tonfall bekommen, was ihm nicht so gut zu Gesicht gestanden hat. So wie Peeperkorn das in seinem Kommentar formuliert hat, hat sich das angefühlt.

"Dass Sebastian ausgerechnet an Tilllmanns Geburtstag unter großem Zufall auf das Prachtexemplar einer sudanesischen Haifischklette fiel - was eine toxikologische Behandlung im Sankt-Rochus-Hospital erforderte - überraschte Tillmann nicht. Seine Sneaker quietschten auf dem Krankenhausboden, in der linken Hand hielt er das ehemalige Geschenk. Im weißen Zimmer schlief der Sebastian. Vorsichtig schritt Tillmann zum Bettende, hob die Bettdecke an, legte das Büchlein zwischen die hornigen Füße, Klumpen wie ein Menschenschwein, nicht ohne an die neue Widmung zu denken: Deutsche Pflanzen beißen nicht."

Das ist wirklich ein toller Textvorschlag :lol: habe ich geliebt und wie du in der alten Version nachlesen kannst auch in einer Variation umgesetzt. (sogar mit "hornigen" Füßen :lol: ). Aber fühlt sich an wie das mit dem Notausgang. Das gibt dem einfach so eine andere Note.

Lg von einer dunkelroten Insel im hellblauen Ozean,
mit gelegentlicher Linksseitenlage,
denn die Lina trägt einen Kieselstein zu ihr
was all jene erzürnt,
die in Linksseitenlage weder schwimmen noch basteln können,
soll'n mal arbeiten gehen! die blaulenzer! so! pfui!

Ist das etwa das sagenumwobene Kiroly? :-)
Das klingt so poetisch und schön, dass es entweder wahr sein könnte oder mit Blick auf eine Postkarte (eine innere oder eine richtige), neben dem Laptop auf dem Schreibtisch, an dem du arbeitest. Blaulenzer? Nicht Pfui!!

Danke für das Lese- und Bearbeitungsvergnügen :gelb:
Wie heißen die Leute in Kiroly eigentlich so. Haben die bundesdeutsch bürgerliche Namen?
Mein Vorschlag: ein- und halbsilbige, halbwortige Namen. "Hen"(drik), (Ca)"rl"(o) und so weiter.
Viele und gute Grüße!

----


Jetzt nochmal zu dir @MRG ,

danke, dass du dich nochmal zurückgemeldet hast. Das war wichtig für mich und hat mich letztlich überzeugt, das nochmal auf Start zu setzen (mit kleinen und kleinsten Änderungen). Ich glaube es ist genau das. Der Text verpasst ein paar Leute, bei denen es mir eigentlich sehr wichtig ist. Aber er kommt ja auch aus mir und wollte auch so geschrieben werden. Und wenn ich dann merke, ich fange an, den Text einfach nochmal komplett umzuschreiben, dann kann 's das auch nicht sein. Und dann kommt Novak und sagt, dass er ihr so gut gefällt. Es ist verrückt.

ich finde den Text nach wie vor stark, allerdings fand ich die erste Version besser, da fand ich das Ende frischer und irgendwie auch lustiger (das kann allerdings auch wirklich nur an meinem eigenen Lesegeschmack liegen).

ja, wie gesagt ...

Bin ein riesen Murakami Fan, hab alles, was es von ihm auf Deutsch gibt, gelesen. Habe aber schnell die Sorge (und die hatte ich bei dem Titel auch), dass es eine Kopie wird.

Eine Versuchung ist es. Murakami hat so eine verführerische Leichtigkeit, die wirklich dazu einlädt, zu ihm in den Ring zu steigen und es auch mal mit so einem Stil zu versuchen. Aber nein, diesen Versuch habe ich (!) hinter mir.

Wilde Schafsjagd fand ich ganz gut, aber es hat mich nicht so extrem überzeugt. Mir hat am besten 1Q84 Band 1&2 gefallen.

Die letzteren muss ich vielleicht doch mal lesen.

