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Twiggy

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10.09.2016
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Twiggy

Ich zählte die Scheine und Münzen durch, notierte alles auf einem Abreißzettel und legte ihn mit dem Stift zusammen in Mos blaue Eisenkassette. Er hatte mir den Ersatzschlüssel anvertraut, trotzdem wollte er, dass ich bei allem haargenau arbeitete.

Ich schloss den Laden ab, schaute aufs Handy und sah, dass sie mir eine SMS geschickt hatte, ja, eine SMS. Sie schrieb, dass sie Twiggy sei – ich kannte sie von der Schule – und dass sie die Nummer von Björn hätte. Ob wir uns treffen könnten. Es ginge um einen Gefallen. 


Für mich war Twiggy bis dahin das Mädchen mit den verrückten Klamotten. Ich erinnerte mich, dass sie einmal komplett in Gelb in die Schule gekommen war. Viele mochten sie, vor allem Jungs. Nicht wie Daniela oder solche Mädchen, mehr wie einen Kumpel. Twiggy hing ständig mit irgendwem herum. Ein oder zwei Mal hatten wir auch miteinander gesprochen, aber irgendetwas in mir hatte sie übersehen wollen. Mit den Partyleuten hatte ich ohnehin nicht viel zu tun. Ich glaube auch nicht, dass sie mich mochten; ich sie jedenfalls nicht übermäßig. Trotzdem wusste ich, dass diese Leute total auf Twiggy abfuhren. Ein oder zwei Mal hatte ich Herzen gesehen, mit ihrem und anderen Namen darin, auf die Toilettentür oder einen Tisch geschmiert.
Ein zweites Mal las ich mir die Nachricht durch. Plötzlich war ich ziemlich aufgeregt.

Ich beschloss, die Antwort aufzuschieben und lief nach Hause. Der Bezirk war etwas, dass ich meine Heimat nannte. Diese brütende Stimmung, die über allem lag. Etwas entwickelte sich hier, aber das kam nie zum Vorschein, und wenn ich ehrlich war, wusste ich, dass das bis in alle Zeiten so bleiben würde. Es gab kleine Nähereien, einen China-Imbiss, ein Schuhgeschäft für Kunden mit etwas mehr, aber nicht zu viel Geld, einen Dönerladen, bei dem es nicht schmeckte und einen Laden, der Blumen verkaufte und alte Sachen; aber wie bezahlte der seine Miete?
Meine Heimat war ein Ort, der augenblicklich die Frage aufwarf, was sich außerhalb davon befand.

Ich hatte Twiggys Nachricht nicht ausgeblendet. Es war wie ein Geschenk, dass man später auspackt, um länger etwas von der Überraschung zu haben. Wahrscheinlich machten nur manche Leute das so, wie es auch einige gibt, die immer zuerst den Kartoffelbrei und hinterher das Würstchen essen. Warum das überhaupt eine Überraschung war? Weil ich mit jemandem wie Twiggy abgehangen hätte, wenn ich nicht geglaubt hätte, dass diese Leute alle nichts für mich wären, und daran änderte sich auch gar nichts, aber allein, dass sie meine Nummer hatte, gab mir die Hoffnung, dass der Gefallen, von dem sie sprach, etwas mit mir zu tun hatte. Sie konnte mich ja schlecht nach Magic-Karten fragen; ich kannte kein Mädchen das Magic spielte. Und sonst gab es nichts. Wir hatten keine gemeinsamen Freunde. Wir hatten überhaupt nichts gemeinsam.


Im Abi-Buch schlug ich ihre Seite auf. Da hatte sie ein drittes Auge auf der Stirn und ihr Gesicht war grün angemalt. Hermann Hesses Steppenwolf und Haruki Murakamis Wilde Schafsjagd waren ihre Lieblingsbücher. Hesse kannte ich und konnte nichts damit anfangen. Twiggys Seite war eine einzige Auflistung von Insider-Jokes, die ich nicht begriff und die nicht klangen, als wollten sie von mir begriffen werden. Twiggy war jemand Besonderes, sonst hätte sie geschrieben, was alle schrieben, und sonst hätte sie nicht so verrückt und so schön und gleichzeitig wie ein Junge ausgesehen. 


Abends war die Zeit, in der ich mich allein fühlte. Egal ob jemand zu Hause war. Es gab keine Freunde, selbst meinen Bruder mochte ich nicht, dabei sagt man anderes von Zwillingen. Ich versuchte mich abzulenken, einfach in den nächsten Tag zu schlafen. Dabei half mir der Kassettenrekorder meiner Mutter. Ich hatte ein paar alte Aufnahmen mit Kinderliedern. Solche für Geburtstage und andere, um sich die Jahreszeiten zu merken, das Alphabet oder die Zahlen. Die Kassetten trösteten mich, inwiefern auch immer.
Das Handy lag neben meinem Kopf und jetzt schlug das Herz. Was für ein Gefallen?
„Klar, können wir uns treffen“, schrieb ich.

Ich wollte mir vorher noch einen Hotdog im Einkaufszentrum kaufen. Dort hatten wir uns verabredet, in einer Stunde. Frische Hotdogs waren mein Lieblingsgericht. Es war immer clever, einen Euro auf diese Weise zu investieren. Einen Hotdog für einen Euro. Vielleicht unterstützte die Einkaufspassage den Laden. Die Teile schmeckten jedenfalls. Aber es wurde nichts daraus. Twiggy stand bereits vor der Passage. Sie trug einen braunen Trenchcoat, wie ein Detektiv, und roten Lippenstift.
Sie umarmte mich und ich erschrak, weil es nicht oft vorkam, dass mich ein Mädchen umarmte.
»Wollen wir zur Kirche laufen?«, fragte sie.
Ich nickte. Das alles machte mich nervös. Vielleicht, weil ich sie nett fand oder weil ich das Gefühl hatte, dass wir uns bereits lange kannten, und ich mich fragte, warum ich die letzten Jahre meines Lebens mit Magic-Karten und Hotdogs verschwendet hatte und nicht mit jemandem wie ihr. Das klingt merkwürdig. Ich hatte sie ja gerade erst getroffen. Genau das aber verstärkte mein Gefühl. Wie konnte mich jemand, ohne etwas Besonderes gesagt oder gemacht zu haben, derart in Frage stellen, mich so klein und gleichzeitig groß fühlen lassen? Vielleicht lag es an mir und ich war in diesem Moment eben bereit für Veränderungen. Nur wieso war mir nicht klar.

Twiggy schlug vor, zur Kirche zu gehen, lief aber in die andere Richtung; Ich fragte nicht nach, es viel mir gar nicht ein, danach zu fragen.
»Wir gehen doch erst mal zur Schule«, erklärte Twiggy.
»Okay«, sagte ich. »Ich hab Zeit. Was ist das für ein Gefallen, von dem du geschrieben hast?«
»Das erzähle ich dir dann. Ich hab so Lust, mir die Schule anzusehen.«
»Okay.«
Ich bekam das Gefühl mit einem Kind oder einer Irren zu sprechen; mit dem Unterschied, dass es mir nicht auf die Nerven ging, sondern mich selbst dazu brachte, etwas Kindliches oder Irres in mir hervorzuholen, nur um zu sehen, wie Twiggy darauf reagierte.
»Ich mag, dass du nicht auf die Ritzen trittst«, sagte sie.
»Danke.«
Wir kamen zur alten Schule. Das Tor war verschlossen und Twiggy presste ihr Gesicht gegen die Gitterstäbe.
»Ganz schön toter Ort, oder?«
Ich nickte. »Habe ich nie gemocht.«
»Mit wem hast du eigentlich immer die Pausen verbracht?«
»Mit niemandem«, sagte ich. »Ich glaube, ich war nicht so der beliebte Typ.«
»Das wundert mich schon«, sagte sie.

Wir machten einen Schlenker, kamen am Schülercafé vorbei, einer kleinen italienischen Bäckerei, die Kaffee, süße Teilchen und Pizzastücke verkaufte.
»Heute ist Sonntag«, murmelte Twiggy.
»Ja.«
»Hast du Lust was zu essen?«, fragte sie.
»Nicht unbedingt. Aber wenn du Lust hast.«
»Du bist komisch.«
»Ja, so bin ich«, sagte ich. »Komische Leute sind die besten.«
»Ich hab eine Idee.« Sie stellte sich vor mich hin, schlug die Hände in die Taschen ihres Trenchcoats und verschloss ihn, sodass sie aussah wie ein breiter Baumstamm, aus dem ein Kopf mit blondem Vogelnest und einem weißen Gesicht mit rosa Wangen und roten Lippen ragte. Ich gab mir Mühe, sie nicht anzustarren.
»Wir könnten so tun, als wäre das ein Date«, sagte sie.
Meine Augen weiteten sich und gleichsam bewegte ich den Rest meines Gesichts in einer Weise, dass es aussehen musste, als wäre ich über den Vorschlag 'positiv überrascht'. Ich war froh, so professionell reagieren zu können, während in mir drin feste Organe wie Eiswürfel zerschmolzen. Meine Lippen formten eine Frage, die sich schon beim Aussprechen peinlich anfühlte und im Grunde nicht einmal echt war, nur ein So-tun-als-ob, um mich interessant zu machen, weil ich gerade in diesem Moment glaubte, Twiggys Tick verstanden zu haben.
»Aber was macht man bei einem Date so?«

»Zu einem Date gehört, dass man Eis essen geht.«
»Aber es ist Herbst.«
»Das macht nichts. Denn es ist ein Date.«
»Okay«, sagte ich. »Wo kriegen wir Eis her?«
»Vom Kino«, sagte sie.
»Aber müssen wir dann nicht auch noch einen Film schauen?«
Twiggy schüttelte den Kopf. »Das passiert nur bei jedem dritten Date.«
»Stimmt«, sagte ich und grinste kein bisschen, auch wenn die zerschmolzenen Organe in mir allesamt grinsten.
Twiggy balancierte auf den kniehohen Mauern der Grundstückgärten. Sie trug braune, spitz zulaufende Schuhe mit goldenen, abgewetzten Schnallen. Aus diesem Jahrhundert stammten die sicher nicht. Ich lief lässig neben ihr. Was konnte ich Ausgefallenes tun?

Das Kinoeis war teuer und wir beschlossen, Nachos zu nehmen. Die waren genauso teuer, aber mit flüssigem Käse und Jalapeños. Wir setzten uns hinter einen Iron-Man-Pappaufsteller, sodass der Typ beim Popcorn uns nicht sah. Twiggy nahm einen Nacho, tunkte ihn in den dampfenden, flüssigen Käse. Sie sah, dass ich es sah, also nahm sie den Nacho und fing an ein Flugzeuggeräusch zu imitieren. Der Nacho wurde zu einem gelben Segler mit geschwungenen Flügeln und hellgelbem Maschinenöl. Er flog ein Manöver, steuerte auf Twiggys geschlossene Lippen zu, entschied sich anders und flog in mehreren Pirouetten darüber hinweg, landete fast in ihren Haaren, kehrte auf der Stelle in den Sturzflug, raste von dort auf mich zu. Ich öffnete den Mund und der Flieger landete mit seiner Käsespitze darin.

»Hast du den neuen Alice im Wunderland gesehen«, fragte ich.
»Er ist von Tim Burton, aber trotzdem Schrott, glaube ich«, sagte sie. »Warum fragst du?«
»Vielleicht ist es eins von diesen dritten Dates ...«
»Sesam. Es gibt nichts Unromantischeres als eine schlechte Verfilmung von Alice im Wunderland. Vielleicht können wir Shutter Island schauen. Der ist von Scorcese, das Buch von Dennis Lehane. Scorcese nimmt sich Zeit fürs Erzählen. Mein Vater sagt, er wäre besser als Autor.«
»Du kennst dich mit Filmen aus, oder?«
»Bücher mag ich lieber«, sagte Twiggy. »Filme sind was für Leute, die nicht lesen können.«
»Ho, ho«, sagte ich. »Ganz schön arrogant.«
»Nein, so mein ich das nicht. Aber wenn wir ihn anschauen wollen, sollten wir jetzt gehen.«
Twiggy nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. Alle Filme liefen bereits und Kartenabreißer waren nicht zu sehen. Wir öffneten eine Tür und landeten bei Alice im Wunderland.

Als wir aus dem Kino kamen, war es dunkler geworden, aber nicht eben kalt.
»Was machen wir jetzt«, fragte sie.
Ich zuckte die Achseln.
»Komm schon, Sesam. Du bist dran mit Aussuchen.«
»Na gut«, sagte ich. »Wir ... lass uns zum Italiener gehen.«
»Sesam.«
»Was denn?«, fragte ich schnell.
»Du bist ja ein Experte in Dates.« Sie lachte. »Also zum Italiener können wir nicht gehen. Ich hab nicht so viel Geld und falls du jetzt denkst, dass du mich einladen könntest, vergiss es! So ein Date ist das nicht, was wir gerade haben.«
»Klar«, sagte ich. »Ich kenn' einen Spätkauf, wo wir Nudeln und passierte Tomaten bekommen.«
»Klingt schon besser«, sagte sie.

Twiggy war kein bisschen mager. Sie war auch nicht dick oder mopsig oder wie auch immer. Ich kannte keinen Begriff dafür, aber sie gefiel mir. Ich war mir nicht sicher, aber vermutete, dass sie mich im Armdrücken besiegen würde.
Ali, den Stammkunden Al nannten, machte große Augen, als er mich mit Twiggy in den Laden kommen sah. Ich glaube, wir mochten uns. Bei ihm kaufte ich Zigaretten oder Pepsi für Mo, wir hatten ein paar Mal miteinander gequatscht, aber ich denke, er wusste, dass ich nicht gerne viel redete. Er zwinkerte mir zu, während Twiggy verschiedene Sorten von Fischkonserven begutachtete, ich schaute ernst und schüttelte den Kopf.
Mit einer Packung Spaghetti und einer Dose gewürzter Tomatensoße verließen wir den Laden. Ich zahlte die Spaghetti und Twiggy die Tomatensoße. »Lass uns jetzt zur Kirche gehen«, sagte sie, und dann machten wir es beinahe wirklich.

»Nur noch einen Schlenker«, sagte Twiggy.
»Kommen wir heute noch zur Kirche?«, fragte ich. »Warum wollen wir eigentlich zur Kirche?«
»Unser Date ist jetzt übrigens wieder vorbei«, sagte Twiggy. »Hast du gut gemacht. Hundert Punkte.«
»Dankeschön«, sagte ich. Etwas kroch mir vom Hals in die Brust und kletterte zwischen den Rippen, bis es noch einmal Anlauf nahm und den Magen herunterrutschte. Es tat mir körperlich weh, dass unser Date zu Ende sein sollte.
»Willst du keinen Hauptgewinn?«, fragte Twiggy ungeduldig.
»Doch«, sagte ich. »Ich will den Hauptgewinn.«
Twiggy krempelte den Ärmel ihres Trenchcoats hoch. Da sah ich die Spuren der Rasierklingen das erste Mal.
»Das ist aus meiner Emo-Phase«, sagte sie. »Ich hab damals nur schwarzen Nagellack getragen, schwarzen Lippenstift und natürlich schwarze Klamotten.«
»Wegen einer Emo-Phase?«, fragte ich. Ich wollte sie in den Arm nehmen, aber ich ahnte, dass das nicht ihr Ding war.
»Ja. Das ist das erste Geheimnis. Hauptgewinn Nummer Eins.«
»Und Nummer zwei gibt es jetzt«, sagte ich.
»Sesam?«
»Ja?«
»Sehr gut.«

Ein einziges Mal habe ich jemandem die Geschichte von Twiggy erzählt, und zwar meinem Bruder. Als ich dazu kam, wie Twiggy auf ihren Dielen saß und Animal Collective hörte, fragte er nach, er wollte alles darüber wissen. Ich meinte: »Das geht dich nichts an.« Ich glaube, dass ich da bereits spürte, wie jedes Geheimnis, dadurch dass man es verrät, an Kraft und Magie einbüßt.
Auf unserem Umweg zur Kirche erzählte Twiggy mir das Geheimnis in aller Ausführlichkeit. Ich habe es am selben Abend aufgeschrieben und danach immer wieder, bis ich das Gefühl hatte, es aus ihren Augen sehen und fühlen zu können. Hier ist es:

Josh hatte braune, wuschelige Haare. Ich glaube, dass ich das erste Mädchen war, mit dem er jemals was hatte. Josh war so schüchtern. Wir saßen uns gegenüber, in der Wohnung seiner Eltern in Peterborough, auf dem Boden in seinem Zimmer, in dem eine Rakete hing, auf der ein Plastiksoldat stand oder geklebt war. Hätte ich Cedric und Josh nicht gehabt. In Peterborough gibt es ein Schiffshebewerk. Von Grill hatten sie Gras und Pilze. Cedric und seine Schwester haben nur kanadischen Goa gehört und Joshs Lieblingsband war Animal Collective. Seinen Eltern war sowieso alles egal. Das war mein Glück, sonst hätte ich sicher nicht jeden Tag bei ihm sein können. Heute hausen sie wie Junkies in der Wohnung von Cedrics Oma. Manchmal sehe ich ein Bild auf Facebook, auf dem Josh einen Hund in die Kamera hält. Er sitzt auf einem schimmligen Sofa in einer ausgeräumten Wohnung. Ich glaube, sie haben das falsche Zeug genommen.

Josh hat mir gezeigt, wie man in seinen Gefühlen schwimmt. Es ist einfach. Jeder kann es hinkriegen. Bei sich zu Hause. Alles, was man tun muss, ist, sich ein Handy zu besorgen und Kopfhörer. Dann macht man einen Song von Animal Collective an, das ganze Feels-Album ist einfach gut. Man schließt die Augen. Wenn man da sitzt, ist es wichtig, leichte Bewegungen mit dem Kopf zu machen. Am besten die Haare fallen ins Gesicht. Man nickt so lange zum Takt, bis man es automatisch tut. Dann kann man nicht mehr aufhören. Manche malen sich vorher roten Lippenstift auf und denken an eine Person, in die sie unglücklich verliebt sind. Drogen beschleunigen den Prozess. Es ist ratsam, sie einzunehmen; aber wenn man nichts hat, kann man nichts machen. Sich Zeit zu nehmen ist wichtig. Eine Stunde oder zwei. Wenn man einmal gelernt hat, in seinen Gefühlen zu schwimmen, dann kann man es nie wieder vergessen. Es gibt nichts Besseres. Von Zeit zu Zeit sollte man dankbar sein, dass Gott die Musik geschaffen hat.


Den restlichen Umweg zur Kirche schwiegen wir. Erst als wir ankamen, schien es wieder an der Zeit, zu reden.
»Björn hat erzählt, dass du tickst«, sagte Twiggy.
»Was bitte?«, fragte ich und spürte, wie mir Blut in die Wangen stieg.
»Er meinte, du hättest ihm auf dem Skateplatz Koks oder sowas verkauft. Ich wollte fragen, ob du mir auch was verkaufen kannst. Ich möchte das mal ausprobieren. Es kann auch nur eine kleine Menge sein. Und ich wollte dich fragen, was das so kosten würde. Also im Dreh. Ich hab jetzt nicht super viel, aber vielleicht so zwanzig Euro? Meinst du, das würde passen? Falls nicht, ist das auch nicht schlimm. Ich dachte nur, ich frag dich lieber mal persönlich.«
»Stopp«, sagte ich. »Ja, es stimmt. Ich habe das gemacht. Aber …«
»Okay. Wie viel kostet es?«
»Jetzt halt mal die Luft an. Ich hab es gefunden. Ich wollte ihn eigentlich nur fragen, was ich jetzt damit machen soll. Er wollte es mir abkaufen, er hat mir zehn Euro und dann fünfzig angeboten. Vielleicht hätte ich es besser liegen gelassen.«
Twiggy schaute enttäuscht. Dann zuckte sie die Schultern und ließ die Beine baumeln. Das war auf der niedrigen Mauer vor der Kirche.
»Ich könnte aber irgendwo etwas besorgen«, sagte ich.
Twiggy schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das war eine bescheuerte Idee. Egal.«
Eine Zeit lang saßen wir nur so da. Twiggy roch nach Parfüm. Etwas mit Blumen. Ich suchte Worte, wollte verhindern, dass sie geht.
»Ich hatte im Übrigen Lust, dich kennenzulernen«, sagte sie, ohne mich anzusehen.
»Mich? Warum?«
»Ich weiß nicht. Du wirkst nett. Außerdem habe ich das merkwürdige Gefühl, etwas verpasst zu haben, weil wir uns in der Schule nie wirklich über den Weg gelaufen sind.«

Schluss. An dieser Stelle wurde mir übel. Es war die Aufregung und natürlich jene Art spontaner Verliebtheit, wie sie manchmal auftritt. Diese Drogennummer klingt, wie an den Haaren herbeigezogen. Das weiß ich. Es war aber genau so, wie ich es beschrieben habe. Ich habe den Beutel im Gebüsch gefunden, als ich pinkeln war, und dachte, wow, das ist bestimmt was wert. Ich habe keine Sekunde darüber nachgedacht, was es bedeutet, Björn diesen Scheiß zu verkaufen.
»Warum heißt du eigentlich Twiggy«, fragte ich.
»Ich heiß eigentlich Martha, aber nenn mich bitte nicht so.«
»Wieso?«
»Weil ich Twiggy bin.«
»Aber gab ’s die nicht schon mal irgendwann?«
»Hm«, sagte Twiggy und schaute geradeaus, als hätte ich etwas Falsches gesagt.
»Kennst du eigentlich Magic?«, fragte ich.
»Nein.«
»Es ist das beste Spiel, das es gibt. Wizards of the Coast, falls dir das was sagt.«
»Nee. Sagt mir gar nichts«, sagte sie.
»Es läuft ungefähr so. Du sammelst Karten und dann triffst du dich mit anderen und trittst gegen sie an. Aber es sind die Karten. Sie sehen einfach schön aus.«
»Echt?«, fragte Twiggy.
»Ja, wirklich. Meine Lieblingskarte ist der Scion of Darkness. Eine ziemlich coole Karte.«
»Was ist denn so besonders daran?«
»Er kann tote Kreaturen wiederbeleben.«
»Oh, das klingt wirklich cool.«
»Außerdem mag ich, dass er so böse ist. Er ist im Grunde schlimmer als Satan. Also ungefähr …«, sagte ich.
Twiggy lachte und ich bekam ein gutes Gefühl, weil ich vielleicht etwas richtig gemacht hatte.

