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Vergeben

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09.03.2008
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Vergeben

Rambo, Biancas Schäferhund, war spurlos verschwunden. Was Bianca nicht wusste: Ihr Vater, Tomas Neumann, hatte Rambo einschläfern lassen. Biancas Kopf hing herunter, während sie durch die Wohnungsräume ging. Ihr Vater stolperte plötzlich in den Korridor, keuchte. Tomas hatte ein paar Krombacher hinuntergespült.
„Der kommt nicht mehr!”, lallte er.
„Das kannst du doch gar nicht wissen!”, schrillte sie.
Er ließ die Krombacherdose fallen. Das Bier quoll heraus, breitete sich auf dem Korridorboden aus. Er taumelte zur Toilette. Bianca zielte auf seinen Kopf, warf die Dose nach ihm. Traf!
„Woher willst du das wissen!”, schrie sie.
Bianca donnerte mit ihrer Faust gegen die Toilettentür. Aber er hielt seinen Mund geschlossen. Dann war es vierzehn Uhr. Sie musste im Pizza&Ice kellnern. Sie knallte die Wohnungstür zu. Es klang wie ein Schuss.

Anfangs herrschte im Pizza&Ice eine höllische Geräuschkulisse: Ein paar Kunden riefen nach der Rechnung, ein paar wollten endlich ihre Bestellung aufgeben. Bianca dachte manchmal: Sie bestellen nicht, sie hetzen!
Die unruhige Bianca kam auf den fettwanstigen Herrn Kluska zu (später sollte er den Entschluss fassen, Bianca zu ermorden), sie trug einen gigantischen Erdbeerbecher auf dem Serviertablett. In Bianca loderte eine bestialische Wut, sie fühlte sich von ihrem Vater hintergangen. Was hatte er mit Rambo gemacht? Gleichzeitig hatte sie Angst, etwas Unvernünftiges zu tun. Vielleicht würde sie gleich jemandem den Eisbecher ins Gesicht kippen!
Zu Herrn Kluskas Bestürzung hielt sie an. Die Kellnerin warf ihren Hintern schwungvoll auf einen Kundenstuhl, ihr Löffel tauchte in das herrlich cremige Eis.
Niemand brachte Herrn Kluska um sein Essen!
„Das wird dir noch Leid tun", schmollte er.
Biancas Löffel klimperte.
„Mmm!”, schwärmte sie verträumt.
Aus der Küche hörten die stillen Pizza&Ice-Kunden die quietschenden Sohlen des Chefkochs Luigi, der Pizzateige knetete, der Wind of change pfiff. Luigi übte sich in bester Laune. Es war sein Einstand als Chefkoch, es galt Stammkunden einzufahren. Dabei wollte sich Luigi Luca von Signore Pinto distanzieren - jener war gewissermaßen sein Mentor in Padua gewesen. Signore Pinto hatte immer auf brutale Weise Gunst erlangt.
Luigi betätigte die Glocke, das Zeichen für Bianca, dass die Pizza zur Abholung bereitstand. Plötzlich hörte er auf zu pfeifen. Warum ist es so still?, fragte er sich. Schnellen Schrittes kam er in den Speisesaal.
„Bianca?”
Er entdeckte seine Kellnerin an einem Kundentisch, sein Brustkorb blähte sich auf.

