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Urlaubsflirt
Ich warf einen Blick hinunter auf meine Zehennägel. Rot. Soll ja die Trendfarbe sein dieses Jahr. Mir persönlich gefiel orange oder zartrosé besser auf meinen Nägeln. Aber naja.
Gelangweilt lag ich auf meinem Liegestuhl herum und blinzelte in die Sonne. Es war ein unheimlich heißer Tag. Ständig war ich abwechselnd damit beschäftigt, mir mit meinem chinesischen Fächer Luft zuzufächeln beziehungsweise mir Flüssigkeit in Form meines Blut-Orangen-Drinks mit Schuss zuzuführen. Ansonsten passierte nicht viel. Gegen Mittag sah ich zwei junge Frauen im Hotel einchecken. Die sahen vielleicht aus. Die eine war wirklich total fett und schien es nicht mal zu merken; sie hatte ihre prallen Oberschenkel in einen knallengen Jeans-Mini gepresst und obenrum trug sie nichts weiter als ein Tankini-Oberteil. Und das war zu allem Übel auch noch gelb. Leuchtend gelb. Ihre Begleiterin hingegen schien gar keine Ahnung von Styling zu haben. Komplett ungeschminkt und in Klamotten, die einer Nonne aus dem neunzehnten Jahrhundert hätten gehören können, watschelte sie neben dem Klops her. Passend zu ihrem außergewöhnlich unerotischen Gang trug sie Jesuslatschen. Hätte man mich gefragt, ob ich es für möglich halte, dass sich heutzutage Menschen noch so auf die Straße trauten, ich hätte überzeugt verneint. So kann man sich täuschen.
Es wollte einfach nicht kühler werden. Was hatte ich auch erwartet, schließlich war nun Mittagszeit, da knallte die Sonne bekanntlich am meisten. Dennoch wollte ich unbedingt hier liegenbleiben. Zum Einen hatte ich einen tollen Überblick über den gesamten Poolbereich, und außerdem konnte meine Haut noch einiges an Bräune vertragen. Ich hatte vor meiner Abreise kaum das Solarium besuchen können, da mir letzten Monat gekündigt worden war (ich war ein paar mal zu spät gekommen und hatte mich manchmal krankgemeldet, wenn ich Menstruationsbeschwerden hatte, so circa aller zwei Wochen - was ist schon dabei?) und so hatte ich einfach das Geld nicht übrig gehabt. Das musste ich jetzt nachholen. Damit meine Haut geschont wurde, rieb ich mich nun schon zum vierten Mal am heutigen Tag mit Sonnenmilch Lichtschutzfaktor vierundzwanzig ein. Dann nahm ich einen Schluck meines Drinks. Verdammt, er war fast leer. Sollte ich etwa aufstehen und mir einen neuen besorgen müssen? Ich seufzte und erhob mich. Elegant schlang ich mir meinen rosaroten Pareo um die Hüften und setzte mich in Bewegung. An der kleinen Bar angekommen, nickte ich dem Barkeeper zu, der gerade Gläser abtrocknete.
"Hey, Junge, noch einen von dem Blut-Orangen-Dings bitte.", rief ich. Er sah mich an, nickte und nahm eins der frisch gesäuberten Gläser. Ich hatte nichts anderes erwartet. Rasch mixte er mir mein Getränk.
"Das macht dann fünf, wie immer.", sagte er unfreundlich. Ich verzog das Gesicht.
"Das ist bestimmt mein zehnter Drink, seit ich hier bin!", erinnerte ich ihn ebenso unhöflich.
"Und?"
Beleidigt nahm ich mein Glas, knallte den Schein auf den Tresen und ging. Ich ließ es mir nicht nehmen, den kleinen sandigen Weg zum Pool wie einen Laufsteg hinter mich zu bringen. Sollte er schon sehen, wem er gerade keinen Rabatt angeboten hatte. Zu allem Übel musste ich bei der Rückkehr zu meiner Liege auch noch feststellen, dass die beiden ... ähm, Wesen, die ich vorhin schon hatte bewundern dürfen, sich direkt neben mir ausgebreitet hatten - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Miss Piggy hatte sich auf ihre Liege drapiert und streckte mir beide Beine entgegen. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, dass sich die Dame mit den Nonnen-Klamotten derer mittlerweile entledigt hatte und nun - zwar weiß wie ein holländischer Käse - aber immerhin im Badeanzug zeigte. Mit einigem Ekel musste ich allerdings feststellen, dass sie gar nicht completely shaved war; zwischen ihren Beinen sah ich unansehnliches braunes Haar sprießen. Kopfschüttelnd wand ich mich ab und fächerte mir wieder Luft zu. Was hatte ich anderes erwartet?
Die Sonne blendete mich und so setzte ich meine original Prada-Sonnenbrille auf. Die hatte mich letzten Sommer stolze einhundertachtundneunzig Euro gekostet.
