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Unbemerkt

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29.12.2020
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Unbemerkt

Unsichtbar stolperte Gregor die Treppe runter. Wie jeden Morgen war er pünktlich um 06.00 Uhr vom Wecker geweckt worden, hatte geduscht, sich rasiert, angezogen, Rührei mit Toast gefrühstückt, Zähne geputzt und dann seine Wohnung um genau 07.05 Uhr verlassen und wollte das Treppenhaus runter zur Straße gehen, um dort die Buslinie Fünf zur Stadtmitte zur nehmen, um zu arbeiten. Doch als er nach unten auf die Stufen vor sich blickte und seine eigenen Beine, Füße und Schuhe nicht sehen konnte, verlor er das Gleichgewicht, strauchelte und landete unverletzt und doch schmerzhaft auf dem staubigen Boden des Treppenhauses. Geräuschlos.
Er schaute an sich runter. Wo seine Beine, sein Oberkörper und seine Arme sein sollten, sah er nichts. Noch immer vom Sturz verwirrt, schloss er seine Augen, massierte sich die Schläfen und hielt die Hände vors Gesicht. Langsam öffnete er seine Lider und durch seine Handflächen, die auf seinen Augen lagen, konnte er seinen Nachbarn sehen, der jetzt routiniert die Treppe nahm und an ihm vorbeiging, als wäre Gregor unsichtbar. Er wollte etwas sagen, stammelte, doch nicht ein Laut kam aus seinem Mund.

Fassungslos rappelte sich Gregor wieder auf. Auf wackeligen Beinen tastete er sich raus auf die belebte Straße. Eilig wich er den unzähligen Passanten aus, die ihn nicht beachteten, bis er vor einem geparkten Auto stoppte und sich im Seitenspiegel suchte. Nur wenige Zentimeter von seinem Auge entfernt sah er bloß die Leute hinter sich, die sich vor ihm spiegelten. Da wurde er ganz panisch, wollte schreien und brüllen, aber er blieb stumm und unbemerkt.
Verstört und ernsthaft davon überzeugt, verrückt geworden zu sein, ging er zu den Leuten, machte wilde Gesten, rief laut und stellte sich ihnen in den Weg, doch niemand sah oder hörte ihn und trotzdem wichen sie ihm aus. Fast erschien es, als würden sie ihn unterbewusst wahrnehmen und ihm ausweichen.

Da fiel sein Blick auf die alte Straßenuhr mit dem langen Zeiger kurz vor der drei und ohne nachzudenken rannte Gregor los. Von der Routine getrieben, jeden Morgen um 07.32 Uhr bei der Bushaltestelle die Linie Fünf zu nehmen, vergaß er seine seltsame und missliche Lage. Als wäre ein dickes Seil fest an ihn gebunden, zog es ihn durch die Leute, denn er musste pünktlich bei der Arbeit sein. Unsichtbar oder nicht, er musste es. Durfte nicht fehlen, denn er hatte noch nie gefehlt, war nie unpünktlich gewesen, nur ganz früher, aber seit Jahren nicht mehr und sein Chef verließ sich auf ihn. Mit diesen Gedanken rannte Gregor zur Haltestelle. Er kannte den Weg, denn er war ihn seit Jahrzehnten jeden Wochentag gegangen. Früher hatte er sich an Kollegen und Vorgesetzten gerieben, war ein lauter Spaßvogel gewesen, doch inzwischen war er ein respektvoller und anständiger Mensch, der niemals zu spät kam.
Unendlich erleichtert erreichte er atemlos den Bus und stieg ein, froh, dass er rechtzeitig angekommen war. Was passiert wäre, hätte er es nicht geschafft, wollte er sich gar nicht vorstellen.

Als Gregor pünktlich ins Büro trat und sich an seinen Arbeitsplatz setzte, stellte er fest, dass niemand merkte, dass er fehlte. Jeder saß still neben dem anderen, tippte auf der Tastatur und klickte mit der Maus. Alle waren in ihre Arbeit vertieft und niemand wunderte sich, dass sein Platz leer, doch sein Computer angeschaltet war. Wenn jemand mal von seinem Rechner aufsah, war der Blick apathisch und abwesend. Und so arbeitete Gregor, wie er es jeden Tag tat. Irgendwann rief sein Chef ihn und seine Kollegen ins Besprechungszimmer. Er hatte einen Vortrag vorbereitet und stellte ihnen gelangweilt die neue Produktlinie vor, während sein Blick von der Uhr über die Leinwand hinter ihm auf den Computer vor ihm wanderte, ohne den leeren Platz zwischen den anderen zu bemerken. Niemand hörte zu und bemerkte etwas.

