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Unschärfe
Der Wecker klingelte mich aus einem unruhigen Schlaf. Meine Frau drehte sich zu mir um und kuschelte sich in meinen Arm. „Bleib noch ein bisschen im Bett!“, sagte sie verträumt. Da war sie schon wieder eingeschlafen. Ich löste mich von ihr, strich meine Finger durch ihre Haare. Ich erschrak. Meine Hand war verschwommen. Ein Aquarell umwunden von feinsten Pinselstrichen. Nervös wischte ich mir den Schlaf aus den Augen und geriet in Panik. Auch die andere Hand zeigte unscharfe Konturen. Ich rannte ins Badezimmer, schaute in den Spiegel und schrie. Mein Gesicht! Ich riss das Oberteil des Schlafanzugs über den Kopf. Meine Atmung wurde schneller. Die Hose. Hilfe! „Was ist passiert?“ Meine Frau stand mit besorgter Miene in der Tür. „Warum hast du geschrieen!“ Ich zitterte. Ich spürte ihren Blick auf meinem Körper. „Jetzt sag doch schon! Ich habe dich noch nie so verängstigt gesehen.“ Sie legte ihre Hände um mich.
Ich renne davon. Ich stolpere über eine Wurzel und schürfe mir das Handgelenk auf. Der Boden ist trocken und kühl. Ich bleibe einen Moment liegen, spüre wie mein Herz gegen die Erde stößt. Wie ist das geschehen? Was ist geschehen? Meine Beine sind taub. Ich versuche mich aufzurichten, aber es gelingt mir nicht. Ich greife nach einem Ast und ziehe mich daran hoch. Ich drücke mich gegen den Baum und umklammere ihn. Gib mir Halt!
Meine Beine wackelten. Mein Körper lag schlaff in den Händen meiner Frau. In ihren Augen erblickte ich Angst. „Was ist nur los mit dir? Bitte, sag doch endlich was! Soll ich einen Arzt rufen?“
Ich schaue an mir herunter, angewidert. Ich stoße mich von dem Baum ab und renne weiter.
Ich musste hier raus. Ich lief ins Schlafzimmer zurück und zog mir hastig meine Hose und einen Pullover an. Meine Frau fing an zu weinen. „Was machst du da?“ Ich stürmte an ihr vorbei und aus der Wohnung. Sie schrie mir hinterher.
Ich erreiche die Straße. Dunkelheit ist eingekehrt. Ich laufe weiter. Ich merke es nicht mehr.
Die Straße war nass. Meine nackten Füße schienen in den Pfützen zu zerfließen. Ich rannte. Ich floh.
Ich öffne die Wohnungstür. Bis auf eine kleine Lampe im Flur ist alles dunkel.
Ich sah die Bäume kaum.
Ich gehe ins Badezimmer, nehme die Schlaftabletten aus dem Wandschrank.
Ich stoppte.
Ich schlucke eine Tablette mit Leitungswasser herunter.
Ich weinte.
Ich stecke die Tabletten in meine Hosentasche.
Ich legte mich neben sie.
Ich lege mich neben meine Frau.
Ich griff in meine Hosentasche.
Ich schlafe ein.