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Verarbeitung eines Regens

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23.06.2003
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Verarbeitung eines Regens

Es war gegen fünf Uhr morgens, gerade eben waren wir eingeschlafen zwischen leeren Weinflaschen, glimmenden Zigarettenstummeln und Essensresten, draußen fiel der Regen mit beruhigender Melodie. Ich lag zwischen ihr und der Couch. Gedanken hielten mich hellwach, es war immer das Gleiche nach solchen Nächten: ich fand keinen Schlaf.
Und dann kam ein leises Rascheln von ihr, das klang auch ziemlich wach. Im Halbdunkel erahnte ich die Umrisse ihres Gesichtes, ihren Mund mit den nur halbgeschlossenen, vollen Lippen, ihre runde Nase, ihre weichen Wangen und das leuchtende Weiß ihrer geöffneten Augen.
Kannst du auch nicht schlafen?, fragte sie leise und vor Schreck antwortete ich irgendwas Unbestimmtes, irgendwas Grummelndes in ihre Richtung, aber knapp über ihren Kopf hinweg. Und sie rutschte näher an mich ran, legte ihre Hand auf mein Gesicht, wartete. Draußen fiel der Regen schwerer und eindringlicher. Ich drückte meine Stirn langsam an ihre Finger und in einer sanften Kurve glitt die ganze Hand von meinem Ohr über die Nase auf den Boden. Sie sagte einfach nur: Komm mal mit. Dann setzte sie sich auf und zog die Decke über ihren nackten Körper, wickelte sich ein und stand und wartete auf mich.
Wir gingen aus der Wohnung durch einen dunklen Flur, sie zog mich an ihren kleinen Händen hinter sich her, und dann standen wir im Garten, im Regen, in der milden Dämmerung, abgeschottet von der Stadt, von den Menschen, von der ganzen Welt. Irgendwie fühlte sich das alles wie das Zentrum des Universums an. Wir legten uns einfach ins füllige Gras und drückten unsere Körper aneinander, warteten wieder, diesmal zu zweit.
Bis zum Sonnenaufgang lagen wir da im Garten, schliefen miteinander, warteten und empfingen dabei dieses ganz spezielle Gemüt, was oft kommt, wenn man zu zweit als ein Mensch wartet.

Ich habe schon lange nichts mehr von ihr gehört, jetzt lebe ich in einer anderen Stadt und denke kaum noch an sie, nur wenn es regnet, stelle ich mich manchmal raus und warte ein bisschen, aber da kommt irgendwie nichts zustande. Jetzt regnet es schon wieder, aber es hat keinen Zweck mehr, darum musste ich das jetzt einmal aufschreiben.

 

Hallo Parabel,

ich finde deine Idee und die inhaltliche Umsetzung echt klasse. Das ist für mich wahre Romantik, Melancholie in Reinform (und was anderes soll Romantik sein?).

Es gibt sicherlich noch ein paar Mängel, wie die eine oder andere etwas holprige Formulierung. Von der Länge her bin ich mir unsicher, ob man das nicht hätte etwas ausbauen können. Es verfliegt zu leicht. Vielleicht ist das aber auch in deinem Sinne. Bedenkt man die Situation eines Regens in stiller Erinnerung an lang Vergangenes, kommen nur bestimmte Details wieder hoch, die einem im Sinn geblieben sind. Worte können da manchmal nicht alles ausdrücken, was man sich vorstellt und ausdrücken will. Sowieso sind Emotionen viel mehr, als Worte je darstellen könnten.

Ich will nur ein paar Formulierungen zitieren, die ich etwas ändern würde, damit das ganze etwas glatter und weniger gewollt erscheint.

gerade eben waren wir eingeschlafen
steht im Widerspruch zum Wachliegen.

draußen fiel der Regen mit beruhigender Melodie
Ich würde versuchen den Satz etwas flüssiger zu gestalten, von mir aus ausladender, aber nicht in einer reinen Attributierung durch "mit".

Und dann kam ein leises Rascheln von ihr
In dem Fall würde ich den Satz wirklich nicht mit einer Konjunktion beginnen. Die Formulierung "kam" finde ich etwas simpel.

das klang auch ziemlich wach
Das klingt ein wenig wie ein Märchen. "Na Kinder, und denkt euch, das klang doch auch ziemlich wach." ;) Als müsstest du mit deinen Formulierungen sehr zart an die schwachen Nerven und die ungerichtete Aufmerksamkeitsgabe der Leserschaft herantreten.
Stört ein wenig die Stimmung.

vor Schreck antwortete ich irgendwas Unbestimmtes
Ähnlich dem vorigen Quote, es wirkt weniger wie ein Schwelgen, stört ein wenig die Melancholie der Verarbeitung. Es klingt etwas barsch.

irgendwas Unbestimmtes, irgendwas
Wortwiederholung - muss nicht sein.

