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Tränen auf dem Lieblingskleid

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03.04.2020
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Tränen auf dem Lieblingskleid

Die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwimmen vor meinen Augen. Ich sehe für einen kurzen Augenblick nur schwarze Punkte. Dann blinzle ich - mir läuft eine Träne übers Gesicht. Schnell schlage ich den Laptop zu, streiche mir die Träne von der Wange und die Haare aus dem Gesicht. Ich laufe zum Kleiderschrank, ziehe mir mein Lieblingskleid an, schaue in den Spiegel. Wieder verschwimmt mein Spiegelbild. Sah ich wirklich schon immer so aus?

Ein paar Tage zuvor....


Schnell tippe ich noch ein paar Worte in meinen Laptop, bevor ich den heutigen Post für meinen Internet Blog veröffentliche. Ich laufe zum Kleiderschrank, ziehe mein Lieblingskleid an und tanze damit voller Energie zu den neuen Sommerhits aus dem Radio. Ringsherum sind Fotos von meinen Freunden und mir. Ich schaue mich nochmal in meinem Zimmer um. Überall stehen Bücher und die Dekorationen sind voller schöner Erinnerungen. Nachdem ich meine dunklen Haare gekämmt und zu einem Zopf zusammengebunden habe, schnappe mir meinen Rucksack und laufe die Treppe hinunter. Meine Mutter steht, noch total verschlafen und mit zerzausten Haaren, in der Küche und macht sich gerade einen Kaffee, als ich ihr einen Kuss auf die Wange drücke und mir ein Brot schnappe, welches sie vorher für mich geschmiert hat. "Guten Morgen Schatz", murmelt sie. Ihre strahlend grünen Augen sind noch ganz klein. "Guten Morgen, ich muss los!", sage ich schnell und flitze schon aus der Küche. "Tschüss, hab dich lieb!", höre ich noch bevor ich die Tür hinter mir zuziehe. Meine beste Freundin, Kira, wartet schon am Bürgersteig und strahlt, als sie mich sieht. Als ich näher komme, zieht sie sich die Kopfhörer aus den Ohren und fährt sich durch ihre blonde Mähne. Auf dem Weg zur Schule reden wir über die letzten Tage und Erlebnisse. Zusammen waren wir im Sommer auf vielen Partys und haben uns so gut wie jeden Tag gesehen. In der Schule treffen wir unseren Freundeskreis wieder. Viele habe ich öfters auf den Partys oder im Schwimmbad getroffen. Als die Schulklingel läutet, gehen wir zusammen in unseren Klassenraum.

Als ich nach der Schule wieder Zuhause die Treppe hinauf laufe, sehe ich mir flüchtig die Familienbilder an der Wand an. Auf einem lächeln meine Mutter und ich die Kamera an. Ich muss schmunzeln. In meinem Zimmer setzte ich mich auf mein Bett, genieße die Ruhe nach dem Trubel in der Schule, spiele ein wenig Gitarre und lese in meinem aktuellen Buch.

Einige Zeit später klappe ich meinen Laptop auf und tippe meinen nächsten Beitrag ein. In der Schule sind mir ein paar Themen eingefallen, die ich in meinen Kalender geschrieben habe. In den Kalender schreibe ich so gut wie alles hinein. Als ich damit fertig bin, poste ich den Beitrag und öffne den von heute Morgen. Wie immer scrolle ich ein wenig durch die Kommentare und wie immer lese ich viel Positives zu meinem Beitrag. Ich lächle in mich hinein. Mein Blick schweift über den Bildschirm bis ich einen anonymen Kommentar lese... Das Lächeln auf meinem Gesicht verschwindet.

Oh wow! du wirst ja von Post zu Post dicker! hast du keinen Spiegel Zuhause? ich hätte dich fast nicht wiedererkannt... hast dich wohl im Sommer gehen lassen."

