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Umsonst gelebt

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12.12.2005
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Umsonst gelebt

Seine Lippen waren trocken. Ein fahler Geschmack im Mund. Trägheit in den Knochen. Schrilles Pfeifen in den Ohren. Und die Schwärze die ihn umgab…

Schließlich weckte ihn ein Tropfen aus dem traumlosen Schlaf, der ihn gefangen hielt. Langsam öffnete er seine müden Lider und sah dem Wolken verhangenen Himmel entgegen. Grau und schwarz war er. Die Sonne, weit hinter der dicken Decke verborgen. Regen fiel auf sein Gesicht. Blitze erhellten den düsteren Tag. Wie das Meer trieb die schwarz-graue Masse dahin, vereinte sich zu neuen Formen, nur um sich in seinem verwirrten Geist zu verlieren. Es war wunderschön. Und da fühlte er wie kostbar jeder Moment war, jeder in seiner Einzigartigkeit.

Er versuchte sich zu erinnern wer er war. Es fiel ihm schwer den wilden Bildern in seinem Geiste zu folgen. Verwirrt waren seine Gedanken. Erinnerungen brandeten nach und nach in sein Gedächtnis.
Ein Name.
„Jan.“
Sein eigener?
Es war nur ein Name mit dem er nichts anfangen konnte. Ihn verband nichts mit ihm. Nichts verband ihn mir irgendetwas. Er war verzweifelt. Er wollte sich erinnern. Die Fragen, die sich er stellte, beantworten.

Wie war er hier her gekommen?
Wer war nur dafür verantwortlich?
War es ein Unfall?
Herrschte etwa Krieg?
War er ein Soldat?

Er wusste es nicht. Er wusste es einfach nicht. Doch er musste Geduld haben. Eines nach dem anderen.
Zuerst aufstehen. Aber zu seinem schrecken stellte er fest, dass er das nicht konnte. Er fühlte nichts. Und dann bemerkte er, dass er das Aufschlagen des Regens nicht hörte. Regungslos war er, gefangen in seinem wertlosen Körper, beraubt seiner Sinne. Schreien wollte er, doch er hatte keine Kraft dazu. Vielleicht war es nur ein Seufzer, den er ausstieß. Vielleicht gab er auch gar keine Ton von sich. So blieb ihm, vom jetzt, nur der Himmel und sein Bewusstsein. Und dann die Erinnerungen. Und eine Stimme, die ihn führte.
„Jan, komm’ ich dir zeige etwas. Sieh’ her.“, sagte sie. Der Himmel verschwand vor seinen Augen und es wurde dunkel.

Musik erklang im Hintergrund. Ein Klavier. Das Knistern von Feuer. Wärme lag in der Luft. Der Geruch von Kaffee und Kuchen. Ein wohliges Gefühl in der Brust. Er fühlte sich gut und der Raum erhellte sich. Er saß vor einem edlen, schwarzen Flügel und zu seiner Überraschung, war er es der spielte. Er wusste nicht was es war, aber es Klang gut. Er spielte gut. Sehr gut
sogar. Er hatte Talent - zweifellos. Dann blickte er nach rechts und sah einem Dutzend Menschen entgegen, die ihm wohlwollend zusahen. Sie waren ihm bekannt. Sicher Freunde oder Verwandte. Es war ein schönes Leben, für das es sich zu kämpfen lohnte. Er musste Leben. Durfte nicht loslassen.
Plötzlich kehrte die Stimme zurück und sie schrie ihm in sein rechtes Ohr, dass er sich sofort zuhalten musste.
„Ein Traum, Jan! Nichts hiervon ist wahr! Wertlos!“, verhöhnte sie ihn.
Wieder verdunkelte es sich.
„Ich zeig dir die Wahrheit. Ich zeige dir das was wirklich ist. Sieh', sieh'…“

Blut perlte von seinen verkrüppelten Fingern. Der Schmerz ließ ihn auf seine Knie sinken. Hektisch legte er seine Hände in einen Krug voller Wasser, das sich rot färbte. Es brannte und so zog er seine Hände heraus. Ihm fehlten drei Finger seiner rechten Hand. Jan erinnerte sich an eine schwere Tür, als er noch ein Kind war und seine Hand die dazwischen lag. Das Knallen, als sie zufiel. Den Schock, als er auf seine Hand sah. Er hatte Talent und dann war
es fort. Er erinnerte sich an seine Mutter. An das Geld das ihnen fehlte. An die Hoffung, die sie hatte, von der an diesem Tag nichts mehr blieb. Die Ärzte hatten versucht sie ihm wieder anzunähen, aber sie verfaulten vor seinen Augen. Seinen Vater kannte er nicht.
Schlag auf schlag kamen sie - Erinnerung und sie brachten auch Gefühle mit sich.
Enttäuschung, Zweifel, Zorn und Hoffnungslosigkeit. Er wollte diesen Ansturm abhalten, doch es gelang ihm nicht. Er sah sein wahres Leben. Er sah die Armut. Er sah die Ausweglosigkeit, nicht mehr aus sich machen zu können. Er sah wie er sich von Gott betrogen fühlte, weil er ihm das größte Geschenk, das was den Rest seines verdammten Lebens ausglich, einfach wieder wegnahm. Er hatte nichts. Er fühlte den Hass auf sich und auf all die anderen. Er sah einen Plattenbau. Spürte die Schläge auf seinem Magen. Die Finger, die auf ihn zeigten.
„Krüppel!“, schrieen sie.
Traten auf ihn ein. Er flehte. Aber es kam niemand, er war zu schwach ohne seine Musik - wertlos. Es gab nichts mehr, was ihn aus diesem Dreckloch hätte befreien können. Es gab keine Hoffung. Es gab nur Scheiße für ihn. Und er hasste sich für sein verdammtes Selbstmitleid, aber er konnte einfach nicht mehr. Zu verbittert war er geworden.

