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Turngarten
Ich lernte die Blumen nach meinem Unfall lieben. Nicht die Exemplare, die man mir ins Krankenhaus brachte. Lieblos ausgewählte Sträuße, die abends weggeräumt werden mussten, um meinem Essenstablett Platz zu machen. Sondern die Blumen aus meinem späteren Garten.
In meinen ersten Kliniktagen hasste ich all die Rosen und munteren Sommerblüher, wollte nicht sehen, wenn Blütenblätter ausfielen, Stiele erschlafften. Bombastische Sträuße vom Fernsehsender reihten sich vorm Fenster, schön, aber nicht mein Ding. Nur Jonas verstand mich und ließ mein Zimmer blütenlos. Wofür ich ihm dankbar war, besonders, weil er selbst ohne Blumen nicht leben kann. Stets braucht er eine Vase neben seinem Computer, wo er Spielplätze entwirft, „Dann bin ich einfach kreativer“, filigrane Wildblumen belagern unsere Küche, stolze Lilien beäugten uns im Schlafzimmer, früher, als wir noch leidenschaftlich übereinander herfielen – als ich noch mehr bewegen konnte als nur den kleinen Finger meiner rechten Hand.
Meine Bettnachbarin, muntere zweiundachtzig, kommentierte meine Blumengeschenke, bevor ich selbst einen Blick auf sie werfen konnte.
Frau Lambert, Oberschenkelhalsbruch, eingefangener Krankenhauskeim, schon die sechste, erfolglose Operation. Eigentlich hätte sie die Blumenhasserin sein müssen. Wäre sie nicht über ihren Pflanzkübel gestolpert, würde sie noch fröhlich in ihrem Garten werkeln. Ich musste aus größerer Entfernung stolpern, aus größerer Höhe, um über Umwegen in meinem Gartenparadies zu landen. Monate später, lange nach meinem Unfall.
Unser gartenloser Fensterausblick war trostlos. Für die anderen. Nicht für mich. Meine Besucher machten alle die gleiche Bemerkung, dabei hätte ihnen der Ausblick völlig egal sein können. Immerhin mussten nicht sie die nächsten Wochen hier verbringen. Die Betonwand direkt vor mir empfand ich als Glücksfall, was ich niemandem erklären konnte. Alles war ohnehin auf den Kopf gestellt. Zuhause liebte ich das Nachbarsgrundstück mit Rutsche, Trampolin und Kindergeschrei.
Die Vorstellung übermütig hüpfender Kinder machte mich nun traurig und plötzlich verstand ich Leute, die Outdoortrampoline hinter Koniferenhecken verstecken wollen, damit sie ihn nicht bemerken, den Schmerz, wenn man keine großen Sprünge mehr machen kann, in meinem Fall keinen mehr. Ich hatte mir den vierten Halswirbel fast so sauber durchtrennt wie eine abgeschnittene Blume.
Auch Jonas hasst manche Blumen. Das war mir neu. Im Halbschlaf, ganz zu Anfang, als ich aus dem künstlichen Koma wieder erwachte, hörte ich ihn schimpfen.
„Wie konntet ihr Marie Totenblumen ins Krankenhaus bringen?“
Später wollte ich wissen, wer mir die Lilien gebracht hatte. Aber Jonas schwieg.
Er hatte wohl Angst um mich, dass ich mich nach dem Unfall umbringen wollte, aber das hatte ich nicht vor. In den ersten Tagen, nach dem abrupten Ende meiner Karriere, dachte ich tatsächlich darüber nach. Nicht ernsthaft, nur als Gedankenspiel, und die starke Ausgabe meiner Selbst, die medial inszenierte, war zunächst tatsächlich nur eine Fiktion. Etwas für die anderen, damit sie sich wieder wohl fühlten in ihrer Welt und weiter machen konnten wie bisher.
Ich wollte ihnen nicht ihre Laune verderben, nur weil ich daneben gesprungen war.
Ich war schon oft so hochgesprungen, aber an diesem Trainingstag war etwas schief gelaufen und die anderen konnten ja nichts dafür.
Meine Sportkameradinnen gingen überraschend offen mit meiner Situation um. Als ob ich berührbarer geworden wäre, nachdem ich die Stange falsch berührt hatte. Ich erfuhr von fremden Unfällen. Die Mädels erzählten mir Dinge, die sie sonst verschwiegen. Vielleicht wollten sie mich auch nur ablenken. Oder sich selbst von ihrer eigenen Angst. Das Leben konnte so zerbrechlich zart sein wie ein Bienenflügel.