Als er am frühen Abend nach Hause kam, in Gedanken vertieft, nachdenklich und besorgt, begrüßte seine Freundin ihn, ohne ihn direkt anzusehen. Sie hatte Essen vorbereitet und es bereits vor den Fernseher gestellt. Froh, endlich mit jemandem sprechen zu können, ging er ihr nach und fragte sie, ob sie ihn sehen könne, erzählte von seinem schrecklichen Tag. Aber sie schaute nicht auf. Also fragte er sie nochmal, lauter und energischer, doch wieder schien sie ihn nicht hören oder sehen zu können. Er packte ihre Hand, wollte, dass sie ihn ansah, doch sie löste sich wie von selbst und schaltete den Fernseher an. Und so nahm sich Gregor seinen Teller, setzte sich still neben sie und gemeinsam schauten sie schweigend auf die leuchtenden Pixel des Bildschirms. Auch sie konnte ihn nicht hören oder sehen.

Am nächsten Morgen unter der Dusche kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht schon immer unsichtbar gewesen war, es aber erst gestern bemerkt hatte. Konnte das sein?Diesen erschreckenden Gedanken schob er aber schnell ab, denn er war sich sicher, als er seine Freundin vor fünf Jahren kennengelernt hatte, musste sie ihn schon gesehen und gehört haben. Auch hatten sie und seine Kollegen bei der Arbeit immer über seine Witze gelacht. Damals hatte man ihn gesehen, gehört und gemocht. Jetzt lachte niemand mehr. Wann hatte das angefangen?

Im Bus auf dem Weg zur Arbeit saß er jetzt nicht mehr still auf seinem Platz ganz vorne links, sondern belegte zwei Plätze, machte sich breit und studierte die Leute um sich herum. Die meisten waren genauso langweilige Pendler wie er, trugen Krawatten, tippten auf ihren Handys oder schauten stur aus dem Fenster. Keiner von ihnen schien besonders interessant und niemand blickte sich um oder lachte gar, als Gregor bei jeder Haltestelle die Stimme der Ansage erneut wiedergab, mit mal amerikanischem mal chinesischem Akzent.
Davon so deprimiert und sich seiner Situation erstmals vollends bewusst, schrie er um sich, jammerte laut und stampfte mit den Füßen, doch niemand guckte. Er wollte sie ohrfeigen und anbrüllen, doch sein Elend überwog seine Wut und so stieg er friedlich aus und gab auf und ging seinem schrecklichen Alltag nach.

Eines Abends, Wochen oder Monate später, kam Gregor nach Hause und fand seine Freundin nicht mehr. Erst hatte er gedacht, sie müsste ihn verlassen haben, doch dann sah er das Essen und die beiden Teller auf dem Tisch vor dem Fernseher. Nur sie fehlte. Sonst hatte sie ihn immer begrüßt und ab und zu etwas gesagt oder erzählt, wie ihr Tag gewesen war, doch jetzt war alles still und leer.
Sie hatte gerade erst einen neuen Job angefangen. Früher hatte sie ihren eigenen Modeladen betrieben, hatte Kleider und schicke Hüte entworfen und selbst angefertigt, hatte sogar einige Angestellte, doch als das monatliche Geld immer weniger wurde, ihre Mitarbeiter einer nach dem anderen entlassen werden mussten, hatte sie schließlich ihren Traum aufgegeben und arbeitete jetzt für einen großen Modekonzern und verkaufte Schuhe.