Vor meinen Augen flackert das Bild auf, welches ich jahrelang aus meinen Gedanken verbannt habe. Die Wände des Zimmers, in dem ich einige Jahre meines Lebens verbracht hatte. Worte, die ich schon lange verdrängen, höre ich, als wäre ich wieder dort. Meine Hände formen sich zu Fäusten, um die Gefühle zurück zu halten, die mich von innen heraus zu zerreißen drohen. Meinen Laptop klappe ich für diesen Tag zu. Auch den gerade geschriebenen Beitrag kann ich nicht hochladen. Ich lege den Laptop neben mein Bett, ziehe die Decke über meinen Kopf und versuche zu schlafen. Nach einiger Zeit schaffe ich es die Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen, die ich vorhin noch hatte. Ich setze mich im Bett auf, schalte mein Nachtlicht an und öffne erneut meinen Laptop. Ich kneife kurz die Augen zusammen, als mich das helle Display blendet. Kurz darauf sehe ich die Uhrzeit.... 1:25 Uhr …. So lange war ich Ewigkeiten nicht mehr wach. Für eine Sekunde sehe ich meinen alten Micky Maus Wecker auf dem abgenutzten hölzernen Nachttisch in meinem damaligen Zimmer. Schnell blinzle ich die Erinnerung weg. Nachdem ich meinen Laptop entsperrt habe, erscheint der Kommentar... schnell klicke ich ihn weg, öffne wieder den Beitrag, den ich vorhin geschrieben habe. Ohne weiteres klicke ich auf *veröffentlichen*. Nun klappe ich den Laptop wirklich für diesen Abend zu. Meinen Kalender hole ich nochmal aus meiner Schultasche und hake den Punkt in meiner Tagesliste ab. Mein Licht schalte ich wieder aus, bevor ich gegen 2 Uhr einschlafe. Um 6 Uhr klingelt mein Wecker. Ich drücke auf die Schlummertaste. Noch habe ich keine Lust, aufzustehen. Draußen ist es stockfinster. Irgendwie kommt es mir heute trüb vor. 20 Minuten später schleppe ich mich aus dem Bett zu meinem Kleiderschrank und schnappe mir eine einfache Leggins und ein schwarzes Langarmshirt. Meine Haare binde ich schnell zu einem Dutt, stopfe die Bücher und Hefte, die ich gestern raus gelegt habe in meine Schultasche und laufe die Treppe hinunter. In der Küche steht meine Mutter wieder total verschlafen und kocht ihren Kaffee. Schnell schnappe ich mir mein Brot, murmel: "Sorry, bin spät dran!", husche aus der Küche und raus aus der Tür zu Kira, die schon strahlend auf mich wartet. Alles in mir versteift sich, dennoch lächle ihr kurz zu, halte die Gedanken, die ich aussprechen will, zurück. Sonst erzählte ich ihr alles. Doch sie weiß nichts von meiner Vergangenheit und das soll auch so bleiben. Sonst hält sie mich sicher für kindisch. Sie würde sich nie von ein paar blöden Kommentaren fertig machen lassen. Sofort fängt sie an, mir von ihren Neuigkeiten zu erzählen. In diesem Augenblick bin ich dankbar, dass sie so viel ohne Pause quasseln kann. In der Schule bin ich eher in mich zurückgezogen, kritzle gedankenverloren etwas in meinen Kalender.

Nach der Schule schaue ich in meinem Zimmer sofort nach den Kommentare unter meinem Beitrag, den ich gestern Nacht noch gepostet hatte. Wieder sehe ich viele Kommentare die mir Komplimente über meinen Blog und meine Ideen machen. Mein Atem stockt als ich wieder einen anonymen Kommentar lese. "Du bist so hässlich! hast du mal in den Spiegel gesehen??" Ich scrolle ein Stück hoch zu meinen letzten Beiträgen vom Sommer, welchen ich Fotos hinzugefügt hatte. Kurz danach scrolle ich wieder runter. Ein paar Leute haben sich dem anonymen Kommentarschreiber über die Antwortfunktion angeschlossen. "UFF die hat echt ein wenig zugelegt....", "Wo er Recht hat...", "echt nicht die Schönste!"

Ich versuche die Kommentare zu überlesen und klicke wieder auf den Button, um einen neuen Beitrag zu schreiben. Ein paar Worte tippe ich, bevor ich sie wieder lösche. Irgendwie fühlt sich alles falsch an. Mein Buch oder die Gitarre nehme ich heute nicht in die Hand. Geschweige denn meinen Kalender, in den ich heute nur Unnützes gekritzelt habe. Ich kann die Stille in meinem Zimmer nicht mehr ertragen, also rolle ich mich unter meiner Decke zusammen, ohne noch etwas für den nächsten Tag raus zu legen. Kurz daraufhin nicke ich ein.... Mir kommen die Bilder wieder in den Kopf... Das Zimmer, in dem ich immer wieder wegen meines Gewichtes runtergemacht wurde. Lachende Kinder die mit Fingern auf mich zeigen. Ich alleine auf dem Spielplatz.... weinend. Ich schrecke hoch. Fühle mich wieder in die Situation zurück katapultiert.