Luigi hatte als Zwölfjähriger aus seinem Kinderzimmerfenster beobachtet, wie Signore Pinto seine Ehefrau Nadine anbrüllte.
„Vecchia scema!”
Signore Pinto packte Nadine grob am Unterarm. Aber Nadine stieß ihn rebellisch weg.
„Tongo ignorante!”, begehrte sie auf.
„Faccia di culo!“, schimpfte sie.
„Vecchia scema!”, schrie Signore Pinto.
Er holte aus, klatschte ihr eine. Auf ihrer Wange war sein kompletter Handabdruck zu erkennen. Ihr Ohr blutete. Luigi war wütend auf Nadine. Sie wurde oft geschlagen. Doch statt davonzulaufen, blieb sie bei ihm.
„Stronzo. Faccia di culo! Pezzo di … cornuto! Figlio di puttana”, schluchzte sie.
Luigi tauchte schnell ab, hielt sich die Ohren zu. In dem Moment hasste Luigi Signora Nadine abgrundtief.
„Halt doch bloß deine Klappe”, schluchzte er, „dann tut er dir nichts!”
Fünf Minuten später traute er sich wieder, aus dem Fenster zu gucken. Aber Signore Pinto und seine Senora Nadine waren verschwunden. Vielleicht vertragen sie sich wieder, dachte der kleine Luigi. Dann entdeckte er die riesige Blutlache auf dem Asphalt. Plötzlich polterte es an der Kinderzimmerdecke.
„Hilfe!”, stieß der kleine Luigi blass aus. „Mami, Hilfe!”
Er sprang auf sein Bett, warf die Decke über sich, stand Todesängste aus. Seine Knie ließen die Chipstüte erknistern. Irrtümlicherweise dachte er, es handele sich um ein Erdbeben. Immer wieder kam Putz von oben herunter. Die Decke würde ihm gleich auf den Kopf fallen.
„Amore!”, rief igenore Pinto. Dann Nadines verrücktes Stöhnen im Takt:
„Ah, bono! Ah, bono!”
Luigi warf die Decke weg. Er spürte: Etwas regte sich in seiner Hose. Er wusste noch nicht warum. Doch davor hatte er keine Angst. Er hatte Angst, die schnellen Schritte seines Vaters im Korridor zu hören, jener würde hereinplatzen, ihn erwischen. Von solchen verbotenen Sachen hatte er noch nichts zu wissen.
„Sei la donna dei miei sogni!”, lechzte Signore Pinto. Sie stöhnte noch lauter.
Luigis Unterhose war feucht gewesen am nächsten Morgen.

Das war mein erster Schuss, dachte er belustigt. Natürlich war der zweiunddreißigjährige Luigi von Signore Pinto überwältigt, so ergiebig, wie dessen Art war. Aber der heutige Ladenbesitzer schämte sich dafür, dass er von Signore Pinto fasziniert war, und er stritt es mit aller Gewalt ab, denn er spürte, wie fasziniert er davon war! Nicht ohne Grund hatte er vor einem Jahr Padua verlassen und war nach Deutschland gekommen. Er hatte gehofft, der Ortswechsel werde einen anderen Menschen aus ihm machen. In Deutschland durfte er die Frauen niemals so behandeln, wie er das in den letzten dreißig Jahren à la Signore Pinto gemacht hatte.
„In Deutschland darfst du die Frauen nicht körperlich drangsalieren!”, hatte ihm seine Tante geraten. Und in der Tat fühlten sich die hiesigen Frauen von Luigi angemessen behandelt. Manche Frauen waren sogar angetan von Luigi. Deutschland schien genau der richtige Ort, um ein neuer Mensch zu werden.

„Du bist gefeuert!”, brüllte er die sitzende Kellnerin an.
„Raus, du Schlampe!”, schrie er. „Raus!”
Aus seiner Hose ragte plötzlich eine große Beule. Starr blickte er an sich hinunter.
„Was - was ist das denn!”
Luigi sah auf, als erhoffe er sich von jemandem eine Antwort. Panisch ergriffen die Frauen die Flucht. Luigis Gesicht verfinsterte sich plötzlich. Die Monsterrolle kränkte ihn. Schließlich wollte er sie nicht vergewaltigen.
„Das verstehe ich einfach nicht!”, rief er den dagebliebenen Männern vorwurfsvoll zu. Sie verstanden Luigi auch nicht. Mit fluchendem Gemurmel stampfte Luigi zum Telefon. Er wählte die Nummer der Polizei.
„Ich möchte, dass Sie meine Kellnerin verhaften!“, forderte er die Beamtin am anderen Ende auf. „Sie vergrault die Kunden!“
Er hörte zu, atmete gehetzt.
„Dann eben nicht. Scheissbullen!“, brüllte Luigi.
Ein Schäferhund tapste über die Fliesen auf Bianca zu.
„Rambo!”, rief Bianca.
Ihr Vater stand an der Tür. Er hatte einen neuen Hund gekauft. Er sah Rambo verdammt ähnlich. Sie fuhr ihm durchs Fell. Plötzlich biss er in ihre Hand, Blut quoll heraus. Sie fühlte einen unendlichen Schmerz.
„Hier sind Hunde verboten!”, rief Luigi.
„Aah!”, schrie er plötzlich. Der Hund hatte zwischen seinen Beinen zugelangt.
„Das ist nicht Rambo.”, folgerte Bianca mit starren Augen und lief ins Bad.
Ihr Vater lief davon, wirbelte ein Staubwolke hinter sich auf. Der Schäferhund stürmte aus dem Laden hinterher. Sie würde es weitererzählen. Nun standen die Dinge klar. Tomas Neumann hatte sie belogen. Er wollte ihr weismachen, dass ein fremder Schäferhund ihr Rambo war. Ein Hund, der sich am Phallus eines Paduaners vergriffen hatte, von seiner Tochter ganz zu schweigen. Von all den Hunden im Heim, warum hatte er ausgerechnet diesen bekommen?

