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(Un-)gleiche Gegner

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15.06.2006
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(Un-)gleiche Gegner

Ich heisse Manuel Kamm, ich bin 26 Jahre alt, und man will mich umbringen. Dies ist ein Hilferuf, mein letzter, fürchte ich. Ich bin am Ende meiner Kräfte, ich kann einfach nicht mehr. Ich habe mich gegen das Gift gewehrt, das sie mich schlucken liessen. Ich habe die Elektroschocks ausgehalten, die sie mir verabreicht haben. Bis jetzt habe ich durchgehalten. Doch wie lange werde ich das noch können?

Keine zehn Sekunden, nachdem Mark Zimmermann die Klingel betätigt hatte, riss Lea Lombardi die Haustüre auf, warf sich ihm um den Hals, löste sich wieder und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. “Amore mio, ich habe dich so vermisst!”, brachte sie zwischen zwei heftigen Atemstössen hervor, bevor sie ihn fest an sich drückte.
“Ich dich auch, meine Liebe. Bist du erst kürzlich nach Hause gekommen?”
“Si. Scusi, ich konnte dich nicht abholen. Wie geht es dir? Komm doch rein! Aber erst, nachdem ich...” Es folgten noch ein halbes Dutzend Küsse, bevor sich Lea löste und Mark ins Haus begleitete.
“Du warst heute im Spital, nicht?” fragte Mark. “Ich war komplett weg, habe nichts mehr mitgekriegt.”
“Ja, ich war da. Du hast so friedlich dagelegen, hattest sogar ein Lächeln auf dem Mund. Wir haben es bald geschafft, denkst du nicht auch?”
“Ich weiss es nicht”, musste Mark zugeben. “Während ich weg war, hast du da noch etwas von ... von ihm gehört?”
“Von ... Manuel? Nein. Kein Wort, keinen Ton.”
“Denkst du, er ist tot?”
“Ich weiss es nicht, Mark. Ich weiss es nicht.”

Mark. Wie ich den Namen hasse. Mein Verfolger. Mein Peiniger. Kalt und rücksichtslos, wie er ist, macht er keinen Hehl aus seiner Absicht, einen Menschen umbringen zu wollen. Eine Absicht, die auch in mir zu keimen beginnt: Der Wunsch, Mark umzubringen, ist da. Doch so sehr ich ihn auch hasse, brauche ich ihn dennoch. Brauche ihn mehr als er mich.
Dass ich ihn nicht umbringen kann, heisst jedoch noch lange nicht, dass ich wehrlos wäre.

Der erste Sex seit einem Monat (die Spielereien im Spital während Leas Besuchen nicht mitgezählt) hatte Mark überglücklich einschlafen lassen, umso böser war das Erwachen. Ob Manuel wohl tot wäre, hatte er Lea gestern noch gefragt. Das war er definitiv nicht, das wurde Mark schlagartig klar, als er das verwüstete Wohnzimmer betrat: umgestürzte Möbel, zertrümmertes Keramikgeschirr und mit Parolen verschmierte Wände. “Lass mich leben”, “töte mich und du fährst zur Hölle”, “Mörder”, und so weiter, Mark zählte ein halbes Dutzend Schmierereien. “Freak” war über den Spiegelschrank gesprayt, der Marks Medikamente enthielt. Den Schlüsses zum Schrank hatte Mark vor längerer Zeit Lea gegeben und sie angewiesen, ihn zu verstecken. Er hatte ihr damit die Verantwortung über seine tägliche Ration übertragen. Das war nötig geworden, nachdem Manuel vor einiger Zeit einmal Marks dringend benötigte Medikamente das Klo runtergespült hatte.
Mark hörte Lea die Treppe runter kommen, war jedoch zu spät, sie noch vorzuwarnen. “Oh mein Gott, nicht schon wieder!” stiess sie hervor. Ihre Knie zitterten, sie setzte sich auf die Treppenstufe, verbarg ihr Gesicht in ihren Händen und liess ihren Tränen freien Lauf. “Ich hatte so gehofft”, schluchzte sie, “so gehofft, wir hätten es geschafft. Oh Mark, ich kann nicht mehr!”
“Lea, gib mir den Schlüssel.”
Lea wurde von ihren Schluchzern durchgeschüttelt.
“Lea, den Schlüssel. Bitte.”
Sie schaute nicht auf, zeigte nur auf einen Blumentopf in ihrer Nähe. Mark fand den Schlüssel in der Erde vergraben, ging zum Spiegelschrank, öffnete ihn und nahm eine silberne Tablettenschatulle in die Hände.
Er setzte sich neben Lea auf die Treppe und legte einen Arm um sie.
Lea schaute auf. “Willst du es wirklich nehmen? Du kennst das Risiko, Mark. Es ist nicht fertig getestet.” Es war ein schwacher Protest.
Mark Zimmermann nahm eine der Tabletten zwischen seine Finger, verschloss die Schatulle und legte sie neben sich auf die Treppenstufe. Dann stubste er Lea sanft an. “Lea, ich muss. Schau mich an, bitte.” Ihre Blicke trafen sich. “Ich muss, verstehst du? Es wird funktionieren. Alles wird gut.”
Er nahm die Tablette in den Mund, verbiss sie und schluckte sie hinunter. Dann umarmte er Lea und drückte sie fest an sich.

Ich weiss nicht, wie lange ich noch zu leben habe. Eine halbe Stunde vielleicht, zwei Stunden allerhöchstens. Nun, da es definitiv ist, ist der ganze Druck von mir gewichen. Mark hat das Medikament tatsächlich geschluckt. Wie Lea sagte, es ist nicht fertig getestet. Aber es wird wirken, dessen bin ich mir sicher. Es ist das neuste und höchstentwickelte Produkt aus der MPS-Forschung, dem Syndrom der multiplen Persönlichkeit. Ich, Manuel Kamm, Marks ständiger Begleiter seit seinem Unfall vor acht Jahren, ich werde sterben.