Einige Zeit später....

Ich kann nicht einschlafen. Total müde blicke ich zu der Lichterkette über meinem Bett die mein Zimmer in ein gemütliches Licht taucht. Plötzlich schießen mir die Kommentare wieder in den Kopf. Ich ziehe die Decke über mich. Meine Gedanken sind zu laut.

Ohne diese Nacht geschlafen zu haben, stehe ich um 6:30 Uhr auf. Draußen sieht es kalt aus. Ich schnappe mir einen langen, lockeren, schwarzen Pullover und die Leggins von gestern die noch auf dem Boden vor meinem Bett liegt. Wieder binde ich meine Haare zu einem Dutt. Ich sehe in den Spiegel. Mein Blick fällt auf die Bilder mit meinen Freunden. Bevor ich mir großartig Gedanken gemacht habe, nehme ich die Bilder ab. Irgendwie gefallen sie mir dort nicht mehr. Schnell schnappe ich mir meine Schultasche und einen Collegeblock, laufe die Treppe hinunter in die Küche. "Zu Spät!", sage ich nur zu meiner Mutter, die an ihrem Kaffee nippt und laufe aus der Küche zur Haustür. Als ich sie zu ziehe, sehe ich Kira. Sie lächelt... ich nicht. Ich bin zu müde und die Gedanken in meinem Kopf sind nicht verschwunden. Meinen Kalender habe ich Zuhause vergessen. Von dem Collegeblock sind einige Seiten vollgekritzelt. Ich rede weniger und kritzle mehr.

Zuhause laufe ich die Treppe hoch, vorbei an den Bildern, die mich vor ein paar Tagen noch so glücklich gemacht haben. In meinem Zimmer fasse ich meinen Laptop nicht an. Genauso wenig mein Buch, meinen Kalender oder meine Gitarre. Irgendwie habe ich keine Lust auf das alles. Meine Gedanken sind wieder bei den Kommentaren unter meinem letzten Beitrag. Meine Anziehsachen und die Sachen für die Schule liegen verteilt auf dem Boden. Ich liege auf dem Bett und starre an die Decke. Immer wieder kommen mir die Kommentare in den Sinn. Haben sie recht? Ich versuche die Gedanken beiseite zu schieben, sehe mich in meinem Zimmer um. Irgendwie passt das alles nicht mehr zu mir. Diese Erinnerungen..... wen interessiert das schon? Einige Sachen räume ich in Ecken oder Schränke... so dass sie keiner sehen kann. Als ich wieder auf die Uhr schaue, ist es schon Abend. Bevor ich schlafen gehe, nehme ich die Lichterkette über meinem Bett ab. Meine Gedanken kreisen immer noch um die Kommentare. Meine Augen füllen sich mit Tränen. Ich blinzle sie beiseite. Verbiete mir meine Gefühle.

Letztendlich schlafe ich vor Erschöpfung ein. Als ich aufwache ist es 6:40 Uhr. Mein Notfallwecker! Ich stehe auf, sehe aus dem Fenster. Ich schnappe mir die Sachen von gestern vom Boden und renne die Treppe hinunter. "Spät!", rufe ich nur in die Küche, laufe allerdings vorbei zur Haustür. Kira steht schon vor der Tür und grinst mir entgegen. Allerdings schaut sie kurz darauf auf ihr Handy. Die letzten Tage haben wir nicht viel geredet. Ich sage allerdings nichts dazu. Als sie wieder aufsieht, merke ich an ihrem Blick, dass sie eine Ahnung hat, wie es mir geht. Sie schaut mich besorgt an, läuft allerdings ohne ein Wort weiter neben mir her.

Wieder Zuhause, falle ich auf mein Bett und schlafe ein. Am frühen Abend wache ich auf und überwinde mich, den Laptop aufzuklappen und einen Beitrag für meinen Blog zu schreiben. Ich habe sonst nie einen ganzen Tag lang, keinen neuen Post verfasst.

Automatisch öffnet sich die Seite zu meinem Blog. Bevor ich den Button anklicken kann, erscheinen die Kommentare vor meinen Augen.

Die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwimmen vor meinen Augen. Ich sehe für einen kurzen Augenblick nur schwarze Punkte. Dann blinzle ich, mir läuft eine Träne übers Gesicht. Schnell schlage ich den Laptop zu, streiche mir die Träne von der Wange und die Haare aus dem Gesicht. Ich knipse mein Nachtlicht an und stehe auf. Ich laufe zum Kleiderschrank, ziehe mir mein Lieblingskleid an, schaue in den Spiegel. Wieder verschwimmt mein Spiegelbild. Sah ich wirklich schon immer so aus?