Tomas sprintete ein Weilchen.
Aber ich bin doch ein guter Vater! Wieviele Vater-Tochter-Gespräche hatten wir, in denen ich ihr die Augen geöffnet habe? Ja, nicht alle Männer sind hinterhältige Tiere! Manchen Männern darf man trauen. Anderen wiederum nicht. Ich bin ihr Verbündeter!

Währenddessen bremste ein Polizeiwagen direkt vor dem Pizza&Ice. Die Vordertür sprang auf, Robert Rosenbloom warf sich hinter die Verschanzung. Kieselsteine prasselten gegen die Tür (Rosenbloom war beeinflusst von US-amerikanischen Actionhelden). Er zielte auf den davonrennenden Mann, schoss. Die anderen drei Polizisten blieben im Wagen sitzen. Sie würden Rosenbloom nicht abhalten. Sie wollten ihn den entscheidenden Fehler machen lassen. Es hatte etwas Befriedigendes, dem Niedergang eines Arbeitskollegen zuzusehen.
Der Pistolenschuss riss knapp über Herrn Neumann ein Stück Eiche weg.
Herr Neumann verlangsamte. Er erstarrte fast zu einer Litfaßsäule. Der Vater konnte es nicht fassen: So weit ging seine Tochter also! Er hatte geglaubt, sie zu kennen. Doch eines Tages stellt man plötzlich fest: Ausgerechnet die eigene Tochter ist das größte Miststück von allen!
„Ein Amokläufer ist durch den Wald unterwegs!”, schlug der Bulle Alarm, während er hinterherlief. Die anderen Polizisten traten in die Eisdiele. Sie standen an der Tür und drückten ihre Daumen in ihre Gürtel. Sie lächelten ein wenig.
„War das Luigi - ”, fragte der Polizist lächelnd und deutete nach draußen, „- dem unser Kollege vorhin nachgelaufen ist?”
„Ich bin Luigi!”, sagte Luigi.
„Sie haben vor schätzungsweise zehn Minuten unsere Kollegin beleidigt!”, meinte ein Polizist.
„Es ist nicht gestattet, unsere Arbeitskollegen zu beleidigen!”, rief Herman, der zweite Polizist.
„Scheissbullen haben Sie gesagt!”
Luigi schwieg. In seiner Hose regte sich was. Er würde sich seinen gottverdammten Schwanz gleich abreißen! Er hielt das Messer an seinen Phallus. Die Polizisten sahen Luigi zu.
Herman bekam das zunächst nur halb mit. Er hatte einen Blick auf die mollige, zornige Frau geworfen, die auf drei Uhr saß (irrtümlicherweise hielt er Herrn Kluska für eine Frau). Sicher kamen seine Arbeitskollegen als potentielle Konkurrenten in Frage. Aber Herman wusste: Sie verabscheuten dicke Frauen. Die frivolen Gespräche, die er fast täglich mit ihnen führte, verschafften ihm Gewißheit. Also blieb da nur noch der Ladenbesitzer, doch was machte der Ladenbesitzer da? Hermans Herz sprang vor Wonne.
Luigi war über sich selbst enttäuscht, denn sein Projekt, ein neuer Mensch zu werden, war gescheitert. Luigi wollte einfach nur, dass man sich um ihn sorgte.
„Herr Luca … bitte! Legen Sie das Messer weg!”
„Bleiben Sie weg, sonst …”
Als keine Reaktion von den Polizisten kam, dachte Luigi zuerst, sie hätten sich schon davongemacht. Er sah auf. Schweigend sahen sie ihn an. Der linke Bulle lauerte gar darauf, daß Luigi sich selbst verstümmelte.
„Los, mach schon - Schneid ihn ab!”, schien er ihm sagen zu wollen.
Das Messer polterte auf dem Boden. Wie grausam Menschen doch sein konnten.
Während Herman, in einer Coolness gefangen, neben Herrn Kluska stand (stets darauf bedacht, zu imponieren), starrte Herr Kluska auf die Waffe im Halfter. In seinem Gesicht spiegelten sich böse Gedanken wider. Er war nassgeschwitzt. Im nächsten Augenblick hielt Herr Kluska die Waffe unter dem Tisch und wartete, dass Bianca aus der Toilette kam.

