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Unser Sonnensystem
Workk beobachtete den Nachhimmel und klapperte aufgeregt mit den Fangscheren. Nur noch wenige Tage, bis seine Regierung das erste bemannte Raumschiff in den Weltraum schicken würde. Eine Expedition durch das Sonnensystem, bestückt mit einem Haufen Experimenten und drei tollkühnen Astronauten.
„Ich weiß, was du denkst.“, klapperte Dokan mit dem vorderen verkrüppelten Beinpaar, das nicht der Fortbewegung diente, sondern dem Erzeugen von kommunikativen Lauten.
Workk musterte sie nachdenklich. „Es muss dort Leben geben. Woher sollen die ganzen Radiosignale sonst stammen, die wir seit vielen Jahren empfangen?“
Dokan gesellte sich zu ihm und kratzte seinen gepanzerten Hinterleib mit ihrem Sporn. „Neuste Studien gehen davon aus, dass die Signale von mehreren unterschiedlichen Zivilisationen stammen müssen. Der innerste Planet Mars versendet völlig andere Wellen als der Ozeanmond Europa. Und die uralten Fragmente, die unser Sonnensystem durchstreifen und von denen einige noch Signale senden, scheinen von einer dritten fremden Intelligenz zu stammen.“
„Ich weiß“, klapperte Workk nervös. „Vier Intelligenzen innerhalb eines Sonnensystems, dass scheint unmöglich zu sein. Doch alles deutet darauf hin.“
Er scharrte sich eine kleine Kuhle in den Boden und setzte sich.
„Sol 1 wird hoffentlich Aufschluss darüber bringen. Ich wünsche, sie wäre schon gestartet, damit unser Wissensdurst zumindest ein bischen gestillt wäre.“
Dokan schob ihren Sporn tief unter seinen Hinterleib. Zufrieden freuten sich beide auf eine verheißungsvolle Zukunft.
Gahl tauchte aus der verbotenen Zone auf. Hier verbrachte er viel Zeit, ungeachtet dessen, dass die heiligen Steintafeln jedem davon abrieten, dorthin zu kommen. Seekuhgeschwätz. Er wusste, warum niemand dorthin schwimmen sollte. Er hatte das Schiff gesehen, das dort gebaut wurde. Und auch die mit Technik vollgestopfte Station.
Sicher wusste man in den verschiedenen Clans davon, dass der Führungsclan irgendwo ein Raumschiff baute, das zu den Sternen geschickt werden sollte. Alle wussten das, nur richtig interessieren, tat das kaum jemanden.
Warum Energie verschwenden, um im All irgendeinem Tiefseegespinst hinterher zu jagen? Wieso wichtige Ressourcen verbrauchen, die es ohnehin nicht genügend gab? Gahl hatte das riesige Schiff gesehen. Wie sonst sollte dieser Koloss die Anziehungskraft ihres Mondes verlassen, wenn nicht mit gewaltigen Anstrengungen und Vergeudung von wichtigen Rohstoffen?
Gahl schwamm zur Oberfläche und tauchte auf. Über sich am Himmel sah er die begehrten Glasfische. Sie schwebten hoch über dem Wasser und waren für ihn nicht zu erreichen. Als tonnenschwerer Wasseratmer ein Ding der Unmöglichkeit. Er tauchte ab und jagte einem Scharm Kobbis hinterher. Die Glasfische hatten ihn hungrig gemacht.
Als die geringelten Schwarmfische auseinander flogen und das riesige Raumschiff unter ihnen auftauchte, sah Gahl ihm unverständlich hinterher. Was für eine Verschwendung!
Das Schiff stieg auf zur Oberfläche und flog langsam und tosend in die dünne Atmosphäre.
General Zsibo inspizierte die Truppen seines Reichs mit acht seiner zwölf Augen. Er musste hoch aufragende Pseudopodien bilden, um auch noch die hintersten Soldaten erkennen zu können.
Fest drückte er das Mikrofon gegen seine Kugelmembran und straffte seinen Anzug.
„Schon immer haben wir Soldaten - also ihr alle, und natürlich auch ich – für die Verteidigung unseres Reichs gekämpft. Vor vielen Jahrzehnten war es unser allen Bestreben, die schleimigen und bösartigen Suraden, die überall unsere Länder durchstreiften, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dieses Ziel erreichten wir mit hoher Effizienz. Und auch die letzten der verwegenen Dogodins gibt es heute nur noch im Museum zu bewundern. Diese bedrohlichen, intelligente Echsen, die immer wieder den Frieden der Nation gestört haben auf der Suche nach ihrer unterirdisch wachsenden und widerlichen Nahrung.
Später behaupteten einige Opportunisten, es gäbe nun eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr für solch eine große Armee. Dieses Gerede war natürlich falsch! Vor einiger Zeit orteten wir, wie ihr alle wisst, feindliche Signale aus dem Weltraum. Bei diesen deutet vieles darauf hin, dass hier in unserem Sonnensystem - in unserer unmittelbaren Nähe – eine, oder sogar mehrere fremde Intelligenzen dabei zugange sind, unseren friedliebenden Planeten zu erobern und zu vernichten“
General Zsibo lachte heiser und bildete eine Pseudopodie, um sein wirres Haupthaar zu glätten.
„Aber was auch immer für ekelerregende Geschöpfe unseren Frieden bedrohen, wir werden ihnen zuvorkommen und erbittert zum Vernichtungsschlag ausholen, bevor sie ihre finsteren Pläne an uns durchführen können. Wir sind gewappnet! Und wir werden mit aller nötigen Brutalität zuschlagen, und zwar hier und jetzt. – Wer dazu bereit ist, möge jetzt jubeln, oder für immer schweigen.“
Ein Chor von vibrierenden Membranen brüllte einstimmig seine Zustimmung. Zsibo lachte dankbar und wies auf die drei riesigen Kugelraumer, am Ende des Platzes bereit standen.
Das irdisches Sonnensystem in ca. 4,5 Milliarden Jahren:
Die Sonne beginnt sich zu einem roten Riesen aufzublähen und verschluckt nach und nach alle inneren Planeten, bis auf den Mars. Die Temperaturen steigen, und aus bislang gefrorenen Planeten und Monden wird für einige Milliarden Jahren ein netter Ort. Zumindest dort, wo unter der Oberfläche noch Mengen an Eis lagern. Mars und der Saturnmond Titan werden lebensfreundliche Himmelskörper und der Jupitertrabant Europa wird zu einem Ozeanmond.
Wenige Milliarden Jahre später wird die Sonne ihre äußere Hülle abstreifen und ihr restliches Dasein als Weißer Zwerg fristen. Das Sonnensystem erkaltet.