Als ich wenig später mit einem weiten schwarzen Pullover und einer Jogginghose zu Kira runter gehe, sage ich kein Wort in Richtung Küche. Kira sieht mich an, als ich die Haustür öffne: "Was ist los mit dir?" Ich laufe an ihr vorbei, will nicht mit ihr reden. Ich kann sie nicht belügen, das habe ich nie. Als ich ein paar Schritte gelaufen bin, stellt sie sich vor mich. Ich starre auf meine Schuhe... kann ihr nicht in die Augen sehen. Als sie sagt, sie würde sich nicht vom Fleck bewegen, wenn ich sie nicht endlich ansehen würde, zucke ich nur kurz mit den Schultern. Ich weiß, dass sie das ernst meint. Kurze Zeit später bückt sie sich vor und sieht mir direkt in die Augen. Bei ihrem besorgten Blick bricht etwas in mir zusammen. Die Tränen, die ich all die Zeit zurück gehalten habe, steigen mir in die Augen und rollen über meine Wangen. Ich kann nichts dagegen tun. Ich falle vor meiner Freundin auf die Knie. Erschrocken setzt sie sich zu mir auf den Bürgersteig, hält mich im Arm, trocknet meine Tränen. Nach einiger Zeit habe ich mich ein wenig beruhigt. Ich sehe zu Kira auf, die mir aufmunternd zulächelt. In meinem Hals bildet sich ein Kloß. Mir fallen die Worte schwer, die ich ihr sage. Trotzdem erzähle ich ihr meine ganze Geschichte:

Als kleines Kind war ich von meinen Eltern immer zum Essen getrieben worden. Immer musste ich aufessen, obwohl sie mir Portionen gaben, die kaum zu schaffen waren. Sonst interessierte es meine Eltern wenig, wie es mir ging oder was ich tat. Sie waren oft gar nicht Zuhause, wenn ich von der Schule kam, hatten mir aber etwas zu Essen hingestellt. Ich hatte nie viele Freunde und habe gerne alleine gespielt. Meine Mutter wollte, dass ich mit den Töchtern von ihren Freunden anfreunde, so konnten sie miteinander Zeit verbringen, während ich mit drei Mädchen spielen musste, die ich gar nicht kannte. Schon am ersten Tag machten sie sich über mich lustig. So lief das immer…Sobald die Tür zu meinem Zimmer ins Schloss gefallen war, fingen sie an auf mir rumzuhacken. Mir kam das Bild von dem Zimmer, in welchem ich mir immer die Gemeinheiten der drei Mädchen anhören musste wieder vor Augen, der kleine hölzerne Nachttisch... . Ihr liebstes Thema war mein Gewicht. Meiner Mutter erzählte ich nichts, weil ich sie nicht traurig machen wollte… Sie fand es immer so schön, wenn ich mit anderen Kindern spielte. Es kam dazu, dass sie die Mädchen jede Woche zum Spielen einlud. Nach einiger Zeit erzählte ich meiner Mutter davon, weil ich es nicht mehr aushielt und eines Tages in Tränen vor ihr stand. Sie verlangte nach einer Erklärung, also erzählte ich ihr alles. Wenig später sind wir hierher gezogen. Meine Mutter zwang mich nicht mehr zu essen und auch nicht mit anderen Kindern zu spielen. Ich nahm einiges an Gewicht ab und fand Freunde, mit denen ich wirklich gerne Zeit verbrachte.

Am Ende dieser Erzählung schaue ich Kira wieder an. Ihr sind nun auch Tränen in die Augen gestiegen. Als sie mir um den Hals fällt, atme ich erleichtert aus. Ich bin froh, dass sie jetzt alles weiß und bin mir gar nicht mehr sicher, warum ich ihr nichts erzählen wollte. Nach der Schule klappe ich meinen Laptop auf und lösche die Kommentare, die mich so traurig und wütend gemacht haben. Danach räume ich mein Zimmer auf und hänge alle Bilder wieder an die Wand. Nebenbei lasse ich das Radio laufen und wippe ein wenig zur Musik. Anschließend begutachte ich meine Arbeit und muss grinsen. Mit meiner Deko fühle ich mich um einiges wohler. Sofort schicke ich ein Foto an Kira, in der Schule konnten wir nicht aufhören zu reden. Alles ist wieder beim Alten…