Es war merkwürdig. Während ich Twiggy vom Scion of Darkness erzählte, merkte ich selbst, wie bescheuert das klingen musste. Ich war kein kleiner Junge mehr und trotzdem erzählte ich ihr diesen ganzen Kram. Sie meinte daraufhin, dass sie sich ein paar Mal zu Hause mit Vodka besoffen hatte, nur weil ihr langweilig war. »Das ist doch irgendwie etwas ähnliches«, sagte sie. Ich stimmte ihr zu, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wovon sie eigentlich redete, und etwas gab mir zu verstehen, dass ich ihr nicht gewachsen war.
»Tut mir leid, dass ich mir deine Nummer besorgt hab«, meinte sie irgendwann.
Ich wollte ihr sagen, dass ich mich darüber freute, aber stattdessen nickte ich nur, wie zu allem.
»Ich kann sie ja einfach löschen.«
»Ja«, sagte ich.
»Also, dann geh ich jetzt auch.«
»Okay«, sagte ich. »Wollen mir mal auf ein Konzert gehen, oder sowas?«
»Ja, können wir machen.«

Twiggy wäre nicht Twiggy gewesen, wenn sie mich einfach so hätte gehen lassen. Schnell wurde klar, dass wir noch in die Kirche mussten und damit unser zweites Date begonnen hatte.
»Wenn alles gut läuft«, sagte sie, »dann heiraten wir einfach, okay?«
»Wenn du magst«, sagte ich und wünschte, ich hätte nur ein Mal die passenden Worte gehabt. Twiggy hüpfte von der Mauer und landete in der Hocke. Ich tat es ihr nach, versuchte im Stehen und ganz mühelos aufzukommen. Ich hoffte, dass sie noch einmal unvermittelt nach meiner Hand greifen würde. Durfte ich ihre einfach nehmen? Auf keinen Fall. Twiggys kühle, glatte Finger berührten meine Hand. Die Kirche war noch geöffnet und als wir sie betraten, hatte ich das Gefühl, dass sie allein Twiggy und mir gehörte.

Ich wusste, wie man Weihwasser benutzt. Man hält den Zeigefinger hinein und dann macht man sich ein Kreuz auf die Stirn. Twiggy tat das nicht. Sie stand im Chorraum und schaute staunend zum Altar. Eigentlich hatte ich mir die Kirche größer vorgestellt. Ich war noch nie hier gewesen. Einmal im Jahr, zu Weihnachten, ging ich mit meinen Eltern zum Gottesdienst. Warum wir das machten, wussten wir alle nicht so richtig. Mir aber gefiel es. Doch das war in einer anderen Kirche. Diese hier mochte ich weniger. Der Jesus sah schäbig aus. Nicht auf die Weise, dass es einen Sinn ergab, mehr verwahrlost, als kümmerte sich niemand um ihn. Die Schnitzerei war grob und unstimmig; er schien sogar leicht schief zu hängen. Die Fenstergläser erzählten keine Geschichten. Das einzig Kirchliche an diesem Ort war die Höhe des Raumes, die Anordnung der Sitzreihen zum Altar hin und der Weihrauchgeruch.

Twiggy hatte sich neben einem Tisch mit Kerzen auf den Boden gesetzt. Ich las: Eine Kerze für einen Euro. Darüber dachte ich gar nicht erst nach. Irgendwo musste es einen Luftzug geben, weil sich die Flammen der Kerzen zur Seite bogen. Ich setzte mich zu Twiggy. Im Schneidersitz, wie sie es tat.
»Zeit für eine Beichte«, sagte sie.
»Ich glaube, das ist eine evangelische Kirche.«
Twiggy legte den Kopf schräg.
»Eine Beichte«, sagte sie.
»Okay.«
Twiggy schaute mich eine Weile schmunzelnd an, bis ich begriff, dass ich beichten sollte.
Ich runzelte die Stirn.
»Ich hab mal jemanden umgebracht.«
Twiggys Augen wurden größer und ihr Lächeln schwand wie Wasser aus einem abgeknickten Gartenschlauch.
»Ein Scherz«, sagte ich.
Twiggy schloss die Augen. »Nicht witzig«, sagte sie. »Oder doch?«
»Ich höre jeden Abend Kinderlieder zum Einschlafen.«
»Wirklich? Aber das ist keine Sünde, Sesam.«
»Ich kann niemanden leiden und bin allein«, sagte ich. Das tat weh. Ich hätte es nicht gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass es weh tut, aber es war mir so rausgerutscht.
Twiggy nickte.
»Jetzt bist du dran.«
»Ich habe nichts zu beichten«, sagte Twiggy. »Mein Herz ist rein.«

Ich glaubte ihr kein Wort. Trotzdem sagte ich dazu nichts.
»Meine Eltern haben mir vorgestern ein Foto von den Gebetsmühlen in Tibet geschickt.«
»Deine Eltern sind in Tibet?«
»Sie machen eine Weltreise. Aber ich wollte nicht mit.«
»Was?! Spinnst du?« Twiggys Stimme hallte im Kirchenraum wider.
»Ja, ja. Ich weiß«, sagte ich. Ich wollte nicht, dass Twiggy mich auf diese Weise ansah.
»Du hast wirklich ein Rad ab. Weißt du eigentlich, wie gern ich nach Tibet will?«
»Nein.«
»Gerne«, sagte Twiggy.
»Und was glaubst du, was du dort findest?«
»Erleuchtung. Keine Ahnung, was. Ist doch egal. Tibet! Checkst du es nicht? Das ist am anderen Ende der Welt, okay?« Wieder verteilten sich Twiggys Worte bis hinten zum Altar.
»Nee«, sagte ich. »Das ist eben das Problem. Ich checke es eben nicht.«

Eine Tür öffnete sich und heraus trat ein Mann in einem schwarzen Gewand mit weißem Kragen. Er sah uns an, sein Gesicht war aufgedunsen und alt, er trug eine eckige rahmenlose Brille. Sein Blick verweilte auf Twiggy, dann sah er mich an. Er hielt ein paar Blätter in der Hand; wie er da stand, hätte er uns an dieser Stelle gut etwas vorlesen können. Stattdessen ging er seitlich an den Sitzreihen vorbei zur Orgel, setzte sich hin, legte das Papier auf die Notenablage und begann zu spielen. Ich sah Twiggy an und grinste. Sie grinste gar nicht, schaute gebannt zur Orgel. Ich wunderte mich, dass so wenige Pfeifen einen so schönen Klang erzeugen konnten. Was er da spielte, wusste ich nicht; ob es etwas Kirchliches war. Die Töne waberten durch den Raum. Twiggy schloss die Augen und ich tat es ihr nach.

In der ganzen Zeit, die wir dort in der Kirche saßen, kam kein einziger Besucher. Der Mann mit dem schwammigen Gesicht hatte nicht aufgehört zu spielen und wir waren nicht müde geworden, ihm zuzuhören. Der Steinboden war zu kalt, um darauf sitzen zu bleiben, also hockten wir so da.
Mit einem langen Schlussakkord endete ein weiteres Stück. Der Mann drehte seinen Kopf zu uns, als hätte er lange darüber nachgedacht, wie er es tun würde.
»Das war Brahms«, sagte er. »Kennt ihr das?«
Es war irritierend, dass der Mann aussah und sprach, als wäre er ein Kotzbrocken, uns aber gleichzeitig als die privaten Gäste seines kleinen Konzertes behandelte, die wir ja auch waren.
»Es heißt 'Herzlich tut mich verlangen'«, sagte er.
»Kennen Sie Animal Collective?«, fragte Twiggy.

Ich hätte mich nicht sehr gewundert, wenn Rainer mit uns den Messwein getrunken hätte, aber dazu kam es nicht. Er erzählte uns, dass er Pfarrer in dieser Gemeinde sei und Organist. Es kämen kaum junge Leute her, das wundere ihn. Er bat uns, zu erzählen, was junge Leute heute so machten. Ich hatte das Gefühl, dass er sehr gut selbst eine Antwort auf diese Frage kannte, aber wir in diesem Moment so etwas wie die Repräsentanten der Jugendlichen im Allgemeinen darstellen sollten. Wir gaben Rainer befriedigende Antworten, denke ich. Dass wir nicht wüssten, was wir wollten; dass wir viele Dinge ausprobierten und offen seien. Er sagte, dass wir ihn duzen könnten.
»Würdest du uns verloben, Rainer?«, fragte Twiggy.
Rainer schmunzelte und antwortete wohl besser nichts darauf.

»Ich kauf uns Pizza«, sagte ich. Es war nun endgültig dunkel geworden und ich wünschte mir, mit Twiggy an einem hellen, warmen Ort zu sein.
»Wir haben doch schon was«, meinte Twiggy. Die Dosentomaten zeichneten sich eckig unter der Seitentasche ihres Trenchcoats ab.
»Ist mir egal«, sagte ich. »Ich habe Lust auf Pizza.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich mein Handy und suchte die Nummer von Pizza Jones heraus; das war ein schmutziger Laden mit billiger Pizza und Mos und mein Favorit.
»Artischocke«, sagte Twiggy.
»Hallo, Sesam hier«, sprach ich ins Telefon auf Verdacht, Twiggy könnte es witzig finden. »Zweimal Artischocke, bitte.« »Brabanter Platz fünf.« »Danke.«
»Okay«, sagte ich zu Twiggy. »Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn an der Tür.«

Ich kannte den Pizzaboten, aber so verschwitzt hatte ich ihn noch nie gesehen. Er kam auf die Sekunde zeitgleich mit uns an.
»Die Pizzas sind verrutscht«, murmelte er.
Ich nahm die Pappkartons mit dem lächelnden Koch entgegen und öffnete sie vorsichtig.
»Was schlägst du vor?«, fragte ich.
»Ihr könntet sie so nehmen und den Käse verteilen«, sagte er.
»Ohne zu bezahlen?«
»Nein. Natürlich nicht.«
Twiggy stand daneben und der Pizzabote und ich uns gegenüber. Ich hatte das Gefühl, dass das meine Angelegenheit war. Während ich mit ihm sprach, fühlte ich etwas, dass sich ungefähr so beschreiben lässt: Du hast eigentlich keine Ahnung von dem, was im Leben des Menschen, mit dem du gerade verhandelst, vorgeht. Du bist nicht in der Position zu sagen: Das sind Pizzen, die meine verdienten zwanzig Euro plus Trinkgeld nicht wert sind; der Job im Kartenladen wurde dir geschenkt, wie alles andere auch in deinem Leben. Deine Eltern haben dich nach Nepal eingeladen. Sie haben das Geld, so etwas zu tun. Du siehst, dass der Pizzabote das denkt, das ist deine Rolle, du bist das Arschloch. So lange du bei deinen Eltern wohnst, so lange du Essen aus ihrem Kühlschrank und Geld aus ihrem Portmonee nimmst, wenn deines nicht reicht, so lange hast du kein Recht, eine Pizza zu beanstanden, die aussieht, als hätte jemand damit Frisbee gespielt. Aber genau das wollte ich tun. Ich wollte das Arschloch sein.
»Entweder wir bezahlen die Hälfte oder du nimmst die Pizzen wieder mit«, sagte ich.
Und so geschah es.

Ich hielt die warmen Kartons wie Trophäen in der einen Hand und schloss mit der anderen die Tür auf. Twiggy sagte nichts, ich wusste, dass ich mich unbeliebt gemacht hatte. Manchmal hilft es, nicht weiter über so eine Sache zu reden. Wenn man eine Entscheidung bewusst trifft, dann kann sie einem weh, aber niemals leid tun. Ich legte die Kartons auf den Küchentisch und zeigte Twiggy mein Zimmer. Die Stimmung war schlecht, vielleicht lag es auch am Hunger.
»Ich mag es«, sagte Twiggy. »Und das Hochbett«
»Danke«, sagte ich. »Ist das eigentlich noch unser Date?«
Twiggy schüttelte den Kopf.

Ich zeigte ihr noch die anderen Räume, während ich wünschte, meine zwanzig Euro einfach beim Pizzaboten gelassen zu haben. Das Zimmer meiner Eltern roch wie immer nach abgestandener Luft. Ich fand es nicht komisch, es Twiggy zu zeigen. Sowieso fühlten sich die letzten zwanzig Minuten wie das Planspiel unserer von Rainer nicht besiegelten unglücklichen Ehe an.
»Wow, es gibt zwei von dir?«, fragte sie, zeigte auf ein Foto mit meinen Eltern, mir und meinem Bruder.
»Ja«, sagte ich. »Er ist auf das Goethe gegangen.«
»Wirklich?«
»Normalerweise mögen Zwillinge sich, aber er ist mir fremd.«

Als nächstes zeigte ich Twiggy die Speisekammer und den Ort zwischen den Jacketts und Mänteln, an dem ich mich als kleiner Junge manchmal versteckt hatte. Ich spürte, dass ich sie trotz Hunger und allem wiedergewann.
»Deine Eltern haben Geld, oder?«, fragte sie.
»Es geht«, sagte ich und fühlte mich stolz und dann wieder wie ein Arschloch. »Ich will niemals so viel haben. Man kauft nur unnütze Dinge.«
»Das stimmt nicht«, sagte Twiggy. »Wenn ich Geld hätte, würde ich ganz viel Nützliches kaufen.«
»Na gut«, sagte ich. »Wollen wir Pizza essen?«
»Du sagst das nur, weil du nicht weißt, wie das ist, kein Geld zu haben.«
»Ja«, sagte ich.
»Okay, lass uns Pizza essen.«


Die Pizzen waren lauwarm. Wir setzten uns auf die Couch, Twiggy schien von den Büchern meiner Eltern beeindruckt zu sein. Ich schaltete den Fernseher ein, um nicht reden zu müssen. Twiggy setzte sich auf die andere Seite des Sofas; nicht weit genug, um behaupten zu können, dass sie sich von mir distanzierte, aber bei weitem nicht so nah, um es als Annäherung zu interpretieren. Wenn das der emotionale Abstand war, der sich gerade zwischen uns befand, dann betrug er ungefähr anderthalb Meter. Ich zappte die Kanäle durch, schaute nach vorne, aber konzentrierte mich auf das seitliche Blickfeld. Twiggy hatte die Beine angezogen und sich das erste Stück Pizza genommen. Meine Nachdenklichkeit und Aufmerksamkeit Twiggy gegenüber wich einem starken Hungergefühl. Liebe geht nicht durch den Magen, es ist umgekehrt.


»Ich schaue normalerweise kein Fernsehen«, sagte ich.
Twiggy sah mich an und dann wieder zum Fernseher.
Diesmal war es wirklich spannend. Weil ein Andreas Tölzer, den keiner von uns kannte, als Judokämpfer nach Tokio geschickt worden war, übertrugen sie die Weltmeisterschaft. Ich hätte nie gedacht, dass mich Judo interessieren könnte. Es war mir immer wie die harmlose Version von Karate vorgekommen, dabei kannte ich keines von beidem wirklich. Ich mochte, dass sie alle in Bademänteln kämpften. Ihre Bewegungen waren stark und gerade. Als würden sie Schnitzel ausklopfen.
»Mein Vater zeichnet Sumos«, meinte Twiggy. »Er ist Künstler.«
»Aber das ist Judo«, sagte ich.
»Ja. Aber er zeichnet Sumos«, sagte sie.

Von Andreas Tölzer war nicht mehr viel die Rede. Stattdessen kämpfte Tachimoto Megumi gegen Sugimoto Mika. Die Emotionen in den Gesichtern der Kämpferinnen fesselten mich; ich hatte das Gefühl, mein Leben wäre ein Witz gegen so viel geballten Ehrgeiz und so viel Leidenschaft. Das Sofa bewegte sich ein bisschen und mir fiel auf, dass sich der emotionale Abstand zwischen Twiggy und mir auf etwa fünfzig Zentimeter verkürzt hatte. Dabei hatte ich mich bislang nur ein bisschen in ihre Richtung bewegt. Tachimoto fiel und Sugimoto umschlang sie, aber es war nur ein Manöver. Im Fallen stellte Tachimoto, Sugimoto ein Bein, fing sie im Flug auf, sodass sie im Schwitzkasten landete. Es war einfach unfassbar.
»Wollen wir was trinken?«, fragte Twiggy.

Wir nahmen uns Bier aus dem Kühlschrank. Mein Vater hatte den Tick, Bier nur aus Dosen zu trinken. Er meinte, es sei frischer. Wir rissen die Dosen auf und Twiggy leerte ihre in einem Zug. Ich sah sie staunend an. Sie grinste, stellte die Dose auf den gläsernen Couchtisch und rülpste wie Homer Simpson. Wahrscheinlich war ihr der Schleichgang, in dem wir uns einander näherten, nun endgültig zu blöd. Sie setzte sich direkt neben mich. Ihr Bein unter einer rostfarbenen Strumpfhose berührte meines. Mit einem Mal schlug mir das Herz durch die Lungen in den Hals und aus meinem Gehirn regneten Endorphine. Ich grinste. Wieder schauten wir in Richtung Fernseher. Für heute kein Judo mehr. Ein Mann mit glänzenden, rot gefärbten Locken erklärte Anrufern ihre Zukunft und Probleme. Ich dachte ungefähr zehn Sekunden darüber nach. Dann legte ich meine Hand auf Twiggys Knie. Dort weilte sie weitere zehn Sekunden, in denen ich fühlen konnte, wie falsch sie dort war; bis Twiggy wortlos ihr Knie anzog, sodass die Hand aufs Sofa rutschte.

Es kam mir nicht wie eine Abweisung vor. Mehr wie ein vorsichtiger Hinweis auf ein Missgeschick. Ich schlug vor, einen Blick auf die Alkohol-Vorräte meiner Eltern zu werfen. Es gab verschiedene Sorten Gin, Brandy und einen besonderen Vodka, ein paar Liköre, die selbstgemacht aussahen und wenig attraktiv. Twiggy zeigte auf den Vodka. Ich holte zwei Gläser, schraubte die Flasche auf und goss die Gläser voll.
»Spinnst du?«, fragte sie.
»Ja«, sagte ich. Ich trank das Glas in einem Zug aus.
Twiggy nippte an ihrem Vodka und stellte ihn auf den Tisch. Ich goss mir Brandy ein.

Der Abend wurde nicht angenehmer, ich nicht weniger betrunken und Twiggy nicht mehr. Trotzdem hatte sich der emotionale Abstand zwischen uns aufgelöst. Ich legte eine Platte von den Rolling Stones auf und schlug Armdrücken vor. Twiggy war einverstanden. Wie ein Profi krempelte sie sich die Ärmel hoch. Ihre Arme waren weder dünn noch dick. Es waren Mädchenarme. Ich konnte nicht genau sagen, woran man das sah. Wieder war es der rechte, mit feinen Narben förmlich übersäte Arm. Das klingt sicher komisch, aber ich fand das kein bisschen hässlich. Ich wollte Twiggy berühren und an mich drücken. Wir waren auf den Teppichboden umgezogen. Twiggy lag auf dem Bauch. Ich griff ihre Hand und drückte, dachte, es würde leichtes Spiel werden. Ich bekam ihren Arm keinen Zentimeter bewegt. Kurz überlegte ich, ob sie einen Trick benutzte. Twiggy grinste und als mein Kopf rot wurde, schlug sie meinen Arm mit einem Dreh auf den Teppich.

Twiggy meinte, dass es spät und sie morgen mit einer Freundin im Museum verabredet sei. »Du kannst gerne mitkommen«, sagte sie, und wahrscheinlich war das für mich der erleichterndste Moment des Abends.
»Ich habe noch etwas für dich«, lallte ich. Wir gingen in mein Zimmer. Aus dem Regal nahm ich mein rotes limited Collectors Album. In der Mitte der ersten Seite, der Auswahl meiner Lieblingskarten, hatte ich einen Scion of Darkness mit der Unterschrift des Illustrators, Mark Zug. Mo hatte ihn mir von einer Messe mitgebracht. Ich nahm eine durchsichtige Hülle, atmete einmal tief durch, und nahm die Karte aus dem Album.
»Hier.« Ich hielt sie Twiggy hin.
»Danke«, sagte Twiggy. Es schien nicht nötig, noch einmal Begeisterung zu zeigen.
Twiggy nahm ihren Trenchcoat von der Garderobe und verabschiedete sich mit einer Umarmung.
Ich wollte heulen, aber wusste nicht genau weshalb und ob es am Alkohol lag.
Damit endete unser vielleicht drittes Date.


Am nächsten Tag rief ich bei Mo im Laden an, um ihm zu erklären, dass ich etwas Wichtiges zu erledigen hätte. Er fragte nicht weiter nach. Twiggys versprochene Freundin kam nicht mit ins Museum und der Tag endete mit meiner ersten Nacht in Twiggys Wohnung. Auf einer Gästematratze in ihrem Zimmer. Am nächsten Abend war ich zum Essen eingeladen. Es gab einen Fisch mit Salzkruste und Twiggys Eltern fragten mich über Dinge aus, über die ich vielleicht noch nie nachgedacht hatte. Es war klar, dass ich noch einmal übernachten würde. An diesem Abend hörten wir meine Kinderkassetten. Twiggy hatte es sich gewünscht und ich hatte nicht nein sagen können. Nach zwei weiteren Tagen gab ich meinen Job bei Mo auf; es gab ein trauriges Treffen. Er verstand nicht, weshalb, und ich konnte ihm nicht sagen, wieso. Wir tranken Pepsi und aßen Pizza. »Ich will jetzt Bücher schreiben«, sagte ich.

Twiggys Eltern waren tagsüber zu Hause. Es schien sie nicht zu stören, dass ich quasi über Nacht eingezogen war. Ich kümmerte mich um das Essen oder gab dem Hauskaninchen, James, frisches Heu und Möhren. Er war nicht ganz stubenrein; dafür war ich dankbar. So konnte ich mich durch ihn nützlich machen. Twiggy und ich redeten nicht viel. Da war eine stille Vertrautheit zwischen uns, von der ich nicht wusste, woher sie kam und ob ich sie verdient hatte. Wir dachten uns neue Spiele aus. Die Sache mit den Dates war irgendwann ausgelutscht.
Während sie Bewerbungen an Universitäten schickte, schrieb ich kleine Texte über uns und zeichnete dazu. Ich hatte weder Ahnung, dass ich so etwas schreiben, noch dass ich zeichnen konnte. Wenn ich sie sah, fielen mir lauter überzeugende Dinge ein. Solche, die mich von ihr überzeugten und solche, mit denen ich sie überzeugen wollte, dass ich genauso ungewöhnlich war wie Josh oder einer ihrer alten Freunde.