„Mist! Gottverdammter!”
Herr Neumann lief durch den Wald. Er hatte Angst. Er lief auf die Lichtung zu. Rechts schossen die Bäume an ihm vorbei. Wieder erschallte ein Pistolenschuss! Als Bianca die Schüsse hörte, kam sie aus der Toilette gerannt. Luigis sanfte Lippen bildeten eine harte Mauer. Eine Kugel verfolgte Herrn Neumann, sauste an seinem Kopf vorbei, riss ein Stück Ohr mit.
„Was sind das für Schüsse?”, fragte Bianca.
„Ein Amokläufer!”, antwortete der Herman relaxed.
Herr Neumann hatte noch niemals in seinem Leben so eine Angst gehabt. Plötzlich fuhr eine Kugel in seinen Hinterkopf.
„Sie sind gerade dabei, deinen Vater abzuknallen”, sagte Luigi matt.
„Was!”, schrie Bianca - überhaupt nicht mehr die Vaterhasserin. Nun war sie wie verwandelt. Sie hatte Angst um ihren Vater. Tränen liefen ihr die Wangen hinab. Sie stellte sich vor, wie ihren Vater plötzlich die Kugel traf, wie er mit einer Starre in den Augen auf dem Boden lag, während aus seinem Hinterkopf das Hirn floss. Sie heulte. Herman versuchte Rosenbloom per Funk zu erreichen.
„Rosenbloom! Rosenbloom! Rosenbloom!”
„Ja!”
„Was ist da los!”
Herr Neumann war genau vor Rosenbloom, stand mitten in einer dunklen Waldgegend. Er taumelte, während Rosenbloom die Waffe auf ihn richtete.
„Dieser Mann ist unschuldig! Er hat … nichts getan! Dieser Mann ist unschuldig!”, rief Herman.
Rosenbloom ließ die Waffe sinken.

Herr Neumann wusste, dass er tödlich verwundet war. Doch er wollte es nicht akzeptieren. Er hatte den durchgeknallten Bullen abgehängt. Endlich hatte er Gelegenheit, über das Verhältnis zu seiner Tochter nachzudenken. Bianca würde es nicht weitererzählen, hoffte er. Was hatte er vor einer Woche erst auf dem Glückskeksbanner gelesen?

