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Verarbeitung eines Regens
Es war gegen fünf Uhr morgens, gerade eben waren wir eingeschlafen zwischen leeren Weinflaschen, glimmenden Zigarettenstummeln und Essensresten, draußen fiel der Regen mit beruhigender Melodie. Ich lag zwischen ihr und der Couch. Gedanken hielten mich hellwach, es war immer das Gleiche nach solchen Nächten: ich fand keinen Schlaf.
Und dann kam ein leises Rascheln von ihr, das klang auch ziemlich wach. Im Halbdunkel erahnte ich die Umrisse ihres Gesichtes, ihren Mund mit den nur halbgeschlossenen, vollen Lippen, ihre runde Nase, ihre weichen Wangen und das leuchtende Weiß ihrer geöffneten Augen.
Kannst du auch nicht schlafen?, fragte sie leise und vor Schreck antwortete ich irgendwas Unbestimmtes, irgendwas Grummelndes in ihre Richtung, aber knapp über ihren Kopf hinweg. Und sie rutschte näher an mich ran, legte ihre Hand auf mein Gesicht, wartete. Draußen fiel der Regen schwerer und eindringlicher. Ich drückte meine Stirn langsam an ihre Finger und in einer sanften Kurve glitt die ganze Hand von meinem Ohr über die Nase auf den Boden. Sie sagte einfach nur: Komm mal mit. Dann setzte sie sich auf und zog die Decke über ihren nackten Körper, wickelte sich ein und stand und wartete auf mich.
Wir gingen aus der Wohnung durch einen dunklen Flur, sie zog mich an ihren kleinen Händen hinter sich her, und dann standen wir im Garten, im Regen, in der milden Dämmerung, abgeschottet von der Stadt, von den Menschen, von der ganzen Welt. Irgendwie fühlte sich das alles wie das Zentrum des Universums an. Wir legten uns einfach ins füllige Gras und drückten unsere Körper aneinander, warteten wieder, diesmal zu zweit.
Bis zum Sonnenaufgang lagen wir da im Garten, schliefen miteinander, warteten und empfingen dabei dieses ganz spezielle Gemüt, was oft kommt, wenn man zu zweit als ein Mensch wartet.
Ich habe schon lange nichts mehr von ihr gehört, jetzt lebe ich in einer anderen Stadt und denke kaum noch an sie, nur wenn es regnet, stelle ich mich manchmal raus und warte ein bisschen, aber da kommt irgendwie nichts zustande. Jetzt regnet es schon wieder, aber es hat keinen Zweck mehr, darum musste ich das jetzt einmal aufschreiben.