Mein Leben war wie ein Bienenkorb gewesen, voller Bewegung, ich flog von Wettkampf zu Wettkampf, war die unumstrittene Königin, auf dem Höhepunkt meines Erfolgs und Jonas und ich hatten uns gerade ein neues Haus gekauft.
Nun lag alles in Trümmern. Wie ein falsch gebautes Bienenhaus, wie eine nutzlose Baumarktvariante, wo eine Biene rückwärts aus einer ausgefaserten Bambusröhre kriecht und ihren Flügel aufreißt. Ich kann mich auch nicht mehr bewegen.
Auch die Lage unseres Reihenhausgrundstücks am Ende der Straße, war ein Fehler. Den wir erst bemerkten, als uns Abgasgestank schon beim Frühstück auf der Terrasse belästigte.
Ich wollte nicht begafft werden, nicht weltweit in Zeitungsartikeln auftauchen, jetzt hatte ich mehr Aufmerksamkeit als zu meinen Medaillenzeiten. Wie im Glashaus kam ich mir vor, wie im leicht schiefen Gewächshaus, das Jonas heimlich aus Abbruchhausfenstern gebaut hatte, während ich in der Klinik lag.
Jonas‘ Alleingang empfand ich nach meiner Klinikentlassung als übergriffig und gemein.
„Ich dachte, dass ich dich damit überrasche.“ In seinen Augen lag hilflose Enttäuschung wie bei einem kleinen Jungen. „Freust du dich denn gar nicht?“
Sein Gartenprojekt störte mich, um unser Haus war alles schon Baustelle. Anlieferungen von Mutterboden, Baggerspuren.
„Hast du geglaubt, dass ich bis zum Frühling in die Reha muss?“ Jonas schwieg beleidigt.
„Aber vielleicht hättest du mich lieber dort gesehen, um ungestört weiter zu buddeln.“ Ich war ungerecht zu ihm, hatte er sich doch so um mich bemüht, mich begleitet beim langsamen Erlernen meiner Bewegungen von Händen und Armen.
„Ich möchte nicht immer Verlust sehen“, meinte er, was mich traurig stimmte. Musste er mich immer auf meinen Unfall reduzieren?
Und dann verschwand er wieder im Garten.
Es wurde Herbst und Jonas wollte noch tonnenweise Blumenzwiebeln versenken. Hoffentlich half ihm niemand beim Stecken. Heimlich beobachtete ich ihn vom Wohnzimmerfenster aus, wie er mit einem Zwiebelstecher kreisrunde Löcher in die noch vom Umbau des Hauses verdichtete Erde stach. Wie mit einem überdimensionierten Plätzchenstecher stanzte er ungeduldig Löcher in den harten Boden und legte in jedes eine Zwiebel. Warum verteilte er nicht erst eine Schicht Mutterboden?
Tulpen, Narzissen. Er hatte mir versprechen müssen, nur Dekoblumen zu pflanzen. Nichts, für das sich Bienen interessierten.
Während er draußen im Dreck wühlte, wurde er oft angesprochen. Meist von Frauen aus der Siedlung, manche mit schickem Kinderwagen oder Kleinkindern, denen er Zwiebeln in die Patschhändchen drückte, die sie wie übergroße Murmeln in die Pflanzlöcher schubsen durften. Oder er ließ sie begeistert eine Handvoll Zwiebeln durch die Luft werfen, wie Bocciakugeln, so dass eine zufällige, natürlich wirkende Gestaltung entstand. Jonas sah attraktiv aus in seinem selbstgestrickten Pullover, den er jeden Nachmittag bis zum Anbruch der Dämmerung trug.
Ich hatte seinen Gartenplänen schließlich zugestimmt, aber nicht, dass stechende Tiere einziehen durften. Es reichte mir, dass ich einmal als Kind beim Training mit nacktem Fuß auf eine Biene getreten war. Noch größer als meine Angst vor Bienen, war die vor Kindern.
Fantasien von fremden Kindern quälten mich. Nachwuchs, den Jonas mit einer neuen Frau haben würde. Eine, bei der noch alles funktionierte.
„Wir können doch auch noch eine Familie werden“, sagte er abends, als wir nebeneinander auf der Couch saßen und kraulte meinen Nacken.