Ein bisschen Zuversicht und Glaube würde Ihnen gut stehen

Dann hatte seine Tochter etwas gesagt, das ihn zum Nachdenken gebracht hatte.
„Ja, das stimmt.”
Ermunternd hatte sie ihm dann den Arm auf die Schulter gelegt. Das hatte ihn gerührt. Und was war mit dem Pistolenschuss?
Sie würde sich nicht auf die guten Qualitäten ihres Vaters besinnen. Er hörte sie schon tratschen:
„Habt ihr gehört, von meinem Scheissvater? Er hat Rambo umgebracht! Und im Keller lässt er zehn weitere Hunde verenden!“
Der Vater war empört. Sein Denken war blockiert.
„Ein Chihuahua liegt da angekettet, ein Beagle, ein Rhodesian Ridgeback, ein Schäferhund …! Seine Perversion ... strotzt nur so vor Vielfalt!”, lästerte sie.
„Das ist doch gar nicht wahr!“, rief Tomas.
Manchmal spukte ihm seine Tochter im Kopf rum, manchmal brachte sie ihn aus der Fassung. Sein Geist kam jetzt auf Hochtouren.
„Ich mag Schäferhunde!”, verteidigte er sich. „Was meinst du, warum ich Kommissar Rex gucke!”
Für ihn war dieses Argument der ultimative Beweis, dass er Hunde mochte. Die Worte echoten durch den Wald. Plötzlich erkannte er, wo er war, errötete. Er sah sich panisch um, hatte ihn auch niemand beobachtet? Er würde sich schämen, würde ihn jemand dabei beobachtet haben.
Es ist ja auch blöd!, dachte er, ging mit sich ins Gericht.
Alles ist blöd. Was zählt, ist, was sie wirklich gesagt hat!

Rosenbloom war voller Vorurteile gewesen, hätte den Mann beinahe erschossen, hatte nun ein schlechtes Gewissen, als er ihn von einem Baum aus beobachtete.
Schon der Anblick! Der Mann blutete am rechten Ohr. Am Hinterkopf blutete er auch. An seinem T-Shirt lief eine alarmierend rote Spur nach unten. Im Inneren hatte Rosenbloom wohl auch was angerichtet. Der Mann glaubte tatsächlich, er spreche mit jemandem - aber da war niemand!
„Ich mag Schäferhunde! Was meinst du, warum ich Kommissar Rex gucke!”
Der Mann sah sich um. Rosenbloom ging in Deckung. Hatte er ihn gesehen?
Nachdem er sich beruhigt hatte, beschäftigte Rosenbloom etwas anderes: Er kannte Kommissar Rex und, ganz offen gestanden, fand diese Serie einfach nur albern! Die Macher stilisierten einen Hund zu einem Actionhelden. Jack Bauer, der konnte als Actionheld durchgehen, oder Michael Scofield, Jack Shephard, Rambo, auch wenn der eher zu den Klassikern zählte. Aber doch nicht Kommissar Rex! Rosenbloom sah sich auf den Plan gerufen, den anderen eines besseren zu belehren. Plötzlich stimmte ihn die Geschmacklosigkeit des Schäferhundbewunderers wütend.
Bei dir haben wohl sämtliche Hirnfunktionen ausgesetzt!, dachte er.
Plötzlich fiel ihm ein, dass es etwas mit dem Schuss zu tun haben könnte. In dem Moment packte ihn das Gewissen wieder, so sehr, dass er bereit war, von seinen Prinzipien abzuweichen.
„Guck ruhig Kommissar Rex … ich wäre auch bereit, mit dir eine Folge zu gucken.”

Aber würde es seine Tochter weitererzählen, wenn er für sie sein Leben riskierte? Der Bulle wütete irgendwo im Wald herum. Auf jeden Fall wollte der Gesetzeshüter ihn hinrichten. Und er, Tomas Neumann, kam wieder auf die Eis- und Pizzadiele zu! Seine Arme waren ausgestreckt und seine Augen geschlossen. In seiner Hand hielt er den Schlüsselbund fest, der auf den ersten Blick wie eine gebündelte Gebetskette aussah. Er murmelte, er schien zu beten. Und er blutete. Tomas Neumann wirkte wie ein bedingungsloser Gläubiger.
Seine Tochter erblickte ihn. Sie dachte, sie sollte ihm in die Arme laufen. Sie fühlte einen Druck. Was wollte er von ihr? Dass sie ihm das letzte Mal in die Arme gelaufen war, war schon ein Weilchen her. Und inzwischen hatte sie sich an die leichte Arroganz ihres Vaters gewöhnt.

