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Verderbt

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19.02.2006
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Verderbt

Er hatte seine Lilly betrogen. Betrogen mit dieser billigen Schlampe.
Jetzt wollte er nur noch vergessen, es ungeschehen machen. Doch ihr eklig süßes Parfüm saß ihm noch in der Nase. Es haftete an seinem ganzen Körper und stieg ihm zu Kopf. Seine Kleidung hatte es aufgesogen, wie er ihren Anblick in sich aufgesogen hatte. Jetzt blieb er kaum mehr Herr seines Ekels.
Sie hat mich verzaubert, diese Hexe. Mit ihrem Parfüm hat sie mich verhext!
Als er sich ins Bad geschlichen hatte, riss er sich die Klamotten vom Leib. Oh, wie sie stanken, er kämpfte mit dem Würgreiz. Wo konnte er sie verstecken, das Lilly sie nicht fand? Sie mussten weg. Lilly konnte jeden Augenblick aufwachen.
Er warf die Klamotten aus dem Fenster. Aber der süßliche Geruch ließ sich nicht aussperren. Nein, es waren nicht nur die Klamotten. Er selbst stank. Er roch an seinen Händen. Verdammt, sie hatte ihn überall berührt. So wie er sie von innen besudelt hatte, hatte sie ihn von außen besudelt.
Er packte sich einen Schwamm und seifte sich hektisch ab. Nach der Dusche roch er noch immer. Jetzt fiel ihm das Wort ein, das die ganze Zeit über unheilsschwanger am Rande seines Bewusstseins gelauert hatte: Verwesung. Ihm haftete der süßliche Geruch der Verwesung an.
Er packte sich einen Kratzschwamm und schrubbte wie ein Besessener. Es war diese weiße Haut, erkannte er jetzt. Ja, die Haut war es, die stank. Diese Hure hatte seine Haut vergiftet. Sie musste weg. Er rieb mit dem Kratzschwamm bis die weiße Haut sich erst rosa, dann rot färbte. Und weiter rieb er, rieb, bis sie nasses Fleisch gebar. Und selbst dann konnte er nicht stoppen. Es war einfach zuviel der unreinen Haut. Sie umgab ihn wie eine faulende Schale, umhüllte ihn wie die Kutte eines Leprakranken. Er spürte, wie das Gift der Sünde tiefer in ihn eindrang, wie es ihn komplett zu verseuchen trachtete.
Er schrubbte noch wilder, seine Tränen mischten sich mit seinem Blut. Ihm schien, als badete er in Feuer. Jede neue Bewegung mit dem Schwamm ließ weitere Flammen seine Haut verzehren. Doch er konnte nicht aufhören, er durfte nicht aufhören. Er wusste, dass dies die reinigenden Flammen der Erlösung waren, nur sie konnten den Makel der Sünde von ihm brennen.
Zitternd besah er sein Werk im Spiegel. Sein Körper war komplett in reinigendes Rot getaucht, er hatte es beinahe geschafft.
Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse des Triumphes.
Sein Spiegelbild verzog höhnisch die Lippen. So leicht kannst du dich nicht reinwaschen, schienen sie ihm zuzuwispern. Es waren nicht länger seine Lippen, wurde ihm gewahr. Es waren ihre Lippen. Es war ihr triumphierendes Lächeln, das sein Gesicht verunstaltete. Seine Lippen waren es, die am gierigsten vom Gift der Schlange getrunken hatten, die den Nektar der Verderbnis in sich aufgesogen hatten, als wäre es das Elixier des Lebens. Doch es war die Essenz des Todes, die er nun in sich trug. Alles, was er mit diesen Lippen berühren würde, würde vom Verfall infiziert werden.
Der Mund im Spiegel grinste verächtlich. Dachtest du wirklich, die Sünde des Fleisches wäre so leicht zu sühnen? Mit einem heulenden Aufschrei zerschlug er den Spiegel. Das Bersten des Glases klang wie helles Gelächter. Die Scherben schnitten tief in sein nacktes Fleisch, doch er nahm den Schmerz nicht wahr.
Kaltes Entsetzen lähmte jedes Schmerzgefühl, kühlte selbst die Flammen seines gegeißelten Körpers.
Aus dem Scherbenmeer fing er Blicke spöttisch blinzelnder Augen auf. Lüsterne Augen, in denen das Verderben funkelte.
Er zertrat die Spiegelsplitter, zerschnitt seine Füße, badete die Trümmer in nasses Rot. Doch er erreichte nur, dass ihn mehr Augen anstarrten. Mit jedem Tritt, der seine Füße weiter verstümmelte, brachte er mehr Scherben hervor. Jedes Klirren war ein abfälliges Kichern, ein neues Auge, das ihn tiefer in den Wahnsinn trieb.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn in seinem panischen Tun innehalten.
„Was machst du da drin?“ Lillys Stimme klang alarmiert.
„Was riecht hier so komisch? Mach doch bitte auf!“ Sie klopfte und rüttelte an der Tür. Er spürte ihre Angst.
Na los, mach die Tür auf, zeige ihr die Wunder, die ich dich gelehrt habe!
Nein, er durfte Lilly so nicht gegenübertreten. Er würde sie mit seinem Blick verderben. Sein Fleisch war vielleicht geläutert, aber in seinen Augen lauerte eine schändliche Gier, die nur darauf wartete, sich auf ein Opfer zu werfen, um es zu verderben; so, wie der Blick der Satansbuhlerin auch ihn eingefangen und verdorben hatte. Nein, er musste sein Werk vollenden, auch noch die letzte Sünde aus sich schälen.
„Mit wem redest du, mach doch bitte die Tür auf!“ Lilly schien das Unheil zu spüren, ihre Stimme überschlug sich fast.
Mit bluttriefenden Fingern nahm er die Klinge aus dem Nassrasierer.

