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Träume der Wahrheit
Träume der Wahrheit
Amsterdam. 2001. 1:30 am
Julius O´Conners war in seinem Zimmer und schlug die Hände vor sein Gesicht.
Wie hatte er das nur gemacht? dachte er immer wieder.
O´Conners war Polizist und auf einen Fall angesetzt, den ganz Amsterdam verfolgte –zumindest im Fernsehen. In der gestrigen Nacht war ein Einbrecher in ein Museum eingebrochen ohne Spuren zu hinterlassen. Er hatte Gegenstände im Wert von über 4 Millionen Dollar entwendet und weder einer der Wachen noch die Videokameras hatten ihn dabei bemerkt. Das Einzige, was man am Tatort fand, war ein zerstörtes Handy, dessen Sims-Karte auf den Namen Roy Bennet lautete. Dieser Roy Bennet war jedoch vor vier Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Selbst die Spurensicherung hatte nichts gefunden, nicht mal den kleinsten Hautfetzen.
Noch ein Problem O´Conners war, dass sein Chef gleichzeitig auch sein schlimmste Feind war. O´Conners hatte einen Fall gelöst, bei dem es um ein Mädchen ging, dass pausenlos Autos stahl und sie kaputt fuhr. Als er fast vor Stolz platzend den Fall löste, stellte sich heraus, dass das Mädchen die Tochter seines Chefs war. Für diesen Fehler, für den sein Chef ja eigentlich nichts konnte, degradierte der Vorstand ihn zum Vizeleiter der Polizeistation und nahm ihm sämtliche Rechte auf eine erneute Beförderung.
Seit dem versuchte er O´Conners das Leben so schwer wie möglich zu machen. Bis jetzt konnte er sich aus allen unangenehmen Situationen befreien, doch für die Lösung dieses Problems, brauchte er mehr als nur seine Redegewandtheit. Dummerweise hatte er nämlich die Aufsicht über das Viertel in der Nacht des Raubzugs gehabt und nichts bemerkt. Für seinen Chef war klar, dass er nicht richtig aufgepasst haben musste, denn niemand hinterlässt keine Spuren. Nun saß er hier in seinem Arbeitszimmer vor den Fakten des Überfalls und versuchte eine Lösung zu finden, doch so oft er den Fall durchging, er konnte zu keinem brauchbaren Ergebnis kommen. Deprimiert ging er ins Bad, um sich bettfertig zu machen. Anschließend ging er noch einmal in das Zimmer seiner schlafenden Tochter. Jaqueline lag ganz ruhig da und atmete gleichmäßig. Nach einer Weile schloss er die Tür. Er ging noch ein letztes Mal in sein Arbeitszimmer. Anstatt für sein Leben zu danken verfluchte er Gott und betete, dass er endlich die Lösung für den Fall finden konnte und alles dafür geben würde. ALLES. Dann legte er sich neben seiner Frau ins Bett und schlief.
Er träumte von dem Dieb, wie er die Wache, die für den Abschnitt des Museums zuständig war, bestach und die Kameras mit einem neuartigen Störsender, der in das Handy eingebaut war, austrickste. Als er die Ware versteckt hatte, mischte er sich unter die Spurensicherung um sicherzustellen, dass er wirklich nichts falsch gemacht hatte.
Dann träumte er von einer großen Lagerhalle, die nur drei Blocks vom Museum entfernt war, wo der Dieb seine Beute versteckte. Vor der Halle stand ein blauer Opel aus dem ein Mann ausstieg. Er trug eine Waffe und schoss auf O´Conners.
Schweißgebadet wachte er auf. Er setzte sich auf die Bettkante und fasste sich an die Stirn.
Alles nur ein Traum. Beruhigte er sich. Ich brauche mal wieder Urlaub.
Plötzlich klingelte sein Handy und er wäre vor Schreck fast von der Bettkante abgerutscht.
Dann nahm er ab und am Telefon war ein Kollege von der Nachtschicht. „Hey O´Conners, die Jungs von der Spurensicherung haben angerufen, die Kameras wurden mit einer Art Störsender lahm gelegt, dass sich im Handy des Diebes befand. Außerdem haben Zeugen einen Mann gesehen der um die Tatzeit mit einem blauen Opel weggefahren ist.“
O`Conners war sprachlos. Sollte Gott seine Worte erhört haben? Ein Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht ab. „OK, danke“, antwortete O´Conners. „Ich rufe wieder an, wenn wir mehr wissen“, erwiderte der Mann und legte auf.
Liz, O`Conners Frau, fragte ihn, was denn um diese Zeit so wichtig sei. Er erzählte ihr von dem Fall, dem Traum und dem Anruf. „Du hast Gott verflucht?“ schrie seine streng gläubige Frau ihn an. „Wie konntest du nur?“. „Wieso, anscheinend tanzt er ja nach meiner Nase“, scherzte O`Conners. Sie schüttelte nur ihren Kopf und stürmte ins Bad.
Die beruhigt sich schon wieder… dachte er und ging ihr hinterher. „Ich habe es nicht so gemeint, Schatz.“, entschuldigte er sich. „Aber wenn er mir so einen Traum schenkt, muss ich es doch ausnutzen, oder?“. „Wenn du jetzt gehst…“ schrie sie wutentbrannt. Er schaute in ihre braunen Augen und ging in sein Arbeitszimmer.
Er nahm Betty, so nannte er seine 45er und machte sich auf den Weg. Vor der Tür stand seine Frau und flehte ihn an: „Bitte geh nicht, ich habe kein gutes Gefühl dabei….“. Er schob sie zur Seite und ging. „Was ist mit dir passiert?“, rief sie ihm noch hinterher, „du bist nicht mehr der Mann, dem ich heute Abend eine gute Nacht gewünscht habe“.
O`Conners wusste es selbst nicht. Vielleicht war es der Stress, vielleicht war es aber auch der Ehrgeiz, dass dumme Gesicht von seinem Chef zu sehen, wenn er mit dem Täter vor seiner Haustür stand. Ein bisschen schämte er sich schon, so einen Streit hatte er schon lange nicht mehr gehabt. Er würde sich entschuldigen, wenn er zurückkommt, aber jetzt ist erst einmal der Dieb dran.
Als er mit dem Auto an Liz vorbei fuhr, sah er, dass sie ein Stoßgebet für ihn sandte.
Eine Entschuldigung wird wohl auf jeden Fall fällig sein, dachte er sich. Eine halbe Stunde später kam er bei dem Lagerhaus an. Im Hinterhof stand wirklich der blaue Opel.
Er öffnete das Tor und ertappte den Dieb auf frischer Tat, wie er einen Rembrandt verkaufte.
„Polizei, Hände hoch!“ schrie er, doch schneller als seine Augen es erfassen konnten, schnellte die Hand des Diebes in die Tasche und zog eine Waffe. Er drückte ab. O`Conners spürte einen stechenden Schmerz in seiner Brust.
Das Letzte, was er sich vorstellte, waren seine Frau und sein Kind, wie sie vor seinem Grab standen.
Sein letzter Traum, der der Wahrheit entsprach.