 

Hallo @mel07 ,

herzlich Willkommen hier im Forum. Mir gefällt dein Text gut. Ich finde du hast einen fließenden Schreibstil, den ich gerne lese. Ich habe aufmerksam gelesen und du sprichst ein wichtiges Thema an: Cyber-Mobbing. Allerdings war ich von deinem Ende enttäuscht. Darauf gehe ich gleich bei der Textarbeit ein:

Die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwimmen vor meinen Augen. Ich sehe für einen kurzen Augenblick nur schwarze Punkte. Dann blinzle ich - mir läuft eine Träne übers Gesicht.
Mir gefällt dein Einstieg, ich frage mich, warum sie so traurig ist. Hat mich gepackt.

ziehe mein Lieblingskleid an und tanze damit voller Energie zu den neuen Sommerhits aus dem Radio.
Das ist ein schönes Beispiel einer indirekten Charakterisierung, die ich gerne lese. Ich kann mir als Leser selbst erschließen, dass sie eine lebensfreudige Person ist. Well done!

Ringsherum sind Fotos von meinen Freunden und mir. Ich schaue mich nochmal in meinem Zimmer um. Überall stehen Bücher und die Dekorationen sind voller schöner Erinnerungen.
Das Zimmer sagt manchmal mehr aus, als Worte. Hat für mich funktioniert, die Protagonistin wird für mich greifbar, ich kann mich mit ihr identifizieren. Stark geschrieben.

noch total verschlafen
Nach meinem Geschmack würde ich hier das "total" streichen, das liest sich für mich nicht gut.

Als ich näher komme, zieht sie sich die Kopfhörer aus den Ohren und fährt sich durch ihre blonde Mähne
Auch hier stellst du sie indirekt dar und das funktioniert gut. Wie nebenbei wird mir als Leser klar, dass sie blond ist.

genieße die Ruhe nach dem Trubel in der Schule, spiele ein wenig Gitarre und lese in meinem aktuellen Buch.
Deine Protagonistin gewinnt für mich als Leser an Tiefe, sie hat offensichtlich mehrere Seiten an sich. Sie liebt es lebendig zu sein und gleichzeitig hat sie auch eine ruhige Seite an sich, spielt Gitarre und liest Bücher. Gefällt mir.

Die Wände des Zimmers, in dem ich einige Jahre meines Lebens verbracht hatte.
Ich frage mich als Leser, was das bedeutet. War sie in einer Psychiatrie? Das erhöht für mich die Spannung, eine super Passage.

Ich drücke auf die Schlummertaste. Noch habe ich keine Lust, aufzustehen.
Das ist überflüssig, weil das schon aus dem ersten Satz hervorgeht.

"Sorry, bin spät dran!",
Du drückst in diesem Dialog den Wechsel von der fröhlichen, unbeschwerten Tochter hin zu der bedrückten aus. Richtig gut gemacht.

Doch sie weiß nichts von meiner Vergangenheit und das soll auch so bleiben.
Baut Spannung auf.

Ein paar Worte tippe ich, bevor ich sie wieder lösche.
Das verdeutlicht sehr schön, wie es ihr geht und wie sehr sie unter den negativen Kommentaren leidet.
Das Zimmer, in dem ich immer wieder wegen meines Gewichtes runtergemacht wurde. Lachende Kinder die mit Fingern auf mich zeigen.
Ah, okay darum geht es. Du beantwortest die Frage, die ich als Leser unbedingt beantwortet haben will.

Sie lächelt... ich nicht.
Kurz und knapp, funktioniert gut.

Immer wieder kommen mir die Kommentare in den Sinn. Haben sie recht?
Sah ich wirklich schon immer so aus?
Das drückt den Selbstzweifel und den Kampf mit ihrem Selbstwert aus. Mir gefällt vor allem die Frage am Ende.

Erschrocken setzt sie sich zu mir auf den Bürgersteig, hält mich im Arm, trocknet meine Tränen.
Das machen gute Freunde, liest sich plausibel.

Trotzdem erzähle ich ihr meine ganze Geschichte:

Als kleines Kind war ich von meinen Eltern immer zum Essen getrieben worden.

Hier verliert deine Geschichte für meinen Geschmack. Ich fühle mich als Leser enttäuscht. Du drückst mir als Leser auf, was ich zu glauben habe. Das geht mir zu schnell, ist mir auch zu viel "tell". Vielleicht kannst du das subtiler machen oder sogar komplett rausstreichen.

