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Trip Like I Do

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09.02.2024
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Trip Like I Do

Christoph hatte sich sein Leben immer als Schallplatte vorgestellt.
Kein seltenes Sammlerstück, das auf Börsen gehandelt wird, sondern eine ehrliche, solide Pressung. Ein rotes Label, schwarzer Schriftzug, irgendwo zwischen Melancholie und Techno. Kein Hit, aber auch keine Fehlpressung. Nur Musik, die den Groove hält.

Früher traf das noch zu. Als sie vier Kinder aus der Vorstadt waren und glaubten, dass das Leben aus Bassläufen und Sonnenaufgängen bestand.

Marco, Franzis Bruder, war der wildeste. Hochgewachsen, mit unruhigen Händen, die nie stillhielten – immer tippend, trommelnd, rauchend, irgendetwas erschaffend. Seine Augen hatten dieses unstete Funkeln, als würde er gleichzeitig lachen und an einem Abgrund stehen. Er trug seit Jahren die gleichen zerrissenen Jeans und konnte sich in Beats und Melodien verlieren. Ekstatisch, hypnotisch.

Franzi war anders – stiller, konzentrierter. Sie sah die Welt, als wäre sie ein Film, und suchte nach den Momenten dazwischen, den Blicken, die niemand bemerkte. Ihre Sommersprossen zogen sich bis über die Schultern, und wenn sie lachte, sah sie kurz wieder aus wie das Mädchen, das barfuß über die Straße rannte, um Marco aus der Garage zum Abendessen zu holen.

Dann gab es noch den Witzbold. Eymens lockiges Haar stand in alle Richtungen, und er behauptete, es sei sein Markenzeichen. In Wahrheit war er der sensibelste von allen – der, der am lautesten lachte, damit niemand merkte, wenn ihn etwas traf.

Und er selbst? Beobachtete am liebsten. Saß abends auf dem Balkon und ließ die anderen reden, während er versuchte, das Gefühl festzuhalten, dass sie unsterblich waren. Er schrieb Texte in Notizbücher, die er nie jemandem zeigte. Still, etwas zu ernst, mit einem suchenden Blick. Nur wonach?

Abends saßen sie oft bei Franzi im Wohnzimmer. Auf dem Teppich lagen Kartons mit halb aufgegessenen Pizzen, leere Bierdosen Cola-Flaschen. Dann sahen sie Schwarz-Weiß-Filme, die sonst niemand in ihrem Alter mochte. Casablanca, Rebel Without a Cause, Some Like It Hot.
Marco lachte über die steifen Dialoge, Eymen schlief nach zwanzig Minuten ein, aber Franzi und Christoph blieben immer bis zum Abspann wach.

Nach einem Marilyn-Monroe-Film sagte sie einmal:
„Ich wünschte, ich hätte ihr Selbstbewusstsein. Dieses ‚Ich weiß, dass ihr mich anseht, und ich genieße es‘.“

Christoph grinste. „Dann bist du ab jetzt Marilyn.“

„Und du?“ fragte sie.

„Marlon“, sagte er. „Der Typ, der immer so tut, als würde er nichts fühlen, obwohl er alles fühlt.“

Von da an nannten sie sich so, leise, nur füreinander: Marilyn und Marlon. Sie dachten, dass würde ewig halten.

Im Sommer nach dem Abi fuhren sie nach Italien. Ligurien, Sonne, Salz in den Haaren. Sie schliefen im Zelt, tranken Sangria aus Plastikbechern und glaubten, dass alles, was sie brauchten, Musik und Freundschaft war.
„Wenn das Leben ein Track ist“, sagte Marco eines Abends und drehte sich eine Zigarette, „dann will ich, dass meiner nie aufhört.“
„Irgendwann läuft jede Platte aus“, entgegnete Christoph.
„Nicht, wenn du sie umdrehst“, lachte er.
Das war einer dieser Sätze, die damals cool klangen – und später zu Prophezeiungen werden sollten.

Marco drehte seine Platte schon nach diesem Sommer um und ging nach Berlin. „Das ist die einzig` echte Stadt“, hatte er gesagt. Clubs, Auflegen, Leben. An den Wochenenden kam er zurück mit Geschichten von Dachpartys und Sonnenaufgängen über der Spree. Von Menschen, die nie schliefen und Beats, die tagelang stampften.

Er sprach ohne Pausen und kicherte wie ein Verrückter.Christoph sah, wie ihm beim Lachen manchmal die Hände zitterten. Franzi nannte ihn den Duracell-Hasen. Aber hinter diesen Witz hörte man ihre wachsende Beunruhigung.

Einmal, im alten Garten hinter dem Haus, saßen sie zu viert und hörten Musik.
Marco stand plötzlich auf, zog Franzi am Arm. „Komm, tanzen! Das Leben wartet nicht!“
„Es ist Dienstag“, sagte sie und tanzte dann trotzdem.
Als er sie drehte, fiel ihm eine kleine Dose aus seiner Tasche.
Franzi hob sie auf, sah die bunten Pillen darin. Rot, Gelb, Grün. Bemalt mit Smileys, Herzchen und Sternen. Wie süße Bonbons für Kinder.
„Was ist das?“
„Nur Vitamine“, grinste er.
„Marco.“
Er zuckte mit den Schultern, nahm sie ihr ab. „Alles gut, Schwesterherz.“
Doch in seinem Blick war etwas, das sie niemals vergaßen.

Zwei Wochen später legte er im „Neon“ auf, der sich als coolster Club ihrer kleinen Stadt bezeichnete. Keine große Kunst, da es auch der einzige war. Die Tanzfläche war voll, der Bass vibrierte im Brustkorb, die Lichter flackerten. Marco stand am Pult, verschwitztes Shirt, euphorisch, manisch.
„Heute ist er wieder normal“, schrie Franzi gegen den Lärm, und für einen Moment glaubten sie es.

Kurz darauf sahen sie, wie Marco schwankte. Er hielt sich am Tresen fest, das Gesicht fahl und verschwitzt. Der Musik lief weiter, während er nach hinten fiel.

Das Chaos brach los. Sie begannen zu rennen. Unterm Blitzlicht der Diskothek, während der Song lief. Dieser eine Song, den sie danach nie wieder hören konnten und wollten. Trip Like I Do. Mit den prophetischen Zeilen.

This Land was green and good - Until the crystal cracked.

Christoph war als Erster bei ihm. Marcos Augen waren weit offen, aber leer.
„Atme!“, rief Franzi, kniete sich neben ihn, schlug ihm auf die Brust.
Eymen rannte zur Bar, suchte ein Telefon. Der Barkeeper wählte den Notruf.
Das Licht wechselte auf Blau, dann auf Rot. Der Bass lief weiter, dumpf, wie ein Herzschlag, der sich weigert aufzuhören.

Später, im Krankenhaus, saßen sie im Flur, in diesem typischen Geruch aus Plastik und kaltem Kaffee.
Ein Arzt kam, fragte, ob sie Familie seien.
Franzi nickte nur.
„Er lebt“, sagte der Arzt, „aber es gab Komplikationen.“

Christoph sah sie an. Niemand sprach.
Irgendwas in ihnen wusste, dass der Mensch, der aus diesem Zimmer kommen würde, nicht mehr derselbe sein würde, der im Club aufgelegt hatte.

Franzi holte ihn zurück nach Hause. Zwei Jahre lang lebten sie zu dritt im Obergeschoss des alten Bauernhauses, während der Zorn ihrer Eltern unter ihnen loderte wie das Höllenfeuer. Franzi brach das Studium ab und jobbte halbtags in einem Steuerbüro. Sie fuhr ihn zur Therapie, kontrollierte seine Medikamente und sprach mit ihm. Immer, auch wenn er nicht antwortete.

Christoph eröffnete einen kleinen Plattenladen in der Stadt, gleich neben dem alten Kino. Vor Franzis Eltern klang es wie ein Opfer: dass er bleiben wolle, um auf Marco aufzupassen und Franzi zu entlasten. In Wahrheit floh er. Vor gewöhnlicher Arbeit, vor Bewerbungen, vor dem, was andere Leben nannten. Der Laden war sein Vorwand und sein Versteck zugleich – vier Wände voller Vinyl, in denen er das Gefühl hatte, dass die Welt stehenblieb, wenigstens einen Song lang.

Nachts saß er im Keller zwischen alten Verstärkern, nahm Beats auf, die kaum jemand hörte. Musik gegen das Schweigen, gegen die Angst.

Manchmal stand Marco im Türrahmen und lauschte. Er tanzte nicht mehr, aber manchmal wippte sein Kopf, fast unmerklich. Dann gab es Tage, da schrie er plötzlich auf, als würde ihn die Welt überfluten. Oder er streichelte stundenlang sein Surfbrett.
Franzi weinte oft, heimlich in der Küche. Christoph hörte es durch die Wand, jedes Mal.
Er wusste, dass er sie beide verlor – den Freund und die Frau, die er liebte.
Eines Morgens, als die Sonne grau war und das Radio ein Lied spielte, das Marco einmal gemocht hatte, packte Christoph eine Tasche, legte den Schlüssel auf den Küchentisch und ging. Ohne sich umzusehen.

Sein Plattenladen, das Heartbeat, hatte einige Jahre gerade so überlebt. Aber die Streamingdienste hatten die Kunden weggeholt, Lieferdienste die Laufkundschaft, und irgendwann zogen selbst die kleinen Konzerte im Hinterzimmer nicht mehr. Nun stand er vor leeren Regalen, vergilbten Postern und einem kaputten Schild, das im Wind klapperte.
Er aß lauwarmen Döner, trank billigen Wein und wartete darauf, ob noch was passieren würde.

Dann las er die Email.

Absender: Franziska Steiner
Betreff: Treffen nächste Woche

Hallo Christoph,

es fällt mir unglaublich schwer, das hier zu schreiben, aber ich muss es dir persönlich sagen: Marco ist gestorben. Die Beerdigung findet nächsten Donnerstag um 10:30 Uhr in der Sankt-Georg-Kirche statt. Eymen wird auch kommen, wir sollten uns vorher noch einmal zusammensetzen. Bitte komm ins La Trattoria nächsten Montag um 18 Uhr, dann reden wir in Ruhe darüber.

Es ist mir wirklich wichtig, dass du kommst.

Franzi

Er lehnte sich zurück, die Hand noch immer auf der Maus. Die ganze Wohnung, der leere Laden, selbst der Döner in seiner Hand schien in diesem Moment absurd zu sein. Die Regale im Heartbeat, die längst staubig und leer standen, das kaputte Schild, das im Wind klapperte, der ekelhafte Wein – alles war plötzlich Symbol seines eigenen Versagens. Zwei Jahrzehnte Musik, Freundschaft, flüchtige Träume, und jetzt nur noch Leere.