Die Polizisten beförderten gerade Luigi in den Polizeiwagen. Plötzlich sahen sie den Flüchtling aus dem Wald herauskommen. Sofort danach kam Rosenbloom. Er war friedlich gestimmt, demütig! War allem Anschein nach einer religiösen Gehirnwäsche unterzogen worden, auf Liebe und Frieden programmiert, dachten die Polizisten.
Rosenbloom stieg zu den Polizisten ins Auto.
Der Vater kam der Eisdiele immer näher. Bianca war bewegt, stand auf. Aber Herr Kluska lenkte sie ab, starrte sie grunzend an. Unter seinem Tisch zog er den Abzug. Bianca guckte ihn an, wölbte ihre Wangen, glich einem Frosch. Er war beleidigt, zwängte die bedrohliche Waffe in seinen Gurt. Er kam ächzend auf die Beine, der Stuhl erhob sich mit!, Herr Kluska grunzte, lief durch die klingelnde Ausgangstür.
Plötzlich wurde es ganz still.
Draußen erschallte der Laut des ultimativen Gekränktseins. Die Polizisten beobachteten den Dicken, links bebte er an ihnen vorbei. Der Stuhl hing hintendran.
Rosenbloom dachte: Würde Herman mir befehlen, es mit der fetten Frau zu treiben, ich würde es auf der Stelle tun, obwohl ich dicke Frauen verabscheue. Ich würde es in einem Akt totaler Selbstaufopferung tun. Ja, ich würde sogar Selbstmord begehen, würden sie es mir befehlen (tatsächlich war dies das einzige, das sie in dem Augenblick noch hätte vertrösten können).
Herr Kluska bebte auf Herrn Neumann zu. Herr Neumann öffnete die Augen, sprang reflexartig zur Seite. Er hatte sein Leben für sie riskiert, seine Motive waren edel gewesen! Und was machte sie stattdessen?
„Und hier ist meine perverse Vielfalt!”, rief sie in seinem Kopf, verschwärzte sein Herz, rief es wieder und wieder.
„Und hier ist meine perverse Vielfalt!”

Doch Bianca dachte nichts von alledem. Bianca hatte erkannt, dass sie ihren Vater mehr liebte als sonst jemanden auf der Welt. Sie war froh, ihn wiederzusehen, sie hatte befürchtet, ihn zu verlieren. Sie wollte ihm zeigen: Sie liebte ihn trotz seines Rambomordes, sie liebte ihn trotz seiner ewigen Unergründbarkeit.
„Bitte, bitte … keine Schüsse!”, rief er ihr zu. „Bitte, keine überdimensionalen Geschosse mehr!”
Er merkte, dass sich die Dunkelheit über ihm ausbreitete.
„Es ist Zeit”, hörte er die Stimme in seinem Kopf. Diesmal hörte er den Tod in seinem Kopf.
„Ich werd´ mich niemals ergeben!”
Tomas wollte entscheiden, wann er ging. Tränen rannen ihm die Wange hinab. Er fiel auf die Knie. Er stellte sich vor, wie der schwarze Mann immer näherkam. Auf einem Pony. Das Pony brach plötzlich zusammen und ärgerte sich wie das HB-Männchen. Tomas lachte eine Weile.
„Bianca, ich habe etwas Furchtbares getan, ich habe Rambo einschläfern lassen! Aber lass mich erklären. Er war todkrank … Er quälte sich nur. Ich hatte nichts gegen Rambo.”
Was ihr Vater dann sagte, versetzte Bianca in einen surrealen Alptraum:
„Ich liebe Kommissar Rex."
Plötzlich fiel er nach vorne. Er sah sie das letzte Mal lebend an.
„Und ich liebe dich!”
Er sackte zusammen und wiegte sich mit einem Abschlusslied in den ewigen Schlaf -

„Seasons don't fear the reaper
Nor do the wind,
the sun or the rain.
We can be like they are.“

- während der mächtige Mann in Schwarz über ihm wachte.