Am nächsten Tag fiel Gregor auf, dass der Tisch im Besprechungsraum immer weniger besetzt war und dafür immer mehr Stühle vor eingeschalteten Computern leer waren. Selbst im Bus und auf der Straße schien es ihm, als sei es etwas stiller als sonst. Was war nur passiert?
Als eines Tages auch sein Chef unsichtbar war, begann Gregor sich zu wundern, dass trotzdem noch alles in der Welt zu funktionieren schien. Ihr Konzern ging nicht pleite, die Buslinie fünf wurde immer noch gefahren, obwohl es nur noch ein paar erkennbare Gäste pro Tag gab und auch alles andere nahm seinen Lauf. Alles funktionierte, wie ein gut geöltes System aus Zahnrädern, wo jeder seinen Teil erfüllte und so das System am Leben gehalten wurde. Jeder sah auf sich selbst, passte auf, dass alles stimmte und gut war. Nach links und rechts musste niemand gucken, denn es passte ja alles und das System funktionierte. Und so lebten die Menschen gemeinsam einsam aneinander vorbei.

Vielleicht, dachte Gregor, war er garnicht unsichtbar. Vielleicht sah ihn einfach niemand mehr richtig an. Dann war nicht er das Problem, sondern nur die Leute. Er wusste es nicht und als er zu seinen Beinen sah, musste er den Gedanken wieder verwerfen. Also waren die Unsichtbaren doch das Problem. War es ihre Schuld, dass sie sich so unauffällig und dezent kleideten, dass man sie bald nicht mehr sehen konnte, dass sie so routiniert grüßten, dass man sie bald nicht mehr hören konnte, dass sie so durchschnittlich, anständig, ja so normal waren, dass man nur schaute, aber nicht sah?
Sollte er einfach weiter nach Aufmerksamkeit suchen und würde das überhaupt jemals etwas bringen oder sollte er sie lieber geben und andere vor seinem Los bewahren?

Jahre vergingen und inzwischen waren die Busse völlig leer, jedes Auto ohne Fahrer, jede Firma ohne Angestellte und das einzige was man auf den Straßen hören konnte, waren die Geräusche der Autos. Gregor hatte den Versuch, beachtet zu werden, insofern aufgegeben, als dass er jede Hoffnung hatte fallen lassen und stattdessen so lebte, wie er es wollte und es sogar irgendwie genoss.
Er war an einem Punkt angekommen, an dem er sich an alles gewöhnt hatte. Ja, er hatte sich sogar angepasst und die guten Seiten dieses Lebens wiedergefunden. So trug er keine grauen Krawatten und ordentliche Schuhe mehr, sondern ging auch mal in Jogginghose oder in einer knallroten Badehose zur Arbeit. Er machte sich laute Musik an, die sonst Menschen gestört hätte, und summte und sang fröhlich mit. Wenn ihm langweilig wurde, nahm er sich ein Buch und las während er arbeiten sollte. Auch hatte er seinen sonst so streng befolgten Zeitplan verworfen, stand nicht mehr jeden Morgen um 7.32 Uhr an der Haltestelle, sondern ließ sich Zeit und ging die Dinge langsamer und mit Ruhe an. Wenn niemand merkte, dass er spät kam, war er garnicht spät.
Er lebte zufrieden und doch unerfüllt. Lebte zwar nicht, als könnte ihn niemand mehr sehen, aber so, als wäre es ihm egal, dass sie es konnten.

Einen echten Menschen gesehen hatte er lange nicht mehr. Manchmal meinte er zu spüren, wie jemand schnell an ihm vorbei ging, vielleicht eilig zur Arbeit rennend, oder wie jemand dicht neben ihm stand. Sehen oder hören konnte er sie nie, aber er versuchte sie zu spüren, denn sie waren da. Auch verstand er jetzt, wie die Leute ihn zunächst zwar nicht bemerkt, aber ihm doch ausgewichen waren, denn es war, als würde man sie in seinen Augenwinkeln noch sehen können. Ohne darauf achten zu können und nur selten bemerkt, wich man etwas aus, das nicht da war. Man spürte einen Blick auf sich, sah sich um, und ging dann weiter.

