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Unglaublich, aber wahr: Die Jury präsentiert die Gewinner!
Hallo ihr Lieben,
zunächst eine dicke Entschuldigung, dass es sooo lange gedauert hat! Ich selber hatte plötzlich mehr um die Ohren, als mir (und dem Challenge) gut tat, meine Jury brach plötzlich in sich zusammen und nur dank der Tatkräftigen Unterstützung einer Notjury konnte nun doch noch alles ein gutes Ende finden.
In der Jury waren (neben mir):
carrie
George Goodnight (in manchen Kreisen auch als Goofnight bekannt)
Jynx
Euch dreien noch mal ein herzliches Danke, ohne euch wäre ich eininge Wände hochgegangen!!!
Und nun noch ein paar Worte vorweg:
wir waren erstaunt, wie unterschiedlich der einzelne Geschichten wahrnimmt. Es gibt Texte, die von einem von uns auf den ersten Platz gewählt wurden und es nur mit Mühe oder sogar gar nicht unter die Top Ten geschafft haben. Es gibt andere Texte, an denen hatte am Ende keiner wirklich etwas auszusetzen, trotzdem sind sie nicht auf dem ersten Platz - weil hier nun mal nur Platz für einen ist und wir uns entscheiden mussten. Insofern ist das Ranking nur als eine ungefähre einschätzung der Lage zu verstehen. Sicher waren wir uns, dass alle zehn Texte, die wir nun nominiert haben, es auch verdient haben.
Für alle anderne gilt, dass auch hier gute Texte entstanden sind - genauso aber auch wie (ich zitiere) "grottenschlechte im Sinne von grottenschlecht". Ein jeder möge sich anhand der vorhandenen Kritiken selbst ausmalen, wo er ungefähr steht.
Noch eine Anmerkung: Einige Plätze wurden mehrfach vergeben, das ist kein Fehler!
Und nun einen Tusch:
- 1. Platz: sim - Ausfahrt Bockel
Sprachlich wie gewohnt routiniert geschrieben, gute und teils skurrile Dialoge („...dann heiße ich Erich!“ - „Du heißt Erich.“), keine Sekunde langweilig oder unglaubwürdig. Die vorgaben wurden umgesetzt, wenn auch ein wenig geschummelt, da die Handlung vor Betreten des „Gasthauses“ einsetzt. Das Gasthaus wurde durch ein modernes Pendant, das Schnellrestaurant an einer Autobahnabfahrt, ersetzt. Auch die sprache ist teilweise grell wie die Leuchtreklame, mit der „Lara‘s Diner“ auf sich aufmerksam macht.
Die Geschichte macht nachdenklich darüber, wieweit die Abgrenzung eines schnelllebigen Heute gegenüber des angestaubten Gestern gehen muss und darf.
Der Ort ist austauschbar, obwohl ich neulich in Bockel getankt habe, ist mir Lara‘s Diner entgangen und somit wohl fiktiv, was die Austauschbarkeit noch erhöht. hier und da hätte die Story meiner Meinung nach mehr in die Tiefe gehen können, obwohl das bei einer Alltagsgeschichte, die wir hier eindeutig vor uns haben, sicher nicht leicht ist. Das Ende hätte noch etwas mehr Pep vertragen, bleibt jedoch dem insgesamt eher lakonischen Geschehen treu. - 2. Platz: Kristin - Dinner for One
Die Umsetzung ist witzig, spritzig, ungewöhnlich. Das Gasthaus selber zum Protagonisten zu machen ist mit abstand die absurdeste und auch interessanteste Idee gewesen, die in diesem Challenge hervortrat. Auch die Idee, dass sich das Haus sowohl an seinen Gästen überfrist als auch eine Alkoholvergiftung erleidet, hat uns überzeugt.
Sprachlich ist die Geschichte gekonnt umgesetzt.