Er las die Nachricht immer wieder, als könnten sich die Worte noch ändern. Marco war tot. Er konnte es nicht fassen. Panik stieg in ihm hoch, eine seltsame Mischung aus Schuld, Wut, Trauer, Verzweiflung. Der Laden, seine Musik, all die Stunden im Keller – nichts davon schützte ihn jetzt. Nichts hatte ihn vorbereitet auf das Gefühl, dass jemand, den er geliebt und bewundert hatte, für immer verschwunden war.

Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann tippte er seine Antwort: „Komme!“

Das La Trattoria lag in einer Seitenstraße, zwischen einer Spielhalle und einem leerstehenden Blumenladen. Christoph hatte seit Jahren kein italienisches Restaurant mehr betreten. Das Kerzenlicht, das sanft über die rot-weiß karierten Tischdecken flackerte, kam ihm vor wie ein Zynismus. Musik lief leise aus den Lautsprechern – ein Cover von No Surprises. Sehr passend.

Als Franzi kam, trug sie einen dunklen Mantel. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt, ein paar graue Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Für einen Moment erkannte er sie kaum wieder. Und dann, als sie ihn ansah, mit diesem Blick, war alles wieder da – Der Sommer, das Lachen, die Nächte auf dem Balkon, Marcos Stimme im Hintergrund.

„Hallo“, sagte sie leise.

Ihm fiel nichts ein, also nickte er.

Sie setzten sich. Zwischen ihnen stand eine Flasche Wasser, die ungeöffnet blieb. Eine Ewigkeit verging, bis jemand sprach.

„Es war... plötzlich“, begann Franzi. Ihre Stimme zitterte. „Er hatte wieder diese Panikattacken, aber wir dachten nicht, dass...“ Sie hielt inne, atmete schwer. „Das Herz. Zu viel Schaden. Die Ärzte sagen, er hatte Glück, dass er überhaupt so lange überleben konnte.“

Christoph knetete die Seitennaht seiner Jeans. Er wollte gleichzeitig schreien und weinen. Aber er brachte keinen Laut heraus. Wieder sah er den Jungen mit der stachligen Frisur vor sich, barfuß am Strand, der das Surfbrett ins Wasser zog. Und er wusste was er geschrien hatte. Ja, gottverdammt er wusste es! Trip Like I Do hatte er auf seinem Brett im ligurischen Meer heraus gebrüllt.

„Ich wollte, du hättest ihn nochmal gesehen“, flüsterte Franzi. „Er hat oft nach dir gefragt, weißt du? Am Anfang jedenfalls. Später…“ Sie brach ab.

„Später war nicht mehr viel übrig“, murmelte Christoph.

„Hör auf!“ Ihre Stimme war plötzlich scharf. „Er hat gekämpft. Jeden Tag. Du hast keine Ahnung, wie das war, mit ihm zu leben, zu sehen, wie er langsam…“, Sie schluchzte heftig, „verreckt!“

„Ich weiß das ganz genau!“, sagte Christoph, und klang dabei härter, als er wollte. Die Erinnerungen kamen zurück – diese zwei Jahre unter dem Dach ihrer Eltern. Marcos Schreiattacken in der Nacht. Das Zittern seiner Hände, wenn die Medikamente nicht anschlugen. Franzis Augenringe, der Geruch nach aufgebackenen Brötchen und kaltem Kaffee. Und seine eigene Angst, dass sie alle mit ihm untergehen würden.

Dann kam Eymen. Zu spät, wie immer. Maßanzug, glänzende Schuhe, der Bauch leicht gewölbt. Er umarmte Franzi unbeholfen und klopfte Christoph auf die Schulter. Dann bestellte er Wein und redete los, als könnte er die Schwere der Luft mit Worten verdrängen.

„Ihr glaubt nicht, wie die Autobahn aussah! Komplett dicht. Ich hab an der S-Bahn geparkt. Und dann kam die nächste natürlich erst in 20 Minuten.“ Er drehte den Kopf in alle Richtungen „Nett hier. Ich glaube, die machen die Nudeln sogar selbst!“

Franzi hob kaum den Blick. Christoph starrte auf die Kerze. Plötzlich fühlte es sich an, als wäre eine Käseglocke über ihren Tisch gestülpt worden.

Schließlich stellte Franzi das Glas ab. „Marco ist am Dienstag gestorben“, sagte sie, diesmal ohne Umschweife. „Die Beerdigung ist nächste Woche. Ich wollte, dass ihr es direkt von mir hört.“

Eymen erstarrte, die Hand in der Luft, als hätte jemand die Zeit angehalten. Christoph spürte, wie sein Magen sich zusammenzog. Niemand sagte etwas. Nur das leise Klirren von Besteck im Hintergrund.

Dann beugte sich Franzi vor. „Du weißt, welche Nebenwirkungen die Medikamente hatten.“

Christoph nickte. Langsam und schuldbewusst.

Eymen legte das Gesicht in die Hände. Seine Stimme war jetzt leiser. Die Augen waren groß und schockiert. „Scheiße… Scheiße, ich hätte kommen sollen. Ich hätte—“

„Niemand hätte etwas tun können“, sagte Franzi tonlos.

Aber Christoph wusste, dass das nicht stimmte. Jeder von ihnen hätte etwas tun können. Früher. Als Marco noch lebte, noch lachte, noch Musik hörte. Bevor sie ihn allein gelassen hatten – sie alle, jeder auf seine Weise.

Er trank einen Schluck Wein, der wie Essig schmeckte. Dann stand er auf. „Ich muss kurz raus.“ Beinahe hätte er gesagt, dass er kotzen musste.

Die Luft draußen war kalt. Er stützte sich an die Hauswand, spürte den Regen auf der Stirn, und plötzlich brach es aus ihm heraus – ein Würgen, das zu Schluchzen wurde. Kein lautes Weinen, sondern ein dumpfer, unkontrollierbarer Schmerz, der irgendwo zwischen Kehle und Herz stecken blieb. Er dachte an Marco, an den Abend 1997, an die Lichter im Club, die flackerten wie Morsezeichen, an Franzis Schrei, als Marco hinter dem DJ Pult zusammensackte.

Dann hörte er das Quietschen der Tür.

„Christoph?“ Franzi stand hinter ihm. Ihr Atem ging schnell.

Er sagte nichts.

Sie trat näher, legte den Kopf an seine Schulter. Ihr Haar roch nach Regen und Kokosöl. Für einen Moment war alles still. Keine Musik, keine Autos, nur ihre Nähe.

„Du musst stark bleiben“, flüsterte sie. „Für ihn. Für dich.“

Er drehte den Kopf, suchte ihren Blick. „Ich war niemals stark.

Franzi schloss die Augen. „Dann sei es jetzt.“

Wieder das scheußliche Quietschen der Tür. Eymen kam heraus, unsicher und verlegen. „Ich hab die Rechnung gezahlt“, murmelte er. „Dann sehen wir uns am Donnerstag?“

Franzi nickte. Christoph nicht. Er wollte nicht zu dieser Beerdigung. Er wollte diese ganzen miesen Gefühle nicht mehr spüren.

Einen Moment blieben sie stehen, unter der Laterne, die gelbes Licht auf das nasse Kopfsteinpflaster warf. Franzi blickte in Christophs Gesicht.

„Ciao, Marlon“, sagte sie leise.

Er lächelte schwach. „Ciao, Marilyn.“

Einen Moment standen sie einfach nur da, unter der Laterne, der Regen tropfte in ihre Haare. Dann hob Christoph den Blick.
„Kommt mit“, sagte er plötzlich.

Franzi verstand ihn nicht. „Wohin?“

„Zum Heartbeat. Nur kurz.“

Sie zögerte, aber irgendetwas in seiner Stimme ließ sie nicken.
Eymen folgte wortlos.

Der Laden war dunkel, die Auslage leer und das Schild - Dieses verfluchte Schild - klapperte immer noch im Wind. Christoph schloss auf, und ein Schwall abgestandener Luft kam ihnen entgegen – eine Mischung aus Staub, Vinyl und vergangenen Träumen.
Er knipste das Licht an.

„Ich muss morgen räumen“, sagte er. „Aber morgen ist nicht heute.“

Sie gingen durch den ehemaligen Verkaufsraum. Die Regale waren leer, das Neonlicht flackerte, und jeder Schritt hallte hohl wie in einer Grabkammer. Christoph führte sie durch die halb geöffnete Tür in das Hinterzimmer.

Dort war die Zeit stehen geblieben.
An den Wänden hingen Batik-Tücher in verblassten Farben, dazwischen unzählige Fotos – aus Italien, vom alten Bolzplatz, aus Nächten, in denen sie glaubten, dass alles möglich war. Auf einem Bild lachten sie alle vier in die Kamera, jung, erschöpft, glücklich. Christoph hatte einen Arm um Franzi gelegt, Eymen hielt eine Bierflasche wie ein Mikrofon, und Marco war im Hintergrund – halb verdeckt, aber mit diesem stillen, echten Lächeln, das er jetzt nie mehr zeigen konnte.

Unter den Bildern stand ein einfaches Regal, reihenweise voll mit kleinen, sorgfältig beschrifteten DAT-Kassetten. Demo 2003, Heartbeat Live, Marco’s Mix, Balcony Tape, Franzi Vocals 01, Random Night #17.
Daneben auf dem Tisch ein alter DAT-Recorder, vergilbt, mit abgegriffenen Knöpfen.

Franzi strich über die staubigen Cover. „Du hast das alles aufgenommen?“

Christoph drehte konzentriert an den Knöpfen und nickte. „Jeden Tag. Und am Ende des Monats habe ich mir die beste Aufnahme gesucht und archiviert.“

Eymen blies leise durch die Lippen. Mein Gott Christoph, wieviele Songs sind das?

„Wohl 200. Ein bisschen mehr vielleicht. Das ist meine Biographie.“

Und dann hatte er die Kassette in der Hand. Das Etikett war vergilbt, in Marcos krakeliger Schrift stand: From the Balcony.

Er legte sie in den Recorder. Ein leises Klicken, dann das Surren des Bandes. Kurz rauschte es, dann setzte der Beat ein – dumpf, vertraut, warm. Marcos Stimme kam dazu, verzerrt, lebendig, als stünde er mitten im Raum:
„The Crystal Never Cracked…The Crystal Never Cracked“

Sie standen still. Alle drei, ohne einen einzigen Muskel zu bewegen.
Die Musik kroch in jede Ecke, zwischen die Fotos, die Bänder, die Tücher.
Eymen schloss die Auge und begann sich langsam im Rhythmus zu bewegen. Franzi drehte den Kopf weg, aber Christoph sah ihre feuchten Augen.

Dann begann auch sie zu tanzen. Zuerst zaghaft, dann mit jedem Schlag wilder und freier. Ihre Bewegungen erinnerten ihn an Sommernächte, an den Geruch von Salz und warmem Asphalt. Eymen lachte plötzlich, warf seine Jacke auf den Boden und sprang wild im Takt. Und schließlich hob Christoph die Arme, ließ sich fallen in diesen Takt, der nach Jugend klang, nach allem, was sie einmal waren.