Und sie rutschte näher an mich ran

wickelte sich ein und stand und wartete auf mich.
Generell in der Alltagssprache inflationär gebrauchte Wörter wie : und, machen, tun, sehen, gehen und dergleichen mehr können literarisch viel differenzierter betrachtet werden. Es wird dir sehr helfen, diesen Gedanken in dein Handwerk zu übernehmen.

dieses ganz spezielle Gemüt, was oft kommt, wenn man zu zweit als ein Mensch wartet.
Problematische Formulierung. Der letzte Teilsatz ist einer dieser idealistischen Gedanken, die ich sehr schön finde. Er verliert allerdings erheblich an Stimmung durch die Einleitung im ersten Nebensatz, sowie durch die Wiederholung des Wortes "warten". (siehe oben) Es ist mir bewusst, dass trotz dem das Warten eine zentrale Bedeutung hat.

Jetzt regnet es schon wieder, aber es hat keinen Zweck mehr, darum musste ich das jetzt einmal aufschreiben.
Etwas zusammenhangslos. Es ist klar, was gemeint ist, ließe sich aber besser formulieren.

Es würde sich sicher lohnen den Text dahingehend noch ein wenig zu überarbeiten.

Trotzdem, ich fand´s wirklich gut. Deine literarische Zielsetzung (idealisiert) kann ich nur befürworten. Ich hoffe auf mehr von dir und bin gespannt. ;>


liebe Grüße,
fallen

 
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Hallo Parabel,

Schöne Erinnerungen für einen Dritten so zu erzählen, dass dieser das nachspüren kann, ist gerade bei Beziehungsgeschichten eine Herausforderung.

Ich konnte bei deinem Text nicht nachvollziehen, was das mit dem Warten auf sich hat, also auf was gewartet wird.

Eher unglückliche Formulierungen hat fallen schon erwähnt, die sind mir auch störend aufgefallen.


Irgendwie fühlte sich das alles wie das Zentrum des Universums an.

Irgendwie ist irgendwie ziemlich so ungefähr ;)

ganz spezielle Gemüt, was oft kommt, wenn man zu zweit als ein Mensch wartet.

das spezielle Gemüt hätte ich gerne von dir geschildert bekommen


Ich habe schon lange nichts mehr von ihr gehört, jetzt lebe ich in einer anderen Stadt und denke kaum noch an sie, nur wenn es regnet stelle ich mich manchmal raus und warte ein bisschen,

Komma nach regnet


dieser obere Teil des Satzes gefällt mir gut, aber der Ausdruck

aber da kommt irgendwie nichts zustande

finde ich unpassend. Du willst doch sagen, dass sich in dir nichts rührt oder du gerne die Stimmung von damals erspüren würdest, oder?


.Jetzt regnet es schon wieder, aber es hat keinen Zweck mehr, darum musste ich das jetzt einmal aufschreiben.

das Fettgedruckte würde ich entweder ganz weglassen (du änderst die Sicht vom Prot zum Autor) oder so in den Text einbinden, dass klar ist, dass es sich um den Prot handelt, der schreibt.


Die kleine Geschichte hat was von der Handlung, aber für mich noch nichts, wie sie präsentiert wird.
Mir fehlen noch ein bisschen Hinweise dazu, was diese Erinnerung ausmacht, dass sie dem Prot auch später noch so wichtig ist.

Und noch zuletzt: Der Titel wirkt auf mich sehr wissenschaftlich für den Inhalt der Geschichte.

Lieber Gruß
ber

 

Parabel

manchmaL sind wirkungen ja ganz verschieden. eindrücke davon, was simpel und "viel zu alltäglich" klingt. warum habt ihr denn etwas gegen das wort irgendwie? irgendwie muss doch ein wort dafür exitieren, dass etwas irgendwie ist, irgendwie nicht in worte zu fassen, irgendwie seltsa, und irgendwie eigentlich auch nicht.

der titel ist das, was die geschichte eben ist. sie ist eine verarbeitung. punkt.

masas

 

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