Alles ist wieder beim Alten…
Das geht mir zu schnell, passt für mich als Leser nicht.


Insgesamt ist dir eine gute Geschichte gelungen. Meiner Meinung nach funktioniert nur das Ende überhaupt nicht. Bin gespannt, was du sonst noch schreibst.


Beste Grüße,
MRG

 

Hallo @mel07
Auch von mir ein herzliches Willkommen hier.
Das Thema deiner Geschichte hat mir gefallen. Du zeigst gut auf, wie Mobbing die Sichtweise auf sich selbst und die gesamte Umgebung verändern kann. Allerdings ist mir das Ganze etwas zu Tagebuch-mäßig. Und damit meine ich nicht, dass dieser Tagebuch-Stil grundsätzlich falsch ist, es gibt ja bekanntlich viele Bücher, die in diesem Stil geschrieben sind. Aber an manchen Stellen - gerade am Anfang - waren mir die Details zu allgemein und auch nicht weiter von Belang für den weiteren Verlauf.
Was das Ende angeht, muss ich mich leider MRG anschließen. Das ging mir auch zu schnell, und dadurch wirkt das Gesamtbild der Geschichte für mich dann wie ein Tag aus dem Leben von XY. Das finde ich schade, denn das Thema ist wie gesagt wirklich spannend, und statt das Ganze im Sande verlaufen zu lassen, könntest du es z.B. so aufziehen, dass sie herausfindet - oder herausfinden will - wer diese Kommentare geschrieben hat. Vielleicht eine Figur aus ihrem Umfeld, der sie eigentlich vertraut (natürlich müsste diese Figur dann auch schon vorher in der Geschichte vorkommen) oder es ergeben sich andere sonderbare Zusammenhänge, um das Rätsel um die Kommentare zu lösen. Mein Gefühl beim Lesen war nämlich, dass sich mit den Kommentaren die Lage zuspitzt, und dann flacht sie plötzlich wieder ab. Auch die Erklärung am Schluss, was damals passiert ist, hätte es für mich nicht gebraucht. Du deutest zwischen den Zeilen immer mal wieder an, worum es geht, und dem Leser reicht das, um sich selbst ein Bild zu machen. Zumindest mir. Mit dem fettgedruckten Geständnis am Schluss erstickst du mMn diese Andeutungen, indem du alles nochmal genau erklärst. Damit gibst du mir als Leser die Richtung vor, in die ich denken sollte, ohne eigene Schlüsse zu ziehen. Was ich durch die Andeutungen ja schon getan habe, die hast du sehr pointiert gesetzt. Das hat oft eine viel stärkere Wirkung als mich mit der Nase darauf zu stoßen, denn das wirkt leider oft Mitleid erregend und erreicht damit eher das Gegenteil.

Hier nochmal eine Liste von Dingen, die mir aufgefallen sind:

Ein paar Tage zuvor....
Bei mehreren Punkten kommt immer ein Leerzeichen nach dem Wort, und dann nicht mehr als drei Punkte. :teach:

Ich laufe zum Kleiderschrank, ziehe mein Lieblingskleid an und tanze damit voller Energie zu den neuen Sommerhits aus dem Radio. Ringsherum sind Fotos von meinen Freunden und mir.
Gefällt mir sehr. Aber vielleicht eher mit statt damit. Du könntest auch die Fotos mehr einbinden, z.B. wenn sie sich dreht und dann auf bestimmte Bilder schaut. Auch fände ich schön, wenn du kurz skizzierst, was auf den Bildern zu sehen ist.

dunklen Haare
Bei Kira klappt das für mich gut, dass sie sich durch ihre blonde Mähne fährt. Bei einer Selbstbeschreibung finde ich das schwierig, weil das auf mich immer ein wenig aufgesetzt wirkt, im täglichen Leben würde das wohl niemand so sagen. Ich habe dann immer das Gefühl, dass der Autor hier unbedingt die Haarfarbe anbringen will. Wenn dir das wichtig ist, gäbe es vielleicht noch andere Stellen im Text, wo das natürlicher rüberkäme.

Auf dem Weg zur Schule reden wir über die letzten Tage und Erlebnisse. Zusammen waren wir im Sommer auf vielen Partys und haben uns so gut wie jeden Tag gesehen. In der Schule treffen wir unseren Freundeskreis wieder. Viele habe ich öfters auf den Partys oder im Schwimmbad getroffen
Diesen Absatz meinte ich mit dem zu allgemeinen Tagebucheintrag. Wenn es dir wichtig ist - und es eine Bedeutung für den weiteren Verlauf hat - könntest du hier einen Dialog spinnen, aus dem hervorgeht, wie nah die zwei sich sind. Auch der Freundeskreis gibt mir kein Bild. Was sind das für Leute? Sind sie wichtig für den Fortgang der Geschichte?