Nach dem fünften Tag zeigte ich Twiggys Vater eines meiner Gedichte. Er rollte mir eine Zigarette; den Tabak bewahrte er in einer Plätzchendose auf und benutzte dicke Filter, wie ich sie bislang noch nicht gesehen hatte. Die Zigaretten, die ich von da an mit ihm rauchte, wenn wir über meine Texte sprachen, schmeckten erdig und gaben mir das Gefühl, erwachsen zu sein und an einem Ort, an den ich wirklich gehörte. Manchmal redete ich mehr mit Twiggys Vater als mit ihr. Auch ihre Mutter hatte immer etwas für mich. Es ging nicht, dass wir uns nur in der Küche begegneten. Es waren einfache Geschenke, aber sie bedeuteten mir viel. Ein Glas Hollunderwasser, ein Stapel vergilbter Papiere zum Schreiben, ein Buch von Cesare Pavese. Später, als klar wurde, dass wir uns nicht wieder sehen würden, bekam ich die Lieblingsschallplatte des Vaters. Das war Astral Weeks von Van Morrison; Twiggys Vater meinte dazu, dass sie ihn durch seine schwierigste Zeit gebracht hatte.

Während Twiggy und ich zusammen im Raum saßen, arbeitete ich an der Geschichte über unseren ersten Kuss, den es bislang nicht gegeben hatte. Später war es genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich schrieb, man kenne das ja, man küsse irgendeinen Menschen zum ersten Mal; das wäre ja auch schön und alles, aber auch austauschbar. Nicht so mit Twiggy. Wie ein Song, in den man sich verliebt – ich war sehr stolz auf diesen Vergleich. Verdammt, man will ihn immer wieder hören. Wieder und wieder und wieder und wieder. Aber dann ist es doch nicht wie Musik. Man kann es nicht noch einmal fühlen. Man kann sich nur für den Rest seiner Tage daran erinnern, wie wunderschön es geklungen hat.


Twiggy hatte den Scion of Darkness mit Mark Zugs Unterschrift an die Bücher in ihrem Regal gelehnt. Neben den vielen Einbänden wirkte die Karte plötzlich wie ein intellektueller Gegenstand. Ich schrieb. Nicht nur Geschichten, auch Listen, die ich in einer Zigarrenkiste, die mir ihr Vater geschenkt hatte, sammelte. Wenn Twiggy noch schlief oder sich mit jemandem traf, dann schlich ich durch die Wohnung und dokumentierte alles haargenau. Es reichte nicht, nur Fotos davon zu machen. Wenn jemand mir diesen Ort wegnehmen würde, und dieses Gefühl hatte ich, dann blieben mir nur eine Handvoll Erinnerungen, die Fotos und eben diese Notizen. Mein neues Leben hatte begonnen und ich war neugierig wie ein Reh bei seinen ersten Gehversuchen. Literatur schien definitiv die Kategorie zu sein, die eine Chance versprach, Twiggy so für mich einzunehmen, dass ihr Interesse an mir nicht absterben und es weitergehen würde mit uns. Es war ein Startschuss; jemand hatte mich durch Zufall dazu gebracht, etwas zu wollen, und jetzt wollte ich es mit allen Mitteln.

Nach über einer Woche mit Twiggy, verbrachte ich ein paar Tage zu Hause. Warum hatte ich den Job bei Mo aufgegeben, konnte ich ihn vielleicht zurückbekommen? Aus Langeweile fing ich an, ein paar Texte über einzelne Karten zu schreiben. Wie es zum Wrath of God gekommen und wie sich der Goblin Chirurgeon aus seinen Feinden neue Freunde zusammenflickte. Ich las die Berge des Wahnsinns von Lovecraft und glaubte am Anfang einer Revolution zu stehen, die ich noch auslösen musste. Es lag alles in meinen Händen, alles zeigte auf mich und stellte mich dem großen Publikum mit den Worten vor: Das ist er. Er wird euch verändern, weil sie ihn verändert hat.

Twiggy mochte meine Texte.
»Ich würde das lesen«, sagte sie.
»Aber ich schreibe für mich«, antwortete ich stolz, obwohl das nicht stimmte.
»Das sagen sie alle am Anfang.«
Natürlich vermutete ich, dass es an meinen Texten lag. Die Gästematratze war nicht mehr da und als Twiggy fragte, ob ich blieb, war mir klar, dass ich in ihrem Bett schlafen würde. Wir hatten zwei Decken. Zusammen standen wir vorm Badezimmerspiegel und putzten Zähne. Ohne Schminke – ich hatte nicht gewusst, dass sie sonst welche trug, selbst als ich bei ihr schlief – sah Twiggy nicht schöner oder weniger schön aus. Mein Blick auf Twiggy veränderte sich nicht. Ich wollte sie in jeder Facette begreifen, es war wie eine Jagd nach Eindrücken; ich konnte gar nicht schnell genug sein, sie für die Zeit danach zu retten.
Als wir im Bett lagen, kam ich mir wie ein Stück Holz vor. Das Licht war aus und vielleicht wartete ich darauf, dass irgendetwas passierte. Das war nicht der Fall. Ich wartete und wartete, bis ich einschlief.

Es waren drei Nächte und sie änderten kaum etwas. Ich lag da, fühlte ihre Wärme dicht bei mir, atmete ihren Geruch. Das war nicht die Summe von Waschmittel und Deoresten auf ihrer Haut oder Shampoo in ihrem Haar. Es war Twiggys Geruch, der multiplizierte sich in mir zu schrägen Gefühlen, die mir Angst machten; vor mir selbst und davor, Twiggy zu verlieren. Ich konnte sie nicht berühren. Es stand mir nicht zu. Sie vergab das Geschenk ihrer Aufmerksamkeit, wann sie es wollte. Ich wartete auf etwas Großes; es musste immer größer sein als am Vortag. Twiggy war der spannendste Film. Jede Geste, jede Bewegung im Dunkeln ließ mich auf mehr hoffen und wurde nie erfüllt. Wenn sie wirklich ein Film war, dann musste es eine Auflösung geben. Aber erst zum Schluss; so lange hatte ich Zeit, die Sache zu dokumentieren.

Ohne Twiggy davon zu erzählen, kaufte ich an einem Nachmittag zwei Tickets nach Island. Ich vermutete, dass sie es interessant finden würde. Sie hatte mir ein Musikvideo von Björk gezeigt und weil bei Twiggy jeder Impuls zu einer Kehrtwende führen konnte, dachte ich, Island könnte unser gemeinsamer Plan werden. Die Tickets druckte ich uns aus und steckte sie in ein Kuvert. Eine Briefmarke klebte ich auch darauf. Nur so. Twiggy war nicht zu Hause, also nutzte ich die Zeit, um meine Magic-Geschichten in Island weiterzuschreiben. Lange saß ich nur vor leeren Blättern. Ich zeichnete einen Goblin, der einen anderen in Stücke sägte; um mich zu konzentrieren. Als es losging, setzte ich den Stift nicht mehr ab. Ich hatte alles im Kopf und eine fertig gedrehte Zigarette auf dem Tisch.

Shîwork, der Chirurg, hatte lange keine Sonne mehr gesehen. Er löffelte das Auge von Gromork, den er gestern geschlachtet hatte. Verträumt sah er aus dem Fenster in Gromorks Küche auf den glitzernden Fjord, der sich im Tal erstreckte. Zwei spitze Felsen bildeten das Tor zur weiten See. Shîwork musste Gromorks Überreste rationieren. Gab er nur seinem unbändigen Hunger nach, blieben nicht genug Teile übrig, um sich aus dem erbitterten Feind noch einen treuen Gefährten zu flicken, den er mit den Zaubersprüchen seines Großvaters zum Leben erwecken konnte. Shîwork hatte alles verloren, sie hatten ihm alles genommen; jetzt hatte er nur noch seine Erinnerungen. Wenn er fleißig war und sparsam mit dem Fleisch, dann konnte er sich ein Abbild von allem herstellen. Das war alles, was er in dieser Welt tun konnte.

Twiggy nahm mich nie zu ihren Freunden mit. »Nein«, sagte sie, und das Thema war vom Tisch. Ich wusste nicht, warum sie mich bei sich behielt. Vielleicht dachte sie, dass das nicht ihre Entscheidung wäre. Sie hatte mir Fotos gezeigt und Geschichten erzählt. Vor allem ein gewisser Paul schien interessant zu sein. Er band ihr Wunderkerzen ans Fahrrad und lieh ihr seine Jacke aus. Die roch gut und das machte mich fertig. Ihre Freunde fotografierten mit Analog-Kameras. Sie gingen auf Vernissagen, aßen Raclette zusammen, tranken Rotwein, wie man an Twiggys Zähnen sah, machten, wovon ich nichts wusste. Als Twiggy mir wieder von Josh erzählte, sagte ich, dass ich davon nichts mehr hören wolle. Kein einziges Mal erwähnte sie ihn noch und hörte seitdem ihre Musik mit Kopfhörern.

Shîwork, der Goblin-Chirurg, rächte sich an Twiggys Freunden. Er entführte Twiggy und verfütterte sie an einen Kraken, der im Fjord lebte, doch der Krake verschmähte sie. Diesen Text zeigte ich Twiggy nicht. Ich malte große Bilder; sie wirkte auch beeindruckt davon, aber es reichte mir nicht. Ich sagte ihr, dass ich ihre Freunde kennenlernen wollte oder sie sich andere suchen müsste. Twiggy lachte mich aus, ließ mich im Zimmer stehen und schlug die Haustür etwas fester zu als sonst. Ich rief bei Mo an, um mir meinen Job zurückzuholen, aber Mo legte einfach auf. Wahrscheinlich erwartete er, dass ich persönlich im Laden vorbeikam. Nach zehn Minuten hatte ich es mir anders überlegt. Meine Eltern schickten Bilder aus Kerala. Ich blockierte ihre Nummern. Für zwei Wochen, sagte ich mir.

Es war Winter geworden und James, das Hauskaninchen, war an einem Virus über Nacht gestorben. Die Island-Tickets hatte ich vorsichtshalber für mich behalten. Twiggy und ich hatten seit meinem Wiedereinzug vielleicht drei oder vier Worte miteinander geredet. Die Verbindung zwischen uns war nicht abgerissen, dafür aber bekam ich Twiggys Eltern kaum noch zu sehen. Als ich einen Zettel von Twiggy auf dem Schreibtisch fand, in dem sie erklärte, dass sie heute Abend bei Paul blieb, packte ich meine Sachen und ging. Für über eine Woche meldete ich mich nicht bei Twiggy und sie sich nicht bei mir. Ich lag im Bett und hörte meine Kassetten, um einschlafen zu können, als ich eine Nachricht von ihr bekam. »Möchtest du noch ein drittes Mal einziehen? Falls ja, komm morgen. Twiggy.«

Der Rest erzählt sich schnell. Klar zog ich ein drittes Mal bei Twiggy ein und von Paul und anderen Freunden hörte ich erst mal nichts. Wir gingen zu einem Konzert von Animal Collective. Ein paar Mal nahm sie meine Hand und ein Mal saßen wir uns eine Viertelstunde lang in ihrem Zimmer gegenüber und dann küsste sie mich. Als ich wieder alleine zu Hause war, bin ich ziemlich verrückt geworden. Alle fünf Minuten habe ich ihr eine Nachricht geschrieben und dann wurden ihre immer weniger. An einem furchtbaren Sonntag haben wir ein klärendes Gespräch geführt. Ich glaube, ich habe nie wieder so lange und so bitterlich geweint, aber ich denke auch, dass es das Richtige war. Noch heute setze ich mich manchmal auf den Boden in meinem Zimmer und mache ihren Song an. Dann schwimme ich für ein paar Minuten in ihren Gefühlen. Vielleicht sind es auch meine eigenen. Das weiß man nie so genau.

 

Lieber @feurig ,

danke, dass du dich nochmal gemeldet hast. Es fühlt sich gerade so an, als würde ich einen Bumerang auswerfen. Ich gebe Antworten auf die neuen Kommentare, obwohl ich eigentlich noch im Versuch stecke, das zu verlängern. Aber das muss jetzt; jetzt sind die Kommentare noch frisch und jetzt will ich darauf reagieren :gelb: Ich hoffe, dass ich auch deine Punkte in der Überarbeitung berücksichtigt bekomme. Das Teil wird ein Wummer. 25 Normseiten oder sowas :lol: Aber alle haben geschrieben, es muss länger sein, also wird es das jetzt auch.

Ich liebe diesen Kommentar von dir. Weil du mir hier mit wenigen Worten und ohne es direkt zu sagen, zeigst, dass du dich gerne an diese Zeit erinnerst.

Danke. Ich weiß, was du meinst. Die vorliegende Geschichte ist ja extrem knapp dafür, dass da ja schon einiges erzählt wird. Ich habe die Sache mit dem Schweiß auch schon integriert. In der neuen Version gibt es eine Konfrontation zwischen Sesam und einem Typen namens Cole, der den Kids die frisch gezogenen Birds of Paradise gegen einen Krosan Cloudscraper oder ähnliches abluchst. Mal schaun, ob das mit der Länge so aufgeht. Ich würde gerne daran schreiben, bis ich fertig bin. Habe gestern angefangen und die ersten 3 Seiten oder so runtergepowert und hätte gerne die ganze Nacht durchgeschrieben, aber das geht nur, wenn ich sturmfrei habe :dozey: Wird hoffentlich in den nächsten Tagen fertig. Ich würde schon gerne im Mood bleiben.

du ziehst jetzt Schach vor, aber in meiner Vorstellung lag ein Lächeln auf dem Gesicht, als du dich daran erinnert hast.

hach, schön. Ja, das hast du gut erkannt.

zwei Geschichten in einer Geschichte zu vereinen versuchst.

Ich denke auf dem kleinen Raum ist das einfach auch etwas diffus. Hoffentlich klärt sich das im größeren Umfang.

ein gewisses nostalgisches Gefühl der Erinnerung.
Sesam erinnert sich an seine erste Begegnung mit Twiggy. Dieses nostalgische Gefühl kannst du auch abrufen, aber dann ist sie mit "die erste Liebe" verknüpft. Hier triffst du zielsicher ins Herz, allerdings schrammt für für diese Geschichte der erste Absatz an Ziel vorbei, denn hier deklarierst du ja, dass es um die Drehung geht, die Twiggy Sesams Leben verpasst hat und nicht um seine erste Liebe.

Das ist natürlich wahr. Ich denke, die neue Version löst das Problem nicht ganz, macht aber die Leerstelle, die man als Leser füllen kann, übersichtlicher. Es gibt einfach viel mehr Infos und Gründe, warum das wirklich eine Kehrtwende ist. Das Ende wird mit neuen Szenen gespickt und auch der Einleitungsteil und Sesams Lebenseinstellung wird ausgewalzt.

Es ist nicht so, dass Nerds grundsätzlich erst mit Mitte zwanzig ihre ersten Mädchenerfahrungen machen. Dazu muss man schon sehr viel des Nerd-Prototypen in sich haben

Haha. Nee, so einer ist Sesam auch nicht. Ich gehe auf den Punkt noch in der Überarbeitung ein. Danke nochmal für den Hinweis. Das ist ja so ein ganzes Bündel von Möglichkeiten, die sich mir jetzt gerade eröffnen und alles kann gerade wieder verstärkt, abgeschwächt und neu integriert werden.

in welcher Form Sesam denn durch sie gereift ist. Dieses Reifen bleibt eine reine Behauptung und hier wird es dann schwierig,

Vielleicht war das auch nicht die richtige Formulierung. Es ist mehr: Junge entdeckt in Twiggy etwas, von dem er nicht gewusst hat, dass es in seinem Leben gefehlt hat, und schon gar nicht, wie sehr es ihm noch fehlen würde. Ein weiteres unbestimmtes Versprechen für die Überarbeitung ...

wenn du das erste Treffen mit Twiggy nicht aus der Perspektive des alten Sesams beschrieben hättest, sondern aus der Perspektive des neuen Sesams

Ich habe es jetzt viel szenischer gelöst an vielen Stellen; den alten Sesam lasse ich aber immer wieder dazwischenfunken. Beim ersten Treffen mit Twiggy bin ich noch nicht angekommen. Das wird morgen passieren. Dann kommt vielleicht/hoffentlich/wie auch immer: "Ah, da hat feurig was gemeint"

Damit würdest du auch die Veränderung zeigen, die Sesam gemacht hat.

Da, denke ich, liegt das großes Potential dieser doppelten Erzählweise. Ich versuche alles rauszuholen, was drin steckt.

wer nennt ihn heute denn noch so?

gute Frage. Dem könnte ich gut noch ein zwei Sätze verpassen.


Danke, feurig, hilfreicher zweiter Leseeindruck.
Lieben Gruß
Carlo

 

Hallo @Carlo Zwei,

eine neue Geschichte von dir - wie schön. Geschrieben ist es, wie immer, sehr versiert, die Bilder und die Art zu erzählen gefallen mir gut. (Habe unten ein paar Lieblingsstellen zitiert. :) )
Was mir persönlich nicht so zugesagt hat, war eher, was erzählt wurde. Ich weiß, nicht jede Geschichte braucht einen spannenden Plot, es kann auch einfach nur ein Psychogramm sein. Aber auch beim zweiten Lesen komme ich nicht recht dahinter, was dein Prota eigentlich an Twiggy findet bzw. warum ausgerechnet sie sein Leben verändert hat. Ich bekomme schon ein Bild von ihr, aber das, was ich erfahre, reicht - zumindest mir - nicht, um sie wirklich als Meilenstein in seinem Leben einzuordnen.

Sie ist schon als Individualistin beschrieben, und auch als jemand, der Probleme hat, ganz besonders sensibel zu sein scheint, und das macht sie für den Prota interessant. Aber das, was sie zusammen erleben, fällt mir doch zu wenig aus dem Rahmen, um seine Gefühle nachvollziehen zu können. Er beschreibt seine Gefühle viel, aber ich habe mich anfangs gefragt, worauf er hinaus will, und am Ende, was diese Frau denn so besonders macht. Vielleicht hätte die Geschichte länger sein müssen, keine Ahnung. Ich versuche nur, dir meinen Leseeindruck zu beschreiben. Und da fand ich das Ende zu abrupt zusammengefasst. Für mich fing die Geschichte gerade erst an.

Fünf Jahre ist das her und mit Twiggy habe ich nichts mehr am Hut.
Das ist ein toller erster Satz. Will sofort wissen, was da los ist.

Ich stellte mir das Wasser bunt vor und den Himmel schwarz.
Schöne Beschreibung. Für mich ein Mensch, der zwischen den Extremen schwankt. Einerseits enorm glücksfähig und energiegeladen, andererseits kann sie der absoluten Finsternis, die dahinter lauert, nie entkommen. Klingt fast ein bisschen manisch-depressiv.

Sie trug einen braunen Trenchcoat, wie ein Detektiv, und roten Lippenstift.
Da kriege ich sofort ein Bild.

Insgesamt habe ich das gerne gelesen, weil du einfach gut schreibst, aber für mich bräuchte es etwas mehr Butter bei die Fische, wie man hier so schön sagt. Vielleicht konzentrierst du dich bei deinen Beschreibungen auch auf Dinge, die ich als Hinweise verstehe, aber dann im Nirvana verschwinden. Der erste Satz z.B. lässt mich vermuten, dass irgendetwas vorgefallen ist, weshalb er mit ihr nichts mehr am Hut hat. Aber darüber erfahre ich nichts.

Ich hoffe, du verstehst, was ich meine und wünsche dir einen guten Start in die Woche

Liebe Grüße,
Chai

 

@kiroly @jimmysalaryman @Chai

Für Kiroly und Chai: ich wollte das erst fertig machen, bevor ich euch antworte, das kommt als nächstes.

Der Text ist jetzt eine Novelle und hat 55.000 und nicht mehr 9.000 Zeichen. Ich wollte es einfach mal ausprobieren, weil ihr drei das geschrieben habt. Wenn einer von euch sich das antun möchte, nur zu. Ich weiß noch nicht genau, ob ich es hier einfach wieder auf die alte Version zurücksetze, aber ein paar Tage lasse ich es sicher stehen. Es war auf jeden Fall abgefahren und genau weiß ich auch nicht, wo ich die Zeit hergenommen habe. Die alten Teile habe ich weitestgehend stehen gelassen, ich hoffe, es ist nicht zu schwammig geworden. Ein ganz schöner Ritt jedenfalls :D

Liebe Grüße an euch!

 

Meinen Segen hast du schon mal, ich habe es sehr genossen, deine Novelle zu lesen. Die beiden Hauptfiguren sind mir näher als vorher, ich habe das Gefühl, die paar Bewertungen, die ich zum Beispiel vorher noch moniert hätte, fallen nun viel weniger ins Gewicht, reihen sich ein in einen schönen Flow. Carlossound eben. Ich mags.
Ich melde mich später nochmal und schicke Detail hinter.
Das mach ich dann als Zusatzteil hierzu.

 

Hey @Carlo Zwei,

ich würde gerne mehr zu deiner Geschichte sagen, als ich es kann. Falls das Sinn macht. Sie hat mir riesig gefallen und ich kann dir noch nicht mal genau sagen, wieso. Obwohl, doch, eigentlich schon: Weil es genau das ist, was ich mir immer erhoffe, wenn ich ein Buch beginne, einfach reingezogen zu werden, nicht dieses oder jenes zu hinterfragen, warum schreibt die oder der so und nicht anders … Für mich hat da einfach alles gepasst, alles an seinem Platz, nichts hat mich rausgerissen. Ich hatte den Eindruck, dass du nicht zu viel willst und genau dadurch 'ne ganze Menge erreicht hast. Keine Ahnung. Einfach gut und fertig.

Paar Kleinigkeiten sind mir aber trotzdem aufgefallen:

Für mich war Twiggy bis dahin das Mädchen, mit den verrückten Klamotten.

Komma nach Mädchen kann weg

Etwas, entwickelte sich hier, aber das kam nie zum Vorschein,

Komma nach etwas kann weg

Ich fühlte, dass ich in Nepal nichts anderes finden konnte, als zwischen Männerschweiß und großen Schlücken von Mos Pepsi-Flasche.

Komma nach konnte kann weg, glaube ich

Sie schlug vor zur Kirche zu gehen, lief aber in die entgegengesetzte Richtung. Ich fragte nicht nach, es viel mir gar nicht ein, danach zu fragen.

Komma nach schlug vor, denke ich. Und fiel.

Als wir aus dem Kino kamen war es dunkler geworden, aber nicht eben kalt.

Komma nach kamen

»Unser Date ist jetzt übrigens wieder vorbei«, sagte Twiggy. »Du hast es gut gemacht. Hundert Punkte.«

"Du hast es gut gemacht" wirkt so ... gestelzt. Vielleicht ... Gut gemacht?

Ich glaube, dass ich da bereits spürte, wie jedes Geheimnis, dadurch dass man es verrät, an Kraft und Magie einbüßt.

Komma nach dadurch?

Bei Magic ist es so: wenn du einen Zauberspruch spielst, dann wandert er danach auf den Friedhof.

