Verfolgt
Verfolgt
Gespenstisch der Schatten an der Wand. Wie ein höhnischer Dämon verfolgt er mich bei meinem ziellosen Lauf. Ein stechender Schmerz durchzuckt mich, als ich abrupt stoppe und mich in eine zu enge, zu feuchte Nische zwänge. Weit entfernt ihre schweren Schritte, doch sie kommen immer näher. Näher zu mir. Und mit ihnen der Tod, eingehüllt in die bedrückende Dunkelheit. Kaltes Wasser rinnt mir in den Nacken und über mein verzerrtes Gesicht und vermischt sich mit Schweiss und salzigen Tränen. Vor mir immer das gleiche Szenario: Viele Köpfe, aus deren Hälse Blut und Eiter quillt. Viel Blut. Sein Geruch ist in meinen Kleidern hängengeblieben, bin nun von einer Wolke süsslichem Gestank umgeben.
Die Schatten formen sich um im fahlen Schein der Kerze. Sie flackert. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis ich von der vollkommenen Schwärze verschluckt bin. Dann wird es warm sein. Meine Hände zittern, ich schaue an mir herab. Schmutzige Lumpen hängen an meinem dürren Körper herunter, da und dort ist Blut. Lumpen. Auch er war in Lumpen gekleidet. Dieser Lump. Denke an seine Berührungen. Kann sie nicht vergessen, sie schmerzen. Erinnere mich auch an seine Küsse, die wie Brandmale höllisch brennen. Ich versuche, im schwachen Schein der Kerze meine Hände zu betrachten. Dort, wo die Fesseln waren, sind jetzt rote Striemen. Rot wie die Geschmeide aus Rubinen, die meine Pianistenhände früher schmückten. Nun ruht der schwere Schmuck auf des Flusses modrigen Grund. Denke daran, wie sie im Schein des Feldfeuers mit den Sternen um die Wette funkelten in jener Nacht. Jene Nacht, in der er... Nicht daran denken. Es schmerzt zu sehr. Liebe ihn immer noch zu sehr.
Von ihren hallenden Schritten werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Sie kommen immer näher. Adrenalin schiesst in meine Adern, das Blut rauscht in meinen Ohren. Bilde mir ein, ihren schweren Atem zu hören, ihr Gestank wahrnehmen zu können. Bald werden sie mich gefunden haben, diese Bluthunde. Dann wird es aus sein. Er wird meiner Hinrichtung mit Vergnügen beiwohnen, das weiss ich mit Gewissheit. Er.
Keinen Ausweg aus den unterirdischen Gängen, keine Rettung für die hilflos Verstrickten im Netz der Liebe und Lügen. Habe Angst.
Nun kann ich nicht anders, ich muss die nach Sauerstoff lechzende Kerze auslöschen. Schwach puste ich sie aus, nun bin ich von einer feuchten Dunkelheit umgeben. Weiss, dass sie in kurzer Zeit hier sein werden, kann den Schein ihrer Kerzen erkennen. Bin nun völlig allein.
Ich muss mich noch weiter in die Nische drücken, doch es geht nicht. Kann Wasser nun nicht mehr von den Tränen unterscheiden, sie haben sich zu meinem letzten Trank vermischt. Ich bin ratlos, ganz allein. Doch es gibt vielleicht eine Variante, damit ich so beschämend das Erdreich verlasse. Denke fest nach, konzentriere mich, so gut es geht.
Alles muss sehr schnell gehen. Jetzt höre ich ihren Atem, vor Schreck hab ich den Kerzenstummel fallen lassen. Sie sind jetzt bei mir, rieche ihren Gestank.
Greife an seine Hüfte, er ist verwirrt und stockt. Mit fahrigen Bewegungen taste ich seinen Gürtel ab, nachdem ich dem anderen einen Tritt in den Schritt verpasst habe.
Habe gefunden, was ich wollte. Seine Lenden wissen nun auch, wie sich das Knie eines panischen Menschen anfühlt.
Die Flamme ihrer Kerzen spiegelt sich in der glänzenden Klinge des Dolches. Sie kamen eben wieder etwas benommen zu sich, starren mich ungläubig an. Hab die Waffe hoch erhoben, gegen meine Brust gerichtet. Werfe ihnen noch einen huldvollen Blick zu, und die Klinge saust auf mich herab. Sie bohrt sich einen Weg in mein edles Fleisch, ich sacke zusammen. Kann meine Augen nicht mehr offen halten, entspanne mich komplett.
Fühle mich leicht, eine unglaubliche Wärme senkt sich auf mich herab.