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Verderbt
Er hatte seine Lilly betrogen. Betrogen mit dieser billigen Schlampe.
Jetzt wollte er nur noch vergessen, es ungeschehen machen. Doch ihr eklig süßes Parfüm saß ihm noch in der Nase. Es haftete an seinem ganzen Körper und stieg ihm zu Kopf. Seine Kleidung hatte es aufgesogen, wie er ihren Anblick in sich aufgesogen hatte. Jetzt blieb er kaum mehr Herr seines Ekels.
Sie hat mich verzaubert, diese Hexe. Mit ihrem Parfüm hat sie mich verhext!
Als er sich ins Bad geschlichen hatte, riss er sich die Klamotten vom Leib. Oh, wie sie stanken, er kämpfte mit dem Würgreiz. Wo konnte er sie verstecken, das Lilly sie nicht fand? Sie mussten weg. Lilly konnte jeden Augenblick aufwachen.
Er warf die Klamotten aus dem Fenster. Aber der süßliche Geruch ließ sich nicht aussperren. Nein, es waren nicht nur die Klamotten. Er selbst stank. Er roch an seinen Händen. Verdammt, sie hatte ihn überall berührt. So wie er sie von innen besudelt hatte, hatte sie ihn von außen besudelt.
Er packte sich einen Schwamm und seifte sich hektisch ab. Nach der Dusche roch er noch immer. Jetzt fiel ihm das Wort ein, das die ganze Zeit über unheilsschwanger am Rande seines Bewusstseins gelauert hatte: Verwesung. Ihm haftete der süßliche Geruch der Verwesung an.
Er packte sich einen Kratzschwamm und schrubbte wie ein Besessener. Es war diese weiße Haut, erkannte er jetzt. Ja, die Haut war es, die stank. Diese Hure hatte seine Haut vergiftet. Sie musste weg. Er rieb mit dem Kratzschwamm bis die weiße Haut sich erst rosa, dann rot färbte. Und weiter rieb er, rieb, bis sie nasses Fleisch gebar. Und selbst dann konnte er nicht stoppen. Es war einfach zuviel der unreinen Haut. Sie umgab ihn wie eine faulende Schale, umhüllte ihn wie die Kutte eines Leprakranken. Er spürte, wie das Gift der Sünde tiefer in ihn eindrang, wie es ihn komplett zu verseuchen trachtete.
Er schrubbte noch wilder, seine Tränen mischten sich mit seinem Blut. Ihm schien, als badete er in Feuer. Jede neue Bewegung mit dem Schwamm ließ weitere Flammen seine Haut verzehren. Doch er konnte nicht aufhören, er durfte nicht aufhören. Er wusste, dass dies die reinigenden Flammen der Erlösung waren, nur sie konnten den Makel der Sünde von ihm brennen.
Zitternd besah er sein Werk im Spiegel. Sein Körper war komplett in reinigendes Rot getaucht, er hatte es beinahe geschafft.
Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse des Triumphes.
Sein Spiegelbild verzog höhnisch die Lippen. So leicht kannst du dich nicht reinwaschen, schienen sie ihm zuzuwispern. Es waren nicht länger seine Lippen, wurde ihm gewahr. Es waren ihre Lippen. Es war ihr triumphierendes Lächeln, das sein Gesicht verunstaltete. Seine Lippen waren es, die am gierigsten vom Gift der Schlange getrunken hatten, die den Nektar der Verderbnis in sich aufgesogen hatten, als wäre es das Elixier des Lebens. Doch es war die Essenz des Todes, die er nun in sich trug. Alles, was er mit diesen Lippen berühren würde, würde vom Verfall infiziert werden.
Der Mund im Spiegel grinste verächtlich. Dachtest du wirklich, die Sünde des Fleisches wäre so leicht zu sühnen? Mit einem heulenden Aufschrei zerschlug er den Spiegel. Das Bersten des Glases klang wie helles Gelächter. Die Scherben schnitten tief in sein nacktes Fleisch, doch er nahm den Schmerz nicht wahr.
Kaltes Entsetzen lähmte jedes Schmerzgefühl, kühlte selbst die Flammen seines gegeißelten Körpers.
Aus dem Scherbenmeer fing er Blicke spöttisch blinzelnder Augen auf. Lüsterne Augen, in denen das Verderben funkelte.
Er zertrat die Spiegelsplitter, zerschnitt seine Füße, badete die Trümmer in nasses Rot. Doch er erreichte nur, dass ihn mehr Augen anstarrten. Mit jedem Tritt, der seine Füße weiter verstümmelte, brachte er mehr Scherben hervor. Jedes Klirren war ein abfälliges Kichern, ein neues Auge, das ihn tiefer in den Wahnsinn trieb.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn in seinem panischen Tun innehalten.
„Was machst du da drin?“ Lillys Stimme klang alarmiert.
„Was riecht hier so komisch? Mach doch bitte auf!“ Sie klopfte und rüttelte an der Tür. Er spürte ihre Angst.
Na los, mach die Tür auf, zeige ihr die Wunder, die ich dich gelehrt habe!
Nein, er durfte Lilly so nicht gegenübertreten. Er würde sie mit seinem Blick verderben. Sein Fleisch war vielleicht geläutert, aber in seinen Augen lauerte eine schändliche Gier, die nur darauf wartete, sich auf ein Opfer zu werfen, um es zu verderben; so, wie der Blick der Satansbuhlerin auch ihn eingefangen und verdorben hatte. Nein, er musste sein Werk vollenden, auch noch die letzte Sünde aus sich schälen.
„Mit wem redest du, mach doch bitte die Tür auf!“ Lilly schien das Unheil zu spüren, ihre Stimme überschlug sich fast.
Mit bluttriefenden Fingern nahm er die Klinge aus dem Nassrasierer.