Groß nach Doppelpunkt, oder?

Ich hab’ jetzt nicht super viel,

Apostroph kann weg

Diese Drogennummer klingt, wie an den Haaren herbeigezogen.

Komma kann weg, denke ich

»Aber gab ’s die nicht schon mal irgendwann?«

Apostroph kann weg und das Leerzeichen sowieso, denke ich

Er sagte, dass wir ihn dutzen könnten.

duzen

Ich nahm die Pappkartons mit dem lächelnden Koch entgegen und öffnete sie vorsichtig.

Ich kann mir vorstellen, warum du ihn einen Koch nennst, der trägt ja immer so'ne … Kochmütze. Und sieht aus wie Brad Pitt bzw. George Clooney. Ich würde den aber trotzdem eher Pizzabäcker nennen.

Portmonee

Ich weiß, das darf man, aber denk doch noch mal drüber nach, bitte. Portmonee … Portemonnaie … Komm schon, was ist schöner?

»Entweder wir bezahlen die Hälfte oder du nimmst die Pizzen wieder mit«, sagte ich.
Und so geschah es.

Wie geschah es? Hier gibt es ja zwei Möglichkeiten. Im nächsten Satz wird es ja klar und vielleicht ist mein Hirn auch nur verknotet, aber ich finde, das wird hier nicht ganz ersichtlich.

Wenn man etwas mit Feuer ablöscht, dann wächst die Flamme. Sie steigt dir in den Kopf, wo sie etwas Altes verbennt. Du spürst, dass es sich noch einmal aufbäumt, aber du bist derjenige mit dem Feuer. Du dachtest, es wäre stärker, aber jetzt machst du es zu Asche. Du verbrennst alles und hinterlässt nichts als verkohlte Erinnerungen. Gewöhnlich hält das ein paar Stunden.

Ja, okay, hier hat es mich dann doch mal kurz rausgerissen, da weiß ich nicht so recht, ob ich das gebraucht hätte. Wohl eher nicht. Als wäre der Sesam plötzlich zu einem Zenmeister mutiert. Aber wahrscheinlich spricht da nur der Wodka aus ihm.

Ich griff ihre Hand und drückte, dachte es würde leichtes Spiel werden.

Komma nach dachte

Wenn ich sie sah, vielen mir lauter überzeugende Dinge ein.

fielen

Später als klar wurde, dass wir uns nicht wieder sehen würden,

Komma nach später

Es war Winter geworden und James, das Hauskaninchen, war an einem Virus über Nacht gestorben.

Was hältst du von: Es war Winter geworden und James, das Hauskaninchen, war über Nacht an einem Virus gestorben.

Uff, meine Augen brennen. Schick mir deinen nächsten Text doch bitte per Post zu. Oder, noch besser, veröffentlich einen Kurzgeschichtenband. Oder einen Roman. Danke.

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Oh, Mann, @kiroly , danke für den Input. Immer da, immer dabei :)

Geschrieben habe ich dir erst jetzt, weil ich zuerst fertig machen wollte. Jimmy habe ich dann noch geschrieben, der hatte ja schon früher geschrieben; eigentlich wollte ich dem auch erst antworten, wenn es fertig ist. Jetzt ist es eine Novelle. Es war echt spannend, das zu bauen. Meine Vorgabe war nur, dass ich die alten Teile stehen lassen wollte, höchstens minimal verändern. Dann viele Stunden geschrieben. Mal sehen, ob es mir gefällt. Novaks und Bas Rückmeldung geben mir Zuversicht, dass es sich gelohnt hat. Ich habe das als Reaktion auf dich, Jimmy und Chai probiert. Im Prinzip auch auf die anderen, obwohl die, glaube ich, nicht so genau schrieben, mach das länger! Habe zwar schon längeres geschrieben, trotzdem ist das meine erste Novelle und das ist schon was Cooles. Zu deinem Kommentar.

einen Menschen an der ominösen Schwelle Jugend/Erwachsenenleben

Ja, das interessiert mich irgendwie auch immer brennend. Hier schlummert für mich große Nostalgie, aber auch große Gefühle in a fishbowl. Außerdem wird diese Schwelle von vielen oder vielleicht den meisten oder sogar allen nie wirklich ganz überschritten. Ewas bleibt da, denke ich, immer zurück.

dass er eine SMS schrieb ("Ja, eine SMS!"

hah. Schön, dass du es rausschreibst; irgendwie auch klar :D es freut mich.

Warum kommt der alte Sesam auf die Idee, das aufzuschreiben? Was ist seine Motivation? Wo steht der Typ, der die Investition eines Euros in ein Hotdog clever nennt?

Da bohrst du wohl an der richtigen Stelle. Ich habe das als Anlass genommen, da noch viel mehr zu liefern. Trotzdem ist es noch nicht hundert Prozent konkret. Es wäre denkbar bei einem noch viel größeren Umfang Sesam wieder aus dieser Erzählhaltung aussteigen und neue Dinge erleben zu lassen. Doppelter Erzählrahmen.

aber diese Vermutung ärgert mich selber [psych. Stuhlkreis]

finde es erstmal eine gute Idee, das auf diese Weise zu hinterfragen. Du benutzt da ja etwas, was mir aus dem Studium als Objektive Hermeneutik (Ulrich Oevermann gilt da als Pate) bekannt ist. Eine starke Methode, finde ich, die Fallbeispiele in andere Kontexte verschiebt, so wie du es machst, um daraus etwas über die Fälle zu erfahren und die darin schlummernde Kommunikation. Ich möchte eigentlich, dass er irgendwo rumsitzt; das wäre definitiv eine starke Möglichkeit den Text weiter aufzublasen. Er steht dann einfach von seinem Schreibtisch auf und geht aus dem Haus (wo auch immer) und was macht er mit diesen Erinnerungen, einer neuen Person schenken, wie er in dieser Version ... ? – nicht Spoilern, Carlo :D (und nicht als Nötigung missverstehen, dir diesen Klopper hier reinziehen zu müssen!)
Psychologischer Stuhlkreis/Sitzung ist natürlich vorstellbar, klar. In der neuen Version wird, denke ich, schon klar, dass er das niederschreibt, um es für sich zu haben. Wie so einen Schatz.

ähnlich dem uralten Problem der Projektion einer kugeligen Erde auf eine zweidimensionale Landkarte. Das geht nicht ohne Verzerrungen und Abweichungen

ein super Vergleich!!! Ich denke, dass sich das Problem schon etwas mehr bei dem neuen Umfang gibt. Trotzdem sind da noch Verzerrungen drin. Aber auch die Verzerrung ist ja wichtig für die Kommunikation des Textes über sich selbst hinaus. Wie du schon sagst, was wichtig ist und hervorgehoben wird.

Grönland darf gerne zehn Mal so groß wie Indien erscheinen, wenn ich meine Schifffahrtsroute als gerade Linie zeichnen kann

:)

Ich bin danach ziemlich verrückt geworden.
ist der einzige, emotionale Ausdruck. Alles andere, jetzt psychologisiere ich, sind ja Verhaltensweisen. Sind Fakten, die man ausgesprochen einfach beschreiben kann. Er schreibt alle fünf Minuten eine SMS. Er hat geweint.

Das finde ich interessant; auch, weil ich es nicht ganz raffe :lol: Aber ich mache mir meinen Reim darauf. Du schreibst ja dann auch ...

Er orientiert sich praktisch an dem, was er sieht und nicht an einem langen, nach Ursachen suchendem, inneren Hineinhorchen, einer Introspektion

Du hattest ja im Einzeltiere-Text geschrieben, die Figuren werden über das Objekthafte charakterisiert, und wenn ich das so lese, was du schreibst, hab ich das Gefühl, dass ist wieder etwas ähnliches, was du mir da sagen willst. Deswegen horche ich hier auf. Ich schätze mal, dass ist eine andere Dimension von dem, was als Die Appellstruktur der Texte bezeichnet wurde. Runtergebrochen: Texte lassen 'Leerstellen' (hier kommt diese ganze 'Leerstellen'-Diskussion her, soweit ich weiß), die Leser*innen füllen müssen. Also denke ich, ist das mit den Gefühlen hier auch so etwas. Die Hoffnung Leser*innen tun es, ohne das ich es ausillustriere.

Von daher finde ich das Wort "Dasein" in Deinem (inzwischen auch abgeänderten) Anfang

Sie hat meinem Dasein eine Drehung verpasst. Ja, so ist das. Ich schätze, allzu oft passieren solche Dinge nicht. Man muss diese Momente festhalten und an sich drücken und darf sie niemals vergessen. Für andere sind es Kleinigkeiten, aber für einen selbst bedeuten sie einfach alles. Okay, worum geht es hier eigentlich?
etwas zu groß, "zu sehr zum Horizont greifend".

Ich glaube, dass ist ein sehr kluger Punkt. Ich muss ihn noch richtig verstehen, aber der Eindruck ist da :D Wenn ich dich richtig verstehe, dann ist das auch die Entscheidung für oder gegen einen gewissen Pathos.

Ein pfiffiger Typ, der Sesam. Bei Ikea gibts ja auch den "Pölser" für einen Euro

hahah, kiroly. Klar, dass du dadrauf reagierst. Und dann auch noch ein 'Pölser', der Verwandte meines lieblings dänischen Begriffs: 'Pølsehorn' – Es gab eine Fahrradtour und ich habe meine Begleiterin mit einem improvisierten Pølsehorn-Lied beglückt. Was man so nach hundert Kilometern Fahrradfahren und geistigem Leerlauf hervorbringt.

diese Typen, die ihren Pölser mit drei Lagen Trockenzwiebeln überdecken und reflektiert behaupten, sie seien nicht wegen den Pölsern zu Ikea gefahren

:lol:

aber für EINEN Euro eine nahrhafte Mahlzeit mitnehmen, richtig, richtig toll und so ein raffiniertes Schnäppchen, klasse, da habe ich dem (schwedischen) Weltkapitalismus ein Schnippchen geschlagen!

Ich 'fürchte', da schlummert eine Geschichte, die geschrieben werden sollte. Also von dir! Bitte!

Hier schreibt ein Typ an der Schwelle Jugend/Erwachsenalter, und plötzlich ist das, was man toll fand, eigentlich totaler Mist. Man denkt ja nicht, dass man keine Vernunft in der Jugend hatte, man hätte doch und dies und das. Zeit muss genutzt werden. Ich glaube, dass aus solchen Beobachtungen Dein Text eine hohe Kraft erhält: Sie schildern ja einen Entwicklungsprozess, denn von "irgendwo" muss ja Sesam den Wert seiner Erinnerungen neu einordnen.

Das stimmt. Es ist dabei kein bloßes: das hier war Mist, das wiederum gut. Aber im Wesentlichen funktioniert diese Erzählperspektive so, und weil man ja alles immer auf seine eigene Weise reflektiert, bin ich dir sehr dankbar für deine Gedanken. Es steckt darüberhinaus ja zum Beispiel auch drin, wie er sich zu alldem positioniert (vor allem halt jetzt in der längeren Version); ist er wirklich über all das hinweg, was ist von der Vergangenheit noch da, Teil von ihm geworden etc.

Aus seinen Gefühlen zu Twiggy? Oder weil er einfach erwachsener wird? Unsicherheit, Unsicherheit, vielleicht ist das auch seine Motivation, das alles aufzuschreiben. Ich will Sicherheit und Kontrolle erlangen. Ich bin Sesam. Ich muss etwas verarbeiten.

In der neuen Version ist es mehr so eine Notwendigkeit. Die Geschichte aufzuschreiben hat verschiedene Motive. Es ist der Versuch, diese Welt aus den Erinnerungsschnipseln neu zusammenzusetzen. Es ist auch ein Fertig-werden damit und auch ein Schwelgen in Gefühlen und Erinnerungen. Ist gut, mir das nochmal zu vergegenwärtigen.

Wie konnte jemand, ohne etwas Besonderes gesagt oder gemacht zu haben, mein Leben derart in Frage stellen, mich so klein und gleichzeitig groß fühlen lassen?
Kurzer Einschub Anfang: Den letzten Satz könnte man etwas ausweiten, mehr das "Denken" einbauen, sonst wirkt er mMn wieder "zu sehr zum Horizont greifend", vielleicht:

hatte ich vorher auch (etwas Pathoshaft); habe ich wiederhergestellt. Gerade fällt mir etwas Spannendes ein: Du hast an alle sichtbaren und unsichtbaren (bereits vor deinem Besuch gelöschten) pathetischen Stellen gefragt, ob er nicht lieber wieder in den Rechtfertigungsmodus wechseln sollte. Wenn das so ist, dann soll er von (zu) großen, auch (zu) selbstbewussten Worten in Unsicherheit bleiben. Das ist von der Identifikation auf jeden Fall sinnvoll. @AWM hat das als erster angekreidet und nach ihm Peeperkorn und so weiter. Im Zusammenhang mit seinen genannten, verschiedenen Motiven, das aufzuschreiben, sehe ich da Schwierigkeiten. Es ist ja eben auch ein 'Fertig-werden' damit. Das könnte in der aktuellen Version schon gelöst sein. Gerade denke ich, dass das potentiell immer klarer werden würde, je gedehnter der Text ist.

Twiggy zu Beginn des Textes:

Was mich wirklich traurig machte, war der Umstand, dass sie sich ein paar Mal geritzt hatte. Sie schob es auf eine Emo-Phase, in der sie nur schwarzen Nagellack und Lidschatten trug und schwarze Sachen natürlich. Ich fand das albern, weil sich doch niemand nur wegen so einer Oberflächlichkeit selbst verletzt, oder?
Hat sie sich geritzt, weil sie in einer Emo-Phase war oder ist sie in einer Emo-Phase, weshalb sie sich ritzen muss? Nee, muss nicht beantwortet werden, sollte man auch unbeantwortet lassen. Oder will sie nicht zugeben, dass sie den Schub Endorphine beim Ritzen braucht, und schiebt es auf die Emo-Phase?

In der neuen Version habe ich es sie einfach nochmal wiederholen lassen. Habe es nicht weiter erklärt.

»Kennst du eigentlich Magic?«, fragte ich.
»Nein.«
»Es ist das beste Spiel, das es gibt. Wizards of the Coast, falls dir das was sagt.«
Lieber Sesam, du hast ja nur zwei Themen, die in dieser hochemotionalen Situation, dem süßen Beinandersein mit Twiggy, dir Sicherheit vermitteln: Hotdogs und Magic. Hast dich für das richtige entschieden :-D

haha, ach, wie schön. Herrlich, wie du es zusammenfasst.

Hier sah ich kurz einen "imaginären Gesprächspartner", den Stuhlkreis: Sesam merkt, wie lange er schon erzählt und das erste unterdrückte Gähnen trat auf, also wird die Erinnerung schnell aberzählt. Vielleicht ist Sesam aber auch zur Erkenntnis gelangt, dass der emotionale Kern der ganzen Story erzählt ist: Es passierte eben nichts, was sein Leben weiter beeinflusst hätte

Das finde ich eine spannende Beobachtung. Mir geht es da vor allem um das zweite, was du geschrieben hast. Also, dass er über den Kuss und das Schlussmachen so hinweghuscht, als wäre das nicht erzählenswert. Eben weil diese Begegnung so wichtig sein soll.

Da drückt sich eine Distanz, eine biographische Einordnung aus: Der Rest kann nur schnell erzählt werden, weil Twiggy sein weiteres Leben nicht beeinflusste, neue Erfahrungen verdrängten die Aufmerksamkeit auf Twiggy. Hier könnte der Text länger werden, könnten weitere Szenen folgen.

Das Markierte habe ich überlesen oder falsch gelesen. Ich hab den Text woanders länger gemacht. Dein Vorschlag wäre aber eine Möglichkeit das ... noch weiterzuschreiben :naughty:

Dann schwimme ich für ein paar Minuten in ihren Gefühlen.
Hm hm, vielleicht auch hier wieder eine Reflexion einbauen? Findet Sesam nicht, dass das merkwürdig klingt?

Das ist nämlich auch eine von diesen Pathos-Stellen. Ich habe da nichts dran gemacht. Novak meinte, dass einiges jetzt besser in den Flow passt. Ich weiß es nicht. Hoffe, es ist so.

Ich glaube, Carlo, dein Text könnte länger sein. Es ist ein schöner Text, aber irgendwo sehe ich da einfach das "Mehr". Deinem Text hätte ich auch länger gefolgt, viel länger, im Sinne einer Reihe, mehr Inhalte, vielleicht sogar Perspektiven. Die Mixtur stimmt, mische neue Szenen!

Danke für 'schön' und ja, jetzt ist er länger. "Die Mixtur stimmt, mische neue Szene" hat mich sehr motiviert. Den markierten Satz habe ich auch überlesen oder nicht sofort ganz wahrgenommen. Das wäre auf jeden Fall sehr spannend. Dann wirds aber richtig kompliziert mit dem Erzähler ...

Lieben Gruß und mach was Vernünftiges mit diesem wunderbaren Freitag Abend!!
Carlo

 

Hallo @Carlo Zwei,
die Spannung zwischen Twiggy und deinem Prot kommt jetzt sehr viel besser zur Geltung für mich. Jetzt verstehe ich, dass und warum er unglücklich verliebt in sie war. Und je mehr er versucht hat, ihr zu gefallen, desto mehr hat sie ihn in der Hand gehabt. Schon am Anfang sagt sie ihm, wie er sich bei einem Date zu verhalten hat, und er will nichts falsch machen.
Schön finde ich auch die Idee, dass er bei ihr einzieht, die Eltern - die offenbar arbeitslos sind - das einfach so akzeptieren, und er immer mehr in diese Twiggy-Welt hineingezogen wird, die so ganz anders ist als sein eigenes Zuhause. Fasziniert von einem gänzlich anderen Umfeld kündigt er sogar seinen Job, ist ihr völlig ausgeliefert, und je mehr er das Rätsel lösen will, desto mehr verstrickt er sich. Zum Schluss liegt er sogar neben ihr wie "ein Stück Holz". Das waren sicher die längsten drei Nächte seines Lebens. :D
Ich fühle mich da teilweise in meine eigene Jugend zurückversetzt, erinnere mich gut an diese willenlose Hilflosigkeit und bedingungslose Abhängigkeit. Twiggy denkt sich wahrscheinlich gar nichts dabei, ich habe nicht den Eindruck, dass sie bewusst mit ihm spielt, aber sie drückt die richtigen Knöpfe, um ihn bei der Stange zu halten. Das gefällt mir sehr gut.

Den Anfang finde ich jetzt allerdings sehr schleppend. MMn schweigst du zu oft ab, gibst Informationen über Personen und Ereignisse, die die Story etwas schleppend in Gang bringen. Erst ab der Mitte geht's für mich so richtig los.
Ich hab mal ein paar Beispiele rausgesucht, und bisschen Lob ist auch dabei. ;)


Was aber mit Twiggy passiert ist, oder auch nicht, das habe ich in Notizbüchern aufgeschrieben. Alles, jedes Detail. Wo der Esstisch in der Küche der Eltern steht, aus welchem Material er ist. Der Sticker, der auf der Tür zum Badezimmer klebt. Ich habe so viele Fotos von Twiggy gemacht und auch heimlich von ihrem Zuhause. Mein ganzer Computer ist voll damit.
Schöne Beschreibung


Da saßen wir im Ethikraum, ich vorne und die Lehrer in einem Halbkreis um mich herum. Lieblose Plakate prangerten die Atomenergie und Feinde des Weltfriedens an. Das Tribunal erklärte mir, dass ich die Schule so nicht schaffen werde und ich erklärte ihnen trotzig, dass sie das schon sehen würden. Wenigstens ein paar von ihnen mochten mich.
Diesen Absatz würde ich in einem Satz zusammenfassen, bzw. nur schreiben, dass er ein Lehrerschreck ist. Mehr müsste ich persönlich jetzt nicht wissen.

Cole kam öfters in den Laden und zockte die Kids ab, ohne je einen Cent bei uns zu lassen. Ich meine, es wäre in Ordnung gewesen, wenn er ihnen bloß einen Birds of Paradise gegen einen Crosan Cloudscraper oder ähnliches abgeluchst hätte; aber dass er schon fast geschäftlich jeden Freitag und Samstag zum Abschöpfen der neuen Ernte anrückte, machte nicht nur Mo wütend. Mo hatte ihn schon zweimal rausgeschmissen.

»Wenn du nichts kaufen willst, geh bitte«, sagte ich. 

Sofort kam Cole an den Verkaufstresen. Er sah selbst aus wie eine Magic-Kreatur, wie ein Sengir Vampir; die Wangen eingefallen, die dunklen Haare lang und fettig und ein Teint, der nicht auf Sonne zu reagieren schien. Viele Leute hier verströmten eigenartige Körpergerüche. Cole roch nach Kaffee, den man über einer jahrealte Tageszeitung ausgegossen hatte. Er schaute mich an, rückte seine eckige Brille auf der spitzen Nase zurecht. Ich erwartete Schlimmes. Cole nahm einen roten Zwanzigerwürfel und ein Päckchen schwarze Sleeves aus der Auslage und legte sie mit einem zerknitterten Fünfeuroschein vor mich hin.

»Stimmt so
Das finde ich auch überflüssig.

Ich habe von Mo einiges gelernt, nicht nur über das Spiel, vor allem über Genauigkeit.

Auch den Satz braucht es für mich nicht.

Der Bezirk war etwas, dass ich noch heute als meine Heimat bezeichnen würde. Diese brütende Stimmung, die über allem lag. Etwas entwickelte sich hier, aber das kam nie zum Vorschein, und wenn ich ehrlich war, wusste ich, dass das bis in alle Zeiten so bleiben würde.
Schön!

Meine Eltern und mein Bruder machten eine Weltreise. Sie hatten ...
Die genaue Beschreibung der Weltreise lenkt mich auch nur vom Thema ab. Zumal das Thema später nochmal im Dialog aufgegriffen wird.

Philipp. Der hätte ihr Bruder sein können und ich hatte ihn oft mit ihr gesehen. Die Lehrer liebten ihn. Bei der Zeugnisvergabe hatte er eine Rede gehalten, was er jetzt machte, wusste ich nicht. Weil sich aber alles Intelligente und Schöne in dieser Welt zu paaren schien, wunderte es mich kaum, dass ich auch ihn interessant fand
Die Info braucht es für mich auch nicht.