Der Bass dröhnte, die Lichter des Rekorders blitzten, und für einen Moment hatte sich die Welt wieder zusammen gesetzt. Marcos Stimme hallte aus den Lautsprechern – roh, jung, voller Leben.
Sie schrien mit, tanzten, lachten, bis der Schmerz sich auflöste in etwas Größeres, Weicheres.

Franzi griff nach Christophs Hand.
Nur ein kurzer Moment – Haut auf Haut, warm, vertraut.
Er sah sie an, und sie lächelte.
Vielleicht war da eine Chance. Vielleicht auch nicht.
Aber in diesem Augenblick war alles gut.

Die Musik lief aus. Ein leises Klicken, dann Stille.

Keiner sprach. Nur das leise Surren des Rekorders und ihr gemeinsames Atmen, ruhig, gleichmäßig.
Draußen zog der Regen weiter, die Straße glänzte wie ein dunkler See.

Franzi sah auf die Wand voller Fotos. „Er hätte das geliebt“, sagte sie.

„Er ist hier“, antwortete Christoph. „Immer wenn die Musik läuft.“

Sie nickte, lehnte den Kopf kurz an seine Schulter.
Eymen setzte sich auf den Boden, sah die Kassette an, als wäre sie ein Stück ihrer selbst.

Dann lächelte er schwach. „Wisst ihr was? Das war das Beste, dass wir je gemacht haben.“

 

Hallo Rainbow Runner,
am besten hat mir der Anfang gefallen, wo er allein in seinem Plattenladen sitzt. Das Treffen mit seinen alten Freunden rief in mir Erinnerungen hervor an den Film "Was tun, wenn s brennt" und auch an "Die Ex bin ich", wo auch ein Kumpel zu beklagen ist. In beiden wird an die alternativ geprägte Jugend erinnert.

Das mit den pleite gegangenen Plattenläden tut mir leid. Sie waren immer ein Treffpunkt für Musikbegeisterte, auch wenn ich da nie so für voll genommen wurde und oft sehr von oben herab behandelt wurde. Mir waren die Leute dort immer zu cool, weshalb ich mir schon vor Streaming, jetzt nur noch, immer MP3 downgeloadet habe und CDs gebrannt habe.

Vielleicht überschätzen sich viele Leute, die mal als cool galten. Unter vielen Jugendgruppen gibt es elitäre Tendenzen. Das hält man nicht lange durch.

Was haben sie eigentlich erwartet? So stark und rebellisch waren sie im Grunde gar nicht. War vielleicht auch oft eine Pose, um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Mit herzförmigen Sonnenbrillen allein ändert man auch nichts. Wollten sie das überhaupt?

Und erst recht nicht, wenn man sich mit Pillen langsam das Gehirn vernebelt. Eigentlich mehr eine Flucht vor den Anforderungen, die das Leben an sie hat . Aber den Stein des Weisen habe ich auch nicht entdeckt. Hört sich aber jetzt so an.

Solche Story, wo der verlorenen Jugend, wo einem scheinbar die Welt gehörte, gibt es viele. In allen Sprachen. Und wird es auch immer geben.
So was geht mir aber auch ständig im Kopfe rum. Dann schelte ich mich immer, dass ich sentimental werde. Als ich noch jünger war, habe ich sowas öfter bei Älteren beobachtet, und gedacht: "Sowas passiert mir nie". Ist leider doch eingetroffen, und ich trauere auch in einer Tour alten Zeiten hinterher. Ist wohl normal und nicht zu vermeiden, so sehr man sich auch bemüht.
Gruß FK

 

Hallo @Rainbow Runner !

Schöne Geschichte voller Nostalgie und "was wäre wenn". Hat nur ein paar Längen.

Ich fang mal an:

als er den Blick über die skelettartigen Metallregalen schweifen ließ
Metallregale

Christoph entdeckte Streaming
Hat er das wirklich erst nach der Pandemie entdeckt? Selbst, wenn sich das darauf bezieht, dass Streaming physische Tonträger verdrängt, käme ihm das reichlich spät. Außerdem dachte ich, Vinyl erlebt eine Renaissance, weil man Turntables nicht mit Spotify betreiben kann? Bin da aber Laie...

Ein dunkelbrauner Grabstein aus Pappe.
Gutes Bild, gefällt mir :-)

How does it feel like to spend a littlelife time sitting in the gutter?
Leerzeichen fehlt.

Wie hätte sie wohl geklungen nach all den Jahren? Und was hätte sie ihm erzählt?
"hätte" passt hier m.E. nicht, klingt nach etwas aus der Vergangenheit, das nicht eingetreten ist. Hier sollte es eher "Wie würde sie wohl nach all den Jahren klingen" usw. heißen.

Und jetzt war einer Manager
Stört mich nur minimal, aber Manager klingt mir etwas klischeehaft, es gibt ja auch andere Karrieremöglichkeiten.

Minutenlang über sein altes Surfbrett streichelte, ohne die toten Augen abzuwenden.
Finde ich hier etwas extrem. Noch lebt er ja. Fände da etwas wie "starr" oder "teilnahmslos" passender.

Christoph studierte die Seitennaht seiner Jeans, als wäre darin eine Antwort verborgen. Seit Jahren hatte er sich vor diesem Moment gefürchtet. Alle Möglichkeiten durchgespielt, während er betrunken auf der Couch lag und seine eigene Unfähigkeit verfluchte.
Er hatte immer gewusst, dass sie ihren Bruder überleben würden. Zu viel war kaputt. Aber musste er es auf diese Art erfahren? In einem beschissenen italienischen Restaurant direkt neben Eymen, dem er nichts mehr zu sagen hatte? Kurz nachdem er den Laden und seine Träume begraben hatte?
Er wollte nachhause. Besaufen, die Stereoanlage aufdrehen und eine Playlist für einen dunklen Club erstellen. Songs for someone who recently died. Es war makaber und falsch, aber er konnte nicht anders. Musik hatte ihm immer Halt gegeben. In jeder beschissenen Situation hatte die Platte seines Lebens ihre Umdrehungen gemacht. Und wenn es zu schlimm wurde, hatte er sie umgedreht. Es hatte immer den passenden Track, den richtigen Rhythmus gegeben. Beats und Synthies klangen nicht kalt. Sie wärmten ihn, wenn er vor Verzweiflung schreien wollte. Doch jetzt gab es nur noch monotones Gemurmel und die eigene Sprachlosigkeit.
Hier ist eine der erwähnten Längen, die mir besonders aufgefallen ist: Da verfällst du mir zu sehr ins Tell (wenn auch schön formuliert), vor allem nach dem Schockmoment mit der Todesnachricht. Reißt mich etwas raus.

Sein Magen brannte und er spürte Säure im Hals. Die Beerdigung seiner Mutter hatte er schon kaum ertragen. Und jetzt sollte er zusehen, wie sie seinen besten Freund in der Erde verscharren? Den Worten eines steifen Predigers lauschen, der Marco nicht gekannt hatte und auch nichts vom Leben verstand?
Kann auch weg, zieht es unnötig in die Länge.

„Wir sehen das Strahlen von Himmelskörpern die unzählige Lichtjahre entfernt sind, und wissen dabei gar nicht, ob sie längst erloschen sind.“
Warum plötzlich in Anführungszeichen?

Christoph wollte seinen Kopf auf das Pflaster schlagen. Immer fester und schneller
... wie ein Technobeat? :D Ist kein Fehler, die Stelle hat bei mir nur Kopfkino ausgelöst. Jaja, hast du nicht beabsichtigt... :p

Er biss sich fest auf die Unterlippe Erlösung?
Punkt vor "Erlösung" fehlt.

Auch Franzi zuckte zusammen, das sah er selbst im Halbdunkel. Einige Sekunden vergingen, bis sie antwortete.
Einige Sekunden kommen mir da etwas lange vor, würde eher eine Sekunde daraus machen.

Hört mal“ sagte sie und ihre Stimme klang immer noch brüchig
Statt dem Anführungszeichen sollte da ein anderes Zeichen stehen.

Und schließlich, ganz rechts, der Tote.
Finde die Formulierung ziemlich hart an der Stelle. So, als würde er seinen früheren Freund nur noch als Leiche sehen, aber das Gegenteil ist ja der Fall: Er lässt ihn in der Erinnerung wieder auferstehen.

Die Erste Liga mit ihrem blinkenden Tanzboden
Verstehe ich nicht: Heißt so der Club? Oder sind sie im VIP-Bereich?

Eymen schnaltze bewundernd mit den Lippen
Wie schnalzt man denn mit den Lippen? Das tut man doch eigentlich mit der Zunge.

Du Verrückter! Du hast es fertig gestellt!“
Wieder ein Phantom-Anführungszeichen. Hattest du die direkte Rede ursprünglich mit Anführungszeichen geschrieben, dich aber hinterher dagegen entschieden?

Um 50 BpM erhöhen
Entweder bpm oder BPM, zumindest laut Wikipedia...

Das Ende fand ich sehr schön. Nicht bahnbrechend, aber du bindest die Fäden der Drei nach all den Jahren wieder zu einem Strang zusammen, ein kleiner Moment der Versöhnung. Kein großer Knall, aber dafür viel subtile Kraft.
Sprachlich habe ich wenig auszusetzen, nur wenn du den Text straffen würdest, könnte man ihn noch flüssiger lesen.

VG
MD

 

Guten Morgen @Frieda Kreuz und @MorningDew

Vielen herzlichen Dank für das Lesen und eure sehr schnelle Rückmeldung!

Ich gehe noch ausführlicher auf eure Rückmeldung ein. Gerade habe ich nur wenig Zeit, weil ich heute und morgen noch in die 12-Stunden Schicht eingeteilt bin.

Nur einen wichtigen Punkt wollte ich gleich los werden:

Wieder ein Phantom-Anführungszeichen. Hattest du die direkte Rede ursprünglich mit Anführungszeichen geschrieben, dich aber hinterher dagegen entschieden?

Ein wirklich böser Fauxpas. Hätte nicht passieren dürfen.

Ursprünglich habe ich es tatsächlich mit den Anführungszeichen geschrieben.

Dann habe ich gelesen, dass man sie zwecks besserer Lesbarkeit auch weglassen kann und wollte das mal ausprobieren.

Wie ich das mit der Zeichensetzung in der wörtlichen Rede künftig handhaben werde, weiß ich noch nicht.

Die Anführungszeichen, welche dir noch aufgefallen sind, habe ich gelöscht. Danke für den Hinweis!

Und wie gesagt, ich melde mich noch ausführlicher! Danke euch beiden!

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

@Rainbow Runner :

Die Anführungszeichen, welche dir noch aufgefallen sind, habe ich gelöscht. Danke für den Hinweis!
Bitte!

Dann habe ich gelesen, dass man sie zwecks besserer Lesbarkeit auch weglassen kann und wollte das mal ausprobieren.
Also ich finde es mit Anführungszeichen deutlich leichter zu lesen, ist aber vielleicht Geschmackssache.