„Natürlich könnte ich noch ein Baby bekommen. Aber ich will keins. Jetzt nicht mehr.“ Ich hatte meine Entscheidung getroffen, ohne Jonas, so wie er sein Gartenprojekt in meiner Abwesenheit ebenfalls allein beschlossen hatte.
„Wir können doch adoptieren.“ Jonas ließ nicht locker. Warum gönnte er mir nicht meine Ruhe?
„Lass mich erst wieder gesund werden“, vertröstete ich ihn auf ein Später, von dem ich wusste, dass es nicht existierte, und fragte mich, wie lange ich ihn hinhalten konnte. Er litt mit seinen 36 Jahren unter einer größeren Torschlusspanik als alle meine Freundinnen. Eigentlich sollte er die Schnauze voll haben von fremden Kindern. Als Spielplatzgestalter sah er sie so oft wie meine Freundinnen, die in der Grundschule unterrichteten.
„Wir lieben Kinder“, betonten sie. „Aber die Ausgeliehenen reichen uns völlig.“
Warum war das bei Jonas nicht genauso?
Ich sah meinen Liebsten mit einer Neuen Ostereier verstecken, in meinem Garten, meinem Haus, das ich bezahlt hatte. Ich war unfair. Er tat auch viel. Ich gönnte ihm den Garten, die schmutzigen Hände, dass er wieder strahlte.
Trotzdem war ich froh, als die Tage kürzer wurden und das Zeitfenster für Jonas, wo er noch Licht zum Zwiebelsetzen hatte, immer kleiner wurde.
Mit meinem ersten Weihnachten nach meinem Unfall ließ ich wieder mehr Glitzern im Leben zu. Jonas durfte fieses Lametta und selbstgemachte Plätzchen in den Tannenbaum hängen. Und es störte mich nicht, dass Anna, seine neunjährige Nichte, Letztere mit angeleckten Fingern angefasst hatte. Wirklich nicht.
„Wieder eins deiner Vorurteile“, schimpfte Jonas und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
„Ich gebe zu, nicht mehr alle Nadeln an der Tanne zu haben.“ Ich lachte ihn beschwichtigend – hoffentlich überzeugend – an. Früher war ich nie empfindlich gewesen. Da dachte ich immer an den nächsten Wettbewerb und selbstverständlich hätten Jonas und ich das übliche Programm durchgezogen. Haus bauen, Kinder kriegen. Den ersten Teil hatten wir erfüllt, der zweite würde zur entscheidenden Frage werden, ob es für uns als Paar noch eine gemeinsame Zukunft gab, was ich hoffte und gleichzeitig fürchtete. Ich wollte Jonas nicht im Weg stehen, ihn nicht zu einer Entscheidung zwischen mir und seinen Lebensträumen drängen. Er hatte mir auch den Sport gelassen, mich zu Wettkämpfen begleitet, seinen Jahresurlaub auf Zuschauerbänken verbracht, was ihm sicherlich nicht immer Spaß gemacht hatte.
Aber ich konnte nicht über meinen Schatten springen. Wo ich doch als Stabhochspringerin ironischerweise über jede Hürde gesprungen war.
Auch mit meinen Freundinnen gab es Probleme. Das fiel mir in den Tagen nach Weihnachten richtig auf. Manche Freundschaft fing an zu nadeln und es war gut, das schnell zu bemerken. Ich war den anderen nicht böse.
Im Januar schoben die Krokusse ihre Knospen wie Messerchen aus dem Schnee. Jonas freute sich wie ein Schneekönig. Und mich beeindruckte, dass die Blüten den Schnee zum Schmelzen brachten. Und auch etwas in mir.
Veränderung lag in der Luft. Aber es gab auch etwas, das mich ärgerte. Die Dekoblumen bekamen Hummelbesuch.
„Das ist gegen unsere Abmachung!“, beschwerte ich mich.
„Das ist doch richtig krank“, entgegnete er. „Wie kann man nur etwas gegen harmlose, nützliche Tiere haben?“
Vielleicht war ich krank. Aber das wollte ich nicht zugeben.
Noch mehr als Bienen hasste ich Hummeln, denn sie waren so auffällig gestreift, dass man sie schon anhand ihrer Streifenmuster bestimmen konnte.
Es fiel mir schwer, Streifen wieder gut zu finden. Mit Punkten hatte ich kein Problem, aber Streifen erinnerten mich ans Turnen und Trikots. Die Sportwelt war durch und durch gestreift.