Im Internet entdeckte ich ein Video über Lesley Lawson. Die echte Twiggy. Sie war die Ikone der Swinging Sixties. Wegen einer Frisur und einem Haufen Selbstbewusstsein. Ich fand es cool, sich so jemanden als Vorbild oder mehr noch zu nehmen. Wenn man sich nannte, wie eine Person, die es schon mal gegeben hatte, dann war das wie eine Art Versprechen, dass man etwas ähnliches hervorbringen würde, oder etwa nicht? Vielleicht konnte ich das noch herausfinden. Twiggy litt unter Magersucht. Zweiundvierzig Kilo. So viel wog Mos Frühstück vielleicht. Sie hatte ein paar schwere Jahre durchlebt und am Ende doch alles geschafft. Sie lebt, im Gegensatz zu Lou Reed und ein paar anderen. Ihre Beine waren so dünn wie Zweige. Also nannte sie sich Twiggy
Da würde mir auch ein Satz reichen.

es viel mir gar nicht ein, danach zu fragen.
fiel

Ich mag, dass du nicht auf die Ritzen trittst«, sagte sie
Schöne Beschreibung.

Du bist komisch.«
Das mag ich auch. Man spürt richtig, wie sie ihn immer wieder verunsichert.

krämpelte
krempelte

Ich hätte mich nicht sehr gewundert, wenn Rainer mit uns den Messwein getrunken hätte, aber dazu kam es nicht. Er erzählte uns, dass er Pfarrer in dieser Gemeinde sei und Organist. Es kämen kaum junge Leute her, das wundere ihn.
:lol:

Sowieso fühlten sich die letzten zwanzig Minuten wie das Planspiel unserer von Rainer nicht besiegelten unglücklichen Ehe an.
:lol:

Ich wollte sie in jeder Facette begreifen, es war wie eine Jagd nach Eindrücken; ich konnte gar nicht schnell genug sein, sie für die Zeit danach zu retten.
Gefällt mir sehr

Viele Grüße,
Chai

 
Zuletzt bearbeitet:

Rhododendren, mit H; es wachsen welche am Fuße von Bäumen, bedecken auch gern den Boden ganzer Wälder, es sind C4 Pflanzen, nehmen also das spärliche Streu-Licht unter Bäumen, der prallen Sonne ausgesetzt gehen sie ein. Ansonsten würde ich nichts streichen, das gehört zur epischen Breite die Abschweifung ist auch dafür da Erzählstränge miteinander zu verknüpfen. Kleiner Ansporn, auserzählt ergibt deine Novelle 300 Seiten. Grüße Gabriel Lustig ist die paradoxe Wendung in der Kritikvon Chai: "Du schweigst zu oft ab.

 
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Hey @Palina Blau

Danke für deine kurze Rückmeldung. Sowas hört man natürlich gern :)

Lieben Gruß
Carlo

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Liebe @Chai ,

hat mich sehr gefreut, dich unter meiner Geschichte zu lesen. :gelb:

eine neue Geschichte von dir - wie schön.

danke, dass du da so dran teilnimmst.

nicht jede Geschichte braucht einen spannenden Plot, es kann auch einfach nur ein Psychogramm sein. Aber auch beim zweiten Lesen komme ich nicht recht dahinter, was dein Prota eigentlich an Twiggy findet bzw. warum ausgerechnet sie sein Leben verändert hat.

Mittlerweile denke ich, dass die alte Version einfach verdammt komprimiert war wie einige Geschichten. Ich erinnere mich, dass du bei 'Goo' auch meintest: mach das länger. Hier ist es ja wahrscheinlich noch etwas anderes. Das steckte da einfach noch nicht drin.

Vielleicht hätte die Geschichte länger sein müssen, keine Ahnung.

Hehe. Das habe ich dann einfach mal ausprobiert. Der Tipp war auf jeden Fall gut, auch wenn nicht alle Probleme dadurch gelöst sind.

Ich stellte mir das Wasser bunt vor und den Himmel schwarz.
Schöne Beschreibung. Für mich ein Mensch, der zwischen den Extremen schwankt. Einerseits enorm glücksfähig und energiegeladen, andererseits kann sie der absoluten Finsternis, die dahinter lauert, nie entkommen. Klingt fast ein bisschen manisch-depressiv.

spannend. Wollte da eigentlich nur auf dieses Gefühl hinaus; dass das eben ein echter Gedanke ist, der auch eine bildliche Entsprechung hat, und nicht nur so rausformuliert ist. Aber es stimmt was du schreibst, es passt zu Twiggy oder zumindest zu dem Kontext, in dem die beiden sich begegnen.

Sie trug einen braunen Trenchcoat, wie ein Detektiv, und roten Lippenstift.
Da kriege ich sofort ein Bild.

hehe, das freut mich. Ich hab selber so einen Detektiv-Trenchcoat. Den hatte ich da im Kopf. Ich wollte, dass sie halt so einen Vintage-Look trägt, weil sie Stil, aber wenig Geld hat.

Insgesamt habe ich das gerne gelesen, weil du einfach gut schreibst, aber für mich bräuchte es etwas mehr Butter bei die Fische, wie man hier so schön sagt.

Danke für die Blumen, und die Butter bei die Fische habe ich ganz ähnlich gelesen wie Jimmys Anmerkungen.
Ein inspirierender Kommentar. Und dann noch so einer hinterher ... vielen, vielen Dank, Chai!

Die Spannung zwischen Twiggy und deinem Prot kommt jetzt sehr viel besser zur Geltung

Das hat mich natürlich sehr gefreut. Es hat mich auch darin bestätigt, dass ich die Dinge manchmal wirklich nur auswalzen muss; wenn ich solche Geschichten (also wie die kurze Twiggy-Geschichte) schreibe, dann habe ich ein sehr starkes Bedürfnis, Dinge so stehen zu lassen. Das ist anders als bei Sachen wie der Fußball- oder Friedhofsgeschichte. Durch deinen Nachtrag hab ich gemerkt, dass dieses Auserzählen aber auch – jedenfalls bei mir – zu einem zeitweiligen Aussetzen jeden Gefühls für Nötiges, Irrelevantes, aber auch für Richtiges, Platziertes führt. Das ist etwas schräg, aber vielleicht auch normal, wenn man so am Stück schreibt. Ich denke jetzt sogar, dass zum Beispiel der Anfang, der dir zu lang ist, in der nächsten Größenordnung wieder viel sinniger wäre, eben weil er diesen eigentlich leisen Konflikt bzw. die Konflikte, die miterzählt werden, vorbereitet. Vielleicht ist das einfach immer noch zu gestaucht. Vielleicht, vielleicht ...

Schon am Anfang sagt sie ihm, wie er sich bei einem Date zu verhalten hat

Sie verunsichert ihn. Aber daran ist sie nicht Schuld. Es ist keine Manipulation, höchstens unbewusst. Sie ist einfach überraschend (zumindest für Sesam), er hat sich auf ihr 'Spiel' eingelassen und das geht nach ihren Regeln.

die Eltern - die offenbar arbeitslos sind - das einfach so akzeptieren, und er immer mehr in diese Twiggy-Welt hineingezogen wird, die so ganz anders ist als sein eigenes Zuhause

Dieser Punkt ist wichtig; das hätte ich gerne noch stärker. Ja, er redet ja mit dem Vater teilweise mehr als mit ihr. Er findet dort ein anderes Zuhause. Andere Lebenskonzepte. Dass die das Konzept seiner Nepal-reisenden Familie in Frage stellen, würde ich gerne noch weiter beleuchten; aber im aktuellen Text wäre das auch viel zu gedehnt.

Fasziniert von einem gänzlich anderen Umfeld kündigt er sogar seinen Job

Das ist ja eigentlich auch nur angerissen. 'es gab ein trauriges Treffen. Er verstand nicht weshalb und ich konnte ihm nicht sagen wieso. Wir tranken Pepsi und aßen Pizza. »Ich will jetzt Bücher schreiben«, sagte ich.' Das könnten natürlich auch richtige Szenen sein, in denen man merkt, dass auch Mo so etwas wie ein Kumpel oder sogar eine Vater-Figur war und dass der natürlich auch enttäuscht ist und was das mit Sesam macht, und wie er ähnlich der Szene mit dem Pizzaboten trotzdem 'Arschloch'-mäßig handelt. Er trifft (kleine) Entscheidungen für sich, die ihn in Gewissenskonflikte bringen. Das ist natürlich Erwachsensein in Simulation. Würde ich gerne länger haben. Aber angelegt scheint es zu sein.

Das waren sicher die längsten drei Nächte seines Lebens.

Hier geht es mir fast genau so. Freue mich, dass du das rausschreibst und denke mir zugleich, dass das doch Szenen sind und das nicht in einem Satz abgehandelt werden muss. Klar, man muss nicht alles auserzählen, aber da steckt ganz ganz sicher noch mehr drin.

willenlose Hilflosigkeit und bedingungslose Abhängigkeit

das charakterisiert es für mich gut. Und irgendwie alles freiwillig. Kann man auch zu jemandem sagen, der Kette raucht, da ist es Sucht, klar; trotzdem glaube ich, dass ein Wollen immer mit drin steckt. Also jetzt keine Freudscher Todessehnsucht oder sowas :lol: aber ein gewisses Verlangen nach Gefahr und Erneuerung.

Twiggy denkt sich wahrscheinlich gar nichts dabei, ich habe nicht den Eindruck, dass sie bewusst mit ihm spielt, aber sie drückt die richtigen Knöpfe, um ihn bei der Stange zu halten

Ja, so sehe ich es auch. Twiggy ist nicht manipulativ. Sie behandelt ihn wie wahrscheinlich jeden anderen auch, den sie interessant findet. Letztlich geht er ihr auf die Nerven, weil er einfach mit der Situation nicht umgehen kann.

Den Anfang finde ich jetzt allerdings sehr schleppend. MMn schweigst du zu oft ab, gibst Informationen über Personen und Ereignisse, die die Story etwas schleppend in Gang bringen. Erst ab der Mitte geht's für mich so richtig los.

Hier gehts zur Sache. Ja, ich weiß, was du meinst. Ich glaube, dass ist der Indikator dafür, dass da was fehlt bzw. man das noch mehr auserzählen könnte. Es hat seine Vorteile, denke ich, so einen langen Einstieg zu haben, wenn er Dinge vorbereitet, und so sehe ich es hier teilweise auch (gehe auf die einzelnen Stellen ein). Ich hab ein paar Stellen gestrichen, einiges aber auch drin gelassen.

Da saßen wir im Ethikraum, ich vorne und die Lehrer in einem Halbkreis um mich herum. Lieblose Plakate prangerten die Atomenergie und Feinde des Weltfriedens an. Das Tribunal erklärte mir, dass ich die Schule so nicht schaffen werde und ich erklärte ihnen trotzig, dass sie das schon sehen würden. Wenigstens ein paar von ihnen mochten mich.
Diesen Absatz würde ich in einem Satz zusammenfassen, bzw. nur schreiben, dass er ein Lehrerschreck ist. Mehr müsste ich persönlich jetzt nicht wissen.

Das ist raus bzw. kurz

Cole kam öfters in den Laden und zockte die Kids ab, ohne je einen Cent bei uns zu lassen. Ich meine, es wäre in Ordnung gewesen, wenn er ihnen bloß einen Birds of Paradise gegen einen Crosan Cloudscraper oder ähnliches abgeluchst hätte; aber dass er schon fast geschäftlich jeden Freitag und Samstag zum Abschöpfen der neuen Ernte anrückte, machte nicht nur Mo wütend. Mo hatte ihn schon zweimal rausgeschmissen.

»Wenn du nichts kaufen willst, geh bitte«, sagte ich. 

Sofort kam Cole an den Verkaufstresen. Er sah selbst aus wie eine Magic-Kreatur, wie ein Sengir Vampir; die Wangen eingefallen, die dunklen Haare lang und fettig und ein Teint, der nicht auf Sonne zu reagieren schien. Viele Leute hier verströmten eigenartige Körpergerüche. Cole roch nach Kaffee, den man über einer jahrealte Tageszeitung ausgegossen hatte. Er schaute mich an, rückte seine eckige Brille auf der spitzen Nase zurecht. Ich erwartete Schlimmes. Cole nahm einen roten Zwanzigerwürfel und ein Päckchen schwarze Sleeves aus der Auslage und legte sie mit einem zerknitterten Fünfeuroschein vor mich hin.

»Stimmt so
Das finde ich auch überflüssig.

Das hab ich dringelassen. Ich weiß, was du meinst. Dieser Cole wird ziemlich genau beschrieben, kommt aber kein einziges Mal mehr vor (wäre natürlich auch etwas für eine noch längere Version :hmm:). Aber mir ist die Szene wichtig, weil sie zeigt, das Sesam sich gegen so jemand Unangenehmes durchsetzt und weil sie zeigt, wie seine Arbeit im Magic-Laden so aussieht, riecht etc. Reduziert ist das natürlich nicht, das stimmt. Das ist schon auch abschweifend. Aber es hat schon auch eine Funktion und darin finde ich es nicht verkehrt.

Ich habe von Mo einiges gelernt, nicht nur über das Spiel, vor allem über Genauigkeit.

Auch den Satz braucht es für mich nicht.

Das soll ein bisschen Motivation für das genaue Dokumentieren der Wohnung von Twiggys Eltern und von Twiggy leisten.

Meine Eltern und mein Bruder machten eine Weltreise. Sie hatten ...
Die genaue Beschreibung der Weltreise lenkt mich auch nur vom Thema ab. Zumal das Thema später nochmal im Dialog aufgegriffen wird.

Ich finde das schon was Wichtiges. Sie machen eine Weltreise und er fährt nicht mit; er ist ein Existentialist, zumindest so etwas in der Art. Das geht ihm am Hacken vorbei; Twiggy aber nicht. Die ist der Katalysator der wirklich etwas bei ihr auslöst.

Philipp. Der hätte ihr Bruder sein können und ich hatte ihn oft mit ihr gesehen. Die Lehrer liebten ihn. Bei der Zeugnisvergabe hatte er eine Rede gehalten, was er jetzt machte, wusste ich nicht. Weil sich aber alles Intelligente und Schöne in dieser Welt zu paaren schien, wunderte es mich kaum, dass ich auch ihn interessant fand
Die Info braucht es für mich auch nicht.

Ist raus. Danke!

Im Internet entdeckte ich ein Video über Lesley Lawson. Die echte Twiggy. Sie war die Ikone der Swinging Sixties. Wegen einer Frisur und einem Haufen Selbstbewusstsein. Ich fand es cool, sich so jemanden als Vorbild oder mehr noch zu nehmen. Wenn man sich nannte, wie eine Person, die es schon mal gegeben hatte, dann war das wie eine Art Versprechen, dass man etwas ähnliches hervorbringen würde, oder etwa nicht? Vielleicht konnte ich das noch herausfinden. Twiggy litt unter Magersucht. Zweiundvierzig Kilo. So viel wog Mos Frühstück vielleicht. Sie hatte ein paar schwere Jahre durchlebt und am Ende doch alles geschafft. Sie lebt, im Gegensatz zu Lou Reed und ein paar anderen. Ihre Beine waren so dünn wie Zweige. Also nannte sie sich Twiggy
Da würde mir auch ein Satz reichen.

Hier finde ich es wichtig, weil es diesem schweren Namen auch ein wenig Aufmerksamkeit schenkt. Das ist exkurshaft, das stimmt. Aber es bietet ja auch Interpretation zu Twiggys Charakter an. Und außerdem bedingt es den kleinen running Gag mit Mos Frühstück, der später nochmal kommt. Ich hasse es selbst, wenn Leute versuchen, witzig zu sein; aber wenn ich selbst gut darüber lachen kann, muss ich es zumindest versuchen, bis mir jemand arg auf die Finger schlägt.

es viel mir gar nicht ein, danach zu fragen.
fiel

ich schäme mich ... :lol: :heul:

Chai, sehr schön, dass du vorbeigeschaut hast. Ich freu mich auf die nächste von dir. Ohne Maske dann, denke ich mal. Hab einen ganz schönen Abend.
Carlo

 

Mir ist unter all den tollen Bobachtungen und pointierten Sätzen aufgefallen, dass es in einem der kursiven Texte Adjektiv-Redundanzen gibt. Wahrscheinlich gehört das absichtlich zum Nerd-Stil ich will es trotzdem benennen. mehrmals taucht "sparsam mit Überresten oder Fleisch auf" und die Wendung "Wenn er..." leitet in Folge Abschnitte ein. Ich kann mir auch nicht vorstellen was mit fleißig sein in dem Zusammenhang gemeint sein soll, fleißig etwas zusammenbasteln oder fleißig zaubern? schon etwas infantil, aber es dient ja der Figur. LG Gabriel

 
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It is the evening of the day
I sit and watch the children play
Doin' things I used to do
They think are new
I sit and watch
As tears go by“
Jagger – Richards,
interpretiert durch
M. Faithfull

Meine Heimat ist keinen Tag gealtert. Sie ist genauso, wie ich sie zurückgelassen habe. Langweilig und leicht zu vergessen.
...
Josh hat mir gezeigt, wie man in seinen Gefühlen schwimmt. Es ist einfach. Jeder kann es hinkriegen. Bei sich zu Hause. Alles, was man tun muss, ist, sich ein Handy zu besorgen und Kopfhörer.

Nee, nicht die Bohne braucht man (was sich natürlich nur ein ungehorsamer, unberechenbarer Konsument trauen darf), mein lieber Mann,

@Carlo Zwei -

ca. 31 Normseiten bedeuten Sitzfleisch und Geduld für wenigstens anderthalb Stunden und doch eher mehr (Querlesen, wie man es gelegentlich jenseits der schönen Literatur kann, rächt sich allemal) und der erste Eindruck ist das Spiel mit der Zeit, die ja allein durchs Gedächtnis in ein vorher und nachher, gestern und morgen bis vor-gestern und über-morgen usw. reicht (was in Schriftform gebunden sogar bis in schriftlose Zeiten zurückreichen kann), wenn ein älter gewordener „Sesam“ (an sich eine der ältesten Getreidearten) und Ali Babas „Sesam öffne dich“ ('s meint tatsächlich die Pflanze) sich einer „Twiggy“ erinnert, mit der er „an sich“

nichts mehr am Hut
hat und doch eigentlich haben muss, wenn eingestanden wird
Sie hat meinem Dasein eine Drehung verpasst.
Was mich natürlich dazu verführen muss – der Einschub sei mir erlaubt, weiter unten wird ja auf die „echte“ Twiggy eingegangen, die nie für den untergewichtigen Beatus infrage kam, denn was sollte ein lebendiges Skelett mit solch einem Hungerhaken anfangen - außer gemeinsam zu verhungern?

Und so geht nach dem „Vorwort“ die Erzählung mit einer Achterbahnfahrt aus der Gegenwart („erfahren habe“) direkt in die Vergangenheit („war … setzte … hörte“) zurück in die Gegenwart, und es passt, denn Icherzähler und Album sind einstweilen so gegenwärtig wie es nur geht und selbst der Konjunktiv, der jenseits aller Zeitenfolge steht, gelingt

Sie meinte, wenn sie dabei die Augen schloss und an Josh dachte, in den sie immer noch verliebt war, dann – und sie wählte genau diese Worte – fühlte es sich an, als würde sie in ihren eigenen Gefühlen schwimmen.
wobei ich nicht weiß, ob Twiggy weiß, dass der Konjunktiv eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischen 0 (Irrealität / Unwahrh[aftigk]eit) und 1 (Realität, Wahrheit) liegt, wobei sich die „würde-“Konstruktion im modernen Denglishwahn dem engl. „would“ nachgebildet wirkt, wiewohl „would“ mehr umfasst als ein nhd. „würde“, das immer nur den Konj. II des Hilfsverbs „werden“ bleibt (selbst in seiner grundgesetzlichen Substantivierung). Denn „would“ als „wollte“ sie in ihren eigenen Gefühlen schwimmen öffnet sich als Möglichkeit, die im vorangestellten Zitat allemal mitschwingt.

Hier zB geraten nun m. E. Kon. II (ob als Futur-Ersatz oder nicht, Jacke wie Hose) und I in Konflikt

Das erste, was Mo mir erklärt hatte, war, dass es Coca Cola bei ihm nicht geben würde, ich aber gerne von seiner großen Flasche trinken dürfe.

Es war die Vermutung, dass alles, was ich hier erlebte[,] keine Relevanz für mich oder irgendwen anders hatte.

Ein paar Lehrer mochten mich. Wenn ich Glück hatte, gestanden sie mir etwas Geniales zu. Leute verzeihen einem so einiges zu, wenn sie einen für genial halten.
Da scheinen zwo Formulierungen miteinander gestritten zu haben und die unterliegende (vllt. ein trauen?) hinterlässt eine winzige Spur


Ich lehnte es ab, mitzukommen.
Komma weg wegen des (kompl.) Prädikats "mitkommen ablehnen"

Vielleicht, weil ich sie nett fand oder weil ich das Gefühl hatte, …, und ich mich fragte, warum ich die letzten Jahre meines Lebens mit Magic-Karten und Hotdogs verschwendet hatte und nicht mit jemandem wie ihr.
Besser m. E.: mit jemandem wie „sie“

»Wir gehen doch erstmal zur Schule«, erklärte Twiggy.
„erst mal“, weil ein verkürztes „erst einmal“

Ich bekam das Gefühl[,] mit einem Kind oder einer Irren zu sprechen; ...

»Sesam. Es ist gibt nichts Unromantischeres als eine schlechte Verfilmung von Alice im Wunderland.
S. Gedankenwettstreit, nur dass hier jedes für sich ginge ...

Ich glaube[,] wir mochten uns, bei ihm kaufte ich Zigaretten oder Pepsi für Mo, …
Es tat mir körperlich weh, dass unser Date zuende sein sollte.
„zu Ende“

Ich spürte, dass ich sie trotz Hunger und allem wiedergewann.
Bistu „süddeutsch“?, aber setzt sich halt durch „trotz + Dativ“

Sie steigt dir in den Kopf, wo sie etwas Altes verb[r]ennt.

Hier
Ich legte eine Platte von den Rolling Stones auf und schlug Armdrücken vor.
will ich nun einen Tipp abgeben, sollte Satisfaction gemeint sein, weil alle Welt es anders interpretiert, als es gedacht ist und als Hilfestellung geb ich den Hinweis, die beste Coverversion von Dylans „Like a Rolling Stone“ kommt aus Amsterdam – gespielt von den Stones … (weiß nicht, ob's davon Ausschnitte gibt im Netz

Twiggy meinte, dass es spät sei und sie morgen mit einer Freundin im Museum verabredet.
Absicht oder ist das klammernde „sei“ verrutscht?

Hier

Er verstand nicht[,] weshalb[,] und ich konnte ihm nicht sagen[,] wieso.
Weil die Interrogativpronomen elliptisch daherkommen stellvertretend für vollständige Fragen

Die Zigaretten, die ich von da an mit ihm rauchte, wenn wir über meine Texte sprachen, schmeckten erdig und gaben mir das Gefühl[,] erwachsen zu sein und an einem Ort, an den ich wirklich gehörte.