VG
MD

 

Hallo @Rainbow Runner,

super, dass du wieder schreibst!

Meine Eindrücke zu deiner Geschichte:

Ein dunkelbrauner Grabstein aus Pappe.
Starke Beschreibung!

Zu alt für einen Neustart und zu jung zum Sterben?
Jethro Tull lässt Grüßen, einer meiner Lieblingssongs.


Ich habe versucht, dich anzurufen.
ich

Franzi…, hauchte er in die staubige Stille.
Diese Zeile hat bei mir den Kontext unschön unterbrochen. Wenn du dabei bleibst: Franzi (Leertaste) ... (Dieses Fehlerchen kommt öfters vor).


Jung und unbesiegbar, weil sie es nicht besser wussten.
Ist mir zu abgedroschen. Jung und optimistisch (voller Zuversicht) wirkt stärker in Verbindung mit "nicht besser wussten".


Seine Augen wurden feucht. Er schluckte mehrmals hintereinander, aber das Gefühl blieb.
Hier könnte man wiederholen, welches Gefühl gemeint ist.


Mehr als die Erinnerungen an ihre umschlungenen Körper und die nach Unendlichkeit schmeckenden Küsse.
"Unendlichkeit" in Verbindung mit Geschmack weckt keine nachvollziehbaren Assoziationen.

Vorwürfe und Schuldzuweisungen lauerten hinter dem hellen Klimpern des Bestecks.
Eine gute Beschreibung!

Er holte tief Luft und wollte es endlich aussprechen, als Eymen zurückkehrte.
Ich soll euch von Caro grüßen, sagte er, als würden sie seine Frau gut kennen.
Man weiß nicht gleich, wie man die beiden "er" zuordnen soll.


als jeden Tag mit diesem Zombie frühstücken zu müssen, während Kaffee und Brötchen nach Schuld schmeckten.
Warum soll das Frühstück so schmecken? Schuldgefühle können ihm den Genuss verderben, aber nicht einen Geschmack erzeugen.

Christoph studierte die Seitennaht seiner Jeans, als wäre darin eine Antwort verborgen.
Gut beobachtete Übersprungshandlung.


Wir sehen das Strahlen von Himmelskörpern die unzählige Lichtjahre entfernt sind, und wissen dabei gar nicht, ob sie längst erloschen sind. Klar! Und warum kann unser Lebenslicht nicht über den Tod hinaus leuchten? Warum stoppt es plötzlich, als hätte jemand den Power Button gedrückt?

Power Button drücken verbinde ich eher mit anschalten.

Wie @MorningDew bemerkt hat, hat die Geschichte einige Längen. Diese tragen nicht groß zum Verständnis der Protagonisten bei. Ansonsten merkt man, dass du wert auf Atmosphäre und Bilder gelegt hast. Manchmal vielleicht etwas zu sehr:

Als die späte Augustsonne den Strand vor dem ligurischen Meer in geschmolzenes Gold tauchte

Unendlichkeit schmeckenden Küsse

An einem Tag im April, als der Himmel die Farbe von nassem Beton hatte, hatte er die Platte des Lebens einfach umgedreht.

der Marco nicht gekannt hatte und auch nichts vom Leben verstand?

Andererseits hat dein Text starke Stellen, die Beschreibung von Marcos Kranksein, Schuldgefühle und Einsichten:

Aber jetzt glaube ich, dass ich mich nur selber beschissen habe.

Der Rainbow Runner wandelt sich zum Realitäts-Rennenden!

Insgesamt ein ansprechender Text mit einem Schluss, der das durchgehende Motiv der Musik (und ihrer Bedeutung für das Leben der Protagonisten) für ein versöhnliches Finale mit neuer Bedeutung erfüllt.

L G,

Woltochinon

 

Hallo @Rainbow Runner

Schön, wieder einmal eine Geschichte von Dir zu lesen! Ich hatte schon nach dem Einstellen der Geschichte ca. 50% davon gelesen, musste dann aber aus Zeitgründen abbrechen. Nun bin ich zurück und habe noch einmal von vorne begonnen. Ich schildere Dir direkt meine Eindrücke, zuerst Anmerkungen was das Textliche bzw. Formulierungen anbetreffen und dann weiter unten noch etwas mehr zu ganzen Textstellen und schlussendlich (m)ein Fazit. Lass Dich von meinen Amerkungen nicht entmutigen, da ist eine ganze Menge zusammengekommen. Aber es sind alles ja auch nur Vorschläge.

Textliche Anmerkungen:

Aber mittlerweile war er zum Ladenhüter geworden. Das Vinyl, das immer zwischen den anderen steht, bis man es einfach im Restmüll entsorgt.
Für mich sagen beide Sätze ungefähr dasselbe aus, weshalb ich es ein wenig doppeltgemoppelt finde. Würde mich für einen entscheiden oder eventuell eine Kombi machen: Aber mittlerweile waren seine Platten zum Ladenhüter geworden, bis er sie irgendwann einfach im Restmüll entsorgen würde. Sowas in diese Richtung vielleicht.

Die „5 für 25 Euro“-Aktion war ein Erfolg gewesen, auch wenn das Geld weiterhin nur für einen lauwarmen Döner reichte.
Hier habe ich mich gefragt, wieso sein Geld nur noch für lauwarme Döner reichte. Also für mich ist das mit dem lauwarm sehr spezifisch, es liest sich so, als gäbe es zwischen heissem und lauwarmem Döner einen Preisunterschied. Verstehst Du, was ich meine? Vielleicht das 'lauwarm' einfach im nächsten Satz unterbringen:
Es kratzte im Hals, als er den letzten Bissen hinunterwürgte und nicht darüber nachdenken wollte, warum diese beschissene Imbissbude ihren Fraß nie heiß servierte.
Es kratzte im Hals, als er den letzten Bissen des lauwarmen Döners hinunterwürgte und nicht darüber nachdenken wollte, warum diese beschissene Imbissbude ihren Fraß nie heiß servierte.

Ein dunkelbrauner Grabstein aus Pappe.
Gefällt mir sehr gut! Ich finde, das 'dunkelbraun' könnte man auch weglassen, die Farbe ergibt sich aus der Pappe, und es wäre etwas direkter, wuchtiger so.

Zurück blieb ein leerer Raum und die Frage, ob es das gewesen war?
Ich würde das Fragezeichen durch einen Punkt ersetzen, weil es für mich nicht nach einer direkt gestellten Frage klingt, eher einer Bemerkung.

„How does it feel like to spend a littlelife time sitting in the gutter?“
Leerzeichen falsch: little lifetime

Wie hätte sie wohl geklungen nach all den Jahren? Und was hätte sie ihm erzählt?
Wieso 'hätte'? Das klingt so distanziert. Und er trifft die Franzi ja dann auch. Vielleicht: Wie würde sie wohl klingen nach all den Jahren? Und was würde sie ihm erzählen? Bei der zweiten Frage eventuell: Und was würde Franzi ihm zu erzählen haben? Sonst klingt es danach, als würde ihm Franzis Stimme etwas erzählen, was ja rein technisch korrekt ist, aber es klingt bisschen seltsam.

Die Nachricht war knapp. Kühl und fast telegrafisch.
Ich finde, das kannst Du streichen, wie die Nachricht rüberkommt, hat der Leser ja selbst erfahren, weil er die Nachricht zusammen mit Christoph lesen konnte ;-)

Dünn und mit dunkler Haut, weil er im Gegensatz zum Imbiss-Ali tatsächlich türkische Wurzeln hatte.
Türken haben dunklere Haut, okay, aber sind Türken auch dünner? Ich habe hier zumindest beide Eigenschaften mit den türkischen Wurzeln verknüpft.

Komme, tippte er als Antwort.

Ach das ist Caro! Wartet kurz! Eymen drückte das Smartphone ans Ohr und stand auf.

Ich finde, hier ist der Übergang ins La Trattoria sehr abrupt und ich stockte einen Moment, musste mich zurechtfinden. Sie sind doch jetzt hier im La Trattoria? Oder ist das eine Rückblende? Ich finde, Du könntest das etwas klarer machen an der Stelle.

Seine Fingernägel kratzen über die Tischdecke. Steif und kalt wie Franzis Schweigen.
Die steife und kalte Tischdecke mit Franzis Schweigen gleichzusetzen halte ich für einen gewagten Vergleich, bzw. erschliesst sich mir nicht recht, wie ein 'Gegenstand' wie eine Tischdecke etwas mit einer menschlichen Eigenschaft gleichhaben kann.

Sie hatten ein einsames Hallo ausgetauscht. Keine Umarmung, keine weiteren Worte. Deswegen hatte er so schnell etwas zu trinken geordert. Immer mit dem Gedanken Beim nächsten Schluck frage ich! Aber der Mut verließ ihn jedes Mal und am Ende hatte er nur noch sauren Traubengeschmack im Mund.
Äh, das finde ich etwas unglaubwürdig, sorry. Also Franzi hat ihn da hastig und drängend und geheimnisvoll herzitiert und er wartet jetzt einfach zu, die sagen sich nicht mehr als nur ein einfaches 'Hallo'? Nach all den Jahren? Platzen die Worte da nicht aus ihm heraus?

Die Muskeln in seinen Beinen fühlten sich taub an. Wie damals, als die Ergebnisse der Abiturprüfungen aushingen, und er schon ahnte, dass er durchgefallen war. Nur viel schlimmer.
Verstehe ich nicht. Wie stehen die Muskeln bzw. die Taubheit in den Beinen mit seiner Anspannung in Verbindung? Wenn man innerlich aufgewühlt oder eben angespannt ist, würde ich mal behaupten, zeigt sich das als erstes nicht mit 'Symptomen' in den Beinen. Zumindest bei mir, kann ja von Person zu Person unterschiedlich sein. Aber ich stockte hier etwas, weil es für mich sehr seltsam klang.

Mehr als die Erinnerungen an ihre umschlungenen Körper und die nach Unendlichkeit schmeckenden Küsse.
Umschlungene Körper und nach Unendlichkeit schmeckende Küsse: Kitsch- bzw. Klischeealarm!

Vorwürfe und Schuldzuweisungen lauerten hinter dem hellen Klimpern des Bestecks.
Aber es isst doch gar niemand, weder Franzi, noch Eymen, noch Christoph. Ist es das Besteckklimpern von anderen Gästen? Meiner Meinung nach würde es jedoch nur Sinn machen, wenn die Vorwürfe und Schuldzuweisungen hinter Franzis Besteckklimpern lauern würden. Was sollten die anderen Gäste auch damit zu tun haben?

Aber ihre graublauen Augen leuchteten immer noch wie ein Gletscher im Sonnenlicht.
Mmmh, wie kommt der Erzähler auf diesen Vergleich? Ist Franzi früher Bergsteigerin gewesen? Oder spielt die Geschichte in den Alpen? Der Vergleich klingt natürlich schön, aber für mich etwas 'out of context'. Hierzu würde es allerdings noch passen:
Die Lawine rollte nicht nur, sie war kurz vorm Einschlagen.
Aber eben, ohne Kontext: Wieso drückt sich der Erzähler so aus? Vielleicht müssten da Vergleiche her, die eher zu den Charakteren und ihrer Situation passen.