Uneinig waren wir uns in dem Punkt der Einbeziehung der Challenge-Regeln: Während die einen die Idee witzig fanden, waren die anderen eher der Meinung, dass der Leser aus dem Geschehen gerissen und schmerzhaft in die Realität geworfen wird. Hin und wieder blieb die Logik auf der Strecke (wir isst ein Haus Menschen, die ja schon in seinem Inneren sind?), durch die Skurrilität des Gesamtgeschehens war dies jedoch zu verschmerzen.2. Platz: Peterchen - Ein Ort der Ruhe
Die Geschichte entwickelt sich nach und nach, und Erst am Ende begreift der Leser wirklich, was ihm da soeben vorgesetzt wurde: Das abgelegenste Gasthaus der Welt, nur im Kopf eines geistig verwirrten Menschen verborgen. Dabei wirkt es so real, dass sogar der Leser sich von Mirko belästigt fühlt, bis er begreift, was wirklich gespielt wird. Die sprachliche Umsetzung ist Dir hervorragend gelungen!
Die Gäste verlassen das Gasthaus / die Kantine, so dass ein Teil der vorgaben nicht erfüllt wurde. - 4. Platz: coleratio - Als das Eis zerbrach
Die Geschichte ist einfühlsam geschildert, die handelnden Figuren wirken glaubhaft, die Atmosphäre ist größtenteils stimmig. Deine Sprache ist sehr bildhaft, so dass es dem Leser leicht fällt, in das Geschehen einzutauchen. Gerade die Tatsache, dass die Frau sich mehr Sorgen um ihre Tochter als um sich macht und auch mit der Erkenntnis des eigenen Todes noch froh darüber ist, dass ihre Tochter lebt, ist sehr eindringlich beschrieben.
Nicht einig waren wir uns beim Titel: Auf einen Teil der Jury wirkte er abschreckend, man erwartet so etwas wie „mein schlimmstes Ferienerlebnis“, andere fanden ihn gerade einladend, weiter zu lesen. Man kann es ja nie allen recht machen...
Du gibst zu gewollt Hinweise darauf, dass mit den Gasthaus etwas nicht stimmt - das sit für den Leser nicht notwendig und auch nicht passend, denn alles was Du beschreibst, wirkt normal, dennoch empfindet Hilde es als merkwürdig, ohne dass die Merkwürdigkeit hervorgehoben wird. Die Geschichte kommt sehr gut auch ohne „merkwürdige“ Adjektive aus, ja, wird durch deren ersatzloses Streichen eine aufwertung erleben.
Hier und da holpert eine Formulierung, manchmal droht die Stimmung in richtung Pathos abzugleiten, doch mit wenigen Änderungen ist dies leicht zu reparieren.5. Platz: Dante - Stormrider
Es handelt sich um einen klassischen Horrorplot, der dennoch einzigartig wirkt. Du mischt gekommt Moderne und Mythologie, lässt die Geschichte langsam angehen, ohne dass sie auch nur einmal langweilig wirkt, und steigerst dann durch den Horror, der in Gestalt Canaimas von Außen kommt die Spannung bis zum Zerreißen. Deine Sprache ist ansprechend, bildhaft und routiniert, so dass der Leser ein rundes Lesevergnügen präsentiert bekommt.
Das Ende kommt zu abrupt, zu gleichgültig. Canaima sucht sich ein anderes Opfer, und der Alte nimmt es lapidar hin, nachdem er zuvor noch mit allen Mitteln versuchte, das Leben seines Gastes zu schützen. Zumindest eines der Jurymitglieder bedauert, dass Deine Protagonisten mit dem Leben davonkommen, aber hier sind wir - wie so oft - nicht alle einer Meinung. Nicht sicher sind wir uns mit dem Verlauf der Route 66, aber da der Ort im Endeffekt nur in einer abgelegenen Nordamerikanischen Wüste zu finden sein muss, lassen wir das gerade noch so durchgehen.6. Platz: Häferl - Aus dem Augen, aus dem Sinn?
Die Geschichte setzt sich gut mit dem Thema des Alleingelassen werdens auseinander. Du zeigst sehr schön, was passiert, wenn ein Misanthrop statt der selbstgewählten Isolation nun plötzlich in die von außen erzwungene Isolation der totalen Verlassenheit gerät. Allerdings ist der Anfang zu lang geraten, die Erklärung, warum das Gasthaus so abgelegen liegt, etwas zu konstruiert und mehr als einen aus unserer Jury hat beim Lesen die Frage gequält, warum um alles in der Welt er sich nicht ohne seinen Rollstuhl Stück für Stück die Treppe hinuntergleiten lässt, da seine Arme und sein Oberkörper ganz offensichtlich ziemlich fit sind. Sprachlich wie immer routiniert, hier und da trotz der Auswegslosigkeit voller Witz (die Szene mit den Apfelsaftpackungen kann einem schon ein Grinsen entlocken).
