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Verblasst
Langsam droht das Echo deines Lachens sich im bunten Wirrwarr meiner Gedanken zu verlieren. Nur noch leise findet es manchmal den Weg zwischen dem lauten Fernseher und dem allzu stillen Waldweg zu mir. So unklar geistert es durch meinen Kopf, dass ich schon nicht mehr ganz sicher bin, ob es denn das deine, oder das eines ganz anderen ist. Dein Bild sehe ich noch vor mir, doch die Farben sind verblasst, schwarz-weiß, schemenhaft, immer unklarer, bald nur noch Konturen. Wie riechst du? Ich weiss es nicht mehr. Habe ich es je gewusst? Habe ich deinen Geruch je wahrgenommen? Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen wie du warst, wie du bist. Doch vor mir sehe ich nur ein gestaltlose Figur, höre nur ein leises Rauschen, kann dich nicht verstehen. Tränen laufen über meine Wangen. Ich halte meine Augen fest geschlossen und verachte mich selbst. Ich habe dich belogen. Du, die du alles für mich warst. Ich habe meinen Eid gebrochen. Ich sehe die Bilder von dir an, und du scheinst mir eine Fremde zu sein. Ich berühre sie liebevoll mit den Fingern, streiche über dein Gesicht, doch nichts vermag dich zum Leben zu erwecken. Ich werde dich nie vergessen, das habe ich dir geschworen. Was passiert mit mir, wenn ich sterbe, hast du mich oft gefragt, ist das schlimm?. Ich habe dir immer wieder gesagt, dass nur dein Körper stirbt, du aber für immer weiterleben wirst, in den Erinnerungen anderer. Ich habe dich in den Arm genommen und dich liebevoll angelächelt. Ich habe dich belächelt. Dieses kleine Kind, das sich so viele Gedanken über den Tod machte. Ich fand dich so niedlich, wie du vor mir saßt und mich mit großen Augen angesehen hast. Immer wieder hast du dich selbst gemalt. Dich auf einem Pferd, dich als Prinzessin, dich mit mir. Und ich sehe diese Bilder an und werde unendlich traurig. Traurig weil du nicht mehr bei mir bist und traurig, weil ich dich belogen habe. Traurig über das, was ich bin. Eine schlechte Mutter, eine Mutter, die nicht mehr weiß, wie ihre Kleine roch, wie genau sie aussah, wie sie klang.
Alle Fotos von dir sind verbrannt. Alles hat mir das Feuer genommen. Dich und alles was deine Existenz bestätigt. Nur diese wenigen bunten mit Filzstift gemalten Bilder von dir hat es mir gelassen. Sie sind alles was mir noch hilft, dich nicht ganz zu vergessen, und ich schäme mich so uendlich dafür.
Sie sitzt in ihren weißen Kittel in einem Schaukelstuhl, apathisch wippt sie vor und zurück, zwischen den Fingern hält sie verkrampft die bunten Bilder die sie gemalt hat. Tränen tropfen auf die Zeichnungen und lassen den Filzstift verlaufen. Immr mehr Tränen lassen das Bild immer unwirklicher, unschärfer erscheinen. Sehnsüchtig warten wir alle auf den Tag, da es nur noch Papiere mit bunten Farbklecksen sein werden und sie endlich vergessen wird, was nie existierte.