Steif und kalt wie Franzis Schweigen.
Das stumme Leiden in Franzis tonloser Kälte
Die Worte hingen kalt und schwer in der Luft.
Das mit der 'Kälte' und 'kalt' liest sich für mich zu wiederholend, vielleicht findest Du da Alternativen oder lässt es an der ein oder anderen Stelle weg.

Minutenlang über sein altes Surfbrett streichelte, ohne die toten Augen abzuwenden.
Tote Augen: Bisschen Klischeealarm.

Aber alles wäre besser gewesen als jeden Tag mit diesem Zombie frühstücken zu müssen, während Kaffee und Brötchen nach Schuld schmeckten.
Verstehe ich nicht recht: Wieso schmecken Kaffee und Brötchen nach Schuld? Ausserdem: Wie schmeckt Schuld? Wie äussert sich das? Sind die Brötchen pampig?

An einem Tag im April, als der Himmel die Farbe von nassem Beton hatte, hatte er die Platte des Lebens einfach umgedreht.
Dieses 'hatte, hatte' finde ich stilistisch unschön.

An einem Tag im April, als der Himmel die Farbe von nassem Beton hatte, hatte er die Platte des Lebens einfach umgedreht.
Hat er da den Hirnschaden erlitten? Für mich liest es sich so, als hätte er sich an diesem Tag selbst das Leben genommen. War etwas verwirrt.

Alle Möglichkeiten durchgespielt, während er betrunken auf der Couch lag und seine eigene Unfähigkeit verfluchte.
Ist Christoph ein Trinker? Das ist bisher nicht zu mir durchgedrungen. Also ja, dass er reichlich abgehalftert und heruntergekommen aussieht schon, aber muss das muss nicht deckungsgleich mit Trinker sein, finde ich. Vielleicht könntest Du vorher schon etwas in diese Richtung bringen? Oder hab ich was verpasst?

Aber musste er es auf diese Art erfahren? In einem beschissenen italienischen Restaurant direkt neben Eymen, dem er nichts mehr zu sagen hatte? Kurz nachdem er den Laden und seine Träume begraben hatte?
Wie, auf welche Art und Weise, hätte er denn lieber davon erfahren? Das habe ich mich hier direkt gefragt.

Eymen zerrupfte seine schwarzen, gegelten Haare.
'zerrupft' ist ein zu starkes Wort, bzw. passt das bildlich für mich nicht richtig. Es liest sich so, als würde er sich tatsächlich die Haare in Büscheln ausreissen und dann diese Büschel zerrupfen. Ich würde das abschwächen oder anders formulieren.

Christoph verzog sein Gesicht, als hätte ihm jemand in die Eier getreten.
Passt der Kraftausdruck an der Stelle 'in die Eier treten'? Das habe ich mich zu Beginn dieses Abschnittes gefragt, aber es kommt dann noch mehr in die Richtung, Christoph ist wütend. Es hat mich etwas überrascht, aber danach schon gepasst.

Und nach Marcos Überdosis schlug die Antipathie in blanken Hass um.
Marco war also drogenabhängig? Ich glaube, vorher habe ich es so verstanden, dass er einen Hirnschlag hatte. Wahrscheinlich kann er durch eine Überdosis schon einen Hirnschlag erleiden, aber ich würde da eher Organversagen oder Atemstillstand in Verbindung bringen. Aber anyway, ich glaube, Du bist Mediziner, Du weisst das tausendmal besser als ich! :-)

Leere Worte von einem gelangweilten Pfarrer
Den Worten eines steifen Predigers lauschen
Für meinen Geschmack liest sich das zu wiederholend.

Dann bemerkte er, dass er tief und stockend schluchzte.
Ich glaube, das habe ich hier im Forum gelernt: Dieses 'er/sie/es bemerkte' liest sich etwas ungelenk bzw. unsauber, und man könnte einfach schreiben: Er schluchzte tief und stockend. Das ist direkter, weniger distanziert von der Figur.

Der Geruch von nassem Asphalt umfing ihn, als das Pfeifen in seinen Ohren leiser wurde.
Welches Pfeifen auf den Ohren? Hatte er vorher ein Pfeifen auf den Ohren? Das ist an mir vorbeigegangen.

Blätter raschelten im Wind und die Schmerzen in seinem Magen waren verschwunden.
Die Magenschmerzen verfliegen einfach so? Das geht mir zu schnell, trotz der frischen Luft.

Einzelne Sterne blitzten durch die Wolken. Immer noch dieselben Lichter die er mit Eymen beobachtet hatte. Als sie sich am Balkon blöd kifften und über die Ausdehnung des Universums diskutierten.
Wieso denkt Christoph hier an Eymen? Im Moment ist er doch gedanklich voll bei Marco. Will er sich ablenken? Denkt er deshalb an diese bekiffte Anekdote? Oder wird ihm allgemein bewusst, welchen Verlust er eigentlich erlitten hat? Ich würde versuchen, die Erinnerungen Eymen <=> Marco etwas deutlicher zu trennen, auch wenn die drei eine gemeinsame, eng verbundene Vergangenheit verbindet. Mir war das etwas zu sprunghaft.

Immer wieder knetete er sein stoppeliges Kinn, während er das vom Döner verursachte Sodbrennen unterdrückte.
Sein Magen brannte und er spürte Säure im Hals.
Obwohl da einiges an Abstand dazwischen liegt im Text, sind mir diese Elemente dennoch als wiederholend aufgefallen (ich glaube, es gibt noch eine dritte, ähnliche Stelle, irgendwo dazuwischen, aber habe sie auf die Schnelle gerade nicht mehr gefunden). Vielleicht allgemein darauf achten, nicht zu viele Dinge zu wiederholen oder ähnlich zu beschreiben, das kann sich rasch abnutzen.

Aber Stattdessen legte sie den Kopf auf seine Schulter.
Auf seine Schulter oder an seine Schulter? Geht bestimmt beides, ich finde, an passt noch besser, aber das ist bestimmt Geschmackssache.

Und dann umarmte er sie, als würde die Vergangenheit plötzlich zu nichts.
Eigentlich ein schöner Satz, aber das Ende finde ich bisschen abgehackt. Vielleicht könntest Du sowas schreiben wie: Und dann umarmte er sie, als würde die Vergangenheit nichts mehr bedeuten. Oder halt so ähnlich. Fände ich persönlich runder.

Hatte jahrzehntelang ihren Bruder gepflegt, den die Drogen geistig zerrüttet hatten und die stummen Vorwürfe ihrer Eltern geschluckt.
Ich habe den Eindruck, in dem Text wird sehr viel von leiser und lauernder Schuld und stummen und versteckten Vorwürfen gesprochen. Aber vielleicht ist das auch nur mein Eindruck. Ich fand jedenfalls, an der Stelle wird es langsam bisschen viel. Man könnte das auch anders schildern, so wie hier ist das ja grösstenteils getellt, vielleicht wäre es weniger auffällig (für mich), wenn das aktiver beschrieben wird.

Warum er bei jedem One-Night-Stand, jeder versoffenen Nacht im Club und jedem alten Song immer nur an sie gedacht hatte.
Aber noch immer fand er keine Worte.
Nun ja, was die One-Night-Stands anbetrifft, vielleicht besser, wenn er keine Worte findet, könnte wohl ein ziemlicher Mood-Killer sein :D

Seine Bartstoppeln kratzten über ihre Wange.
Bin mir nicht sicher, ob das perspektivisch korrekt formuliert ist. Es liest sich hier ein wenig so, als würde die Perspektive von Christoph zu Franzi wechseln, dabei ist die Story ja aus Sicht von ersterem geschrieben, oder? Ich komme darauf, weil Franzi das Kratzen spürt, er ja wohl eher nicht, also vielleicht berührten seine Bartstoppeln ihre Wangen o.ä.? Dann ist auch klar, dass die kratzen, weil Bartstoppeln das ja meist tun.

Lass dich jetzt nicht hängen, bitte. Du musst stark bleiben.
Klischeehafte Antwort, oder? Aber es kann schon sein, dass das passt, weil es vielleicht das Erste ist, was einem in einer solchen Situation einfällt, und wenn man bisschen überfordert ist, kann einem Menschen ja auch schnell mal sowas rausrutschen.

Er biss sich fest auf die Unterlippe Erlösung? Das klang schon wieder nach christlichem Quatsch.
Punkt nach 'Unterlippe' fehlt.

Das Licht der Straßenlaternen schimmerte in ihren feuchten Augen.
Könnte meiner Meinung nach verkürzt werden: Die Straßenlaternen schimmerten in ihren feuchten Augen.

Man sah nur noch Regenschlieren auf den Windschutzscheiben der parkenden Autos,
Also regnet es? Ja, es wird ein paar Sätze später klargestellt, aber hier stockte ich kurz.

Ciao Marlon! Beinahe flüsternd mit einem Beben in der Stimme. Die alten, zärtlichen Neckerein, weil sie beide Schwarz-Weiß-Filme geliebt hatten.
Auch hier, diese Kosenamen: Das zieht nicht richtig. Du führst die ein und bringst gleich danach die Erklärung, warum die Kosenamen existieren (sie haben beide Schwarz-Weiss-Filme geliebt). Das müsste doch vorher im Text kommen, damit müsste irgendeine Erinnerung verbunden worden sein, meinetwegen eine gewisse Melancholie oder so, dann könntest Du dir hier die Erklärung sparen und ich als Leser das Beben in ihrer Stimme viel besser nachvollziehen, weil es eben vorher einen Resonanzraum aufgemacht hat, der nun anklingt. Ich hoffe, Du kannst meine Gedanken nachvollziehen. Ich meine hier wieder: Nimm mich als Leser stärker emotional mit, packe mich bereits früher, dann haben solche Stellen ein vielfaches an Gewicht.

Die Fenster der umliegenden Häuser leuchteten wie glimmende Feuer.
Kann ich mir nicht so ganz vorstellen. Ja, regnerische Nacht, einige Fenster sind beleuchtet, aber wieso bewegt sich das Licht wie glimmendes Feuer? Vielleicht höchstens noch wenn er reichlich betrunken wäre, der Christoph, aber sonst ... Für mich passt das Bild nicht ganz und ich bekomme schnell das Gefühl, der Autor möchte seine Bilder überpoetisieren.

Christoph hatte sich immer gefragt, ob er da schon Pillen eingeworfen hatte oder ob dass erst in Berlin begonnen hatte.
Kleiner Stolperer: Das zweite 'hatte' könntest Du ohne Weiteres streichen, es wird nicht benötigt. Es reduziert die 'hatte'-Überfracht in dem Satz ausserdem von 3 auf 2x.