Viele Grüße, MRG, und bis bald! :-)
Carlo

 

Hallo @CarloZwei :-)

danke für deine sehr guten Einfälle – ja, das hat Textarbeit angeregt ... Ich habe es ja schon geschrieben. Und erst mal bin ich jetzt doch zur alten Version zurückgekehrt :rolleyes:
Ob ich inkonsequenter geworden bin in der Textarbeit? Das frage ich mich schon, wenn ich so an meine Anfänge hier und im anderen Schreibforum zurückdenke, wo ich Texte teilweise komplett auseinandergeschraubt habe, auch wenn dann manchmal gar nix mehr funktioniert hat. Ich bin ängstlicher geworden, das sicher – hab schon zu viele Texte verschlimmbessert ...
Mal eine ganz banale Frage: Warum lässt du den Text nicht einfach ein paar Wochen ruhen? Klar, der eine argumentiert für jenes und der andere für dieses Ende - irgendwo sind das ja oft Geschmacksfragen und ich finde, du kannst die Argumente dieser Geschmacksfragen auch aushalten. Wenn dir das Kaktusende gut gefällt, prima. Ich bin so ein Typ, der es gerne dick und fleischig in den Ecken des RGB-Farbenraums mag. Andere sind da mehr die Fraktion seichte Welle oder sanfter Engel. Ist alles in Ordnung.

Insgesamt, ganz allgemein: Dein Text besticht durch diese dezidiert elaborierte Sprache. Das ist das, was ich an dem Text sehr gemocht habe. Auch das Sujet (benutze ich das Wort korrekt?) mit den Gewächshäusern, der Botanik, das hat so ein Touch 19. Jahrhundert, Morgentoilette von Johann Buddenbrooks, Pax Britannica, so ein glänzend und sehr fein verarbeiteter Alltag.

Lg
kiroly

 

Hallo @Peeperkorn ,

tut gut, zu wissen, dass du ab und an schaust, was so los ist :gelb: Danke, dass du den Text kommentiert hast. Ich finde, du hast es gut getroffen. Die Idee, das in indirekter Rede zu machen, gefällt mir. Es zeigt mir auch, dass ich da so einen Stil bediene wie zuletzt in dem Text über Arno (den mit dem Leberwurstbrot, falls du dich erinnerst :lol:). Und es zeigt mir, dass ich so etwas selbst selten lese, obwohl ich immer behaupte ein Kehlmann-Fan zu sein (und er ist ja wirklich nur einer, der aus so schreibt), weil eigentlich liegt es nahe, das in indirekter Rede zu machen, mit Satz- und Wort-Einwürfen höchstens. Ich folge jetzt mal Kirolys Rat und lasse den Text ein paar Tage ruhen, bevor ich da wieder rangehe. Dann ein Versuch.
Für die Zwischenversion habe ich mich ein bisschen geschämt, weil ich dachte, das ist auch irgendwie ziemlich platt – also was aus dem Dialog geworden ist (s. v. "Nazi"). Aber irgendwann habe ich mir mal gemerkt, dass es auch etwas Gutes ist, sich beim Schreiben zu schämen. Vielleicht so ein Beispiel überzeugender Paradoxe oder umgekehrter Psychologie, die man dann für Jahre mit sich rumschleppt und abarbeitet. Wie auch immer. Zigga hat da inhaltlich ja schon gute Vorlage gegeben.

Mir ist aufgefallen, wie ich das Thema auch weg vom eigentlichen Schmelzpunkt hin zur Freundschaft verlagere. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass der eigentliche Konflikt des Textes doch vergleichsweise Neuland ist für mich.

Danke, dass du dich dazugeschaltet hast – hat mir wie immer etwas gegeben.
Hab ein sehr schönes Wochenende!
Carlo


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Und noch einmal ziehe ich die Replik vor; auf euch, Novak und Morphin antworte ich lieber zusammen/nacheinander – morgen wenns passt.

Lieber @kiroly :-)

danke, dass du dich nochmal zurückmeldest. In aller Kürze:

Mal eine ganz banale Frage: Warum lässt du den Text nicht einfach ein paar Wochen ruhen?
Ich denke, genau das werde ich tun. Also fast "genau" – vielleicht ist es auch nur eine Woche :D
Die guten Vorschläge etwas setzen lassen.

Insgesamt, ganz allgemein: Dein Text besticht durch diese dezidiert elaborierte Sprache. Das ist das, was ich an dem Text sehr gemocht habe. Auch das Sujet (benutze ich das Wort korrekt?) mit den Gewächshäusern, der Botanik, das hat so ein Touch 19. Jahrhundert, Morgentoilette von Johann Buddenbrooks, Pax Britannica, so ein glänzend und sehr fein verarbeiteter Alltag.

Gut zu wissen, dass das eine Währung ist :Pfeif: Weil mir sitzt da so ein kleiner Carlo im Ohr der "schwüülstig" ruft. Aber der andere Carlo sagt: "gehört zum Text." Auf den höre ich aktuell.

seichte Welle oder sanfter Engel

was soll das nun wieder heißen :lol::p

Danke, dass du nochmal reingeschaut hast!
LG
Carlo

 

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