Und doch gab es in ihm etwas, das dieses Leben nicht aufgeben wollte. Was
war es nur?
„Warum quälst du mich so? Lass mich gehen. Lass mich…“, wimmerte Jan. Er
weinte, in seine Gedanken - wollte endlich loslassen.
„Gut, geh’.", sagte die Stimme zufrieden, „Lass los. Du musst es tun, denn ich kann es nicht.“
Und gerade als er dem ein Ende machen wollte, erinnerte er sich. Kinderlachen erklang im Hintergrund. Ja er erinnerte sich an eine andere Seite seines Lebens. Er erinnerte sich an eine Frau, die er sehr liebte.
„Anna“, sagte er.
Und als er den Namen aussprach, erinnerte er sich, dass auch sie ihn liebte und dabei musste er lachen. Sie hatte ihn gerettet. Vor dem sog. Vor dem Leid. Sie hatte ihn genommen wie er war. Er hatte nichts außer sich selbst und doch reichte es ihr.
Eine Tochter hatte er auch. Marie. Sie war gerade mal drei Jahre alt, vielleicht auch älter. Er war sich nicht sicher wie alt seine Erinnerungen waren, wie viel Zeit er bereits vergessen hatte.
Es war bescheidenes Leben, das sie führten, aber trotz allem war er glücklich. Er hatte alles was er brauchte. Und das machte ihn jetzt traurig. So viele Dinge gab es noch zu erleben. So viele Orte zu sehen. So viele Erfahrungen zu machen. Und vor allem musste er sie alleine lassen. Das ließ ihn verzweifeln. Er musste am Leben bleiben, doch er konnte nicht. Er
würde bald sterben müssen. Es blieb ihm nicht viel Zeit. Aber er durfte doch nicht loslassen, er musste Leben, würde sich mit aller Kraft an dem Rest der ihm davon blieb festhalten. Würde es nicht zulassen aufzugeben.

Die Stimme kehrte wieder, doch diesmal klang sie sanft und beruhigend:
„Das wollte ich dir ersparen, Junge. Dieser Schmerz wird noch schlimmer
sein, als der vorige. Du hättest loslassen sollen.“
„Ja, das hätte ich.“, und als Jan das sagte wirkte er ungewöhnlich gefasst,
aber er war alles andere als das. Er resignierte.
Er sah sein Kind, das mit derselben Armut aufwachsen würde. Sah den Schmerz, den sie zu ertragen hatte. Doch eines war anders. Sie war stärker als er.
Beide waren es. Er liebte sie sehr, hatte es ihnen jeden Tag gesagt. Sie wussten es. Er kämpfte jeden Tag um einwenig Wohlstand für beide. Er war ein guter Vater. Er konnte es nicht begründen und ein Träumer war er schon lange nicht mehr, aber irgendwie wusste er, dass sie es schaffen würden. Seine Freunde würden den Beiden helfen. Er hatte Freunde, die sich auf ihn verlassen konnten und er auf sie. Er hatte ein gutes Leben geführt. Nichts hatte er ungetan zurückgelassen.
Nichts Wichtiges.
„Jetzt wirst du sterben. Voller Kummer. Mehr als du ertragen kannst.“
„Nein, das werde ich nicht.“
„Wie kannst du so etwas sagen? So viele Pläne hattest du. Und jetzt, wird keiner deiner Träume in Erfüllung gehen. Du wirst niemals der Pianist sein, der du sein wolltest, wirst deine Tochter nicht aufwachsen sehen. Hinterlässt Armut und Schmerz. Und du willst mir sagen, das du keine Angst hast, keinen Schmerz empfindest, wenn du nun stirbst.“
„Alles Wichtige wurde gesagt. Alles Wichtige getan.“
Eine weile schwieg die Stimme, dann lachte sie. Es war kein bitteres Lachen, es war voller Herzlichkeit und Wärme.
„Vielleicht hast du Recht. Vielleicht lag ich falsch.“
Wieder hörte er Kinderlachen, schloss die Augen und ließ los.

 

Hallo derklabauter!