Ein Strand in Sanremo. In der linken Ecke lehnte eine jüngere Version seiner selbst. Die Haare waren feucht und sein Körper glänzte in der Sonne. In der rechten Hand eine Bierdose, während er die linke zum Gruß hob. Neben ihm standen Eymen und Franzi. Er küsste ihren Hals und sie lachte, weil es kitzelte.
Hier, bei der Beschreibung dieses Fotos, habe ich etwas Mühe, mir das Bild zusammenzusetzen, dass darauf zu sehen ist. Christoph lehnt in der Ecke, in der rechten eine Bierdose, die linke zum Gruss erhoben, und zu alledem küsst er Franzi noch auf den Hals? Die Pose wirkt auf mich überladen. Oder ist es Eymen, der Franzi auf den Hals küsst? Eigentlich nicht, oder?

Wisst ihr, warum ich euch nie besucht habe?, fragte Eymen leise. Ich konnte es einfach nicht ertragen. Er sah zu Boden. Ihn so kaputt zu sehen. Dass hatte er nicht verdient. Und dann bin ich einfach abgehauen und hab euch alleine gelassen. Ich wollte nur weg. Selbst die Musik konnte ich nicht mehr ertragen.
Ich glaube, ich würde den Satz ersatzlos streichen, das mit dem 'nicht ertragen' kommt im letzten Satz auch noch einmal vor, wenn auch nicht direkt im selben Kontext, so würde es für mich ausreichen. Ich habe es als ein wenig gedoppelt wahrgenommen.

Er beendete den Satz nicht, weil alle dasselbe denken.
Zeitform: ... weil alle dasselbe dachten, oder bin ich falsch gewickelt?

Er erschrack, als Christoph etwas ähnliches aussprach.
Auch hier wieder die Perspektive (sorry, kenne mich damit nicht so gut aus, ist nur ein Gefühl): Wir sind doch in der gesamten Geschichte dicht an Christoph dran, das Erschrecken wird hier aber aus der Sicht von Eymen beschrieben. Nun, geniesse diese Anmerkung meinerseits mit Vorsicht, bitte :-)

Die bunten Pillen, die Marco aus Berghain mitgebracht hatte.
vom Berghain, oder nicht? Das ist doch ein Club? Oder gibt es auch eine Ortschaft, die so heisst? Sorry, bin nur zur Hälfte Deutscher :D Ausserdem weiss ich nicht recht, ob das mit den Pillen aus dem Berghain vielleicht schon leicht am Klischee entlangschrammt, das müsste Dir aber wohl ein Berliner beantworten ... :-)

Kommt mit, sagte er schließlich, Ich will euch was zeigen.

Eymen lächelte und strich über die abgegriffene Hülle des Tapes.

Wieder ein recht abrupter Übergang. Also ich konnte da schon folgen beim Lesen, musste mich aber kurz wieder neu orientieren. Hier wechselt die Szene ja von der Strasse vor dem Restaurant zu Christoph nach Hause. Vielleicht könntest Du diese Szenen-Verschiebung mit einem oder zwei Sätzen etwas smoother gestalten.

Und immer wieder: Franzi. Jung und schön. Aufnahmen auf denen sie malte. Lächelnd auf einer Party. Schlafend im Bikini.
Der letzte Satz könnte beinahe etwas creepy sein, aber ich denke, im Kontext deines Christophs passt das schon, der ist ja eindeutig nicht so drauf und fand das wohl einfach ästhetisch ;-)

Er atmete lange und traurig aus.
Kann man traurig ausatmen? Wie klingt das? Nach einem tiefen Seufzer? Vielleicht wolltest Du das ja genau vermeiden, aber die Formulierung klingt für mich nicht so richtig präzise.

Surften und lachten mit Marco. und er rief es ihnen entgegen:
Nach Satzanfang gross: Und er rief ...

Alle hatten sie ihre Platten noch einmal umgedreht.
Schöner Schlusssatz!

Weitere Anmerkungen/Textstellen:

Christoph, Ich habe versucht, dich anzurufen. Ist die Nummer nicht mehr aktuell? Wir müssen uns treffen. Nächsten Mittwoch 18:00 Uhr im La Trattoria. Bitte schreib mir schnell zurück. Du musst kommen. Eymen habe ich auch eingeladen. Es ist wichtig! Ich habe momentan viel zu tun. Wenn ich dich auf diese Art auch nicht erreiche, muss ich deinen Vater fragen, wo du steckst. Bitte melde dich. Grüße
Franzi
Bei Franzis Nachricht habe ich mich ein wenig gefragt, ob da nicht der Autor zu stark durchscheint, denn ich finde, die Franzi würde da vielleicht etwas konkreter schreiben, um was es geht. Sie muss ja nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen, aber eine Andeutung, warum diese Einladung erfolgt, müsste meiner Meinung nach da schon in ihrer Nachricht ersichtlich sein. Irgendein Grund, warum Christoph sie unbedingt dort treffen sollte. So klingt es mir zu stark danach, als wolle der Autor die Umstände (noch) zurückhalten.

An diesem letzten Sommer in Italien. Als die späte Augustsonne den Strand vor dem ligurischen Meer in geschmolzenes Gold tauchte. Seine Hände, die ihre weiche Haut mit einer Mischung aus Sand und Sonnencreme massierten. Der Geschmack von Campari und Nudeln. Und ihr Bruder mit dem Surfbrett im Abendlicht. Mit blau und rot gefärbter Igelfrisur, das hagere Gesicht immer von einem Lächeln erhellt. Daneben Eymen mit den schwarzen Locken und der schäumenden Bierdose. Dünn und mit dunkler Haut, weil er im Gegensatz zum Imbiss-Ali tatsächlich türkische Wurzeln hatte. Seine beiden besten Freunde und ein Engel. Jung und unbesiegbar, weil sie es nicht besser wussten.
Ich muss sagen, das liest sich schön, aber auch ein wenig klischeebehaftet: Tiefstehende Sonne, ligurisches Meer, geschmolzenes Gold, Campari, Nudeln, Surfbrett, Engel, Unbesiegbarkeit. Das ist mir fast etwas zu viel Geschmachte.

Marco ist tot!
Hier verschenkst Du meiner Meinung nach eine Menge Potential: Franzi droppt das einfach so, dass ihr Bruder gestorben sei. Das passt schon, aber es hat für mich keinerlei emotionalen Impact, weil ich habe Marco ja bisher überhaupt nicht kennengelernt! Folglich kann ich in dieser schwierigen Situation nicht mit den Charakteren mitfühlen, ja, es ist mir im ersten Moment sogar egal, ich tue es mit einem Schulterzucken ab, etwas böse formuliert. Der Charakter von Marco wird hier eingeführt (vorher wurde ihr Bruder erwähnt und die Igelfrisur und das Surfen, aber das gibt mir ja praktisch nichts an die Hand) und sogleich für tot erklärt! Wie soll mich das emotional mitnehmen? Also ich finde, dieser Charakter Marco müsste vorher etabliert werden, ich müsste viel deutlicher erkennen können, in welcher Beziehung Christoph, Eymen und Franzi zu ihm gestanden sind, was die gemeinsam erlebt haben, gemeinsame Gespräche etc. pp., so zieht das für mich leider überhaupt nicht. Das mit den Medikamenten etc. wird ja erst danach aufgerollt, aber da ist die Wirkung dieses Satzes bzw. das emotionale Gewicht dieser Aussage bereits verpufft. Ich verstehe schon, Du wolltest vorher nicht zu viel verraten, auch bezüglich der Krankheit von Marco und so weiter, aber dieser Weg, wie Du ihn hier gewählt hast, das klappt für mich nicht.

Musik hatte ihm immer Halt gegeben. In jeder beschissenen Situation hatte die Platte seines Lebens ihre Umdrehungen gemacht. Und wenn es zu schlimm wurde, hatte er sie umgedreht. Es hatte immer den passenden Track, den richtigen Rhythmus gegeben. Beats und Synthies klangen nicht kalt. Sie wärmten ihn, wenn er vor Verzweiflung schreien wollte. Doch jetzt gab es nur noch monotones Gemurmel und die eigene Sprachlosigkeit.
Etwas viel getellt, finde ich.

Fazit:

Ich habe deine Geschichte wirklich gerne gelesen, deshalb habe ich mich auch recht intensiv mit ihr beschäftigt und auseinandergesetzt. Bitte nimm mein Feedback nicht als Entmutigung, das möchte ich noch einmal betonen, es ist viel, ja, aber vieles sind auch Kleinigkeiten. Ich glaube, mein grösstes 'Problem' mit der Geschichte ist, dass sie eigentlich ein hochemotionales Drama ist, aber ich eben emotional nicht oder viel zu wenig mitgehen konnte, weil ich als Leser sozusagen zu wenig involviert wurde. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Gefühle zu sehr beschrieben und nicht durch die involvierten Charaktere vermittelt werden. Sprich, ich fühle diese Aufgewühltheit nicht richtig, weil mir das eher nüchtern vom Erzähler -- ich sag's mal etwas fies -- auf die Nase gebunden wird. Vielleicht ist auch der Aufbau der Story nicht so richtig treffend, weil die meisten Infos mir nach und nach vermittelt werden, auch solche, die eigentlich schon viel früher auftauchen sollten. Beispiel: Marco wird als Charakter eingeführt und gleich im selben Satz sein Tod. Wie soll ich da als Leser mitgehen, wenn ich keinerlei oder nur sehr, sehr wenige Dinge über diesen Charakter zuvor erfahren habe? Ich beobachte dann, wie Christoph, Eymen und Franzi damit umgehen, aber das bleibt alles eher distanziert, weil mir in diesem Fall Marco eben nicht ans Herz gewachsen ist, weil ich da die tiefe Freundschaft und Verbundenheit dieser Truppe noch gar nicht richtig kennenlernen konnte. Im Nachhinein geschildert verliert das für mich fast jede Wucht, die ein solcher Satz Marco ist tot! oder eben der Umstand, eine geliebte Person zu verlieren, eigentlich haben könnte oder sollte. Es gibt weitere solcher Beispiele, die ich hoffentlich oben in meiner Kritik benannt habe. Ich fand die Thematik deines Textes sehr ansprechend, deshalb wünschte ich mir auch, die Geschichte würde von Dir noch etwas feiner ausgearbeitet.

Beste Grüsse,
d-m

 

Nochmal herzlichen Dank an alle für das Lesen und Kommentieren der Geschichte.

Jetzt die Rückmeldungen meinerseits.

@Frieda Kreuz

Danke für deinen tiefgründigen Anmerkungen zum Text, die mir sehr gut gefallen haben. Das zeigt, dass ich zumindest bei dir das ausgelöst habe, was ich wollte:

sehr von oben herab behandelt wurde. Mir waren die Leute dort immer zu cool
Vollste Zustimmung! Was das Thema betrifft habe ich wirklich viel Erfahrung. Und tatsächlich hat oder hatte jeder zweite Plattenladen in denen ich meine Füße gesetzt habe, diese elitäre Snob Stimmung.