Die Biene war ein gestreiftes Tier wie das Zebra oder die getigerte Katze des Nachbarn, da litt ich doch auch nicht unter den Streifen. Warum war das bei der Biene anders?
Manche Frühjahrsblüher hatten etwas Forsches, etwas Angriffslustiges. Da gab es die stinkende Nieswurz mit hellgrünen Schalenblüten, die leider viele Hummelköniginnen anzog, stachelige Gartenbewohner, denen man lieber nicht zu nahe kam, Blüten in giftigem Gelb, das sich mit nichts anderem vertrug.
Auch ich wollte meine angriffslustige Seite zeigen, mit einem Messer in der Tasche, wenn ich interviewt wurde, ich wollte aggressives Rot tragen, was Jonas sehr gefiel!, knallige Schuhe, grellen Lippenstift, von dem ich schon vorher wusste, dass man ihn mir ausreden würde. Aber es war mir egal, wie ich im Fernsehen aussah. Ich wollte wie die königlich wirkenden Kaiserkronen sein, die auffällig nach Fuchs rochen.
Ich bekam Lust, wieder Pläne zu machen. Der Garten veränderte mich zu meiner Überraschung.
Er war meine Zwischenwelt. Ich konnte draußen sein, ohne anderen zu begegnen. Von fremden Blicken blieb ich verschont – ob mitleidsvoll, anteilnehmend oder neugierig. Alles war für mich gleichermaßen aufdringlich und ich freute mich, dass immer mehr Grün aus dem Boden kam und in der warmen Märzsonne beruhigend schnell wuchs. Im Sommer könnte ich blickgeschützt hinter grünen Wänden leben.
Endlich verstand ich die introvertierte Seite der Welt. Das erweiterte meine Sicht und machte mich vollständiger, als es ohne den Unfall je hätte sein können.
Draußen fühlte ich mich besser, sicherer, bald entschloss ich mich, der Welt nicht mehr den Rücken zuzukehren. Vielleicht sollte ich studieren, vielleicht Sportpsychologie.
Noch war es Frühling. Springtime. Manche kamen auf einen Sprung bei uns vorbei, bevor sie nach England fuhren, um die Bluebells‘ Season für sich einzuläuten. Andere machten altmodische Busfahrten nach Holland zum Keukenhof, wie schon ihre Großeltern, aber die bunten Tulpenmeere erschien mir zu artifiziell, obwohl ich nie da gewesen war. Ich erwischte mich dabei, dass ich den anderen alles madig machte und irgendwann waren der Garten, Jonas und ich allein.
Der Wendepunkt kam Ende Mai. Ein Brummen wie von einem Trecker erschreckte mich aufs Tiefste. Eine dunkle, gefährlich aussehende Riesenhummel flog hektisch um mich herum! Was sollte ich machen? So laut ich konnte, schrie ich um Hilfe. Doch Jonas hörte mich nicht. So schnell konnte ich meinen Rollstuhl nicht manövrieren. Aber die streifenlose Biene verschwand zu meiner Erleichterung in einer Blüte. Wie gierig das Tier sich auf sie stürzte! Für Momente ließ sie sich betrachten, bevor sie unruhig weiterflog.
Ihre Flügel schimmerten in einem köstlichen, königlichen Blau wie die eines exotischen Schmetterlings. Wenn sich eine Wolke vor die Sonne schob, hörte das irisierende Glitzern auf und ihr schwarzer Körper wirkte wieder plump und ungeschickt, und täuschte darüber hinweg, was für eine gute Fliegerin sie war.
Ich war wie eine Hundephobikerin, die sich plötzlich in einen Hund verliebte.
„Du kannst es dir nicht vorstellen“, sagte ich zu Jonas. „Ich habe nach wie vor Angst vor Bienen, aber diese Biene hat es mir angetan.“
Es schien immer die Gleiche zu sein und ich freute mich jetzt jeden Nachmittag auf ihren Besuch. Sie war Langschläferin, so wie ich in den ersten Wochen zuhause, sie vertrödelte den Morgen, wo war sie, bevor sie bei mir vorbeiflog?
Meine dunkle Brummerin war eine Holzbiene, und sie liebte Punkte und Streifen. Sie steuerte die majestätischen Bartirisse an, wo sie den Blütenzeichnungen wie auf einer Landebahn folgte und zufrieden brummend im Inneren der Blüte verschwand.