 

Danke Wood, dass du meine Geshcichte als die gar erste in der Horrosparte unter die Lupe nimmst. Und dann auch noch so wohlwollend. :D
Danke für deine Auseinandersetzung, aber ich muss gestehen, dass ich Überlegungen die kg auszubauen nicht ernsthaft erwäge. Das sollte ein Quickie sein und und nicht mehr. Natürlich verstehe ich deinen Einwand, aber so würde es eine andre Geschichte werden, nicht das, woran ich mich mal versucht habe. Wie gesagt, eigentlich entstand die Geshcichte mal für Thema des Monats Horrorquickies. Beim nächsten Mal gibt es dann etwas mehr epische Breite, okay? ;)

schön, dass sie dir trotzdem gefallen hat

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo weltenläufer!

Auch, wenn die Geschichte ein Quickie sein soll, würde ich vorne noch einen Absatz einfügen, in dem Du dem Leser den Protagonisten näherbringst. Vielleicht einen kurzen Einblick in seine Gedanken, die er auf dem Heimweg hat, wie das eben Erlebte noch nachwirkt, aber zugleich das schlechte Gewissen aufsteigt (ohne dem er ja gar nicht beginnen würde, so zu schrubben). – Das aber nur als Beispiel, vielleicht hast Du ja eine bessere Idee.
Denn so, wie jetzt, »kenne« ich ihn nicht, wodurch mich sein Tun nicht sonderlich berührt und als Horror zumindest für mich nicht funktioniert – vor allem auch deshalb, weil er sich das alles ja nur selbst antut, er also für niemand anderen eine Bedrohung ist.

Eine andere Möglichkeit wäre sicher auch, wenn Du Lilly ein bisschen mehr einbringst. Wie wäre es, wenn sie parallel dazu überlegt, wie sie ihm einen Seitensprung ihrerseits gestehen soll, sodaß der Leser dem Protagonisten zurufen möchte, daß das doch alles gar nicht notwendig ist, weil sie einander nichts schuldig sind, da sie dasselbe getan hat wie er?

Ansonsten finde ich Deine Beschreibungen großteils recht gut, nur eben die Nähe zum Protagonisten fehlt mir, damit sie richtig wirken können.
Damit sie dann nicht zu lang wird, könntest Du auf jeden Fall noch an einigen Stellen kürzen, ohne der Handlung etwas zu nehmen.

Hm, ja, das mit dem Reiben der Haut, »bis sie nasses Fleisch gebar« – also ich kann Dir aus meiner Erfahrungsschatzkiste berichten, daß das gar nicht so einfach geht, wie es in Deiner Geschichte klingt.
Da wollte mal ein Typ, der bei einem Freund in der WG wohnte, einen Mofaunfall vortäuschen und sich zu diesem Zweck sein Knie mit Schotter blutig reiben. Er arbeitete nicht allein, drei andere halfen ihm abwechselnd dabei, aber selbst nach irgendwas zwischen ein und zwei Stunden gelang es ihnen nicht. Außer Kratzern, aus denen nicht mehr als zwei Tropfen Blut austraten, brachten sie nichts zustande.
Ich würde Dir da zu einem Griff in die Werkzeugkiste raten – grobes Schleifpapier auf den Schwingschleifer … der erzeugt zwar zusätzlich Lärm, aber das macht nichts, er hört Lilly ja erst, wenn er das Ding abstellt.