Die Challengevorgaben hast Du nicht recht erfüllt, da seine Freunde das Haus verlassen. Auch schienst Du Dir unschlüssig, ob Du eine Horrorgeschichte oder einen Psychothriller schreiben wolltest, so dass das Ergebnis noch durchaus überarbeitungsfähig ist.6. Platz: gori - Ich bin bereit
Die Geschichte ist sehr eindringlich geschrieben, der Zwiespalt, in dem sich der Protagonist befindet, tritt deutlich zutage. Dennoch ist der Ort beliebig austauschbar, die Challengevorgaben scheinen nur zufällig zum Text zu passen, aber der Gasthof wirkt weder besonders abgelegen noch ist der Raum in sich geschlossen - dass gerade keine weiteren Gäste hereinkommen, mag an der Tageszeit liegen, weitere Grüne findet man nicht.
Alles in allem jedoch eine sprachlich und menschlich berührende Geschichte, die nachdenklich stimmt.8. Platz: Uwe Post - Plmpfs unterm Tisch
Eine witzige Geschichte am hinterletzten Ende des Universums - und auch hier gibt es nerviges Radiogedudel, betrunkene Gäste und Annäherungsversuche ohne Einwilligung des „Objekts der Begierde“. Die SF-Elemente sind angenehm souverän eingefügt, ohne über-erklärt zu werden, die Sprache ist insgesamt rund, hier und da - vor allem in den Gedanken des Protagonisten - jedoch etwas zu jovial und dadurch zu wenig glaubhaft.
Das Gasthaus ist wirklich sehr abgelegen, ein abgeschlossener Raum ist jedoch nicht entstanden.
Insgesamt eine Geschichte mit geringem Anspruch, dafür aber anstrengenden Radiosequenzen. Wir wissen: Der Autor kann es besser!
Der Titel irritiert das Erwartungsverhalten, man glaubt eher, eine Kindergeschichte vorgesetzt zu bekommen, als SF. Ein Vorschlag: „Gut schmeck?“9. Platz: Salem - Der hier geht aufs Haus
Gleich die Ausgangssituation ist fragwürdig: wird ein kleiner Junge tatscählich von seiner Mutter in ein abgelegenes Gasthaus geschickt, um seinen Vater abzuholen? Der Plot, den du daraus entwickelst, ist zwar durchaus spannend, dennoch wirkt er konstruiert und nicht vollständig überzeugend. Deine flüssige Sprache sorgt dafür, dass es dennoch ein Lesegenuss ist, der bis zum schluss fesselt - auch wenn der Schluss schon bald vorhersehbar ist und man eigentlich nur noch darauf wartet, wie weit der Mann wohl geht, bis er dem anderen mitteilt, wer er ist.
Da abgelegene Gasthaus ist als Ort nicht zwingend erforderlich, von einer Geschlossenheit in sich kann man ebenfalls nichts merken.9. Platz: Vita - Milch und Honig
Nicht überraschend ist es, wenn vita eine Fantasy-Geschichte schreibt. Diese ist streckenweise sehr gut und anschaulich, dann wieder leidet sie unter fürchterlichen Längen, wie zum Beispiel die Suche nach dem Geheimraum. Positiv ist es, mal weder Orks noch Elben zu begegnen, und die aufdringlich-süße Katze kann es nicht nur mit dem gestiefelten Kater aus Shrek2 aufnehmen, sondern könnte auch gern ein eigenes Spin-Off vertragen.
Die Handlung hingegen plätschert so vor sich hin, schwankt zwischen phantastischen Einfällen und Stereotypien, und ganz besonders ärgerlich ist das Ende, das offen bleibt und dem Leser mehr Fragen aufgibt, als er sich zu Beginn gestellt hat. Hier scheint es fast, als hätte die Autorin einfach keine Lust (oder Zeit) mehr gehabt.
Das Gasthaus ist wirklich sehr, sehr abgeschieden und auch die Geschlossenheit des Raumes ist sinnvoll in die Geschichte eingebunden.