Ganz genau wie in High Fidelity, in denen sich die Plattenladenbesitzer quasi als Gatekeeper sehen, die erst mal auf ihre Kunden scheißen. Leider ist das nach Corona vielen zum Verhängnis geworden. Ich gehe weiter unten bei Morning Dew noch genauer darauf ein.

So stark und rebellisch waren sie im Grunde gar nicht. War vielleicht auch oft eine Pose, um dem anderen Geschlecht zu gefallen. Mit herzförmigen Sonnenbrillen allein ändert man auch nichts. Wollten sie das überhaupt?

Das ist genau einer der Kernpunkte, den ich heraus arbeiten wollte. Die Jugendbewegungen gleichen sich in vielen Dingen. Aber dann gibt es auch Punkte in denen sie sehr weit auseinander driften. Wenn man sich die Hippie/68er Bewegung ansieht, dann gab es dort ja ein großes politisches Bewusstsein und tatsächlich den Willen, die Welt ein Stück besser zu machen. Bestimmt nicht bei allen, manche wollten sicherlich nur kiffen und feiern. Aber es gab schon diesen Kern, der darüber hinaus ging.

Meine Geschichte nimmt dann die Generation auf, die um 1989-1995 ihre Jugend verlebte, und da speziell die Techno/Rave Bewegung mit der ich selbst groß geworden bin. Und du hast absolut recht, dass dort eigentlich wenig bis gar nichts rebellisch war. Es war der gelebte Hedonismus. Feiern bis der Arzt kommt. Wortwörtlich, weil ja damals auch das Ecstasy im Umlauf war, dass viele Opfer gefordert hat.

Mir ging es darum, diese Tragik aufzuzeigen. Natürlich kann man sagen, sie waren selbst schuld. Aber ganz fair ist es halt doch nicht, wenn man in der Jugend einmal oder zweimal eine Pille probiert und dann ein Leben lang mit den Folgeschäden zurecht kommen muss. Und darüber hinaus wollte ich eine Liebeserklärung an diese Musik verfassen. Auch wenn es oft nicht so gesehen wird: Techno bzw. elektronische Musik ist wirklich spannend und hat mehr zu bieten als nur stumpfe Beats. Und gerade zur damaligen Zeit wurde viel experimentiert.

@MorningDew

Vielen Dank fürs Lesen und dein gutes Auge. Die Fehler habe ich ausgemerzt.

Außerdem dachte ich, Vinyl erlebt eine Renaissance, weil man Turntables nicht mit Spotify betreiben kann? Bin da aber Laie...

Tatsächlich sprach man schon vor 10 Jahren vom sogenannten Vinyl Revival. Und die Platte erlebte auch einen kleinen Boom. Gemessen in reinen Verkaufszahlen war das aber nicht so großartig wie es oft dargestellt wird.

Der Großteil der Musikkonsumenten streamt mittlerweile. Das ist einfach Fakt. CDs werden so gut wie gar nicht mehr verkauft und die Schallplatte ist ein reines Nischenprodukt geblieben. Zudem haben die Pandemie, Ukrainekrieg und Energiekrise zu einem unglaublichen Preisanstieg bei den Platten geführt. Dadurch überlegt sich natürlich jeder zweimal, ob er das Geld wirklich ausgibt.

In den letzten 3 Jahren konnte ich jedenfalls ein großes Aussterben der Plattenläden beobachten. Die geschilderte Preis- und Konsumsituation, elitäres und arrogantes Gehabe (siehe mein Kommentar bei Frieda Kreuz) und gestiegene Miet und Energiekosten lassen einfach keinen Raum zum Überleben mehr.

Verstehe ich nicht: Heißt so der Club? Oder sind sie im VIP-Bereich?

„Erste Liga“ war tatsächlich ein Techno Club in München. Muss ich mal schauen was ich damit mache. Stiftet wohl Zuviel Verwirrung.

Das Ende fand ich sehr schön. Nicht bahnbrechend, aber du bindest die Fäden der Drei nach all den Jahren wieder zu einem Strang zusammen, ein kleiner Moment der Versöhnung. Kein großer Knall, aber dafür viel subtile Kraft.
Sprachlich habe ich wenig auszusetzen, nur wenn du den Text straffen würdest, könnte man ihn noch flüssiger lesen.

Sehr schön, wenn es bei dir so angekommen ist, danke! Ja, das mit dem straffen haben bisher alle angemerkt, da werde ich noch einmal drüber gehen.

Hallo @Woltochinon

Auch noch einmal vielen Dank für deine Einschätzung!

Jethro Tull lässt Grüßen, einer meiner Lieblingssongs.

Ja, ich liebe Ian Anderson auch. Und obwohl ich die Geschichte ja in der Techno Szene angesiedelt habe, ist da wohl etwas aus den Untiefen/dem Unterbewusstsein meiner Plattensammlung hervor gekrochen.

Diese Zeile hat bei mir den Kontext unschön unterbrochen. Wenn du dabei bleibst: Franzi (Leertaste) ... (Dieses Fehlerchen kommt öfters vor).

Das hab ich jetzt selbst bemerkt. Diese Pünktchen sind ja schlechter Stil und eigentlich ein Anfängerfehler. Hab sie jetzt gekillt.

Der Rainbow Runner wandelt sich zum Realitäts-Rennenden! Insgesamt ein ansprechender Text mit einem Schluss, der das durchgehende Motiv der Musik (und ihrer Bedeutung für das Leben der Protagonisten) für ein versöhnliches Finale mit neuer Bedeutung erfüllt.

Danke! Freut mich, wenn das Ende so funktioniert hat wie ich es geplant hatte! Und es ist eigentlich nur zufällig dass es hier so ein geerdeter Text wurde. Ich habe schon noch ein paar Ideen für phantastische Geschichten ;-)

@deserted-monkey

Danke für deine ausführliche Kritik. Da scheint es ja noch an vielen Ecken zu hapern.

vom Berghain, oder nicht? Das ist doch ein Club?

Das stimmt. Und ich gebe dir auch recht, dass es dann klischeehaft wird. Allerdings wenn ich einen unbekannten Club genommen hätte, wäre vielleicht die Verwirrung wieder zu groß gewesen.

Insgesamt habe ich aus deiner gut fundierten Kritik zwei Kernpunkte herausgelesen:

1. Zu langatmig/Zuviel Tell
2. Zu wenig Charakterisierung

Auch deine anderen Punkte waren sehr hilfreich. Ich werde da morgen nochmal über den Text gehen. Vielen Dank!

 

Moin @Rainbow Runner ,

ich hoffe Du kannst noch einen Kommentar ab? Ich will mal langsam wieder im Forum eintauchen, dazu gehört natürlich auch kommentieren. Nimm es einfach als zusätzlichen Leseeindruck. Ich hangle mich mal an den Zitaten entlang und hoffe, dass es nicht zu sehr durcheinander geht.

Trip Like I Do
Falls es von Interesse ist, finde ich generell englische Titel zu deutschen Geschichten schwierig, aber okay, es ist ein Musiktitel und zieht sich durch, damit ist es für mich okay, auch wenn ich ihn absolut nicht kenne. (hoffentlich bin ich nicht die Einzige :-)

Christoph hatte sich sein Leben gerne als Schallplatte vorgestellt.
Nette Idee!
Nach dem Lesen weiß ich ja nun, das Du das Bild konsequent durchziehst, mag ich.

Aber mittlerweile war er zum Ladenhüter geworden. Das Vinyl, das immer zwischen den anderen steht, bis man es einfach im Restmüll entsorgt. Und umdrehen konnte er die Platte auch nicht mehr. Nicht als fast 50-jähriger Versager.
Er kommt sogar hier ganz am Anfang als absoluter Jammerer rüber. Wenn das Dein Ziel war - gut gemacht.
Im Nachhinein würde ich eventuell beim umdrehen der Platte etwas relativieren, denn er tut es ja zum Schluss.

Seine dunklen Haare wurden jetzt dünn und grau, die Deichmann Turnschuhe hatten Löcher und seine Jeansjacke würden sie selbst in der Altkleidersammlung aussortieren. Der abgewetzte Ledersessel knarzte, als er den Blick über die skelettartigen Metallregale schweifen ließ.
Bezugsfehler: Der Ledersessel lässt seinen Blick schweifen.
Ich hatte häufiger das Problem die vielen Er richtig zuzuordnen, eventuell könntest Du die Geschichte aus einer direkteren Perspektive erzählen.

auch wenn das Geld weiterhin nur für einen lauwarmen Döner reichte.

warum diese beschissene Imbissbude ihren Fraß nie heiß servierte. Vielleicht war es nur Glück, dass er sich in den letzten 20 Jahren keine einzige Magenverstimmung eingefangen hatte. Oder Ali gab ihm das gute Zeug und sparte sich verdorbenes für die Laufkundschaft auf.
Seltsames Verhalten, meckern, aber es 20 Jahre lang durchhalten.

Aber irgendwann gingen viele zuerst zum Essen und danach einfach am Plattenladen vorbei.
Dann begann die Pandemie. Und danach kam niemand mehr. Der Türke entdeckte Lieferando und verdiente noch mehr Geld. Christoph entdeckte Streaming und dass es seinem Laden den Gnadenstoß verpasst hatte. Ende des Sets ohne großen Applaus.
Ich mag ihm kaum noch folgen, da ist ja wirklich keinerlei Energie, ohne das ich dafür einen Grund erkennen kann. Vielleicht erwischt Du mich auch nur auf einem falschen Fuß (oder ich Deine Geschichte). Wenn er so rüber kommen soll, ist es bei mir auf alle Fälle richtig gut angekommen.

Tagsüber Platten verkauft und nachts im Hinterzimmer des Ladens an seinen Demos gearbeitet.
Mahg ich überlesen haben, dass er selbst Musik macht hatte sich aus dem Musikerlatein für mich nicht ergeben. Dann gibt es also doch etwas, was ihn trickert, vorantreibt.

Und sich selbst eingestand, dass seine selbstproduzierten Platten in den Regalen den meisten Staub ansetzten.
hart!

Ein dunkelbrauner Grabstein aus Pappe.
Schönes Bild!

als er die E-Mail bemerkte. Und die Welt stand still. Die Musik drang nur noch dumpf zu ihm und sein Atem setzte aus. Er blinzelte, weil er sich nicht sicher war, ob er richtig gelesen hatte.
Ja, hier ist ganz viel Gefühl.

während er das vom Döner verursachte Sodbrennen unterdrückte.
kann man Sodbrennen aktiv unterdrücken?