Er setzte sich auf eine Parkbank und schaute auf den großen Fluss vor sich, hörte das Rauschen des Wassers und das Zwitschern der Vögel und plötzlich eine erregte Stimme. Sofort drehte er sich um, denn er wusste nicht, wann er zuletzt eine echte Stimme gehört hatte, nicht in Hörbüchern oder Podcasts, sondern echt. Eine junge Frau in einem grellen sonderlichen Kleid, das sie aber offenbar schön fand, telefonierte, während sie am Fluss entlang ging. Fasziniert beobachtete Gregor sie, lauschte ihrer Stimme und hörte zu. Eine Weile stand sie vor dem Fluss, sah in den Sonnenuntergang, dann setzte sie sich neben ihn auf die Bank, noch immer mit dem Handy am Ohr. Sie lachte, hörte und stimmte zu, erzählte und lachte wieder. Gregor genoss es, sie beobachten zu können, zu sehen, wie sie sich freute oder ärgerte und freundlich lachte. Eine Stimme in ihm sagte, er solle sie ansprechen, doch sein Verstand erinnerte ihn, dass sie ihn weder sehen noch hören könne. Sie würde niemals unsichtbar werden, da war er sich sicher, denn ihre ganze Art, das Lachen, die Mimik, die Gestik und auch ihr Aussehen waren besonders. Nicht unbedingt auffallend oder sonderlich anziehend, aber eben eigen. Nicht durchschnittlich, nicht alltäglich. So wie er mit mit seiner Lederhose und dem Hawaiihemd.

Als sie aufstand, um zu gehen, überlegte er kurz, ihr nachzugehen, doch entschied dann doch anders. Da fiel ihm ihre Jacke auf, die sie über ihr Kleid getragen hatte, was seltsam, aber lustig ausgesehen hatte, die jetzt noch immer neben ihm auf der Bank lag, denn sie hatte sie irgendwann abgelegt. Gregor war sich nicht sicher, doch vielleicht hatte seine Freundin diese Jacke entworfen, denn der leicht skurrile Schnitt schien ihm bekannt zu sein. Früher hatte er auch von seiner Freundin gefertigte Kleidung getragen, bis er es irgendwann doch ließ, denn die vielen Blicke und Späße auf der Arbeit hatten ihn gestört.
Deswegen nahm er die gefaltete Jacke, fand die Signatur seiner Freundin auf der Innenseite und war froh, damit einen Grund zu haben, der Frau doch noch zu folgen, denn wäre es eine gewöhnliche dunkle Jacke gewesen, wie sie jeder und jede trug, hätte er sie bestimmt einfach liegen lassen.
Als er nur noch ein paar Schritte hinter ihr war, rief er ihr nach. Er hatte sich nichts davon erhofft, doch es erschien ihm trotzdem irgendwie angemessen. Überrascht drehte die Frau sich um und sah ihn an.

 

Hallo Max,

hat mir gefallen, deine mich an Gregor Samsa erinnernde Geschichte.
Verstehe nur nicht, warum ihn keiner hören kann, er ist ja unsichtbar, nicht taub.
Auch, dass keiner seine Arbeitszeit mehr wissen würde, wo er doch am Computer arbeitet, dessen Bildschirm leuchtet.
Vielleicht mache ich mir auch nur zu viele Gedanken und blende solche Randdinge einfach nicht aus.

Schön, dass immer mehr Menschen unsichtbar werden. Das fand ich überraschend. Doch wie genau erkennt er das? Er kann sie ja weder sehen noch hören ...
Aber egal. Ich finde, die Geschichte funktioniert auch so.
Und das Ende ist toll.

Liebe Grüße, GoMusic

 

@Ronnie und @GoMusic,

Danke für das Lesen und Kommentieren! Freut mich, dass die Geschichte euch gefallen hat.
Ein paar Dinge wirken vielleicht noch nicht ganz rund, da werde ich mal gucken ob und wie ich das ändern kann.

Ich wünsche euch schonmal ein schönes Wochenende!

Viele Grüße!
Max

 
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Damals hatte man ihn gesehen, gehört und gemocht.

Und so lebten die Menschen gemeinsam einsam aneinander vorbei.

Nun nach David Riesmanns „einsamer Masse“ und vor allem Niklas Luhmanns’ „System-“ und vor allem „Regeltheorie“ nun Kafka, dessen Gregor S. -nun (haus)namenlos und unsichtbar zwischen Arbeitsstätte und Wohnung hin und herpendelnd und damit Riesmans meinungs- und vor allem verhaltensleitende „Peergroup“ durch den „Arbeitsvertrag“ ersetzt (wäre interessant, wie sich die Home-office-Wurzeln hierzulande weiterentwickeln … am wahrscheinlichsten wird der Status des Scheinselbständigen, i. d. R. nicht organisiert und wenn, dann auf keinen Fall gewerkschaftlich) sich durchsetzen, der Auftraggeber - bisher „Chef“ – bezahlt nicht nach Zeit, sondern Lieferung. Modern Times halt!