Und noch die Reste:

»Wo konnte er sie verstecken, das Lilly sie nicht fand?«
– dass

»Jetzt fiel ihm das Wort ein, dass die ganze Zeit …«
– das

»… über unheilsschwanger am Rande seines Bewusstseins gelauert hatte: Verwesung. Ihm haftete der süßliche Geruch der Verwesung an.«
– den letzten Satz würde ich streichen

»Er packte sich einen Kratzschwamm und schrubbte wie ein Besessener.«
– öhm, vielleicht »Sisalhandschuh« oder so? Sowas ist ja eigentlich auch nicht zum Kratzen, sondern sollte mehr die Durchblutung anregen. ;)

»Es war diese weiße Haut, erkannte er jetzt. Ja, die Haut war es, die stank.«
– was hat die Farbe mit dem Gestank zu tun? Würde statt »diese weiße« einfach nur »seine« schreiben, dann wiederholt sich »weiß« auch nicht bei »bis die weiße Haut sich erst rosa, dann rot färbte«, wo es ja wesentlich besser wirkt.

»Sein Körper war komplett in reinigendes Rot getaucht,«
– »getaucht« wäre, wenn er in dem Rot gebadet hätte, so jedoch kam es ja aus ihm selbst heraus. Und warum verwendest Du eigentlich nie »Blut«? Ich fände es direkt besser als so abstrakt wie »reinigendes Rot«.

»kühlte selbst die Flammen seines gegeißelten Körpers.«
– »gegeißelten« finde ich nicht ganz passend, »seines geschundenen Körpers« fände ich besser.

»Aus dem Scherbenmeer blinzelten ihn spöttisch Augen an.«
– auch ich bin über den Satz gestolpert; entweder würde ich »spöttisch« und »Augen« vertauschen, oder ihn ganz anders formulieren, z. B.: »Aus dem Scherbenmeer fing er Blicke spöttisch blinzelnder Augen auf« oder »… blickten ihn Augen spöttisch blinzelnd an.«

»badete die Trümmer in nasses Rot.«
– baden kann er sie nur »in nassem Rot« oder »in seinem Blut«, aber Du könntest auch das oben vielleicht gestrichene »tauchte« statt »badete« einsetzen, dann stimmt »in nasses Rot« wieder.

»Mit triefenden Fingern griff er nach dem Nassrasierer.«
– also ich stand vorher auch auf der Leitung bei der Pointe, aber beim Lesen der Kritiken hab ich es kapiert ;-), weshalb ich nun auch meinen Vorschlag anbringe:
»Mit bluttriefenden Fingern nahm er die Klinge aus dem Nassrasierer.«

Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Hi weltenläufer.

Ich gebe mal einfach meine Eindrücke wieder, die ich beim Lesen empfand:

Er hatte seine Lilly betrogen. Betrogen mit dieser billigen Schlampe.
Jetzt wollte er nur noch vergessen, es ungeschehen machen.
Der Einstieg gefällt mir persönlich nicht so, er ist mir einfach zu ... ich nenn es mal belanglos (zu simpel oder linear, ginge auch). Natürlich ist sowas Geschmacksache, aber ich persönlich finde, dass ein Einstieg das A und O einer Geschichte ist. Hab mal gebastelt um es zu verdeutlichen:

"Er wollte vergessen, alles ungeschehen machen. Weg, einfach nicht mehr da sein. Gäbe es eine Möglichkeit, würde er sich augenblicklich die Gedanken aus dem Schädel reißen. Ihr eklig süßes Parfüm saß ihm noch in der Nase. Es haftete an seinem ganzen Körper und stieg ihm zu Kopf. Seine Kleidung hatte es aufgesogen, wie er ihren Anblick in sich aufgesogen hatte. Jetzt blieb er kaum mehr Herr seines Ekels.
Warum hatte er sie betrogen? Seine Lilly. Mit dieser billigen Schlampe.
Sie hat mich verzaubert, diese Hexe. Mit ihrem Parfüm hat sie mich verhext!
Als er sich ins Bad geschlichen hatte, riss er sich die Klamotten vom Leib. Oh, wie sie stanken, er kämpfte mit dem Würgreiz. Wo konnte er sie verstecken, das Lilly sie nicht fand? Sie mussten weg. Lilly konnte jeden Augenblick aufwachen."

Steig ruhig direkt ins Geschehen ein, aber verrate nicht sofort alles.