Franzi, hauchte er in die staubige Stille. Und er sah sie. Nicht grobkörnig, sondern gestochen scharf.
An diesem letzten Sommer in Italien. Als die späte Augustsonne den Strand vor dem ligurischen Meer in geschmolzenes Gold tauchte. Seine Hände, die ihre weiche Haut mit einer Mischung aus Sand und Sonnencreme massierten. Der Geschmack von Campari und Nudeln. Und ihr Bruder mit dem Surfbrett im Abendlicht. Mit blau und rot gefärbter Igelfrisur, das hagere Gesicht immer von einem Lächeln erhellt. Daneben Eymen mit den schwarzen Locken und der schäumenden Bierdose. Dünn und mit dunkler Haut, weil er im Gegensatz zum Imbiss-Ali tatsächlich türkische Wurzeln hatte. Seine beiden besten Freunde und ein Engel. Jung und optimistisch, weil sie es nicht besser wussten.
Ja, immer wenn es um die Gruppe geht, schreibst Du "gefühlvoll, bunt". Eigentlich also wohl alles richtig gemacht.

Ach das ist Caro!
Ich komme ohne Anführungszeichen klar, allerdings denek ich , dürftest Du durchaus ein paar Kommas verteilen. Nicht meine stärkste Seite, aber nach Ach, ... kommt denke ich eines.

Die einsetzende Stille war gewaltig aber auch erholsam.
nach gewaltig wohl auch?

Bevor er sich über Fußball unterhielt, bezog er lieber Bürgergeld.
nettes Bild! Wirklich frisch!

Der Schatten ihres Bruders hing über diesem Tisch.
Vorwürfe und Schuldzuweisungen lauerten hinter dem hellen Klimpern des Bestecks. Schmerzhafte Worte, vor denen er sich zwei Jahrzehnte versteckt hatte.
okay, Spannungsaufbau, denn irgendwas muss ja nun kommen. Ich bin unsicher, warum Du es so allmählich entpackst, bisher habe ich ihn als Jammerer erlebt, ohne irgendwelchen Elan. So richtig mitleiden werde ich jetzt wohl nicht. (ja, okay, ich bin vielleicht einfach ein Fisch)

Franzis stumme Vorwürfe zu ertragen und sich Sorgen wegen ihrer Erschöpfung zu machen. Keine Worte mehr zu finden für Liebe, Pläne oder die Zukunft. Im Trümmerfeld von Marcos Hirnschaden hatte es keinen gemeinsamen Platz mehr gegeben.
Also war er gegangen.
An einem Tag im April, als der Himmel die Farbe von nassem Beton hatte, wurde die Platte seines Lebens umgedreht.
Ja, das ist fließend zu lesen, berührt, erklärt. Aber es holt mich nicht ab, es ist nur berichtet, gut geschrieben, aber nicht erlebbar. Versteh mich nicht falsch, Tell lese ich gerne. Aber Deine Geschichte ist nicht kurz, und viel Tell zieht es noch länger.

Er hatte immer gewusst, dass sie ihren Bruder überleben würden.
Dies ist wieder so eine Stelle, die durch die ganzen Personalpronomen unübersichtlich wird, falsch ist sie denke ich nicht.

Er hörte die Worte so klar, als würde Marco neben ihm sitzen. Keine Zeit für Ernsthaftigkeit. Den Spaß des Lebens mit jeder Pore aufsaugend. Franzis Bruder war definitiv eine seltene und begehrte Platte gewesen!
Ich empfinde das durchgezogene Plattenmotiv als sehr gut gemacht.

Als sie sich am Balkon blöd kifften
Ist das grammatikalisch richtig?

Klar! Und warum kann unser Lebenslicht nicht über den Tod hinaus leuchten? Warum stoppt es plötzlich, als hätte jemand den Power Button gedrückt?
stoppt Licht? Ich würde eher erlischt, verlischt oder wird ausgeschaltet, wählen.

Ihre Schultern fühlten sich zart aber nicht zerbrechlich an.
Vielleicht haben sich die Kommaregeln ja geändert, dann werde ich es mir anders merken, aber für mich gehört hier nach zart ein Komma.

Aber noch immer fand er keine Worte.
Warum das Aber am Anfang?

Er biss sich fest auf die Unterlippe Erlösung?
Da fehlt ein Satzzeichen hinter Erlösung.

Hört mal, sagte sie und ihre Stimme klang immer noch brüchig, Ich weiß, wie scheiße das ist. Ich hätte es euch sagen sollen. Aber ich konnte nicht. Nicht am Telefon. Das es vorbei ist?, ergänzte Eymen, während er einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche zog.
Hier war ich verwirrt. Die Zeichensetzung ist ohne Anführungszeichen eigenwillig. Ich denke, man müsste versuchen auf die Redebegleitsätze zu verzichten. Und es sprechen zwei Personen in einem Absatz, da würde ich etwas umstellen.

Und schließlich, ganz rechts, der Tote.
Sagt man das wirklich so? Direkt nach dem man die Totesnachricht erhalten hat, sich noch nicht mal ganz daran gewöhnt hat, das ein Freund/wichter Teil einer Gruppe fehlt - der Tote? Wenn es sein Versuch sich zu distanzieren ist, würde ich das etwas verdeutlichen, lass ihn zögern, wegschauen, ... irgendwas, was ich menschlich verstehen kann.

Er würde nicht surfen, murmelte Christoph und sah seine Atemwolke in der feuchten, kalten Nacht aufsteigen. Er würde Musik machen! Weit entfernt konnte man melodisches Wummern vernehmen. Das Echo einer Party, vielleicht in einem Club. Die nächste Generation, die noch alles vor sich hatte. Kommt mit, sagte er schließlich, Ich will euch was zeigen.
Ich mag diese Szenen, aber sie wirken auf mich wie Fremdkörper. Mag aber wirklich mein persönlicher Lesegeschmack sein.

Zu Fuß durch dich Nacht, beinahe wie früher.
durch die Nacht?

Alle hatten sie ihre Platten noch einmal umgedreht.
Mir fällt partou keine Formulierung ohne das doofe hatte. Als Schluss mag ich das Bild der Lebensplatten wirklich gerne.

Ich hoffe, jetzt nicht zu meckerig geklungen zu haben, generell mag ich die Geschichte durchaus. Da sind schöne Ideen drin und ganz zum Schluss bin ich mit dem Protagonisten auch relativ warm. Auf alle Fälle habe ich aus meinem eigene Kommentar gelernt, das der Hauptprotagonist vielleicht beser am Anfang auch etwas positives an sich hat, das macht den Leseeinstieg leichter. Aber das hat bestimmt auch viel mit Geschmack zu tun.
Wünsche weiterhin viel Schreibspaß
greenwitch

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Rainbow Runner,

grundsätzlich hat mir dein Text gut gefallen. Wie @Frieda Kreuz sagt, wird man mit dem Älterwerden oft immer sentimentaler und beginnt, in der Vergangenheit zu leben. Natürlich geht das vor allem den Menschen so, denen das Schicksal nicht unbedingt hold war. Ich meine, es ist ja nun mal so: Ab 40, 45 beginnt ein Abstieg und viele naive Spass- und Lustspender fallen nacheinander weg. Daher denke ich, dass es völlig legitim ist, der Jugend nachzutrauern. Ob es einem was bringt, ist eine andere Frage.

Auch deinen Protagonisten fand ich insgesamt stimmig. Als ich Student war, hat meine Freundin mal für einen ähnlichen Typ gearbeitet und bei irgendwelchen Partys in kleinen Clubs an der Kasse gesessen. Der Typ hat die Partys – ich glaube, es waren Funk- oder Britpop-Partys – veranstaltet und dort aufgelegt. Da war nie etwas los und das Ganze war eine deprimierende Angelegenheit. Der Typ mit seiner LKW-Planen-Umhängetasche und den ausgelatschten Adidas Sambas hat einfach die Zeichen der Zeit nicht erkannt: Kein Mensch hatte Bock auf sein Retro-Konzept.

Gut, es klang schon an: Mit High Fidelity hat deine Figur einen potenten Paten, mit dem du mit so einer zwangsläufig immer verglichen werden wirst, was eine Bürde ist.

Wir rutschen also langsam in Richtung Kritik. Da muss ich sagen, dass ich circa bei der Hälfte abgebrochen habe. Ich hatte das Gefühl, der Text zerfasert und verliert sich in vorhersehbaren Abläufen. Das liegt auch daran, dass du zuvor einige Male hart in den Kitsch- und Klischeebereich hineinschlitterst:

Da sind einmal die Erinnerungen. Die triefen ziemlich vor abgegriffener Sonnenuntergangsromantik. Aber auch so Kleinigkeiten wie das Döneressen. Ich meine, Döner liebt man oder man hasst es. Und im zweiten Fall isst man es nicht. Punkt. Bei dir drückt er sich das aber rein, als ob ihn jemand dazu zwingt. Und Sodbrennen schon beim Essen? Völlig übertrieben in meinen Augen. Solche Ausschmückungen sind in meinen Augen Effekthascherei mit unglaubwürdigen Behauptungen.

Auch nicht gefallen mir Zeichnungen wie "seine Deichmann-Schuhe". Das ist eine nicht funktionierende Abkürzung in Sachen Charakterzeichnung, denn da pappst du einfach ein billiges Label an etwas dran, was dadurch dann plötzlich Bedeutung bekommen soll. Da musst du viel subtiler vorgehen, sonst scheint deine Intention einfach zu sehr durch und es liest sich wie eine Geschichte, die von einem Jugendlichen oder Anfänger geschrieben wurde.

Dritter Kritikpunkt ist der Personenreigen: Plötzlich wimmelt es vor Namen und auch das liest sich wie mit der heißen Nadel gestrickt (Ist das die richtige Redewendung hier? Keine Ahnung). Die Figuren brauchen mehr Eigenleben.

So weit mal. Muss jetzt aussteigen ;-)

Freundliche Grüsse

Henry

 

Hallo @greenwitch und @H. Kopper

Vielen Dank für eure Zeit und die hilfreichen Kommentare und Tipps.

Ich bin aktuell wieder stark eingebunden, weil eins unserer Kinder eine schwere chronische Krankheit hat. Derzeit sind wieder einige Akutbehandlungen im Krankenhaus notwendig.

Ich melde mich noch ausführlicher, wenn es wieder ruhiger ist.

Liebe Grüße
Rainbow Runner

 

Hallo nochmal,

Ich möchte noch einmal allen hier für die wirklich notwendigen und hilfreichen Tipps und Korrekturen danken!

@greenwitch und @H. Kopper
Ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich auf eure ebenfalls wichtigen Korrekturen nicht mehr speziell eingehe.

Ich habe die Geschichte noch einmal komplett aufgebrochen und quasi komplett von vorne begonnen. Vor allem @deserted-monkey hat mir die Augen geöffnet, was an der ursprünglichen Version alles nicht funktioniert hat.

Ich habe mir noch einmal bestimmte Lieblingsgeschichten von mir zur Hand genommen, und mich bezüglich Dramaturgie, Aufbau und Gestaltung daran orientiert.

Die neue Version empfinde ich jetzt selbst als runder und emotional stärker. Vielleicht hat ja der ein oder andere von euch Lust, nochmal zu lesen.

Danke euch allen!
Rainbow Runner

 

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