Und nebenbei fällt mir auf, dass Du Dich an Sätze kleist’schen Formates herantraust, Kleist, dessen Leben selbst einige kafkaeske Züge trägt (den zerbrochenen Krug z. B. brachte Goethe zur Urauffühung, die ein Reinfall wurde, weil Goethe an der Struktur der ersten deutschsprachigen Komödie herumfingerte. Kollegen sind auch schon mal unkollegial.
Manche halten „Minna von Barnhelm“ für eine Komödie … Selbst wenn es ein verständiges Lächeln hervorruft - ich halts für ein Lehrstück im Brechtschen Sinne.

Aber zurück zu Deinem kafkaesken Gregor!

Diese Zwickmühle, ein Nichts und Niemand zu werden, mag sich in zwei Dingen offenbaren, die mir direkt zu Anfang auffallen und sich in Deinem Stil wiederholen – die Possessivpronomen „sein“ und die Schulgrammatik, die sich in einer an sich unnötigen Flut an Hilfsverben und in der Folge Partizipienreiterei offenbart, und analog zum Possessivpronomen ist es vor allem das besitzanzeigende „haben“, das sich mit dem Possessivpronomen verschwistert.

Wie jeden Morgen war er pünktlich um 06.00 Uhr vom Wecker geweckt worden, hatte geduscht, sich rasiert, angezogen, Rührei mit Toast gefrühstückt, Zähne geputzt und hatte dann seine Wohnung um genau 07.05 Uhr verlassen und wollte das Treppenhaus runter zur Straße gehenKOMMA um dort die Buslinie Fünf zur Stadtmitte zu[...] nehmenKOMMA um zu arbeiten.

Wo seine Beine, sein Oberkörper und seine Arme sein sollten, sah er nichts.
(wo gar unfreiwillig, weil grammatisch erzwungen, „sein“ als Hilfsverb auch noch auftaucht)

Klar, ist da (bis auf ein Komma und ein mutmaßlicher Tippfehler - da, wo jetzt die drei Punkte regieren) nix falsches, aber Schulgrammatik und Kafka passen nicht so recht zu einander.

Dabei eröffnet die Einleitung „wie jeden Morgen …“ die Möglichkeit, zusammengesetzte Zeiten - wenn schon nicht immer - immerhin zu vermeiden. Ich geb mal ein kurzes Beispiel im Futur, wenn es heißt, „morgen werde ich kommen“, das als historisches Futur zu „morgen komm ich“ alle Bedingungen erfüllt, verstanden zu werden.

Den Zauber ermöglichen vor allem temporale Adverbien wie bald, damals, (verwendestu weiter unten), gestern, morgen, nach- und vorher und -hin, wenn usw. usf.

Und wessen Beine, Arme und Körper das sind, weiß selbst der unaufmerksame Leser, wenn nur eine Person erwähnt wird.

Zunächst das einfachere als Beispiel
„Wo seine Beine, der Oberkörper und die Arme sein sollten, sah er nichts.“
als Beispiel und nun zum kleistschen Einstieg
"Wie jeden Morgen wurde (oder kleist’sch „ward“) er pünktlich um 06.00 Uhr vom Wecker geweckt, duschte, rasierte sich , zog sich an (oder „kleidete sich“), frühstückte …“ usw. usf.

Nun zur
Flusenlese, da wird sich einiges mit meinem Vorredner - "schreiber" wäre ja was ganz anderes - überschneiden wird, @Rob F wird mir verzeihen - hoff ich doch ...

, der jetzt routiniert die Treppe nahm und an ihm vorbei ging, als wäre Gregor unsichtbar.
vorbeigehen, ein Wort

Eilig wich er den unzähligen Passanten aus, die ihn nicht beachtetenKOMMA bis er vor einem geparkten Auto stoppte und sich im Seitenspiegel suchte.

Fast schien esKOMMA als würden sie ihn unterbewusst wahrnehmen und ausweichen, obwohl sie ihn nicht direkt sahen.
„erschien“ es oder „schien es zu sein“ (scheinen als Modalverb unterliegt den gleichen Regeln wie „brauchen“), hier gehts doch
Als eines Tages auch sein Chef unsichtbar war, begann Gregor sich zu wundern, dass trotzdem noch alles in der Welt zu funktionieren schien.

