Traum der Vergangenheit
Ich irre durch die Altstadt. Ein Ausgestoßener und Fremder. In meiner eigenen Stadt. Zu lange war ich weg. Gezwungenermaßen. Und jetzt kenn ich mich nicht mehr aus. Alles sieht anders aus. Alles sieht verändert aus. Alles sieht zerstört aus. Alles.....sieht tot aus.
Ziellos wandere ich durch die Umgebung. Und versuche irgendwo Anhaltspunkte zu finden, die mir bestätigen könnten, dass ich hier schon mal war und hier schon mal gelebt hab.
Selbst der große, alte Dom ist zerfallen und zerbombt worden. Es steigt sogar noch Rauch von ihm auf. Hinter ein paar Häusern sehe ich seine Trümmer. Eine Turmspitze, die letzte, steht noch.
Ich versuche mit einer dieser neumodischen U-Bahnen zu fahren. Ich kenn mich nicht aus. Es ist einfach so verwirrend und umständlich. Verzweifelt, angeschlagen und bloßgestellt, als einziger Mensch auf der Welt nicht in der Lage zu sein, mit der U-Bahn zu fahren, geb ich es wieder auf.
Ganz unvorbereitet werde ich angesprochen. Von einem jungen Mann und seiner Freundin. Er will wissen, ob ich schon weiß, wann ich eingezogen werde. Er ist ganz enthusiastisch bei der Sache. Ich weiß es noch nicht, ist meine Antwort. Sie fragt mich, ob ich vorher noch meine Freundin heiraten werden. Ich weiß es noch nicht.
Als ich einen Buchladen sehe, gehe ich sofort hinein. Es wirkt vertraut und bekannt. Ich stelle meinen Rucksack ab. Vielleicht find ich gute Bücher. Welche, die ich kenne. Die mir vertraut sind. Ein Typ hinter der Ladentheke starrt mich unentwegt an. Ich entgehe seinem Blick und verziehe mich in einen hinteren Winkel des Geschäfts. Ich betrachte die Bücher und schau mir ein paar davon an. Wenn ich mir nur eins leisten könnte. Doch ich hab kein Geld. Durch ein Zeichen des Mannes aufmerksam gemacht, beobachtet mich nun ein anderer Mitarbeiter. Er verfolgt mich. Nur um mich zu beobachten. Welch eine Ehre.
Es macht mich nervös. Dadurch kann ich mir die Bücher nicht in Ruhe anschaun. Geschweige denn mich hinsetzen und anfangen eins zu lesen. Alles, was ich will, ist doch nur, hier in einer Ecke ein gutes Buch lesen. In Ruhe.
Offensichtlich wollen sie nicht, dass ich hier bleibe. Ich schnapp mir meinen Rucksack und verlasse diesen unfreundlichen Ort.
Gut, ich bin verdreckt und stinken tu ich vermutlich auch schon ziemlich, aber ist das etwa ein Grund für dieses Verhalten? Wahrscheinlich hätte ich an ihrer Stelle genau so gehandelt.
Eine Straßenbahn fährt vorbei. Sie hätte mich beinahe überfahren. Der Straßenbahn wäre es egal gewesen. Doch ich bin sicher, mir hätte es weh getan.
Ich stürme durch einen Torbogen eine alte Straße hinauf. Kopfsteinpflaster säumen den Weg. Zu beiden Seiten befinden sich Häuser. Häuser aus einer Zeit, die längst nicht mehr existiert. Der Beton weicht saftigem grünen Gras. Ich lasse Stadt und Beton hinter mir und befinde mich auf einer schier endlos langen Wiese, die bis zum Horizont zu reichen scheint. Langsam mischt sich Matsch unter das Gras. Ich schau runter auf meine Schuhe und sehe, dass meine Stiefel total verdreckt und matschig sind, teils bereits verkrusteter Matsch. Blut fließt über das Gras und die Wiese und strömt in den Dreck. Das Blut und der Dreck vermischen sich. Schließlich wird das Gras und die grüne Wiese vom Blut und Matsch übermannt, überrannt. Ich stürme weiter den Hügel hinauf. Ohne Pause. Ohne Unterlass. Ohne Luft zu holen. Dafür mit Seitenstechen. Und mit einer brennenden Lunge. Es schmerzt. Doch ich kann nicht aufhören zu rennen. Ich höre Schüsse und Schreie.
Im Bus treffe ich Leute, mit denen ich mich anfreunde. Rumtreiber. Gammler. Vagabunden. Manche nennen sie Penner. Ich nenn sie meine Freunde.
Worum ging es in dem Krieg? War es mein Krieg? War es unser Krieg? Gut gegen Böse? Wurde das Böse bekämpft? Auf welcher Seite stand ich? Wir schlachteten uns gegenseitig ab! Das war der einzige Sinn, den ich darin sah.