Als ich nach der Schule wieder Zuhause die Treppe hinauf laufe
Das finde ich etwas ungelenk formuliert. Vielleicht eher: Als ich später die Treppe hinauf in mein Zimmer lief ...

Auf einem lächeln meine Mutter und ich die Kamera an
Hier vielleicht: ... lächeln meine Mutter und ich in die Kamera.

Oh wow! du wirst ja von Post zu Post dicker! hast du keinen Spiegel Zuhause? ich hätte dich fast nicht wiedererkannt... hast dich wohl im Sommer gehen lassen."
Starker Tobak!

Worte, die ich schon lange verdrängen,
verdrängt hatte

Meine Hände formen sich zu Fäusten, um die Gefühle zurück zu halten, die mich von innen heraus zu zerreißen drohen.
Das Fette könnte weg, denn das ist klar. :D

Nach einiger Zeit schaffe ich es (,) die Gedanken (aus meinem Kopf) zu verdrängen, (die ich vorhin noch hatte.) Ich setze mich im Bett auf, schalte mein Nachtlicht an und öffne erneut meinen Laptop. Ich kneife kurz die Augen zusammen, als mich das helle Display blendet. Kurz darauf sehe ich die Uhrzeit.... 1:25 Uhr ….
Das habe ich nicht verstanden. Es war doch erst Mittag, und sie hat sich erst vor Kurzem hingelegt und konnte nicht schlafen. Und plötzlich ist es 1:25 Uhr. Da fehlt mir was.

. Für eine Sekunde sehe ich meinen alten Micky Maus Wecker auf dem abgenutzten hölzernen Nachttisch in meinem damaligen Zimmer. Schnell blinzle ich die Erinnerung weg
Das finde ich toll gemacht mit diesen Flashbacks in ihre Vergangenheit.

"Sorry, bin spät dran!",
Das auch. Wie das langsam immer mehr reduziert wird, bis sie irgendwann gar nichts mehr sagt oder nur noch: "Spät."

Nach der Schule schaue ich in meinem Zimmer sofort nach den Kommentaren

Wieder sehe ich viele Kommentare (,) die mir Komplimente über meinen Blog und meine Ideen machen.
Weil du immer wieder den Blog erwähnst, würde mich schon interessieren, worum es da geht. Ist vielleicht aber auch nur meine Neugierde und für die Geschichte gar nicht wichtig. Aber da der Blog immer wieder erwähnt wird, wären ein, zwei Details ganz schön ...

Mein Atem stockt (,) als ich wieder einen anonymen Kommentar lese.

Irgendwie fühlt sich alles falsch an. Mein Buch oder die Gitarre nehme ich heute nicht in die Hand. Geschweige denn meinen Kalender, in den ich heute nur Unnützes gekritzelt habe.
Das gefällt mir auch, wie du das beschreibst, dass sich plötzlich alles falsch anfühlt. Schon krass zu sehen, wie gut dieses Mobbing oft funktioniert. Eben noch war sie bester Laune, jetzt fühlt sich alles falsch an. An der Stelle hat sie mein vollstes Mitgefühl.

Lachende Kinder (,) die mit Fingern auf mich zeigen.

Fühle mich wieder in die Situation zurück katapultiert.
Der Satz könnte gestrichen werden, denn er fasst nur zusammen, was du vorher beschreibst.

Ich kann nicht einschlafen. (Total) müde blicke ich zu der Lichterkette über meinem Bett (,) die mein Zimmer in ein gemütliches Licht taucht.
Die Lichterkette ist nachts an?

Meine Gedanken sind zu laut.
Schön!

Draußen sieht es kalt aus.
Was sieht sie denn? Schnee? Reif? Menschen mit dicken Jacken?

Zuhause laufe ich die Treppe hoch, vorbei an den Bildern, die mich vor ein paar Tagen noch so glücklich gemacht haben.
Das mit den Bildern krieg ich hier nicht auf die Reihe. Ich dachte, die wären in ihrem Zimmer und sie hat sie abgenommen.