Nachdem sie sich von oben bis unten mit Sonnenmilch eingerieben hatte (die Tube musste jetzt leer sein), verschwand Miss Piggy mit einem lauten Platschen in den Pool. Ihre Freundin blieb neben mir zurück. Da fiel mir unweit der Bar dieser unglaublich heiße Typ auf. Er war sonnenverwöhnt braun, trug eine supersexy Sonnenbrille und fuhr sich gerade durch seine hellbraunen, gelockten Haare, die er mit Gel in Form gebracht hatte. Mich durchfuhr ein wohliger Schauer. Freu dich, heute abend hast du was vor, Baby, dachte ich und musste unwillkürlich schmunzeln.
Nachdem ich ihn eine Weile beobachtet hatte, überlegte ich, ob ich zu ihm rübergehen sollte oder doch lieber warten, bis er hierher kam. Dass er kam, war keine Frage, nur ob ich so lange warten konnte ...? Ich entschied mich, liegen zu bleiben. Als hätte ich ihn dazu aufgefordert, bewegte er sich bereits ein paar Minuten später schnurstracks in meine Richtung. Ich warf meinen Kopf in den Nacken, um meine Haare im Strahlen der Sonne glänzen zu lassen. Hatte ich es doch gewusst. Gut, dass ich nicht zu ihm hingegangen war. So musste ich es mir jetzt nicht nehmen lassen, ihn zappeln zu lassen und zunächst die Unnahbare zu spielen. Darauf stehen die Männer ja besonders. Doch bevor es soweit war, nahm ich meine Sonnenbrille ab und warf ihm einen unmissverständlichen Blick zu, als er direkt in meine Richtung schaute. Natürlich erwiderte er den Blick und blieb schließlich direkt neben mir stehen. Lasziv räkelte ich mich auf meinem Liegestuhl.
"Na, du Süße? Wie gehts?" Wie plump. Da hatte ich mehr erwartet. Aber über so was konnte ich hinwegsehen.
"Es ist sehr warm", hauchte ich.
"Ich kann dir Abkühlung verschaffen ... In meinem Hotelzimmer." Der Mann konnte Gedanken lesen. Genau das hatte ich hören wollen. Ich fächerte mir Luft zu.
"Vielleicht später", sagte ich schulterzuckend.
Was sollte ich nur anziehen? Schon in einer halben Stunde wollte ich bei dem Kerl aufkreuzen. Kai war der werte Name. Und was für einer - zum Dahinschmelzen. Nach sehr langer Suche entschied ich mich für einen roten GoGo-Overall. Der passte immerhin zu meinen Fußnägeln - und saß schön knapp. So wie ich vorhin hatte zappeln lassen, wollte ich ihm jetzt etwas bieten.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Kai war absolut erfrischend gewesen - und wirklich gut. So etwas hatte ich ja noch nie erlebt. Ich war absolut befriedigt, und das, obwohl schon seit mehr als fünf Stunden nichts mehr gelaufen war - er war nach dem dritten Mal eingeschlafen und ich schließlich auch. Aber das war schon was Besonderes. Vielleicht sollte ich mir langsam einen festen Partner zulegen. Kai war wirklich in jeder Hinsicht perfekt, das wusste ich einfach. Er sah super aus - na gut, sehr muskulös war er auf den zweiten Blick dann nicht gewesen, aber naja. Er war kultiviert, hatte viele Freunde und - das Wichtigste - gab sich mit den richtigen Leuten ab, soweit ich das bisher einschätzen konnte. Mehr brauchte der perfekte Mann für mich eigentlich nicht.
"Sag mal ... Sehen wir uns wieder?", rief ich in Richtung Bad, in dem sich Kai gerade befinden musste, denn ich hörte einen Föhn. Anscheinend war er aufgestanden, während ich noch geschlafen hatte. Oh Gott, hoffentlich hatte ich nicht gesabbert!
"Was hast du gesagt?", fragte er und schaltete den Föhn ab. Ich hörte, wie er den Stecker rauszog. Gleich würde ich ihn wieder in seiner vollen Pracht und Männlichkeit vor mir stehen sehen. Es kribbelte in mir. Als Kai den Raum betrat, zuckte ich zusammen.
"Wie siehst du denn aus?", empörte ich mich lautstark. Das konnte nicht Kai sein! Er trug absolut uncoole Klamotten; eine Hose, die ihm bestimmt bis zu den Brustwarzen reichte, Sandalen mit Socken und ein kariertes Hemd. Außerdem hatte er die totale Nerd-Brille auf. Und seine Haare, die mich gestern so angetörnt hatten, hatte er zu einer Topffrisur geföhnt. Er sah aus wie die schlanke Version von Angela Merkel! Und jetzt lachte er auch noch und sah dabei noch schlimmer aus.
"Gestern hatten mich ein paar Bekannte gestylt, das hatten die mir zum Abitur geschenkt. Bist du enttäuscht?", gab er von sich. Ich war so angewidert, ich brachte keinen Ton mehr hervor. So schnell ich konnte, schnappte ich mir meine Sachen und verließ das Hotelzimmer. So etwas Peinliches war mir noch nie passiert.