Es war ein Startschuss; jemand hatte mich durch Zufall dazu gebracht, etwas zu wollen[,] und jetzt wollte ich es mit allen Mitteln.
Das „und“ verbindet zwo gleichrangige Satzteile des Hauptsatzes „jemand hatte mich …, der Infinitivsatz ist zu Ende

Es war Twiggys Geruch, der multiplizierte sich in mir zu schrägen Gefühlen, die mir Angst machten; vor mir selbst und davor[,] Twiggy zu verlieren.

Hier Verwechselung von Verb und superlatiefem Adjektiv
Ich wartete auf etwas Großes; es musste immer größer sein als am Vortag. Twiggy war der spannen[d]ste Film.

Als es losging[,] setzte ich den Stift nicht mehr ab.
„als“ leitet einen vollständigen Satz ein!

Oh man, jetzt kommt die Geschichte von meinem Klassen-, Deutsch- und Geschichtslehrer und dem Mond und dem geliehenen Licht – aber nur ganz kurz:

Ich malte große Bilder; sie schien auch wirklich beeindruckt davon, aber es reichte mir nicht.
Sie „erscheint“ beeindruckt oder sie scheint (modal) beeindruckt zu sein

Der Rest erzählt sich schnell. Klar zog ich ein drittes Mal bei Twiggy ein und von Paul und anderen Freunden hörte ich erst[...]mal nichts.
S. o., eigentlich ein verkürzte erst einmal (natürlich ist die Duden-Redaktion inkonsequent, denn „sowas“ ist ja auch eigentlich ein verkürztes „so etwas“)

Jede Geste, jede Bewegung im Dunkeln ließ mich auf mehr hoffen und wurde nie erfüllt. Wenn sie wirklich ein Film war, dann musste es eine Auflösung geben. Aber erst zum Schluss; so lange hatte ich Zeit, die Sache zu dokumentieren.
Schöner Schlusssatz - wie für mich geschaffen ...

Gern gelesen und erlitten vom

Freatle,

der noch mit Gottfried Keller schließen will

"Die Zeit geht nicht, sie stehet still, / Wir ziehen durch sie hin; / Sie ist die Karawanserei, / Wir sind die Pilger drin.

Ein Etwas, form- und farbenlos, / Das nur Gestalt gewinnt, / Wo ihr drin auf und nieder taucht, /
Bis wieder ihr zerrinnt.

Es blitzt ein Tropfen Morgentau / Im Strahl des Sonnenlichts; / Ein Tag kann eine Perle sein /
Und ein Jahrhundert nichts.

Es ist ein weisses Pergament / Die Zeit, und jeder schreibt / Mit seinem roten Blut darauf, /
Bis ihn der Strom vertreibt.

An dich, du wunderbare Welt, / Du Schönheit ohne End', / Auch ich schreib' meinen Liebesbrief /
Auf dieses Pergament.

Froh bin ich, dass ich aufgeblüht / In deinem runden Kranz; / Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht /
Und lobe deinen Glanz."

 

Hi Carlo!

Was den Bann deiner Geschichte - zumindest für mich - ausmacht und mir wirklich sehr gut gefällt, ist Twiggy. Ihre Charakterisierung ist dir großartig gelungen - ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, viele (sensible?) junge Männer kannten einmal ein Mädchen vom Schlag Twiggy, sind ihr verfallen und bekamen das Herz gebrochen.

Kritik:

1. Anfang
Ich bin kein Fan des aktuellen Einstiegs. Hier meine Mitschriften dazu:

Fünf Jahre ist das her und mit Twiggy habe ich nichts mehr am Hut. Das ist aber auch nicht entscheidend. Sie hat meinem Dasein eine Drehung verpasst. Ja, so ist das. Ich schätze, allzu oft passieren solche Dinge nicht. Man muss diese Momente festhalten und an sich drücken und darf sie niemals vergessen. Für andere sind es Kleinigkeiten, aber für einen selbst bedeuten sie einfach alles. Okay, worum geht es hier eigentlich?
Ich hab schon gesehen, es gibt Leute für und wider dieses Einstiegs. Ich zähle mich zu Zweiteren. Ich hab einige Probleme mit dem Absatz, allen voran hiermit:
Das ist aber auch nicht entscheidend.
Ich finde, das nimmt dem Text ein wenig Wind aus den Segeln. Wenn es nicht entscheidend ist, dass er Twiggy nicht mehr kennt, weswegen sollte den Leser die Story um Twiggy catchen? Ich weiß natürlich, wie du das meinst, aber es nimmt dem Text doch unnötig den Wind aus den Segeln. Würde ich kürzen!
Ja, so ist das.
Würde ich streichen - für mich nur Füllmaterial, das beim Lesefluss stört. Wer spricht auch so: Ja, so ist das? Das klingt nach Schriftsprache, will aber oral klingen. Nee, gefällt mir nicht so gut
Man muss diese Momente festhalten und an sich drücken und darf sie niemals vergessen. Für andere sind es Kleinigkeiten, aber für einen selbst bedeuten sie einfach alles.
Nimm es mir nicht übel, ich meine es rein textorientiert, aber für mich sind das Binsenweisheiten - in der Hinsicht darauf, dass es im Text nicht originell klingt, sondern abgegriffen
Okay, worum geht es hier eigentlich?
Das ist für mich aus einem sprachlichen Guss wie Ja, so ist das. Ich finde, wenn ein Text oral klingen möchte, muss die Sprache an sich originell sein, zumindest aber so geschliffen, dass keine - oder nur wenige, wenn kein stilistischer Wert - Lückenfüller vorhanden sind. Was würde dem Text fehlen, wenn du den Satz kürzt?

Vorschlag:

Fünf Jahre ist das her und mit Twiggy habe ich nichts mehr am Hut. Sie hat meinem Dasein eine Drehung verpasst. Ich schätze, allzu oft passieren solche Dinge nicht.


*

Ich würde viel später in die Geschichte einsteigen. (Habe die Version der Story von Donnerstag Abend gelesen.) Und zwar hier:

An jenem Tag, als Twiggy in mein Leben trat, hatte ich Probleme mit einem Typen, der sich Cole nannte.

Was würdest du vermissen?

Dass dein Prot in einem Magic Laden arbeitet, die Lehrer ihn für einen Chaoten halten ... das ist mir zu viel Vorgeplänkel und es tut zur eigentlichen Geschichte wenig Kohärentes beitragen, finde ich. Und vieles, was du hier charakterisierst und im Tell-Modus erklärst, bekommt man ohnehin im nachfolgenden Text mit. Just my opinion.


2. Titel

Twiggy und der alte Sesam

Ich würde es nur Twiggy nennen. Der alte Sesam? Er ist doch ziemlich jung. Das klingt entweder nach einem schlechten Witz oder will darauf Bezug nehmen, dass der Erzähler nun älter ist, aber dabei klingt es wieder wie ersteres, weil man den Text noch nicht im Detail kennt, um das verstehen zu können. und der alte Sesam finde ich ein wenig zu viel Anhang, nur Twiggy fände ich echt sexy


Mitgeschriebenes:

ich vorne und die Lerer in einem Halbkreis um mich herum.
Lehrer?

Wenn ich Glück hatte, gestanden sie mir etwas Geniales zu. Leute verzeihen einem so einiges, wenn sie einen für genial halten.
Ook. Auf den ersten Eindruck hatte ich kurz Antipathie, weil das ein wenig selbstgefällig klingt. Ich glaube, ich hätte es gut gefunden, wenn du das mir als Leser gezeigt hättest; hier ist das eine Behauptung, die ich als Leser glauben kann oder nicht; wenn du das szenisch umgesetzt hättest, wie der Prot meinetwegen auf der Schulbank pennt, die Lehrerin rollt genervt die Augen, ruft ihn auf und fragt ihn nach der Lösung auf der Tafel und er sagt dann etwas Geniales, Entlarvendes, alle lachen, dann hätte ich das als Leser selbst herausfinden dürfen und würde ihn gleich sympathisch und womöglich bewundernswert finden; nur meine Gedanken hier gerade

Lehrer und Erwachsene hielten mich für einen Chaoten. Ich kam zu spät zum Unterricht oder gar nicht. Es gab sogar eine Lehrerkonferenz meinetwegen. Da saßen wir im Ethikraum, ich vorne und die Lerer in einem Halbkreis um mich herum. Lieblose Plakate prangerten die Atomenergie und Feinde des Weltfriedens an. Das Tribunal erklärte mir, dass ich die Schule so nicht schaffen werde und ich erklärte ihnen trotzig, dass sie das schon sehen würden.
Das Abi war durch und endlich hatte ich Zeit für was auch immer.
Ich frage mich gerade, weswegen es diese Substory braucht? Auch diesen Zeitsprung. Gerade sagen die Lehrer ihm noch, er schafft die Schule nicht, einen Absatz weiter hat er mir nichts dir nichts das Abi geschafft. Braucht das der Text? Eines der beiden könntest du streichen, nur eine Anregung

Meistens bedeutete das im Magic-Laden zu arbeiten. Gelegentlich sortierte ich Commons und Uncommons nach Farben. Moritz, der Chef von The Ultimate Shop hatte mir einen Job gegeben.
We know that

nicht eben schlecht darin zu sein.
Ich war nicht eben hässlich
Ich verstehe dieses "eben" nicht - ist das irgendeine Art Dialekt oder so?


An jenem Tag, als Twiggy in mein Leben trat, hatte ich Probleme mit einem Typen, der sich Cole nannte.
Starte hier die komplette Story! Würde etwas fehlen? Käme viel schlanker und kecker daher; meine Meinung. Ab hier bekommt die Story richtig Lauf

Für mich war Twiggy bis dahin das Mädchen[,] mit den verrückten Klamotten.

Hermann Hesses Steppenwolf und Haruki Murakamis Wilde Schafsjagd waren ihre Lieblingsbücher.
Bestes Mädchen.

Allgemein hat Twiggy für mich etwas wie ein Mädchen aus einem Murakami-Roman.

Ich blätterte durch die anderen Seiten. Philipp. Der hätte ihr Bruder sein können und war meist mit ihr zu sehen. Die Lehrer liebten ihn. Bei der Zeugnisvergabe hatte er eine Rede gehalten, was er jetzt machte, wusste ich nicht. Weil sich aber alles Intelligente und Schöne in dieser Welt zu paaren schien, wunderte es mich kaum, dass ich auch ihn interessant fand. 

Das ist eine Randfigur, die eingeführt und beschrieben wird, aber die nichts zur Handlung o.ä. beiträgt. Könnte man überlegen, zu kicken

Abends war die Zeit, in der ich mich allein fühlte. Egal ob meine Eltern da waren oder nicht. Ich hatte es so entschieden. Es gab keine Freunde, selbst meinen Bruder mochte ich nicht wirklich, dabei sagt man anderes über Zwillinge. Nein, die Abende waren mir wirklich verhasst.
Die Abende sind ihm verhasst, aber er hat es selbst entschieden, dass er sie so verbringen will. Hä? Ersten unterstrichenen Satz würde ich streichen, sonst wirkt es widersprüchlich, meiner Meinung nach

Das alles machte mich nervös. Vielleicht, weil ich sie nett fand oder weil ich das Gefühl hatte, dass wir uns bereits lange kannten, und ich mich fragte, warum ich die letzten Jahre meines Lebens mit Magic-Karten und Hotdogs verschwendet hatte und nicht mit jemandem wie ihr. Das klingt alles merkwürdig. Ich hatte sie ja gerade erst getroffen. Genau das aber verstärkte mein Gefühl. Wie konnte mich jemand, ohne etwas Besonderes gesagt oder gemacht zu haben, derart in Frage stellen, mich so klein und gleichzeitig groß fühlen lassen? Vielleicht lag es an mir und ich war in diesem Moment eben bereit für Veränderungen. Nur wieso wusste ich nicht.
Das klingt sehr authentisch! Und damit meine ich, dass ich dir das abkaufe und fühle

»Ich mag, dass du nicht auf die Ritzen trittst«, sagte sie.
»Danke.«
haha

»Wir könnten so tun, als wäre das ein Date«, sagte sie.
Sie hat echt etwas sehr Kindliches. Sie kommt mir höchstens vor wie vierzehn

Sie erklärte mir alle Regeln genau, als würde es sie nicht verwundern, dass ich fragte.
Könntest du streichen. Genau das tut sie doch im Folgenden. Redundant

Twiggy krämpelte den Ärmel ihres Trenchcoats hoch. Da sah ich die Spuren der Rasierklingen das erste Mal.
»Das ist aus meiner Emo-Phase«, sagte sie. »Ich hab damals nur schwarzen Nagellack getragen, schwarzen Lippenstift und natürlich schwarze Klamotten.«
Es ist so ärgerlich, dass du das Feuer für diese Szene bereits am Anfang verschossen hast. Genau das hast du mir schon am Anfang gezeigt, im Tell-Modus, jetzt kann ich hier nicht mehr überrascht sein, wo du das so schön szenisch mir aufbereitest. Schade!

Ich glaube, dass ich da bereits spürte, wie jedes Geheimnis, dadurch dass man es verrät, an Kraft und Magie einbüßt.
JA!

Den zweiten Hauptgewinn habe ich auch schon verraten. Ein einziges Mal habe ich jemandem die Geschichte von Twiggy erzählt, und zwar meinem Bruder. Als ich dazu kam, wie Twiggy auf ihren Dielen saß und Animal Collective hörte, fragte er nach, er wollte alles darüber wissen.
Wobei ich das hier mag und es mich nicht stört, es bereits zu wissen, denn es hat nichts mit der Charakterisierung/Enthüllung Twiggys Charakter zu tun

Ich glaube, dass ich das erste Mädchen war, mit dem er jemals was hatte. Josh war so schüchtern. Wir saßen uns gegenüber, in der Wohnung seiner Eltern in Peterborough, auf dem Boden in seinem Zimmer, in dem eine Rakete hing, auf der ein Plastiksoldat stand oder geklebt war. Hätte ich Cedric und Josh nicht gehabt. In Peterborough gibt es ein Schiffshebewerk. Von Grill hatten sie Gras und Pilze. Cedric und seine Schwester haben nur kanadischen Goa gehört und Joshs Lieblingsband war Animal Collective. Seinen Eltern war sowieso alles egal. Das war mein Glück, sonst hätte ich sicher nicht jeden Tag bei ihm sein können. Heute hausen sie wie Junkies in der Wohnung von Cedrics Oma. Manchmal sehe ich ein Bild auf Facebook, auf dem Josh einen Hund in die Kamera hält. Er sitzt auf einem schimmligen Sofa in einer ausgeräumten Wohnung. Ich glaube, sie haben das falsche Zeug genommen.
Das ist richtig, richtig gut. Authentisch, originell. Woher kommt das? Super.

Es war nicht meins und außerdem war es ein Fehler, es Björn zu geben. Mir ist klar, dass er Probleme hat.
Das klingt aber sehr nach Moralin

»Ich könnte aber irgendwo etwas besorgen«, sagte ich.
Ach, Junge!!

»Es läuft ungefähr so. Du sammelst Karten und dann triffst du dich mit anderen und trittst gegen sie an. Aber es sind die Karten. Sie sehen einfach schön aus.«
Mir kommen beide Figuren sehr jung vor. Ich meine, er ist achtzehn/neunzehn und versucht gerade ein Mädchen mit Magic-Karten zu beeindrucken

»Ich kann sie ja einfach löschen.«
»Ja«, sagte ich.
Oh Mann
Ich möchte deinen Helden backpfeifen

Twiggy wäre nicht Twiggy gewesen, wenn sie mich einfach so hätte gehen lassen. Schnell wurde klar, dass wir noch in die Kirche mussten und damit unser zweites Date begann.
Schön!


Insgesamt hab ich die Geschichte echt gerne gelesen. Wie gesagt, Twiggy gefällt mir, sie ist der Star der Story. Deinen Erzähler fand ich hin und wieder etwas "ausschweifend" erzählend, gerade der Anfang bis zu besagter Stelle kam mir etwas drangepappt vor.
Wenn du noch etwas schrauben möchtest, könntest du hier in Mikro- wie Makroebene schauen, ob du dich noch von Textteilen trennen kannst, die eigentlich nichts zur Handlung sowie Charakterisierung beitragen, auch z.B. Figuren, die auftauchen und wieder verschwinden, ohne etwas zur Story beizutragen (Cole, Lehrer, Phillipp(?)). Ist aber mehr Denkanstoß als Aufforderung.
Gut hätte ich es gefunden, wenn einige Behauptungen deines Erzählers noch mehr szenisch gezeigt worden wären, beispielsweise wenn dein Prot Dinge über sich behauptet; Beispiele dazu sind in meinen Mitschriften.

Aber du erzählst hier etwas Authentisches, etwas, wo dein Herz dranhängt, was dich selbst berührt, und das merkt man beim Lesen einfach, das kommt an bei mir und schafft es, mich wirklich zu berühren. Das ist sehr schön. Stark finde ich, dass man die Veränderung des Prots am Ende wirklich spürt. Er ist ein anderer geworden durch Twiggy.
An vielen Stellen wollte ich deinen Prot auch einfach an den Schultern packen und ihn schütteln. Ich muss sagen, das war sicherlich nicht deine Absicht und das stellt auch keine Textkritik dar, aber ich finde es schon deprimierend, wie alleine gelassen dein für viele junge Männer stellvertretend stehender Held in den Seilen hängt. Da kommt kein erfahrenerer Mann, der ihm mal sagt, so und so musst du mit Frauen umgehen, wenn sie das macht, mach das, oder: Du manövrierst dich hier in ganz schön große Scheiße, dich so zu verlieben, wenn sie von anderen Typen spricht und ihr euch wochenlang nicht küsst.
Finde ich gut, dass du deine Storys auf immer größerem Terrain anlegst und auserzählst. Weiter so.

Beste Grüße!
zigga

 

Servus Carlo,

kurz: Ich finde es so viel eingängiger, besser. Allerdings hat mir der Einstieg der Version, die gestern noch online war, besser gefallen, weil er einem/mir noch kurz Zeit gibt am Anfang, deinen Prot kennenzulernen, das war schön szenisch gezeigt, was er mit seinen Händen tut und denkt.

Aber insgesamt wirkt es entschlakt, meiner Meinung nach.

Grüße

 

Liebe @Novak,

tausend Dank, dass du nochmal vorbeigeschaut hast. Ordentlicher Brocken. Da war ich froh, dass du es gemocht hast. Jetzt bin ich erstmal abgetaucht. Zuerst dachte ich, dass ich schnell wiederkomme, dann bin ich doch etwas geblieben. Nach Ziggas Kommentar habe ich Dinge umgestellt; das ging dann aber (passiert mir nicht zum ersten Mal) in die Richtung, dass ich alles runtergekürzt hab, dass von der Blume nur noch der Stil übrig geblieben ist... Jetzt habe ich es auf die nach-Zigga-Version (veränderter Einstieg) zurückgesetzt.
Wie auch immer. Freut mich, dass du die Figuren besser greifen konntest. Habe von außerhalb so unterschiedliches Feedback zu dem Text bekommen, dass ich etwas unsicher bin. Aber mir gefällt das und ich freu mich, gerade dich damit abzuholen; danke dir, Novak!

Carlo


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@Bas ! quiat. (fällt mir gerade und nach tausendmal Profilbild anschauen auf. Übrigens ein Lieblingskünstler; mochte auch den Film von Julian Schnabel, obwohl der bei mir so eine Art Immunität genießt. Alles gut auf seine Weise.)

Weil es genau das ist, was ich mir immer erhoffe, wenn ich ein Buch beginne, einfach reingezogen zu werden, nicht dieses oder jenes zu hinterfragen, warum schreibt die oder der so und nicht anders …

oh Mann, was für ein Lob. Vielen, vielen Dank. Dann bist du jetzt meine Zielgruppe :D

Ich hatte den Eindruck, dass du nicht zu viel willst und genau dadurch 'ne ganze Menge erreicht hast. Keine Ahnung. Einfach gut und fertig.

oh Mann, dass hat mir einen richtigen Euphorie-Kick gegeben, das zu lesen. Zwischenzeitlich habe ich aus anderen Kreisen auch andere Kommentare bekommen – es fehlt das Besondere (das Unerhörte, wenn es eine Novelle sein soll). Der Twist würde fehlen. Auch das Infos überflüssig sind (Reise der Eltern, Arbeit im Magic-Laden). Zu wenig Konflikt/Probleme. Alles läuft zu glatt. Im Prinzip: Das Erzählenswerte.
Das ist ja immer das verrückte. Für die einen ist es wohldosiert, für die anderen fehlt was. Aber ich zweifle, weiß nicht, ob ich es mir so einfach machen kann und das ignorieren. Jeeeeedenfalls: Danke für diese Balsam-Worte.


O mein Gott. Für jedes Komma ein Liegestütz.

Portmonee
Ich weiß, das darf man, aber denk doch noch mal drüber nach, bitte. Portmonee … Portemonnaie … Komm schon, was ist schöner?

Hast schon recht, aber es ist zu klein, finde ich. Es fühlt sich nicht genug nach Unterschied an.

»Entweder wir bezahlen die Hälfte oder du nimmst die Pizzen wieder mit«, sagte ich.
Und so geschah es.
Wie geschah es? Hier gibt es ja zwei Möglichkeiten. Im nächsten Satz wird es ja klar und vielleicht ist mein Hirn auch nur verknotet, aber ich finde, das wird hier nicht ganz ersichtlich.

Hah, erwischt. Ich habe es dann so gelassen, weil es ja aufgelöst wird und man so beim Lesen eben kurz in der Schwebe ist. Ist zwar nicht super sauber, aber ich denke, es funktioniert schon.

Wenn man etwas mit Feuer ablöscht, dann wächst die Flamme. Sie steigt dir in den Kopf, wo sie etwas Altes verbennt. Du spürst, dass es sich noch einmal aufbäumt, aber du bist derjenige mit dem Feuer. Du dachtest, es wäre stärker, aber jetzt machst du es zu Asche. Du verbrennst alles und hinterlässt nichts als verkohlte Erinnerungen. Gewöhnlich hält das ein paar Stunden.
Ja, okay, hier hat es mich dann doch mal kurz rausgerissen, da weiß ich nicht so recht, ob ich das gebraucht hätte. Wohl eher nicht. Als wäre der Sesam plötzlich zu einem Zenmeister mutiert. Aber wahrscheinlich spricht da nur der Wodka aus ihm.

haha. Hat mich überredet, das zu löschen. Danke dir!

Es war Winter geworden und James, das Hauskaninchen, war an einem Virus über Nacht gestorben.
Was hältst du von: Es war Winter geworden und James, das Hauskaninchen, war über Nacht an einem Virus gestorben.