Kira steht schon vor der Tür und grinst mir entgegen. Allerdings schaut sie kurz darauf auf ihr Handy. Die letzten Tage haben wir nicht viel geredet.
Vorher hieß es, Kira hätte gequatscht wie ein Wasserfall. Hast du das nachgetragen, oder habe ich das beim ersten Durchgang überlesen? Ich habe mich nämlich anfangs gewundert, warum Kira sie gar nicht fragt, was sie hat.

Wieder Zuhause,
Das Wieder könntest du streichen.

Sie verlangte nach einer Erklärung,
Das klingt sehr schroff, so als hätte die Mutter ihr vorgeworfen, dass sie heult. So ganz werde ich aus der Figur der Mutter nicht schlau. Einerseits wirkt sie sehr gleichgültig und autoritär auf mich, dann sagt sie wieder, dass sie sie lieb hat.

Ich hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen was anfangen.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo @mel07,

auch von mir ein herzliches Willkommen. Cyber Mobbing ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat. Deshalb finde ich es gut, dass du dich mit diesem Thema beschäftigt hast. Deine Protagonistin ist eine Bloggerin und konnte sich über längere Zeit über freundliche Kommentare freuen, bis eines Tages fiese Kommentare auftauchen, die sie verletzen. Sie lässt sich vorerst nicht beirren und schreibt weiter, doch die Kommentare hören nicht auf, im Gegenteil, es finden sich weitere Leser, die in die Kerbe mit reinhauen und sie schlecht machen. Es kommt noch dazu, dass sie das Problem, mit welchem sie konfrontiert wird, an ihre Vergangenheit erinnert, die sie hinter sich gelassen zu haben glaubte. Sie verkriecht sich in sich und wird gegenüber ihrer Mutter, aber auch ihrer besten Freundin, wortkarg und abweisend. Bis sie sich ein Herz fasst, und ihrer Freundin das gut gehütete Geheimnis über ihr vergangenes Leben lüftet.
In einer Kurzgeschichte, aber nicht nur da, braucht es einen Konflikt, um die Geschichte voranzubringen und für den Leser interessant zu machen. Den Konflikt hast du. Aber der Konflikt muss gelöst werden. Die Lösung darf aber nicht so aussehen, dass deine Protagonistin ihrer Freundin beichtet, dass sie mal mollig gewesen ist, sondern sie muss den Stier bei den Hörnern packen und das Problem aus der Welt schaffen, oder es zumindest versuchen.
Du hast das versucht, indem du einen Monolog geschrieben hast, der aber zur Folge hatte, dass ich als Leser an dieser Stelle den Kontakt zu deiner Figur verloren habe. Das hättest du eleganter lösen können, indem du das nicht erzählst, sondern deine Figuren, also deine Protagonistin und ihre Freundin Kira hättest gemeinsam im Dialog die Erörterung zu einer Lösung des Problems stattfinden lassen. Im Grunde genommen hätte dieser Abschnitt schon alleine das Potenzial für eine Kurzgeschichte, wenn du den Konflikt geschickt einflechtest. Vielleicht ist das eine Anregung für eine Übung, die du mal versuchst.
Deine Figur hat zwar am Ende eine Wandlung erfahren, aber die war zu weichgespült. Das haben dir aber die anderen Kommentatoren schon gesagt.

»Guten Morgen Schatz«, murmelt sie. Ihre strahlend grünen Augen sind noch ganz klein. »Guten Morgen, ich muss los!«, sage ich schnell und flitze schon aus der Küche. »Tschüss, hab dich lieb!«, höre ich noch bevor ich die Tür hinter mir zuziehe. Meine beste Freundin, Kira, wartet schon am Bürgersteig und strahlt, als sie mich sieht.
Das ist eine Stelle, die mir gefallen hat, die ist lebendig.

Plötzlich schießen mir die Kommentare wieder in den Kopf. Ich ziehe die Decke über mich. Meine Gedanken sind zu laut.
Das ist auch eine schöne Stelle, die einen Einblick in ihre Seele gibt.

Bevor ich den Button anklicken kann, erscheinen die Kommentare vor meinen Augen.

Die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwimmen vor meinen Augen.

Das ist eine unschöne Wiederholung.

Vieles hast du schon in den anderen Kommentaren gesagt bekommen, das will ich mir jetzt sparen. Ich hoffe, du kannst mit meinen Gedanken etwas anfangen. Aber bitte denke immer daran, es sind nur meine Gedanken und der Text gehört dir allein.

Ich wünsche dir einen schönen Abend und weiter Freude beim Schreiben!
khnebel

 

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