 
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Hi Quinn,

Selbstverständlich lag es mir fern unhöflich gegenüber dem Leser zu sein - nun... Geschmäcker sind unterschiedlich. Doch ich finde es schön, dass du dir die Geschichte dennoch durchgelesen. " Unfassbar stümperhaft" nun ja nun ja das ist dann immer so ne Sache.
Eins werde ich auf jeden Fall deinen konstruktiven Teil ziehe ich heraus - der schon anlehnt an das, was manch einer zu dieser Geschichte bemerkt hat - ich hoffe ich kriege das in der kommenden Geschichte gebacken [...]* hoffe, ich werde Lesern, auch denen imponieren können, die nicht besonders davon angetan waren!

Grüsse
Arkadius

 
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Hi shineorrain,

doch, das ist witzig! Als ich vor Wochen zum erstenmal in diese Geschichte hineingelesen habe, dachte ich ebenfalls: Anfänger! Du machst lauter Sachen, von denen es heißt, dass man sie nicht machen soll. Etwa:

„Mmm!”, schwärmte sie verträumt.
Das ist laut Stephen King ganz übel. ;) Auch "... schrillte sie" geht gar nicht.

Nach ein paar euphorischen Antworten und Kritiken, die weniger euphorisch waren, hab ich mir die Geschichte nochmal angesehen und fand den ersten Absatz comicartig toll. Da steckt viel Schuld und Schmerz drin. :) Und es ist schauderhaft überzeichnet und gerade deshalb mal was anderes...

Einer der Gründe, warum Kunst in unserer Gesellschaft wichtig ist, besteht ja darin, dass sie uns zeigt, wie manches auch anders gehen könnte. Regeln sind wichtig und sie erleichtern das ganze zwischenmenschliche Zeug, aber viele sind eben doch bloße Konvention. Wenn ich in einem Text ein paar originelle Gedanken entdecke oder mal richtig lachen kann, ist das schon sehr viel.

Zurück zum ersten Absatz: Das mit dem Bier fand ich lustig. Das "schrillte sie" klingt nach Trash. Ist das beabsichtigt? Den Absatz würde ich nach "er hielt seinen Mund geschlossen" machen. Das andere gehört ja schon zur Kellnerei. Dass Bianca plötzlich "die Kellnerin" ist, finde ich ungeschickt formuliert.

Und dann wieder der Pizzateig knetende Luigi, der Wind of change pfeift und an Padua denkt, die Rückblende, der Streit, die Ohrfeige. Das ist GENIAL! Die ausufernde Geschichte, die dann folgt, habe ich gleichzeitig entsetzt und fasziniert gelesen. Das ist so haarsträubend und überzeichnet, dass es irgendwie geil ist. Drei oder vier Geschichten von dieser Sorte könnte ich nicht lesen.

Meine Lieblingsstelle ist das hier:

Rosenbloom war voller Vorurteile gewesen, hätte den Mann beinahe erschossen, hatte nun ein schlechtes Gewissen, als er ihn von einem Baum aus beobachtete.
Der Mann sitzt auf einem Baum. :D Göttlich!

Auch das Ende, wo Neumann in den Armen seiner Tochter krepiert. So muss das sein! :) Irgendwie erinnert mich all das an das Theaterstück im Theaterstück in "Ein Sommernachtstraum", wo die Schauspieler ein albernes Stück auf die Bühne bringen, mit einem Darsteller als Wand - und dann ist es plötzlich Shakespeare.

Wie ich diese Geschichte in einem Jahr finden werde, hängt sicher davon ab, was Du sonst noch schreiben wirst. Heute hab ich sie gern gelesen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hi Berg,

danke für deinen Kommentar. Schön, dass dir die Geschichte "heute" gefallen hat. Ich werde möglichstes daran setzen, dass die Geschichten bereits vom ersten Moment an beeindrucken. Irgendwie ist der Anschein und das haben vor dir viele bemerkt nicht sehr einladend - dass man eben zu dem Schluss kommt "Anfänger" Aber du hast mich noch mal bestärkt darin daran zu arbeiten
Danke

Arkadius

 

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