Von der Routine getrieben, jeden Morgen um 07.32 Uhr bei der Bushaltestelle die Buslinie fünf zu nehmen, …
hier zeigt sich ein bisschen Unkonzentriertheit, denn weiter oben wird die Linie „Fünf“ korrekt dargestellt ...

Was passiert wäre, hätte er es nicht geschafft, wollte er sich garnicht vorstellen.
„gar nicht“ wird gar nicht zusammengeschrieben! Kommt noch mal vor (Suchfunktion nutzen!, garnicht eingeben und ab die Post!)

Alle waren in ihre Arbeit vertieft und niemand wunderte sich, dass sein Platz leer war, doch sein Computer angeschaltet war.

Und so arbeitete GregorKOMMA wie er es jeden Tag tat.

FrohKOMMA endlich mit jemanden sprechen zu können, …

Hier schnappt m. E. die Fälle Falle zu

..., als Gregor bei jeder Haltestelle die Stimme der Ansage erneut wiedergab mit mal amerikanischen mal chinesischen Akzent.
„mit“ erzwingt den Dativ ...ischem Akzent

Sonst hatte sie ihn immer begrüßt und hatte ab und zu etwas gesagt oder erzähltKOMMA wie ihr Tag gewesen war, doch jetzt war alles still und leer.

Er machte sich laute Musik an, die sonst Menschen vielleicht verstört hätteKOMMA und summte und sang mit.

Wenn ihm langweilig wurde KOMMA nahm er sich ein Buch und las während er arbeiten sollte.

Gregor genoss es KOMMA sie ansehen zu können, zu sehenKOMMA wie sie sich freute oder ärgerte und freundlich lachte.

Eine Stimme in ihm sagte ihmKOMMA er solle sie ansprechen, doch sein Verstand sagte ihm, dass sie ihn weder sehen noch hören werde können.

Als sie aufstandKOMMA um zu gehen, überlegte er kurzKOMMA ihr nachzugehen, doch ...


Früher hatte er auch von seiner Freundin gefertigte Kleidung getragen, bis er es irgendwann doch gelassen hatte, denn die vielen Blicke und Späße auf der Arbeit hatten ihn gestört.
Früher und bis ermöglichen, die zusammengesetzten Zeiten zu „vereinfachen“. Versuch mal selber
Deswegen nahm er die hübsch gefaltete Jacke, fand die Signatur seiner Freundin auf der Innenseite und war frohKOMMA damit einen Grund zu haben, der …

Wie dem auch sei, trotz aller Anstrengung gerne gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Max88

Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Eine Geschichte aus dem Leben denke ich. Alle können unsichtbar werden mit der Zeit. Wenn wir nicht aus Gewohnheiten ausbrechen. So wie dein Prota am Schluss der Geschichte. Die Hoffnung macht.
Er hebt die Jacke auf und ist damit schon dabei, etwas zu ändern.
Ich fand den Schluss sehr schön.

Als er am frühen Abend nach Hause kam, in Gedanken vertieft, nachdenklich und etwas besorgt, begrüßte seine Freundin ihn, ohne ihn direkt anzusehen. Sie hatte Essen vorbereitet und es bereits vor den Fernseher gestellt. Froh endlich mit jemanden sprechen zu können, ging er ihr nach und fragte sie, ob sie ihn sehen könne, erzählte von seinem schrecklichen Tag. Sie schaute nicht auf. Also fragte er sie nochmal, lauter und energischer, doch wieder schien sie ihn nicht hören oder sehen zu können. Er packte ihre Hand, wollte, dass sie ihn ansah, doch sie löste sich, wie von selbst und schaltete den Fernseher an. Und so nahm sich Gregor seinen Teller, setzte sich neben sie und gemeinsam schauten sie schweigend auf die leuchtenden Pixel des Bildschirms vor sich. Auch sie konnte ihn nicht hören oder sehen.
Ein Blick in Feierabendwohnzimmer. Klischee der Arbeitnehmer bedient.
Ich denke jedoch es ist der Wahrheit geschuldet.