Ich weiß, was du meinst. Aber mir gefällt das mit dem Rhythmus eigentlich gut. Also ich denke, man könnte beides machen.

Uff, meine Augen brennen. Schick mir deinen nächsten Text doch bitte per Post zu. Oder, noch besser, veröffentlich einen Kurzgeschichtenband. Oder einen Roman. Danke.

:lol: Danke dir! Mach ich :p

Liebe Grüße
Carlo

 

@Gabriel 44

Lieber Gabriel,

danke, dass du hier mal wieder vorbeischaust.

Rhododendren, mit H

ist (war) ausgebessert. Habe zwischendurch einige Teile rausgeschmissen; auch das mit den Eltern, dem Urlaub. Jetzt sind da auch ein zwei Unstimmigkeiten im Text, weil Dinge (Tibet) erwähnt werden, wo der Part, in dem das erwähnt wird, nicht mehr da ist. Vielleicht nehme ich es wieder rein. Dann auf jeden Fall mit H.

Kleiner Ansporn, auserzählt ergibt deine Novelle 300 Seiten

Das motiviert mich wirklich. Vielleicht mach ich das wirklich. Mir fällt auf jeden Fall viel dazu ein. Es bahnt sich jetzt auf jeden Fall was an. Sehr viele Erzählungen hab ich auf jeden Fall schon beisammen und immer wieder sprießen da so längere Geschichten auf.

Chai: "Du schweigst zu oft ab."

hehe, ja, das war cool.

Adjektiv-Redundanzen gibt. Wahrscheinlich gehört das absichtlich zum Nerd-Stil ich will es trotzdem benennen. mehrmals taucht "sparsam mit Überresten oder Fleisch auf" und die Wendung "Wenn er..." leitet in Folge Abschnitte ein. Ich kann mir auch nicht vorstellen was mit fleißig sein in dem Zusammenhang gemeint sein soll, fleißig etwas zusammenbasteln oder fleißig zaubern? schon etwas infantil, aber es dient ja der Figur.

Ja, es soll schon in nem 'Kontrast' zum übrigen Text stehen und als sein Sprech identifizierbar sein.

Danke für deinen Besuch. Gibt auf jeden Fall noch eine Überarbeitung. Manchmal bin ich mir unsicher, ob dieser Weg, einfach drauflosschreiben, nicht zu einfach ist. Ich schreibe es so raus und am Ende, liest es sich ganz gut. Bei anderen Texten arbeite ich aber viel akribischer; heißt nicht, dass das Ergebnis besser ist; manchmal habe ich aber schon den Eindruck; und es wäre auch logisch. Es wäre halt schon arg, man zeigt einem Lektor so einen 300 Seiten-Klopper und der sagt dann: Streich mal 80 Prozent davon und dann schreib noch zwanzig weitere Erzählungen und komm wieder. Klar, kommt darauf an, wer es liest; aber ich hab manchmal schon so die Furcht davor, jemanden mit der Taktik vollzutexten. Vielleicht hab ich deshalb noch nichts in der Größenordnung geschrieben :D

Bis dann, Gabriel! Und Danke!

 

It is the evening of the day
I sit and watch the children play
Doin' things I used to do
They think are new
I sit and watch
As tears go by“
Jagger – Richards,
interpretiert durch
M. Faithfull

Sehr sehr schön! Der war nicht gemeint, aber passt natürlich gut.

Nee, nicht die Bohne braucht man (was sich natürlich nur ein ungehorsamer, unberechenbarer Konsument trauen darf), mein lieber Mann,

Klar, das ist natürlich auch eine zweifelhafte Behauptung des Textes :D

ca. 31 Normseiten bedeuten Sitzfleisch und Geduld für wenigstens anderthalb Stunden und doch eher mehr (Querlesen, wie man es gelegentlich jenseits der schönen Literatur kann, rächt sich allemal)

Danke, Freatle. Ich weiß und sehe an der Kommentar-Zahl, du bist trainiert; nichtsdest.. hast du dich auf die Sitzung eingelassen. Und nicht Quergelesen. Ich hätte es dir verziehen. Ich lese quer, wenn ich das Gefühl habe, ein Teil erstreckt sich so lang, dass meine Augen dick (fettleibig) werden von der Langsamkeit. Aber Gutes ist ja auch oft Kraftsport.

der erste Eindruck ist das Spiel mit der Zeit, die ja allein durchs Gedächtnis in ein vorher und nachher, gestern und morgen bis vor-gestern und über-morgen usw. reicht

Das ist natürlich der große Vorteil langer Prosa. Wenn man es liest, ist die Verbindung fast immer da. Es ist lang und man erlebt es. Aber ja, ich habe da auch das ein oder andere gestaltet.

wenn ein älter gewordener „Sesam“ ... sich einer „Twiggy“ erinnert, mit der er „an sich“
nichts mehr am Hut
hat und doch eigentlich haben muss

Das finde ich einen spannenden Punkt. Könnte man eigentlich auch stärker machen. Muss bei diesem Twist immer an Je ne t'aime plus von Manu Chao denken ("Je ne t'aime plus, mon amour
Je ne t'aime plus, tous les jours").

was sollte ein lebendiges Skelett mit solch einem Hungerhaken anfangen - außer gemeinsam zu verhungern?

:lol: Warum nicht?

Und so geht nach dem „Vorwort“ die Erzählung mit einer Achterbahnfahrt aus der Gegenwart („erfahren habe“) direkt in die Vergangenheit („war … setzte … hörte“) zurück in die Gegenwart, und es passt, denn Icherzähler und Album sind einstweilen so gegenwärtig wie es nur geht und selbst der Konjunktiv, der jenseits aller Zeitenfolge steht, gelingt

Freut mich, dass es dir damit so Rummel-mäßig erging :) und "selbst der Konjunktiv"!

wobei ich nicht weiß, ob Twiggy weiß, dass der Konjunktiv eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung zwischen 0 (Irrealität / Unwahrh[aftigk]eit) und 1 (Realität, Wahrheit) liegt, wobei sich die „würde-“Konstruktion im modernen Denglishwahn dem engl. „would“ nachgebildet wirkt, wiewohl „would“ mehr umfasst als ein nhd. „würde“, das immer nur den Konj. II des Hilfsverbs „werden“ bleibt (selbst in seiner grundgesetzlichen Substantivierung). Denn „would“ als „wollte“ sie in ihren eigenen Gefühlen schwimmen öffnet sich als Möglichkeit, die im vorangestellten Zitat allemal mitschwingt.

hmm, weiß ich auch nicht. Scheinbar tut sie es :p Aber das spiel ich nochmal durch.

Hier zB geraten nun m. E. Kon. II (ob als Futur-Ersatz oder nicht, Jacke wie Hose) und I in Konflikt
Das erste, was Mo mir erklärt hatte, war, dass es Coca Cola bei ihm nicht geben würde, ich aber gerne von seiner großen Flasche trinken dürfe.
Es war die Vermutung, dass alles, was ich hier erlebte[,] keine Relevanz für mich oder irgendwen anders hatte.
Ein paar Lehrer mochten mich. Wenn ich Glück hatte, gestanden sie mir etwas Geniales zu. Leute verzeihen einem so einiges zu, wenn sie einen für genial halten.
Da

Jetzt ist die Stelle ja (erstmal) rausgeflogen. Aber wäre schon schöner mit gebe (?)
Das zweite war Flüchtigkeit (ein Wort, dass es irgendwie nur in einem Kontext gibt).

Twiggy meinte, dass es spät sei und sie morgen mit einer Freundin im Museum verabredet.
Absicht oder ist das klammernde „sei“ verrutscht?

habe es bemerkt, aber für halbwegs unwesentlich befunden. Habe es in der Überarbeitung aber nochmal umgestellt.

Ich legte eine Platte von den Rolling Stones auf und schlug Armdrücken vor.
will ich nun einen Tipp abgeben, sollte Satisfaction gemeint sein, weil alle Welt es anders interpretiert, als es gedacht ist und als Hilfestellung geb ich den Hinweis, die beste Coverversion von Dylans „Like a Rolling Stone“ kommt aus Amsterdam – gespielt von den Stones … (weiß nicht, ob's davon Ausschnitte gibt im Netz

Auch das könnte passen. Das Missverständnis habe ich noch nicht aufgespürt. Mein Lieblingscover ist jedenfalls das von DEVO :D weil es so schön schräg und ungelenk ist. Ich interpretiere es als eine allgemeine Unzufriedenheit und Überdrüssigkeit gegenüber den real-ironischen Unzulänglichkeiten des Lebens (und Anti-Spießer/Establishment):

When I'm watchin' my TV
And a man come on to tell me
How white my shirts can be
But he can't be a man
'Cause he doesn't smoke the same cigarettes as me

Obowohl mir das dann wirklich so richtig erst bei DEVO aufgefallen ist und vielleicht auch ihre Interpretation war.

Die Zigaretten, die ich von da an mit ihm rauchte, wenn wir über meine Texte sprachen, schmeckten erdig und gaben mir das Gefühl[,] erwachsen zu sein und an einem Ort, an den ich wirklich gehörte.
Es war ein Startschuss; jemand hatte mich durch Zufall dazu gebracht, etwas zu wollen[,] und jetzt wollte ich es mit allen Mitteln.
Das „und“ verbindet zwo gleichrangige Satzteile des Hauptsatzes „jemand hatte mich …, der Infinitivsatz ist zu Ende

:huldig:
Und doch und trotz Widerrede: Der Meister.

Hier Verwechselung von Verb und superlatiefem Adjektiv
Ich wartete auf etwas Großes; es musste immer größer sein als am Vortag. Twiggy war der spannen[d]ste Film.

Als es losging[,] setzte ich den Stift nicht mehr ab.
„als“ leitet einen vollständigen Satz ein!

Wichtig. Hätte ich eigentlich sehen müssen. Danke fürs Nachlesen.

Oh man, jetzt kommt die Geschichte von meinem Klassen-, Deutsch- und Geschichtslehrer und dem Mond und dem geliehenen Licht

die kenn ich doch schon :lol: Aber hier ist es ja Umgangssprache. Man würde ihm ja auch verzeihen, wenn er sagen würde: das Erdbeben sorgte für 500 Tote; obwohl sich das Erdbeben ja um niemanden gesorgt hat. Naja, vielleicht würde man ihm das doch nicht verzeihen. Ich glaub, ich habs geändert.

Jede Geste, jede Bewegung im Dunkeln ließ mich auf mehr hoffen und wurde nie erfüllt. Wenn sie wirklich ein Film war, dann musste es eine Auflösung geben. Aber erst zum Schluss; so lange hatte ich Zeit, die Sache zu dokumentieren.
Schöner Schlusssatz - wie für mich geschaffen ...

Freut mich. Ich hoffe, du warst auch okay damit, dass es dann noch etwas weiterging. Es ist ja immerhin kurz vor Schluss ...

der noch mit Gottfried Keller schließen will

Das Zitat ist wirklich sehr sehr schön.

"Es blitzt ein Tropfen Morgentau / Im Strahl des Sonnenlichts; / Ein Tag kann eine Perle sein /
Und ein Jahrhundert nichts."

und dann das

"Es ist ein weisses Pergament / Die Zeit, und jeder schreibt / Mit seinem roten Blut darauf, /
Bis ihn der Strom vertreibt.
An dich, du wunderbare Welt, / Du Schönheit ohne End', / Auch ich schreib' meinen Liebesbrief /
Auf dieses Pergament.
Froh bin ich, dass ich aufgeblüht / In deinem runden Kranz; / Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht /
Und lobe deinen Glanz."

Schon zum Weinen :)

Lieben Gruß
Carlo

 

Hey @zigga,

danke für diesen wunderbaren Kommentar! Hat nochmal eine eigene Überarbeitung angeregt. Habe mich sehr gefreut. Die Überarbeitung ist halbwegs problemlos gelaufen. Dann wollte ich aber immer mehr und großflächiger kürzen. Zwischendurch war ich wieder auf 10.000 Zeichen (aktuell wieder um die 50.000, glaub ich). Aktuell hätte ich sogar Lust, das noch auszubauen. Die einzige Angst ist, dass ich dann noch mehr so abschweifende Stellen drin habe; die Hoffnung wäre, dass viel 'Abschweifendes' durchs Auserzählen der Geschichte nicht mehr als solches wahrgenommen wird, es dann vielleicht immer noch lange Stellen gibt, im Verhältnis aber nicht mehr oder weniger als jetzt. Leider gibt es keine verlässlichen Wahrsagekugeln. Wenn ich daran denke, wie dicht Geschichten bei Dir manchmal sind, will ich mich natürlich auch nicht schämen, hier so auszupacken, so rumzuschwadronieren. Da ein Mittelmaß zwischen zu akribisch und zu gedehnt zu finden, fällt mir manchmal schwer. Vielleicht arbeite ich manchmal einfach zu unorthodox. Und vielleicht ist das auch Unsinn; aber immer wenn ich so ausladend (und auch Zeichenzahl-mäßig geschwindig) schreibe, sitzt mir so ein kleiner Peeperkorn auf der Schulter :lol: und sagt, dass da die Dichte und Schärfe fehlt, er die Figuren irgendwie nicht zu fassen bekommt und die Formulierungen weniger stark sind als in anderen Stories. Okay, zurück zu deinem Kommentar.

Twiggy. Ihre Charakterisierung ist dir großartig gelungen

Das hat mich sehr gefreut. Unter Taubenherz war das ja ein bemängelter Punkt. Da freut es mich natürlich, wenn das hier zumindest für Twiggys Person passt. Danke!

Kritik:

1. Anfang
Ich bin kein Fan des aktuellen Einstiegs. Hier meine Mitschriften dazu:


Btw. fand es cool, wie du deinen Kommentar so strukturiert hast. Deinen Vorschlag für den Anfang fand ich ziemlich gut und hätte ich wohl auch übernommen, wenn ich dann nicht diesen in media res Einstieg gemacht hätte, wozu das irgendwie nicht passt, dass da jemand vorher noch so meta-mäßig rumerzählt.

Ich finde, das nimmt dem Text ein wenig Wind aus den Segeln. Wenn es nicht entscheidend ist, dass er Twiggy nicht mehr kennt, weswegen sollte den Leser die Story um Twiggy catchen?

Überzeugt mich. Bei so Texten wie diesem bin ich manchmal etwas renitent, weil ich weiß, dass das solche ungereimten Stellen auch eine starke rhetorische Funktion haben. Eben dass es sich den Regeln und Mechanismen klassischen Spannungsaufbaus etc. entzieht. Aber ja, es hat mich überzeugt und ich hab es geändert.

Ja, so ist das.
Würde ich streichen - für mich nur Füllmaterial, das beim Lesefluss stört.

auch das

Wer spricht auch so: Ja, so ist das? Das klingt nach Schriftsprache, will aber oral klingen.

Diese Begründung finde ich spannend. Es könnte ein Whatsapp-Text sein; manchmal ist das eben auch die Form direkter Ansprache in bestimmter Belletristik; hier ist das mit dem Whatsapp-Text stärker. Deswegen ist es nun endgültig rausgeflogen.

Man muss diese Momente festhalten und an sich drücken und darf sie niemals vergessen. Für andere sind es Kleinigkeiten, aber für einen selbst bedeuten sie einfach alles.
Nimm es mir nicht übel, ich meine es rein textorientiert, aber für mich sind das Binsenweisheiten - in der Hinsicht darauf, dass es im Text nicht originell klingt, sondern abgegriffen

Ja, es ist raus. Ich nehm es dir nicht übel. Ich wollte damit irgendwie so einen Pathos aufbauen. So ein 'klar-ist-das-jetzt-pathetisch-aber-come-on-fühlst-du-nicht-was-ich-meine-?'. Naja, keine besonders stabile Grundlage.

Vorschlag:

Fünf Jahre ist das her und mit Twiggy habe ich nichts mehr am Hut. Sie hat meinem Dasein eine Drehung verpasst. Ich schätze, allzu oft passieren solche Dinge nicht.


Super Vorschlag

viel später in die Geschichte einsteigen

Jap. Das ist es jetzt geworden. Um ehrlich zu sein fehlt mir das mit dem Magic-Laden ein bisschen und auch die Sache mit der Tibet-Reise. Ich glaube, weil ich die Story im Kopf weitergedacht habe und deswegen lohnt es sich wahrscheinlich auch für mich, das weiterzuschreiben. Nicht hier, aber so grundsätzlich. Vielleicht nicht das mit der Schule. Aber mit dem Magic-Laden, wenn man dazu dann einfach noch die entsprechenden Stories erzählt, das hätte schon was, denke ich.

Dass dein Prot in einem Magic Laden arbeitet, die Lehrer ihn für einen Chaoten halten ... das ist mir zu viel Vorgeplänkel und es tut zur eigentlichen Geschichte wenig Kohärentes beitragen, finde ich. Und vieles, was du hier charakterisierst und im Tell-Modus erklärst, bekommt man ohnehin im nachfolgenden Text mit.

Wie gesagt.

2. Titel

Twiggy und der alte Sesam
Ich würde es nur Twiggy nennen

Habe ich gemacht. Das mit ... der alte Sesam. Hat ziemlich für Verwirrung gesorgt. Vielleicht muss ich es auch nochmal mit Twiggy und der frühere Sesam versuchen. Obwohl, das ist dann vielleicht auch schon wieder zu eindeutig.

Wenn ich Glück hatte, gestanden sie mir etwas Geniales zu. Leute verzeihen einem so einiges, wenn sie einen für genial halten.
Ook. Auf den ersten Eindruck hatte ich kurz Antipathie, weil das ein wenig selbstgefällig klingt. Ich glaube, ich hätte es gut gefunden, wenn du das mir als Leser gezeigt hättest; hier ist das eine Behauptung, die ich als Leser glauben kann oder nicht; wenn du das szenisch umgesetzt hättest, wie der Prot meinetwegen auf der Schulbank pennt, die Lehrerin rollt genervt die Augen, ruft ihn auf und fragt ihn nach der Lösung auf der Tafel und er sagt dann etwas Geniales, Entlarvendes, alle lachen, dann hätte ich das als Leser selbst herausfinden dürfen und würde ihn gleich sympathisch und womöglich bewundernswert finden; nur meine Gedanken hier gerade

Wenn ich das weiterschreibe, mache ich es genau so. Problem ist dann natürlich nur die Zeit. Andererseits. Eigentlich spricht nicht wirklich was dagegen, die Figuren wirklich so 14-15 sein zu lassen. Selbst das mit dem (Schüler-)Job könnte so bleiben. Muss ich nochmal grübeln.

Ich frage mich gerade, weswegen es diese Substory braucht? Auch diesen Zeitsprung. Gerade sagen die Lehrer ihm noch, er schafft die Schule nicht, einen Absatz weiter hat er mir nichts dir nichts das Abi geschafft. Braucht das der Text?

Ist raus.

nicht eben schlecht darin zu sein.
Ich war nicht eben hässlich
Ich verstehe dieses "eben" nicht - ist das irgendeine Art Dialekt oder so?

So ein Füllwort. Habe ich gestrichen.

Bestes Mädchen.

Allgemein hat Twiggy für mich etwas wie ein Mädchen aus einem Murakami-Roman.


Das zweite hat mich besonders gefreut, weil ich (früher) begeisterter Murakami-Leser war. Ich mochte, dass die Figuren immer so ihre ganz eigene Verschwörung am Laufen haben, zu sonderbaren Tripps aufbrechen, Junkfood fressen und immer so einen latenten Stinkefinger in der Hosentasche mit sich rumtragen. Finde es daher auch sympathisch, dass du Twiggy magst :D

Das ist eine Randfigur, die eingeführt und beschrieben wird, aber die nichts zur Handlung o.ä. beiträgt. Könnte man überlegen, zu kicken [Philipp]

Ist raus.

Die Abende sind ihm verhasst, aber er hat es selbst entschieden, dass er sie so verbringen will. Hä? Ersten unterstrichenen Satz würde ich streichen, sonst wirkt es widersprüchlich, meiner Meinung nach

Hm, ich hab es, glaube ich, angepasst. So eine ähnliche Anmerkung habe ich von jemand anderes bekommen. Der kritisierte die Pizzastelle, meinte: warum 'will' er das 'Archschloch' sein, wie es im Text heißt. Das sei widersprüchlich etc. Das ist etwas, was ich in vielen Geschichten ausdrücken will, aber noch nicht so die richtige Art dafür gefunden habe. In dem Text Goo steckt das für mich sehr drin. Es sind so bewusste Entscheidungen für etwas Schlechtes, (nicht in dieser Geschichte, aber so tendenziell:) Selbstzerstörerisches. Das klingt paradox, ist es auch, aber das ist ja gerade interessant daran. Ich finde, es wird prinzipiell immer paradox, wenn Menschen aus tiefen Überzeugungen bzw. aus einem Glauben heraus handeln.

Das klingt sehr authentisch! Und damit meine ich, dass ich dir das abkaufe und fühle

yeah! Dankeschön

»Wir könnten so tun, als wäre das ein Date«, sagte sie.
Sie hat echt etwas sehr Kindliches. Sie kommt mir höchstens vor wie vierzehn

Das wäre wirklich eine Überlegung wert. Wahrscheinlich mache ich das. Es würde eigentlich nichts kosten und würde auch gut passen. Vielleicht wäre es schwerer, dabei dieses Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart aufzubauen. Aber wer weiß.

Twiggy krämpelte den Ärmel ihres Trenchcoats hoch. Da sah ich die Spuren der Rasierklingen das erste Mal.
»Das ist aus meiner Emo-Phase«, sagte sie. »Ich hab damals nur schwarzen Nagellack getragen, schwarzen Lippenstift und natürlich schwarze Klamotten.«
Es ist so ärgerlich, dass du das Feuer für diese Szene bereits am Anfang verschossen hast. Genau das hast du mir schon am Anfang gezeigt, im Tell-Modus, jetzt kann ich hier nicht mehr überrascht sein, wo du das so schön szenisch mir aufbereitest. Schade!

Jetzt ist es hergestellt. Guter Hinweis, danke.

Ich glaube, dass ich das erste Mädchen war, mit dem er jemals was hatte. Josh war so schüchtern. Wir saßen uns gegenüber, in der Wohnung seiner Eltern in Peterborough, auf dem Boden in seinem Zimmer, in dem eine Rakete hing, auf der ein Plastiksoldat stand oder geklebt war. Hätte ich Cedric und Josh nicht gehabt. In Peterborough gibt es ein Schiffshebewerk. Von Grill hatten sie Gras und Pilze. Cedric und seine Schwester haben nur kanadischen Goa gehört und Joshs Lieblingsband war Animal Collective. Seinen Eltern war sowieso alles egal. Das war mein Glück, sonst hätte ich sicher nicht jeden Tag bei ihm sein können. Heute hausen sie wie Junkies in der Wohnung von Cedrics Oma. Manchmal sehe ich ein Bild auf Facebook, auf dem Josh einen Hund in die Kamera hält. Er sitzt auf einem schimmligen Sofa in einer ausgeräumten Wohnung. Ich glaube, sie haben das falsche Zeug genommen.
Das ist richtig, richtig gut. Authentisch, originell. Woher kommt das? Super.