So wie er sie von innen besudelt hatte, hatte sie ihn von außen besudelt.
Sehr guter Vergleich!

Er packte sich einen Kratzschwamm und schrubbte wie ein Besessener. Es war diese weiße Haut, erkannte er jetzt.
Ab hier wirds vorhersehbar, was aber nicht unbedingt schlimm ist, denn du kompensierst es sehr gut durch deine Sprache.

Diese Hure hatte seine Haut vergiftet.
Hier fehlt mir ein wenig der Hintergrund. Ich meine, er muss ja für diese Frau mal was empfunden haben, irgendwas halt. Warum redet er jetzt so extrem abwertend?

Und weiter rieb er, rieb, bis sie nasses Fleisch gebar.
Hehe ... bei sowas lacht das Salemherz :D

Er spürte, wie das Gift der Sünde tiefer in ihn eindrang, wie es ihn komplett zu verseuchen trachtete.
Auch hier fehlt mir Hintergrund. Diese Sprache gehört mehr einem Geistlichen. Ist er einer?

Jede neue Bewegung mit dem Schwamm ließ weitere Flammen seine Haut verzehren.
Sehr schön umschrieben!

Er wusste, dass dies die reinigenden Flammen der Erlösung waren, nur sie konnten den Makel der Sünde von ihm brennen.
siehe oben

So leicht kannst du dich nicht reinwaschen, schienen sie ihm zuzuwispern.
Warum bleibst du hier im Bereich der Möglichkeit? Lass sein Spiegelbild doch "wirklich" wispern. Lass sich seine Lippen bewegen, lass ihn ihre Stimme hören. Benutze wörtliche Rede:
"So leicht kannst du dich nicht reinwaschen!"
Er fuhr zurück, starrte auf diese Lippen, dich nicht seine waren, und die ihn jetzt triumphierend anstarrten.
Und es waren dennoch jene Lippen, mit denen er vom Gift der Schlange getrunken hatten, die den Nektar der Verderbnis in sich aufgesogen hatten, als wäre es das Elixier des Lebens.

Dachtest du wirklich, die Sünde des Fleisches wäre so leicht zu sühnen?
Auch hier. Warum nicht wörtliche Rede? Gerade die wR macht eine Geschichte lebendig.

Kaltes Entsetzen lähmte jedes Schmerzgefühl
Solche Floskeln sind selbst mir zu abgedroschen :D
Vielleicht sieht er, wie sich eine Scherbe unter seinen Fingernagel schiebt, wie die Fingerkuppe geteilt wird und den bleichen Knochen freilegt ...
Verstehste? Dann kann der Leser die Gefühle des Prot nachvollziehen.


Mit bluttriefenden Fingern nahm er die Klinge aus dem Nassrasierer.
Ein schöner Abschluss.

So, hoffe, das Ganze klingt jetzt nicht nach Verriss, denn insgesamt hat mir deine Geschichte gefallen. Ein Quickie halt. Und die Anmerkungen entsprechen auch lediglich meinen Empfindungen.

Gruß! Salem

 

Hallo Häferl,

nachdem meine erste Antwort irgendwo verschollen ist, ein (verspäteter) zweiter Versuch. Also, ersteinmal danke für deine wie immer sehr anregende Kritik. Einige von dir angesprochene Dinge habe ich prompt übernommen, so auch das Ende. Kommt jetzt wirklich besser, bin überzeugt.
Die Sache mit dem Abschleifen der Haut ist natürlich krass, so wie du das schilderst, aber wir sind ja hier beim homo fictus ;)

Hallo Salem

einen großen Dank an dich, dass du dich meines Horror-Versuches angenommen hast.
Insbesondere dein "Eindruck", mit dem EInstieg der Geshcichte hat mich gleich beim ersten Lesen überzeugt. Ich denke, das werde ich größtenteils übernehmen, wenn´s recht ist...
Man merkt wirklich, dass du hier zuhause bist...

Was die Sache mit dem Bereich des Möglichen angeht, da will ich aber lieber dort bleiben. Wäre mir sonst irgendwie zu festgezurrt. Wollte es dem Leser überlassen, ob da wirklich etwas ist und spricht oder nicht. Deswegen auch zu Ende die Andeutung mit den Stimmen. Es bleibt ungewiss, ob es eine oder zwei Stimmen sind.

Danke nochmal fürs Lesen und kritisieren an euch beide. Habt mir weitergeholfen, obwohl ich mit der Kg eigentlich schon abgeschlossen hatte.

grüßlichst
weltenläufer

 

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