Freue mich auf mehr von Dir
Lieber Gruß CoK

 

Hallo @Rob F und @Friedrichard ,

Auch euch Danke, dass ihr euch die Zeit zum Lesen genommen habt, gerade da ich ja leider so viele Fehler und unschöne Wiederholungen oder Formulierungen habe. Sorry dafür. Vielen Dank aber für die Mühe und das Aufzeigen, denn das ist es warum ich hier schreibe und lese, um meinen Stil zu verbessern, wie wahrscheinlich jeder. Ich hoffe, dass das nicht zu anstrengend war..
Nächstes Mal lese ich mir den Text noch öfter durch vorm Hochladen. Und das mit der Suchfunktion habe ich mir aufgeschrieben, den Tipp merke ich mir ;)

@CoK
Danke fürs Lesen und Kommentieren! Freut mich, dass der Text Dir gefallen hat.

Euch allen wünsche ich ein tolles Wochenende!

Liebe Grüße!
Max

 

Hallo @nothing,

Danke fürs Lesen und für deine Kritik!
“Anomalisa“ kannte ich noch nicht, steht aber jetzt auf meiner Watchlist ;)

Mir missfällt die Idee, dass die Überwindung der Unsichtbarkeit letztendlich nur von der Achtsamkeit anderer abzuhängen scheint, so wie es das Ende nahelegt.
Meine Grundidee war eigentlich gewesen, dass jeder sich in der Gesellschaft ein wenig verstellt, weil es einfacher und bequemer wird, wenn man nicht mit Jogginghose zur Arbeit geht oder laut Musik mitsingt, und es deswegen irgendwann lässt, wobei man auch einen Teil seiner selbst damit aufgibt. Und wer sich zu sehr anpasst, so unauffällig wird, so systemtreu und passend, ja passiv, der wird auch garnicht mehr wahrgenommen, weil er einfach zu normal ist. Man wird also dann unsichtbar, wenn niemand einen mehr bemerkt, also auch nicht mitkriegen wird, dass man unsichtbar wird. Als Gregor dann aber beginnt wieder er selbst zu sein, sich nicht zu verstellen und sich auszuleben und dann als letztes noch “achtsam“ und freundlich zu jemand Fremdem ist, da wird er eben wieder sichtbar. Ich habe probiert dies in der Geschichte zu erzählen und zu transportieren ohne, dass es zu auffällig ist und habe da auch mit Absicht bisschen was offen gelassen, aber anscheinend bisschen zu viel. Mal gucken was ich da ändern kann.

Um den Bogen zu deiner Geschichte zu spannen: Ich finde dein Protagonist hinterfragt nicht (ernsthaft) genug, inwieweit er selbst und jeder Einzelne für die Misere verantwortlich ist.
Das stimmt, Danke fürs Aufzeigen, war ich vielleicht zu eilig dran mit der geplanten Handlung und dem Schreiben.
absurde Potenzial
Da überlege ich mal, was mir noch einfällt.

Danke für die konstruktive Kritik und ein schönes restliches Wochenende!

Viele Grüße!
Max

 

Hallo @Max88 ,

schöne Geschichte! Ich habe sie wirklich sehr gern gelesen.
Es war tatsächlich sehr interessant in die Welt von einem Unsichtbaren einzutauchen. :)
Auch die Idee, dass immer mehr Leute unsichtbar werden gefällt mir.
Dass da dann diese eine Frau ist, die nicht unsichtbar ist, finde ich gut.
Allgemein gefällt mir deine ganze Message hinter der Geschichte...

Ein bisschen seltsam finde ich es zwar, dass man nicht sprechen kann, wenn man unsichtbar ist, aber das passt schon...

LG chouette

 

Hallo @chouette,

Danke für deinen netten Kommentar und das Lesen :)

Ein bisschen seltsam finde ich es zwar, dass man nicht sprechen kann, wenn man unsichtbar ist, aber das passt schon...
Ja, da werde ich mich noch dransetzen und die Logik der Geschichte bissl verändern, hoffentlich zum Guten. Mit unsichtbar meinte ich nämlich nicht nur, dass man nicht mehr gesehen werden kann, sondern, dass man nicht mehr bemerkt und wahrgenommen werden kann. Der Titel lenkt vielleicht auch ein bisschen davon ab..

Viele Grüße!
Max

 

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