 

Hallo Gunslinger,

und herzlich willkommen hier.

Grundsätzlich machen es gerade bei diesem Thema ja viele gern, dass sie es für einen Krimi missbrauchen, ohne auch nur eine Minute in Recherche zu stecken.
Das fällt mir auch bei dieser Geschichte auf. Du hast die Lieschen Müller Fantasie zu Schizophrenie genommen, um daraus einen sicherlich nicht unspannenden, etwas wirren Plot zu basteln.
Der erste Fehler ist schon mal das Verwechseln von Schizophrenie und dem multiplen Persönlichkeitssyndrom, das du hier eher beschreibst.
Der darf passieren, weil zweiteres hier in Deutschland als Krankheit oder Neurose nicht anerkannt wird. Insofern kannst du auf Schizophrenie ausweichen.
Aber auch da wissen die unterschiedlichen Personen oft nichts voneinander.
Das Töten einer Person allerdings mag der Spannung dienen, ist aber schon deshalb ungebräuchlich, weil die Spaltung ja zumeist aus Lebensbedrohung geschieht, wie auch bei dir bei einem Unfall. Auf Lebensbedrohung wird also höchstens mit einer weitere Spaltung reagiert werden und eine neue Person entsteht. Das Lebensalter Manuels und Unfallzeitpunkt identisch sind gehört ebenso zu diesen Fantasien, die bei einem bisschen Beschäftigung mit dem Thema schon revidiert werden müssten. Das hieße ja, da wäre ein mächtiger Säugling entstanden.
Und mit dem Möglichkeiten der Pharmazie, die du ja zur Auflösung benutzt, ssowie den Bedingungen für Tests an Menschen, hast du dich auch überhaupt nicht besschäftigt.

Auch fiktive Geschichten müssen plausibel sein. Was ist es für eine Geschichte, wenn der Autor keine Ahnung hat, wovon er schreibt?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim, danke fürs Hallo und die ausführliche Kritik.

Der Wunde Punkt ist sicher das Krankheitsbild: Die multiple Persönlichkeit kommt dem Ganzen sicher näher.

Meine Geschichte soll nicht in erster Linie ein Portrait einer Krankheit sein. Vielmehr will ich dem Gedanken nachgehen: Wenn die Therapie eines Menschen darin besteht, die verschiedenen anderen Persönlichkeiten zu zerstören (und diesen Ansatz gibt es, auch wenn er heutzutage glücklicherweise durch konstruktivere Therapieansätze abgelöst wird), wie reagieren solchermassen bedrohte Persönlichkeiten?

Dazu, das gebe ich gerne zu, habe ich Problematik und "Lösungsansatz" stilisiert und auf die Spitze getrieben. Wie gesagt, es sollte nie ein medizinischer Text entstehen.

So auch das "Alter" der zweiten Person: Natürlich entstand kein Säugling, das habe aber weder ich noch einer der Protagonisten behauptet. Tatsache ist lediglich, dass es Manuel seit acht Jahren gibt.

Bleibt noch der "nicht unspannende" (danke), "aber etwas wirre" (?) Plot. Wirklich so unverständlich?

Gruss

 

Hallo Gunslinger,

also das war wenigstens originell.

Ich persönlich bin aber nicht so schnell in der Story gelandet, wie sie schon zuende war. OK, ich bin auch ein Freund schnell und kurz erzählter Geschichten, aber der Knackpunkt, wo ich hängen geblieben bin, war der:

"Sie werden meiner Sprache bereits angemerkt haben, dass ich kein gewöhnlicher Achtjähriger bin. Wenn Sie mir auf der Strasse begegnen, werden Sie mich für sechs/siebenundzwanzig halten."

Ich selbst kam nicht auf das Phänomen der Persönlichkeitspaltung und habe mich gefragt, in was für 'n falschen Film ich hier gelandet bin...

Musst Du diese Passage setzen? Sie könnte andere Leser auch irritieren, oder?

LG
WU

 

Hallo Gunslinger,

So auch das "Alter" der zweiten Person: Natürlich entstand kein Säugling, das habe aber weder ich noch einer der Protagonisten behauptet
Der Eingangssatz deiner Geschichte hat mich aber zumindestens gleich in diese Lesart gebracht.

Ein weiterer Gedanke. Wenn Lea ihren Freund im Spital besucht, wird sie um seine Krankheit wissen. Da auch Manuel im Körper von Mark aufstehen muss, um die Verwüstung anzurichten, erscheint es mir etwas irritierend, wenn sie am nächsten Morgen aufsteht und nichts mitbekommen hat. Dass Mark diesen Zeitausfall hat und denkt, er hätte geschlafen, ist konsequent. Aber dass eine Frau mit diesem Vorwissen eine solche Aktion verschläft?
Allgemein wäre eventuell in der Beziehung Lea-Manuel eine Vertiefung möglich.
Sie müsste doch beiden begegnen?

Lieben Gruß, sim

 

Also wie ich sehe, schulde ich euch noch 1-2 zusätzliche Absätze in der Geschichte, wie? ;-)

Ich setz mich mal dran, mal schau'n wie viel ich über'n Haufen werfen und was ich beibehalten werde.

Allgemein wäre eventuell in der Beziehung Lea-Manuel eine Vertiefung möglich.

Auch das wäre sicher spannend, habe ich im ersten Moment aber bewusst ausgelassen, da ich die Geschichte nicht ausufern lassen wollte. Wer weiss, vielleicht nehme ich's dann doch rein.

 

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