Ja, schon wieder ich ...

Ich hab die Geschichte noch nicht fertiggelesen, weil ich gleich gehen muß und gleich beim Lesen mit Anmerkungen begonnen hab. Den Rest hab ich nur kurz überflogen. So kann ich erst einmal nur sagen, daß ich die Einleitung zu lang finde. Die Beschreibungen ziehen sich, bis es richtig beginnt, also bis die Stimme ihn auffordert, zu kommen, da solltest Du vielleicht etwas kürzen.

Hier ein paar Anmerkungen - zusätzlich sind jede Menge Beistriche (Kommas) falsch oder nicht gesetzt, die ich hier nicht aufzähle.

Seine Lippen waren trocken. Ein fahler Geschmack im Mund. Trägheit in den Knochen.
Ich würde diese Dinge erst beschreiben, wenn er aufwacht und sie auch wahrnehmen kann.

und sah dem Wolken verhangenen Himmel entgegen, den der Wind vor sich her trieb.
Muß ein starker Wind sein, daß er den ganzen Himmel vor sich her treibt. ;)

Regen fiel in seine Augen.
Regnet es waagrecht? Normalerweise schützen nämlich die Augenbrauen und die Lider mit den Wimpern die Augen davor, daß es hineinregnet.

war das hier für ihn, der wahrscheinlich schönste Anblick, den er jemals miterleben durfte. Es war eine Schönheit, die er bis dahin nicht erkannt hatte.
Hier sagst Du sinngemäß zweimal dasselbe.

Wie das Meer trieb die schwarz-graue Masse dahin, vereinte sich zu neuen Formen, nur um sich sogleich im Vergessen zu verlieren.
Hier überformulierst Du etwas. Wie hab ich mir das "im Vergessen zu verlieren" einer schwarzgrauen Wolkenmasse vorzustellen? Wer oder was vergißt?

Verschwanden im Nichts. Waren nie gewesen.
Hier ist der Bezug nicht ganz klar. Sollte sich das auf die schwarzgraue Masse beziehen, dann Einzahl: Verschwand im Nichts. War nie gewesen.

Aber was spielte das schon für eine Rolle. Es war nur ein Name mit dem er nichts anfangen konnte. Ihn verband nichts mit ihm. Nichts verband ihn mir irgendetwas. Er war verzweifelt. Er wollte sich erinnern.
Wenn es keine Rolle spielt, warum ist er dann verzweifelt? Warum zeigst Du uns seine Verzweiflung nicht? Und zum Nicht-Erinnern: Im ersten Absatz zeigst Du eigentlich das Gegenteil davon:
bei all der Abscheu die er, vor nicht allzu langer Zeit, bei einem solchen Wetter empfunden hätte, war das hier für ihn, der wahrscheinlich schönste Anblick, den er jemals miterleben durfte. Es war eine Schönheit, die er bis dahin nicht erkannt hatte.

Vielleicht war es nur ein Seufzer, den er ausstieß. Vielleicht war es auch nichts.
"Vielleicht war es auch nichts" wirkt sehr seltsam. Wolltest Du so etwas sagen wie: Vielleicht gab er aber auch gar keinen Ton von sich.

„Jan, komm’ ich dir zeige etwas. Seh’ her.“, kicherte sie.
Befehlsform von sehen ist "sieh", nicht seh.
"kicherte sie" paßt hier nicht, man kann keine Worte kichern, man kann etwas sagen/rufen etc. und dabei kichern. Zum Beispiel könntest Du schreiben: forderte sie kichernd.


Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl!

Schön, dass du meine Geschichte kommentiert hast. Hatte ehrlich gesagt schon befürchtet, dass der Anfang zu langatmig wird. Habe daher mal gekürzt.

Deine Vorschläge sind von mir umgesetzt worden.

Ich habe noch den Verdacht, dass noch etwas anderes übel stören könnte, aber mal sehen ob das andere auch so sehen.

Mehr Kommentare wären super. Dabei spielt es keine Rolle ob sie gut oder schlecht ausfallen. Freue mich über alle.

gruß
derklabauter

 

Hallo derklabauter!

Keine Ahnung ob du die Einführung schon geändert hast, aber so wie sie ist, finde ich sie nicht so lang.
Schade fand ich, das nicht erklärt wird, was denn nun eigentlich mit ihm passiert ist (also Unfalltechnisch). Dein Stil ist angenehm zu lesen.
Aber ansonsten fand ich die Geschichte ganz gut, auch wenn ich sie aufgrund der ominösen Stimme eher in "Seltsam" gepostet hätte. Oder soll sie seine eigene innere Stimme darstellen?
Jedenfalls gerne gelesen,

die Sumpfkuh

 

Danke für den Kommentar, Sumpfkuh!

habe gekürzt, da hatte Häferl schon recht.

Das mit dem Unfall oder der Verletzung wollte ich so.

Freut mich, dass du die Geschichte ganz gut findest. Freut mich wirklich.

gruß

derklabauter

 

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