Ungerecht?
„Tim!“
Die Stimme des Lehrers durchbrach donnernd die Stille des Raums.
„Ja?“
Er versuchte beiläufig zu klingen, was ihm aber nicht gelang. Seine Stimme
zitterte.
Nein, dass war nicht möglich, schoss es ihm durch den Kopf, er konnte, er
durfte es einfach nicht gesehen haben!
Ängstlich schaute er den Lehrer an, der inzwischen direkt vor ihm stand.
Sein Gesicht war puterrot und sein Atem machte das Geräusch einer
Dampfwalze. Langsam öffnete sich sein Mund wie ein riesiger Schlund, aus dem
nun Worte stürzten, die Tim brutaler vorkamen als irgendein körperlicher
Schmerz, den er je erlebt hatte.
„Du hast schon wieder abgeschrieben, Tim! Ist es nicht so, Tim? Du weißt,
was das bedeutet, Tim! Oder, Tim? Du bekommst eine 6 und ich werde deine
Eltern anrufen. Du kannst jetzt gehen. Aber schön leise, Tim!“
Er hasste es, wenn jemand so mit ihm sprach. Was aber noch viel schlimmer
war, war die schlechte Note in Mathe.
Jetzt bloß nicht weinen, nicht vor der ganzen Klasse, dachte er. Schnell
raffte Tim seine Sachen zusammen und ging. Nach einiger Zeit kam er am Hafen
an. Hier waren seine besten Freunde: die Möwen. Mit ihnen konnte man
stundenlang spielen. Und nicht nur das: Für sie war er, so lange sich Brot
in seinen Händen befand, der König. Alle wollten ihm möglichst nahe sein.
Sie schrieen, bissen und fetzten sich um ihr Ziel zu erreichen. In der
Schule war es anders: Dort wollte niemand mit ihm gesehen werden.
Ein besonders großes Stück Brot landete im Schnabel einer recht kleinen Möwe.
Sofort war sie von drei weiteren umringt, die gierig auf sie einhackten. Tim
lachte: „Na los, macht sie fertig! Macht sie fertig!“