:D freut mich. Weil du fragst, wo das herkommt. Ich hab so eine schräge, romantische Vorstellung von Nord-USA, Süd-Kanada. Teilweise kenne ich da auch Leute. Es gab zumindest vor ein paar Jahren (eher so vor zehn Jahren) ein neues psychedelisches Erwachen, so einen Neo-Punk, Neo-Psychedlic; ein paar verdrogte Typen aus Michigan. Ich glaube, in den Staaten kann man sich auf eine ganz andere Weise als in Europa verloren fühlen ...

Es war nicht meins und außerdem war es ein Fehler, es Björn zu geben. Mir ist klar, dass er Probleme hat.
Das klingt aber sehr nach Moralin

Jajajaja. Ist raus.

»Es läuft ungefähr so. Du sammelst Karten und dann triffst du dich mit anderen und trittst gegen sie an. Aber es sind die Karten. Sie sehen einfach schön aus.«
Mir kommen beide Figuren sehr jung vor. Ich meine, er ist achtzehn/neunzehn und versucht gerade ein Mädchen mit Magic-Karten zu beeindrucken

Hätte mich interessiert, ob es für dich trotzdem aufgeht, oder nicht. Vielleicht ist es wirklich sinnvoll, dass früher anzusiedeln.

»Ich kann sie ja einfach löschen.«
»Ja«, sagte ich.
Oh Mann
Ich möchte deinen Helden backpfeifen

Hehe.

Insgesamt hab ich die Geschichte echt gerne gelesen. Wie gesagt, Twiggy gefällt mir, sie ist der Star der Story. Deinen Erzähler fand ich hin und wieder etwas "ausschweifend" erzählend, gerade der Anfang bis zu besagter Stelle kam mir etwas drangepappt vor.

Ich hoffe, das hat sich gebessert. Vielleicht/hoffentlich ändert sich dann auch der Eindruck von Sesam.

Wenn du noch etwas schrauben möchtest

lol ... etwas ist gut. Hab die Geschichte, wie gesagt, nochmal bis auf die Knochen runtergerockt, hat aber für mich nicht funktioniert. Deshalb jetzt vorerst auf der Version unmittelbar nach deinem Kommentar und den Verbesserungen.

(Cole, Lehrer, Phillipp(?)).

Lehrer und Philipp können dauerhaft raus. Lehrer könnten bei großem Umfang eventuell wieder rein. Cole auf jeden Fall (für mich).

Aber du erzählst hier etwas Authentisches, etwas, wo dein Herz dranhängt, was dich selbst berührt, und das merkt man beim Lesen einfach, das kommt an bei mir und schafft es, mich wirklich zu berühren

Das ist nett von dir, das zu schreiben. Ja, es ist so, da hängt was dran. Freut mich zu hören, dass der Funken da überspringt.

An vielen Stellen wollte ich deinen Prot auch einfach an den Schultern packen und ihn schütteln. Ich muss sagen, das war sicherlich nicht deine Absicht und das stellt auch keine Textkritik dar, aber ich finde es schon deprimierend, wie alleine gelassen dein für viele junge Männer stellvertretend stehender Held in den Seilen hängt

Das finde ich sympathisch. Naja, er ist eben auch nur ein Repräsentant.

Da kommt kein erfahrenerer Mann, der ihm mal sagt, so und so musst du mit Frauen umgehen, wenn sie das macht, mach das, oder: Du manövrierst dich hier in ganz schön große Scheiße, dich so zu verlieben, wenn sie von anderen Typen spricht

hehe. Ja, so jemanden bräuchte er noch. Könnte man eigentlich auch szenisch umsetzen. Eben das es ein Gespräch gibt, das so gar nicht in diese Mentoren-Richtung geht, sondern eher ins Gegenteil. Ich meine, du liest das hier heraus, aber so direkt steht das ja (leider) noch nicht drin.

Finde ich gut, dass du deine Storys auf immer größerem Terrain anlegst und auserzählst. Weiter so.

Danke dir, Zigga. Das motiviert.

----

Dann hast du nochmal nachgelegt:

kurz: Ich finde es so viel eingängiger, besser. Allerdings hat mir der Einstieg der Version, die gestern noch online war, besser gefallen, weil er einem/mir noch kurz Zeit gibt am Anfang, deinen Prot kennenzulernen, das war schön szenisch gezeigt, was er mit seinen Händen tut und denkt.

Das mit der Handarbeit habe ich zurückgesetzt. Danke, dass du nochmal drübergeschaut hast. Du hast mir insgesamt echt weitergeholfen mit meinem Text. Vielen, vielen Dank dafür!

So, Zigga, wo ist deine nächste Story? Es wurde schon so lange nichts mehr empfohlen :D
Gruß
Carlo

 

Lieber @Manlio ,

vielen Dank für deinen Kommentar und diesen ehrlichen Leseeindruck. Gibt mir was.

ich bin als Leser ziemlich ungeduldig und gnadenlos.

Ja, kann ich verstehen, bin ich auch :D

Meistens scrolle ich erst mal runter, um zu schauen, wie lang der Text ist.

Was sind denn das für Praktiken?:baddevil: Na gut, um ehrlich zu sein ... kenne ich auch ... Aber nicht immer. Das ist auch entscheidend. Manchmal scrolle ich aber auch runter, wenn mir etwas gefällt. Sogar nicht selten. Ich will einfach wissen, mit welchem Tempo ich das lesen möchte und einfach ein bisschen einschätzen, was da noch kommt. Wie mein Commitment als Leser ist.

"Bockwurst und Mohnkuchen" einfach viel besser gelungen. Der Titel ist interessanter, weil er so viele Assoziationen zulässt.

Finde diese Gegenüberstellung (vor allem der Satzanfänge, aber auch des Titels) spannend. Ich sage mir da normal immer: ja, es können nicht alle Geschichten gleich gut sein, gleich ansprechend; wie nicht alle Tracks auf einem Album wie die zwei Dinger sind, die dann als Singles kommen. Trotzdem finde ich das sehr interessant und sinnvoll. Der "Bockwurst und Mohnkuchen" sollte ursprünglich "Hieb mit der Schlemmstange heißen", aber als ich den Titel beim Schreiben gefunden habe, war ich auch sehr glücklich damit.

finde den Titel irreführend. Ich hatte da so an einen Opa und eine junge Frau gedacht.

ja, so ging es einigen. Das kanns natürlich auch nicht sein. Jetzt ists 'Twiggy'

Also ich weiß nicht - so wie es geschrieben ist, könnte das auch das Ende der Geschichte sein

Stimmt. Zigga meinte auch: nimmt der Sache den Wind aus den Segeln.
Was soll ich sagen, ihr habt mich überzeugt. Weg ist es.

Ein spannender Anfang, zieht mich rein. [Bockwurst]

Das Friedhofssetting kann natürlich was, das stimmt. Eine 'Überraschung' gibt es auch bei Twiggy. Die ist jetzt auch präsenter. Vielleicht pack ich diese kleine Szene im Magic-Laden auch wieder rein. Weil die ja schon auch interessant ist vom Setting. Die ist momentan gestrichen. Aber dieser "Cole", der aussieht wie ein Vampir. Wenn ich das weiterschreibe, könnte der halt eben noch mal auftauchen. Oder auch öfters. Ist ja eine witzige Figur.

die Konstellation, die man einfach zu gut zu kennen glaubt (Coming of Age, Erste Liebe)

Ja, das ist natürlich wahr. Eine Schwachstelle. Ich habe das von dir jetzt so interpretiert: am Anfang möchte man diese Konstellation noch nicht gleich so um die Ohren gehauen bekommen. Ist jetzt nicht mehr so. Coming of Age ist natürlich bei Alltäglichkeiten schwer. Ich denke schon, dass ich da immer wieder auch meinen Weg finde, aber ich verstehe, dass das seine Schwächen hat. Vielleicht muss ich mal wieder irgendwen sterben lassen oder mit irgendwelchen düsteren Geheimnissen aufwarten oder auf die partielle, unberechenbare Boshaftigkeit Jugendlicher setzen..

Vielen Dank für den guten Kommentar!
LG
Carlo

 

Puh, @Carlo Zwei ,
was für ein Riesending. Ich bin beim Lesen durch verschiedene Gefühle gegangen, war gerührt, hab gelacht, war beeindruckt, aber auch phasenweise ungeduldig. Ich dachte, ich mach mal eine Pause von den Kindergeschichten und fand hier unglaublich viel Kindliches in dem Text. Dazu so ein Gefühl, als ob da einiges ist, was mir immer wieder durch die Finger flutscht, wenn ich es greifen will. Da ist so viel Spiel, so viel originell sein, dass es mir schwer fällt die Personen dahinter zu greifen. Und dann gibt es wieder Szenen, die unvermittelt tief gehen, so wie die mit dem Pizzamann. Ich glaube, es liegt an dem Alter, das du beschreibst, in dem man so sucht und sich noch gar nicht kennt. Und der Erzähler erzählt so, als ob das alles noch nicht lange her ist.

Ob wir uns treffen könnten. Es ginge um einen Gefallen. 

Schöner Einstieg. Macht neugierig. So schön schlicht und man ahnt gar nicht in was für ein Labyrinth man da geführt wird.

Viele mochten sie, vor allem Jungs. Nicht wie Daniela oder solche Mädchen, mehr wie einen Kumpel.
Trotzdem wusste ich, dass diese Leute total auf Twiggy abfuhren. Ein oder zwei Mal hatte ich Herzen gesehen, mit ihrem und anderen Namen darin, auf die Toilettentür oder einen Tisch geschmiert.
Das widerspricht sich für mich.

Etwas entwickelte sich hier, aber das kam nie zum Vorschein, und wenn ich ehrlich war, wusste ich, dass das bis in alle Zeiten so bleiben würde.
Meine Heimat war ein Ort, der augenblicklich die Frage aufwarf, was sich außerhalb davon befand.
Oh wie wunderbar. Dieser verhaltene Humor da drin, ich liebe es.


Weil ich mit jemandem wie Twiggy abgehangen hätte, wenn ich nicht geglaubt hätte, dass diese Leute alle nichts für mich wären, und daran änderte sich auch gar nichts, aber allein
Vielleicht: ... , wenn ich geglaubt hätte, dass diese Leute was für mich wären, ...
zumindest das "alle" würde ich streichen.


Twiggys Seite war eine einzige Auflistung von Insider-Jokes, die ich nicht begriff und die nicht klangen, als wollten sie von mir begriffen werden.
Es gibt so Stellen, die versetzen einen wirklich schlagartig in die eigene Jugend zurück und das ist so einer.

Die Kassetten trösteten mich, inwiefern auch immer.
Das Handy lag neben meinem Kopf und jetzt schlug das Herz. Was für ein Gefallen?
„Klar, können wir uns treffen“, schrieb ich.
Was wirklich sehr berührend ist, ist diese kindliche Verletzlichkeit. Diese Kassetten und dieser riesige Vorlauf, der in diesen lapidaren Satz mündet.

Vielleicht, weil ich sie nett fand oder weil ich das Gefühl hatte, dass wir uns bereits lange kannten, und ich mich fragte, warum ich die letzten Jahre meines Lebens mit Magic-Karten und Hotdogs verschwendet hatte und nicht mit jemandem wie ihr.
Schön

Das klingt merkwürdig. Ich hatte sie ja gerade erst getroffen. Genau das aber verstärkte mein Gefühl. Wie konnte mich jemand, ohne etwas Besonderes gesagt oder gemacht zu haben, derart in Frage stellen, mich so klein und gleichzeitig groß fühlen lassen? Vielleicht lag es an mir und ich war in diesem Moment eben bereit für Veränderungen. Nur wieso war mir nicht klar.
Dein Erzähler ist ja echt ein bisschen geschwätzig. Man könnte das hier streichen, oder es gerade deshalb lassen, weil es ihn so charakterisiert, das er sich diese Gedanken im Nachhinein macht.

Ich bekam das Gefühl mit einem Kind oder einer Irren zu sprechen; mit dem Unterschied, dass es mir nicht auf die Nerven ging, sondern mich selbst dazu brachte, etwas Kindliches oder Irres in mir hervorzuholen, nur um zu sehen, wie Twiggy darauf reagierte.
»Ich mag, dass du nicht auf die Ritzen trittst«, sagte sie.
»Danke.«
Komisch, das nervt mich irgendwie, ich glaube das empfinde ich als bemüht originell. Oder ich kann dem einfach nicht folgen. Diese Twiggy ist zum Teil wie eine Kunstfigur für mich. So Pippi Langstrumpf-mäßig.

»Mit wem hast du eigentlich immer die Pausen verbracht?«
»Mit niemandem«, sagte ich. »Ich glaube, ich war nicht so der beliebte Typ.«
»Das wundert mich schon«, sagte sie.
Hier mag ich sie wieder.

Meine Augen weiteten sich und gleichsam bewegte ich den Rest meines Gesichts in einer Weise, dass es aussehen musste, als wäre ich über den Vorschlag 'positiv überrascht'. Ich war froh, so professionell reagieren zu können, während in mir drin feste Organe wie Eiswürfel zerschmolzen.
Sehr sehr schön! Echt tolle Beschreibung.


Er flog ein Manöver, steuerte auf Twiggys geschlossene Lippen zu, entschied sich anders und flog in mehreren Pirouetten darüber hinweg, landete fast in ihren Haaren, kehrte auf der Stelle in den Sturzflug, raste von dort auf mich zu. Ich öffnete den Mund und der Flieger landete mit seiner Käsespitze darin.
Auch toll. Wieder sehr verspielt und kindlich.


Twiggy krempelte den Ärmel ihres Trenchcoats hoch. Da sah ich die Spuren der Rasierklingen das erste Mal.
»Das ist aus meiner Emo-Phase«, sagte sie. »Ich hab damals nur schwarzen Nagellack getragen, schwarzen Lippenstift und natürlich schwarze Klamotten.«
Hier geht sie mir wieder auf die Nerven. Ich glaube, mich nervt, dass ich so auf Abstand gehalten werde, dass ich nicht wirklich erfahre, warum sie sich geritzt hat. Dass sie so damit kokettiert. Ich glaube, du hattest da mal einen Satz drin mit Oberflächlichkeit und ich würde mir wünschen, dass ich mehr Echtes von ihr spüre. Aber möglicherweise weiß sie es eben selber auch nicht und woher soll der Erzähler es wissen.

»Erleuchtung. Keine Ahnung, was. Ist doch egal. Tibet! Checkst du es nicht? Das ist am anderen Ende der Welt, okay?« Wieder verteilten sich Twiggys Worte bis hinten zum Altar.
»Nee«, sagte ich. »Das ist eben das Problem. Ich checke es eben nicht.«
Vom Dialog her echt knackig. Hier bin ich ja bald wieder mehr bei ihr, denke, was ist eigentlich mit ihm los? Auch das erfährt man ja nicht so richtig.

»Das war Brahms«, sagte er. »Kennt ihr das?«
Es war irritierend, dass der Mann aussah und sprach, als wäre er ein Kotzbrocken, uns aber gleichzeitig als die privaten Gäste seines kleinen Konzertes behandelte, die wir ja auch waren.
»Es heißt 'Herzlich tut mich verlangen'«, sagte er.
»Kennen Sie Animal Collective?«, fragte Twiggy.
Schön

»Entweder wir bezahlen die Hälfte oder du nimmst die Pizzen wieder mit«, sagte ich.
Und so geschah es.
Den Bruch finde ich interessant, wie er vorher so kindlich ist und jetzt auf einmal etwas von einem Erwachsenen hat, der er nicht wirklich sein will. Jedenfalls gibt es da plötzlich eine neue Facette und man fragt sich, woher er das nimmt. Diese Zwischenwelt des Jugendlichen, die hast du in dem ganzen Text echt gut gezeigt.


»Normalerweise mögen Zwillinge sich, aber er ist mir fremd.«

Merkwürdige Wortwahl. Vielleicht ein bisschen mehr "show" an der Stelle?


Ich zappte die Kanäle durch, schaute nach vorne, aber konzentrierte mich auf das seitliche Blickfeld.
:D Klasse.

Dann legte ich meine Hand auf Twiggys Knie. Dort weilte sie weitere zehn Sekunden, in denen ich fühlen konnte, wie falsch sie dort war; bis Twiggy wortlos ihr Knie anzog, sodass die Hand aufs Sofa rutschte.
Schön, wie du auch die peinlichen Momente auskostest.

ich konnte gar nicht schnell genug sein, sie für die Zeit danach zu retten.
Er glaubt niemals wirklich daran, dass er sie auf Dauer halten kann. Das Ganze wird fast ein kleiner Roman. Ihre Eltern spielen eine Rolle, der Job, den er aufgibt. Es liest sich gut, weil du einen tollen Stil hast, der einen so mitzieht. Aber es bleibt für mich das Gefühl, dass die Distanz sich zwischen den beiden niemals wirklich verändert und das ist quälend. Am Ende bin ich doch erleichtert, dass der dritte Einzug etwas schneller zusammengefasst wird, denn für mich dürfte es nicht länger sein. Aber du weißt ja, ich bin die mit dem kürzesten Text der Challenge.

So, lieber Carlo, dass waren meine Eindrücke. Einen schönen Tag dir noch und herzliche Grüße von Chutney

 

Liebe @Chutney ,

vielen Dank für deine nachträgliche Einschätzung zum Text. Ein wertvoller Kommentar, finde ich.
Sobald ich wieder in der Stadt und in Schreibtischnähe bin, möchte ich mich diesem Text noch einmal widmen. Deine Anmerkungen nehme ich als Orientierungshilfen; denn die Story soll - nicht erschrecken - noch weiter wachsen. Eventuell werde ich den nächsten Schritt (Wahrscheinlich doppelte Länge) hier nochmal als Novelle teilen. Vielleicht aber auch nicht, weil es auch keine Novelle, sondern eine längere Erzählung sein wird und ich die Rubrik „Kurzgeschichte“ auch nicht überstrapazieren will. Klingt vielleicht paradox, aber ich denke, viele der von dir angemerkten Punkte könnten auch in Erweiterung gelöst werden.

durch verschiedene Gefühle gegangen, war gerührt, hab gelacht, war beeindruckt, aber auch phasenweise ungeduldig.

in dem „ungeduldig“ wittere ich ein Problem des Textes. Diese Ungeduld könnte ja im besten Fall auch Spannung sein. Das wäre schon mal ein Ziel. Dein Komm liefert indirekt auch eine Idee. Dazu gleich.

Ich dachte, ich mach mal eine Pause von den Kindergeschichten und fand hier unglaublich viel Kindliches in dem Text.

Das finde ich ganz witzig. Du hast schon recht damit. Ein verspielter Text.

So schön schlicht und man ahnt gar nicht in was für ein Labyrinth man da geführt wird.

„Labyrinth“ gefällt mir. Ich muss nochmal in die Masterplots von Ronald Tobias schauen. Wollte ich eh mal wieder tun. Da gibt es, meine ich, auch das Labyrinth. Hat dort allerdings eine andere Konnotation. Denke ich wenigstens.

Vielleicht: ... , wenn ich geglaubt hätte, dass diese Leute was für mich wären, ...
zumindest das "alle" würde ich streichen.

Ja, finde ich gut. Genommen! Muss es aber noch ausbessern

Dein Erzähler ist ja echt ein bisschen geschwätzig. Man könnte das hier streichen, oder es gerade deshalb lassen, weil es ihn so charakterisiert, das er sich diese Gedanken im Nachhinein macht.

ja, stimmt. Das ist natürlich auch ein Manko. Ich hab die Hoffnung, dass ich das ebenfalls durch die Spannung und die hinzukommende(n) Wendung(en) gelöst kriege. Danke fürs Draufzeigen.

Komisch, das nervt mich irgendwie, ich glaube das empfinde ich als bemüht originell. Oder ich kann dem einfach nicht folgen. Diese Twiggy ist zum Teil wie eine Kunstfigur für mich. So Pippi Langstrumpf-mäßig.

Ich weiß, was du meinst. Finde auch „bemüht originell“ trifft es. Es ist halt auch ihre Charakterisierung. Bis hin zum Namen. Allerdings möchte ich auch noch mehr über ihre „Außergewöhnlichkeit“ schreiben, was voraussetzt, dass das bemüht Originelle von dieser Besonderheit überlagert wird.

Hier geht sie mir wieder auf die Nerven. Ich glaube, mich nervt, dass ich so auf Abstand gehalten werde, dass ich nicht wirklich erfahre, warum sie sich geritzt hat.

Wieder sollte nach der nächsten Überarbeitung das Besondere diese Oberflächlichkeit überlagern und die Distanz bzw. auch die Ungeduld gegenüber der Distanz von Sesam und Twiggy Spannung erzeugen.

Ich glaube, du hattest da mal einen Satz drin mit Oberflächlichkeit und ich würde mir wünschen, dass ich mehr Echtes von ihr spüre.

Das verstehe ich. Das könnte sich über die angedeuteten Wendungen anbahnen und vor allem auch nochmal über die Schilderung ihrer Außergewöhnlichkeit verstärkt werden. Natürlich trotzdem mit Distanz, damit sie auch nach hinten raus länger das „Mysterium“ für Sesam bleibt (Notiz für mich: die Stelle in der Sesam sich mit Namen vorstellt, sollte wieder rein).

was ist eigentlich mit ihm los? Auch das erfährt man ja nicht so richtig.

Das ist ein weiterer guter Punkt. Ich möchte ihn eigentlich als einen desillusionierten, jungen Typen, bin da aber auch wieder vom Kurs abgekommen. Da möchte ich in der Überarbeitung noch mehr zu schreiben. Eben was diese Desillusioniertheit noch ausmacht, außer das er meint, nicht nach Nepal reisen zu müssen, weil er das wichtige auch im Magic-Laden finden würde.

Merkwürdige Wortwahl. Vielleicht ein bisschen mehr "show" an der Stelle?

Gerne!

Schön, wie du auch die peinlichen Momente auskostest.

Hier schmunzle ich. Ja, wenn es sich anbietet.

dass die Distanz sich zwischen den beiden niemals wirklich verändert und das ist quälend

Und sollte quälend im Sinne von spannend werden!

vielen Dank, Chutney, für deinen hilfreichen Kommentar!

Liebe Grüße
Carlo

 

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