Ich lernte, den Dresscode der Hummeln zu analysieren. Entschied mich, ihre Streifensprache zu entschlüsseln. Sie anhand ihrer Brustbinden zu bestimmen. Beim Hummelbestimmen fängt man mit dem Po an. War er weiß, braun, rot, orange oder schwarz?
„Wusstest du, dass Hummeln ihr mittleres Bein heben, bevor sie stechen?“, fragte ich Jonas beim Frühstück. „Sie warnen vorher.“ Vielleicht sollte ich auch mehr an den Feinheiten meiner Kommunikation arbeiten und nicht einfach zustechen, wenn mir etwas nicht passt. Jonas schien den gleichen Gedanken zu haben, aber er war zu höflich ihn auszusprechen.
„Und Hummeln lernen durch Nachahmung.“ Ich war ganz in meinem Element. „Sie müssen sich eine neue Blütenform erst erarbeiten.“ Das erinnerte mich an meine früheren Trainingsstunden.
„Sie sind so schlau wie eine Maus“, sagte er. „Und lassen eine Artgenossin das Futter testen.“ Frech entwendete er mein Brot und biss hinein.
Je mehr ich über Hummeln erfuhr, desto mehr liebte ich es, wenn sie mich auf meinen Gartenausflügen begleiteten.
Du bist nicht mehr so angriffslustig wie vorher“, sagte Jonas eines Abends beim Essen. „Wenn ich das so formulieren darf.“ Sein vorsichtiger Unterton erschreckte mich. War ich all die Monate so schlimm gewesen?
„Das Leuchten in deinen Augen“, sagte er in die Stille hinein. „Wie sehr habe ich es vermisst.“ Und er schaute mich an wie lange nicht mehr.
„Es hat mit der Biene zu tun“, sagte ich. „Mit der Holzbiene, die du mir vorbeigeschickt hast.“
Jonas‘ Liebe zum Garten, führte zu meiner Liebe zur Biene und diese wieder zu Jonas. Wie eine Kettenreaktion. Ich war dankbar für seine zielstrebige Entschlossenheit, auch wenn sie mir im Herbst übergriffig vorgekommen war.
Von diesem Abend an, entschieden wir gemeinsam, wie wir den Garten gestalteten.
Jonas stellte ein Trampolin auf und es machte mich nicht mehr traurig, wenn ich ihn übermütig mit Anna um die Wette springen sah.
Am Abend nahm er mich mit auf das Sprungtuch und es war herrlich, zusammen den Wolken nachzuschauen. Ich mochte das leichte Vibrieren des Trampolins und das wir uns endlich wieder richtig nah waren.
„Ich möchte mir auch einen Sportplatz errichten“, sagte ich zu ihm. „Einen kleinen Spielplatz.“
Jonas‘ Spielplatzherz setzte für einen Moment aus.
„Du hast dich doch noch nie für Spielplätze interessiert.“ Er hätte beleidigt sein können. Aber er war es nicht, was ich ihm hoch anrechnete.
Leise erzählte ich von meinem Plan.
Er küsste mich so heftig, dass das Trampolin ins Wackeln kam und wir lachten zusammen so glücklich und frei wie lange nicht mehr.
In den nächsten Wochen setzen wir meine Idee um, klapperten Staudengärtnereien ab, wälzten Kataloge, säten Pflanzen mit den unterschiedlichsten Blütenformen, die man sich nur vorstellen konnte.
Im Hochsommer war es so weit. Bienen turnten auf den grünvioletten Blütenköpfen des Trommelstockalliums und schubsten sich gegenseitig von den Kugelblüten. Winzige Bienchen entdeckten die Aussichtstürme vom Herzgespann. Wollbienenmännchen patrouillierten vor fellartig weichen Pflanzen und dicke Hummeln verschwanden in den Blüten der Kapuzinerkressen und nur ihr Po schaute wackelnd heraus.
„Es ist so herrlich zu sehen, wie die Bienen herumturnen und alles entdecken“, sagte ich. „Ein richtiger Bienenspielplatz.“
„Ein richtiger Bienensportplatz!“
„Weisst Du, Jonas“, sagte ich, genauso glücklich wie die Hummeln, die sich im goldenen Pollen wälzten. „Gartengold liebe ich noch mehr als Medaillengold. Ich habe die Goldaugen der Libellen gesehen –.“
„Und ich die meiner Goldmarie!“